Familiengeschichte des Wilhelm Fubel
Vorwort
Schon vor vielen Jahren kam ich auf den Gedanken, eine Familiengeschichte niederzuschreiben. Es entstand so eine Schilderung des Lebens und Werdens unserer Familie in einzelnen Bildern, deren Untergrund die ermittelten feststehendenden familiengeschichtlichen Daten, deren Rahm die überlieferte Heimat- und Zeitgeschichte waren.
Ich nehme an, daß diese Darstellung, die allerdings nur einzelne einfache Vorgänge bringt, vor allem für die Mitglieder unseres Geschlechts von Interesse sein wird.
Dann dürfte sie ihren Zweck erfüllen und dazu beitragen, den Sinn für die Familie und unsere schöne Heimat, sowie das Zusammengehörigkeitsgefühl zu wecken.
Stettin, den 17. Oktober 1941
Wilhelm Fubel
Das Geschlecht der Fubel
Nach einer alten Überlieferung sollen die Fubel aus Holland stammen. Ob es sich hierbei um ein bloßes Gerede handelt, das darauf zurückzuführen ist, dass irgendjemand irgendeinmal eine dahingehende Vermutung ausgesprochen hat, vom Hörer dann als unumstößliche Tatsache aufgenommen oder zu als eine solche umgedeutet und an die jüngere Generation weitergegeben ist, konnte bisher nicht erwiesen werden, jedenfalls wird die holländische Herkunft des Stammes behauptet. Vielleicht handelt es sich hier um eine Einzeleinwanderung, die zu allen Zeiten von Holland aus auf deutsches Gebiet erfolgt ist.
Die Mehrzahl dieser Nachkommen setzte sich aus märkischen und vorpommerschen Jägern zusammen. Sie waren ein gesundes und äußerst stattliches Geschlecht, die Männer von hervorragender körperlicher Kraft und Gewandtheit; es waren Menschen, die fest in der Heimaterde standen, aufrichtig treu, pflichtbewußt und mit dem höchsten Stolze, das, was sie sich erschaffen hatten, nur gewonnen war durch eigene Kraft!
Als ältester Stammvater ist bekannt der Revierjäger Christian Fubel geboren um 1697/1702, dessen Söhne in der Uckermark und auf der Insel Usedom nachgewiesen werde. Von diesen und den weiteren Nachkommen sind zum Teil ausführliche Nachrichten vorhanden und wiedergegeben.
Das Geschlecht blüht Jahrhunderte in der Uckermark und Pommern. Diese Vorfahren waren zwar keine großen Persönlichkeiten, aber sie waren überall dabei, sie halfen überall mit, wo es um Deutschland ging. Sie bebauten dessen Boden, sie schlugen dessen Schlachten, sie trieben dessen Handwerke, sie schufen mit an dessen Kultur. Sie waren der Geschichte und dem Schicksal zuinnerst verbunden. Sie stritten mit, sie litten mit! Völkische Ideen und Ziele zogen sie in ihren Bann, stärkten ihr Wollen. Sie wirkten stolz beim Werden ihres Staates.
Die untadelige persönliche Lebensführung der Söhne, die im Vaterhause gelernte Zucht, der dort geübte Fleiß, die durch Überlieferung gesteigerte Vaterlandsliebe und Königstreue, die soldatischen Haltung, alles das entsprach dem Wesen der Fubel.
Der in Pommern auf der Insel Usedom in Zinnowitz begründete Stamm geht von dem Königlichen Oberförster Caspar Friedrich Fubel, geboren am 26. September 1743 in Steglitz UM, aus, der im Jahre 1775 zum königlichen Förster in Zinnowitz ernannt wurde und infolgedessen aus der Uckermark nach Zinnowitz übersiedelte. Aus diesem Stande, oft bedroht von Wind und Wetter, oft verheert durch wechselnde Kriegsstürme, hat sich hier an der alten Heerstraße zwischen Vor- und Ostpommern unmittelbar an der Ostsee ein zähes Geschlecht schlecht und recht durchgerungen, irdische Güter sind gekommen und gegangen, das Herz ist aber am alten Fleck geblieben.
