Die Kannengeter ein ausgestorbenes Handwerk

Aus Ortschroniken
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Die Kannengeter - EIN AUSGESTORBENES HANDWERK - von Jürgen Burchard

Bei einem Stadtspaziergang Anfang des Jahres 2023 durch meine Heimatstadt Güstrow wurde ich auf das fast leergeräumte Schaufenster eines kleinen Antiquitätengeschäftes in der Gleviner Straße aufmerksam. Der offensichtliche Eigentümer stand in der geöffneten Haustür und so sprach ich ihn an. Ich stellte mich vor und nannte ihm meine ortschronologischen Interessen. Er bat mich herein in den fast leer geräumten Geschäftsraum und schenkte mir ein von ihm geschaffenes Buch, dessen bedruckten inneren Seiten außerordentlich blass und daher für mich nur sehr schwer lesbar waren (war es evtl. ein Fehldruck?), mit dem Titel:

Ich habe sogleich erkannt, dass Textteile und Abbildungen dieses Buches sinnvollerweise auf den Güstrower Seiten der M-V Ortschroniken platziert werden sollten, wofür ich die Zustimmung des Autors erhielt. In dem Buch schreibt Jürgen Burchard, dass er sich seit seiner Jugendzeit für alte Gegenstände interessierte und dass dem Zinngeschirr seine besondere Aufmerksamkeit gehörte. Er hatte den Antrieb, sich um Bewahrung verlorengegangener, verstreuter, vergessener Zinngegenstände im Interesse nächster Generationen zu kümmern. Diesbezüglich gibt es zwischen dem Verfasser und mir durchaus Gemeinsamkeiten. Ich werde an dieser Stelle mit Zustimmung des Verfassers Jürgen Burchard, dessen Ausführungen zu nachstehenden Themen weitestgehend inhaltlich zitieren

Herausgeber: Jürgen Burchard
Redaktion: Jürgen Burchard
Lithografie: Gestaltung/Druck: HAHN Media + Druck GmbH, Rostock-Elmenhorst


AUS DEM LEBEN DER HANDWERKER IM ALTEN GÜSTROW

Die zentrale Lage der Stadt Güstrow in Mecklenburg