W. Fubel
Regierungsinspektor
Stettin
Zeppelin Prom. 6
Das Wappen der Fubel
Wie oft hört man von Stammesangehörigen die Frage: „Haben wir denn eigentlich kein Wappen?“
Viele werden nun sagen, so große Tiere waren unsere Vorfahren dann doch nicht. Deutsch bis in die Knochen, gewiß. Aber ein Wappen, nein. Also, auch das älteste Wappen ist irgendwann einmal zuerst geführt worden. Das war damals selbstverständlich, weil eben die Sitte lebte.
So ein äußeres Zeichen des Zusammenhaltens zeugt vom Sinn, von der Würde, von dem Geschichtsbewußtsein seiner Träger. Eine beglückende Ruhe und Reife atmet so ein Blatt, das stetig von Ahn zu Ahn den Reigen mitmacht, den einmal der Tod mit uns allen tanzt.
Das Wappen belegt sippenkundlich die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Geschlecht. Die Fähigkeit, ein Wappen zu führen, liegt aber keineswegs nur bei bestimmten Ständen und durchaus nicht etwa nur beim Adel.
Auch unser Geschlecht hat schon früher ein Wappen mit der Adelskrone geführt. Nach den bisherigen Ermittelungen ist es wahrscheinlich auch von dem Hauptmann v. Fubel geführt worden, der im dreißigjährigen Krieg (1628) vor Stralsund unter dem General von Arnim gefallen ist.
Später haben dann die Fubel, aus irgendeinem Grunde, den Adel abgelegt. Als letzter Wappenträger konnte der Apotheker Karl Wilhelm Robert Fubel (gestorben 1860 zu Berlin) ermittelt werden, der es wohl schon von seinem Vater, dem Bürgermeister zu Strausberg, Johann Wilhelm Matthias Fubel (geb. 5.12.1778, gest. 6.8.1855) übernommen hat. Es befand sich in dem Nachlaß der im Jahre 1918 zu Hamburg verstorbenen Tochter Karoline Friederike Marie Fubel und zwar auf einer alten kostbaren Tasse in handgemalter künstlerischer Ausführung, die ein in Hamburg lebender Fubel, aus der Zinnowitzer Linie, von der genannten Tochter des Apotheker Fubel geerbt hat. Die Tasse besitzt das Zeichen K.P.M., d. H. Königl. Porzellan-Manufaktur (Berlin) mit dem alten Preußischen Adler, der in der rechten Klaue einen Stab (Zepter) trägt.
W. Fubel Regierungsinspektor Stettin
Zeppelin-Prom. 6
Wappenbeschreibung
Spitzbogig geteilt, von der Mitte oben je zur Hälfte links und rechts rote Felder, in denen sich je ein goldener Ring befindet; im unteren weißen Teil des Wappens ein goldener Maueranker. Auf dem Helm über dem Helmwulst die goldene Adlerkrone, über der sich der untere Teil des Wappens mit dem Maueranker in denselben Farben wiederholt und als Abschluß im geschlossenen roten Fluge (Federn), die zwei goldenen Ringe. Der Schild selbst ist mit eine schmalen goldenen Umrahmung eingefaßt.
Wappendeutung
Im Schild befindet sich ein Maueranker, als Sippenzeichen. Die Ringe rechts und links bedeuten vor allem das Sonnenjahr. Ferner sind sie Sinnbilder des ewigen Kreislaufes. Der Ring war bereits in der älteren Steinzeit als Sonnenzeichen gebräuchlich. Der Sonnenring ist auch das Sinnbild der arischen Verlobung („in den Ring der Verwandten treten“) und Ehe. Der 4. Finger der Hand galt als Sonnenfinger („nach der Planeten-Einteilung der Hand“). Er trug und trägt bis heute als Ringfinger den goldenen Sonnenring.
Ahnen
Christian Fubel (Ahnen-Nr. 32)
Jahr und Tag, sowie der Ort seiner Geburt lassen sich mit Sicherheit nicht ermitteln. In der Sterbeurkunde im Kirchenbuch des evangel. Pfarramtes in Stegelitz Um. vom 21.11.1792 wird erwähnt, daß er „nach aller Erkundung und Berechnung verschiedener Umstände zwischen 91 und 95 Jahre alt geworden“ ist. Das Geburtsjahr wird man hiernach von 1697 bis 1702 zu suchen haben.
Nach der erwähnten Sterbeurkunde war Christian Fubel seit 1742 herrschaftlicher Schütze und Revierjäger auf dem Rittergut Stegelitz Um., Majorat der Familie von Suckow.
50 Jahre hat er hier verbracht.
Wie nachgewiesen werden konnte, waren die Fubel vom 17. Jahrhundert bis in das 19. Jahrhundert hinein eine ausgesprochene Forstbeamtenfamilie, und auch jetzt besteht in fast ununterbrochener Folge ein Stamm von Förstern aus diesem Geschlecht in der Uckermark.
Eine alte Chronik, die im Jahre 1739 -also zur Zeit Christian Fubels- im Druck erschien, gibt erschöpfende Auskunft darüber, was man damals unter einem richtigen waidgerechten Jäger verstand.
Jäger ist, so heißt es, der die Art allerlei Wildes und Waidwerkes kennt, demselben geschicktlich nachzustellen und sie zu fällen weiß. Es wird aber zu einem vollkommenen Jäger erfordert, daß er sich vor allerhand verbotenen Künsten, Aberglauben, Fluchen, Saufen, Spielen und anderen Lastern hüte, daß er eines guten und scharfen Gesichts. eines guten Gehörs, schnelle Füße, nicht gebrechlich, eines gesunden Atems, und daher laut vom Halse, dauerhaftig, wachsam, geduldig und unverdrossen, von reifem Verstande, aufmerksam, gesunder und gerader Zähne zum Blasen, hurtig und geschwinde in seinem Vornehmen, unverzagt und nicht furchtsam, eines anschlägigen und verschmitzten Kopfes, verschwiegen und treu und nicht neidisch sey, daß er Liebe zu den Hunden habe, seinen Leithund wohl zu arbeiten, und andere zu der Jagd gehörigen Hunde gehörig abzurichten weiß, wohl reiten und schwimmen könne.“
So wie man zur Hege, zur Betreuung des Tieres, aber auch zur Bekämpfung des Raubzeuges nur aufrechte und ehrenhafte, an Körper und Seele gesunde Männer gebrauchen konnte, so scharf ging man damals auch gegen die Wildfrevler vor. Das Fallenstellen und Legen von Schlingen, von Wilddieben und anderen jagdfremden Gesindel betrieben, wurde mit drakonischen Strafen geahndet. Aber auch in den Privatforsten durfte nur der Jäger, der das Handwerk recht und richtig erlernt hat, jagen. Nur die in jeder Hinsicht waidgerechte Jagd galt, denn „die Jagd ist eine so nützliche als nöthige Übung“, sagt die alte Chronik, „weil nicht nur ein Land dadurch von schädlichen reißenden Thieren befreyet oder gesäubert, das übrige Wild aber an Hirschen, Rehen, Schweinen, Hasen und Federwildpret zu gehöriger Zeit zu Nutze gebracht wird, sondern auch weil man auf solcher das Gewehr zu Pferde und zu Fuße fertig und geschickt zu gebrauchen, Hunger und Durst, Arbeit und Mühe, Hitze und Frost, Regen und Ungewitter, Wachen und andere Abmattungen stärket und abhärtet.“ Wahrhaftig, es mußten ganze Kerle gewesen sein, die damals das edle Waidwerkt betreiben durften!
Etwa 1731 schloß Christian Fubel die Ehe mit Maria Dorothea Dorenburg; ihr Geburtsdatum liegt um 1711. Dieser Ehe entsproßten zehn Kinder. Seine Gattin starb bereits vor ihm am 29. März 1789 zu Stegelitz Um. Christian Fubel selbst schloß seine müden Augen am 21. November 1792 in Stegelitz Um. Er muß eine eiserne Gesundheit besessen haben, da er nur kurz vor seinem Tode einige Monate bettlägerig krank gewesen ist. Was wenigen vergönnt ist, ein Lebensabend frei von den Beschwerden des Alters, Christian Fubel durfte sich ausgiebig dessen erfreuen.
Caspar Fubel (Ahnen-Nr. 16)
bettlägerig krank gewesen ist. Was wenigen vergönnt ist, ein Lebensabend frei von den Beschwerden des Alters, Christian Fubel durfte sich ausgiebig dessen erfreuen. Caspar Fubel. (Ahnen-Nr. 16) Caspar Friedrich Fubel wurde am 26. September 1743 zu Stegelitz (Försterei) in der Uckermark als Sohn des Revierjägers Christian Fubel und seiner Ehefrau Maria Dorothea Dorenburg geboren. Über seine früheste Jugend ist nichts bekannt; er erlernte, wie auch seine Vorfahren und Brüder, den Jägerberuf. Als blutjunger Bursche hat er später- siehe Burkhardt- die schlimmsten Jahre des Siebenjährigen Krieges mitgemacht. Nach Beendigung dieses Krieges wurde er Jäger bei einem General v. Wedell; es scheint dies der um 1712 auf dem Rittergut Göritz U/M geborene Karl Heinrich v. Wedell, der 1761-1779 preußischer Kriegsminister war, gewesen zu sein, der viele Rittergüter in der Uckermark besaß. Am 1.8.1775 erfolgte -nach Aufzeichnungen beim Preuß. Staatsarchiv in Stettin- die Ernennung zum Königlichen Förster in Zinnowitz. Aus diesem Grunde siedelte er aus der Uckermark nach Zinnowitz über und begründete somit den Zinnowitzer Stamm der Fubel. Am 13.11.1775 vermählte er sich zu Altlandsberg in erster Ehe mit Marie Louise Hagen, Tochter des Kantors zu Altlandsberg, Johannes Michael Hagen. Aus dieser Ehe sind 3 Söhne und eine Tochter hervorgegangen. Das Forstrevier Zinnowitz -etwa 60 Hufen groß- gehörte damals zum Forstamt Pudagla und bestand in schmalen Streifen von Holz (Eichen, Buchen, Kienen), in einer Länge von 15 km. Der Förster in Zinnowitz mußte Rechnung legen; unter ihm stand noch ein Holzwärter in Coserow. In Zinnowitz selbst waren zu dieser Zeit- nach Brüggemann- 8 Kolonisten, 6 Büdner, 1 Schulmeister ansässig. Später wurde Caspar Fubel zum Königlichen Oberförster ernannt. Die zweite Ehe schloß er in Zinnowitz am 26.11.1798 mit Trin Lise (Catharina Elisabeth) Dinsen, Tochter des „Mousquetiers“ im Infanterie-Regiment von Alt -Stutterheim Nr. 30, Jochem Dinse (Dinnes) und seiner Ehefrau Marie Engel zu Crummin. Zwei Söhne und eine Tochter gingen aus dieser Ehe hervor. Nach einer alten Konduitenliste aus dem Jahre 1808 war das Zinnowitzer Forstrevier, das Caspar Fubel bis zu seinem Tode betreute, 5917 Morgen groß. Sein Diensteinkommen betrug bei freier Wohnung usw. -156 Taler, 16 Gr. 6Pf. Unter Verhalten im Dienst befindet sich folgende Eintragung „recht gut. Nur wäre zu wünschen, daß derselbe eine Verbeßrung bekommt, zumal er in diesem Krieg beynahe ganz ausgezogen worden ist.“ Um 1806 bis 1813 war für Zinnowitz eine böse Zeit. Zwar fanden hier keine weltbewegenden Kämpfe statt, aber die Durchzüge, Einquartierungen und Lieferungen nahmen infolge des unglücklichen Krieges kein Ende. Soldaten aller Nationen zogen an Zinnowitz vorüber und so ist auch Caspar Fubel von den Bedrückungen dieser Zeit, wie bereits in der Konduitenliste erwähnt, nicht verschont geblieben.
Nach der Schlacht bei Jena und Auerstedt wälzte sich ein wilder Strom von Flüchtlingen auch über Wolgast-Swinemünde-Wollin nach Ostpommern. Vom 29.10. bis 3.11.1806 ging die wilde Retirade auch über Zinnowitz, hier wie überall einen erschreckenden Eindruck hinterlassend.
Besonders dem alten Oberförster Fubel ging das Unglück des Landes nahe. Stumm und starr sah der Alte, den Krückstock in der Hand und noch mit dem dicken preußischen Zopf frisiert, der dem riesigen Waidmann bis in die Kniekehle hinabreicht, an seinem Försterhause am Eingang des Dorfes die flüchtigen Truppen vorübereilen. Die Invasion der Franzosen brach dem ehrlichen Preußen, der jeden Morgen mit abgenommener Schlafmütze vor dem Bilde des großen Friederich, unter dem er doch gedient hatte, sein Gebet zu sprechen pflegte, sein patriotisches Herz. Er starb am 15.2.1810, nachdem er schon vorher bei dem Königl. Domänen-Justizamt in Pudagla sein Testament hinterlegt hatte, im vollendeten Alter von 66 Jahren an einem Herzschlag. Vor seinem Tode hatte er wohl den Wunsch ausgesprochen, mit seinen irdischen Resten kein eitles Gepräge anzustellen, sondern ihn in aller Stille beizusetzen. So fand denn auch die Bestattungsfeier am 22.2.1810 in der Crumminer Kirch ganz prunklos statt. Auf dem Friedhof in Crummin wurde er dann in Königl. Preußischer Jägeruniform beigesetzt. Der bekannte Pastor Wilhelm Meinhold, Dichter der „Bernsteinhexe“ (geb. Netzelkow 27.2.1797, gest. Charlottenburg 29.11.1851) hat dem Caspar Fubel, der sein Pate war, in seinen „Humoristischen Reisebildern von Usedom“, noch ein literarisches Denkmal gesetzt.
- Quellen-Nachweis: Staatsarchiv Stettin Rep. 12 b Titel 11 H.P. Generalia er 168 a.
- Geschichte von Zinnowitz (von Robert Burkhardt, 1909)
- Humoristische Reisebilder von Usedom von Wilhelm Meinhold 1837
- Brüggemann, Ludwig, Wilhelm: Ausführliche Beschreibung des gegenwärtigen Zustandes des Kgl. Preuß. Herzogthums Vor- u. Hinterpommern. 1779.
Humoristische Reisebilder von Usedom von Wilhelm Meinold
Stralsund, 1837
Verlag der C. Löfflerschen Buchhandlung
Seite 32
Fünftes Kapitel
Zinnowitz. Der Haarzopf des Oberförsters Fubel Das Dorf Zinnowitz, von Kolonisten bevölkert, die das hier ehemals befindliche Vorwerk gemeinschaftlich erstanden und unter sich verteilten, bietet für den Reisenden eben nichts Interessantes dar. Doch interessieren wird ihn, wie meinen Freund, die Schilderung einer Person, welche hier vor einigen und zwanzig Jahren lebte, die des alten, ehrlichen Oberförsters Fubel.
Gleich beim Eingange des Dorfes in dem bescheidenen Hause rechts, sehe ich vor dem Eckfensterchen, das auf die Straße führt, noch immer meinen alten Herren Paten stehen, und auf dem Fensterrande Knaster für meinen Vater schneiden, während ein ganzer Rudel Hunde ihm um die Füße spielt. Sein armsdicker, ungeheurer Haarzopf hängt dem riesigen Weidmann bis an die Kniekehle hinab, und da sein mutwilliges Söhnlein, mein Spielkamerad, einen Hühnerhund mit einem Dachshunde zusammenhetzt, holt er sich schweigend den curiosen haarigen Bakel über die Schultern, und versetzt damit erst dem Hühnerhund einen Hieb, daß er heulend unter den Tisch kriecht, und darauf seinem Herrn Sohn einen zweiten, daß seine Stimme noch erbärmlicher klingt, und er brüllend hinter’s Gewehrschrank läuft. Ich war mir einen dritten vermuthen, da ich gleichfalls an der Neckerei meinen redlichen Antheil genommen, allein er schonte des Gastes, und statt des Haarzopfes, reichte er mir die gestopfte Pfeife mit den Worten: „Geh hin mein Sohn, und steck mir die Pfeife an, wer weiß, ob du sie mir in meinem Leben wieder ansteckst.“
Diese Worte des alten Mannes waren wie im prophetischen Geist gesprochen. Die Invasion der Franzosen brach dem ehrlichen Preußen, der jeden Morgen mit abgenommener Schlafmütze vor dem Bilde des großen Friederich, unter dem er gedient hatte, sein Gebet zu sprechen pflegte, sein patriotisches Herz, und ich sah ihn in der Tat im Leben nicht wieder, aber, seltsames Spiel des Schicksals, einige zwanzig Jahre später sollte ich auf dem Kirchhofe zum zweiten Male, und noch heftiger vor seinen langen Haaren erschrecken, wie einst als Knabe in dem Eckstübchen in Zinnowitz.
Die Sache verhielt sich so: Der Sohn des alten Oberförsters wünschte seine gestorbene Frau in das Grab seines Vaters auf dem Kirchhofe zu Crummin beigesetzt zu sehen, und ich trug kein Bedenken, seiner Bitte nachzugeben, da der Zeit nach, die Leiche längst vergangen sein mußte. Die Arbeiter fingen also an das Grab zu öffnen, aber nach einer halben Stunde bekomme ich die angstvolle Nachricht, daß man den alten Oberförster, wie es hieß, wieder lebendig ausgrabe. Ich eilte auf den Kirchhof, und der erste entsetzliche Anblick, der mir wird, ist der noch mit ellenlangen Haaren versehene Kopf meines Paten, welcher mitten im Kirchsteige steht, ein schwarzseidenes Halstuch mit breiter Schleife um sein nacktes Kinn, und mich gleichsam verklagend mit hohlen Augen anglotzt.
„Kinder“, rief ich voll Entsetzen den Gräbern zu, „was macht ihr, dies kann unmöglich gehen, was wird der unglückliche Sohn sagen, wenn er kommt und seinen armen Vater in diesem Zustande sieht?“ Zufällig hatte einer der Totengräber den alten Mann einst angekleidet. Er hob daher einen Stiefel der Leiche empor, welcher durchaus ganz war, mit Ausnahme der Nähte daran, die allerdings dem größten Theile nach vergangen waren, indem er ausrief: „Ja sehen Sie, mit diesen dünnen Rie-men band ich ihm die Stiefel einst um die Waden“, und damit löste er die Schleife des Riemleins, in welcher der lange, schwarze und weißgefleckte Knochen stak, zog ihn hervor und wollte nun auch noch ganze Stücke der Königlichen Uniform hinauf langen; allein mir war der Anblick zu gräßlich, und ich gebot, sämtliche Knochen, die alle die obige Farbe trugen und daher leicht kenntlich waren, wie alle sonstigen Überreste des alten Mannes in der Grube selbst zu versenken, die übrigen länger gelegenen und daher gelbscheinenden Todtengebeine aber liegen zu lassen.
Dies geschah; aber zufällig war einer seiner Hüftknochen darunter liegengeblieben, und als am Nach-mittage die neue Leiche kam und der betrübte Gatte an das geöffnete Grab neben mich treten wollte, stolperte er so sehr über diesen Hüftknochen seines Vaters, daß er fast hineingefallen wäre. Er sah zwar darauf nieder, doch ohne, wie es mir schien, etwas zu ahnen, da ich das Vorgefallene ihm streng zu verschweigen geboten hatte, denn seine tränenschweren Augen wandten sich gleich wieder auf den sinkenden Sarg seines Weibes. Mir aber war dieses Stolpern und dieser ahnungslose Hinblick des Sohnes auf den Hüftknochen des Vaters, aus dem er entstanden, das Tragisch-Schrecklichste, was ich jemals erlebte. O wir armen, elenden und blinden Menschen!
Abschrift aus dem Taufregister der Evangel. Kirchengemeinde Stegelitz Um. Jahrgang 1743 Nr. 18.
Caspar Friedrich Fubel
geb. 26. Sept. 1743
gest. 2.Okt. 1743
pat: Christan, Jäger
mat: Mar. Doroth. Dorenburgs
patr.
- 1.) Daniel Eickstedt, Schreiber
- 2.) Christian Fubel, der Schütz
- 3.) Caspar Fahdenholz, Koch in Suckow
- 4.) Die Frau Flothoin geb. Eickstedtinn
- 5.) Mar. Elisb. Wilken, des Krügers in Gerswalde Martin Schultzens Ehefrau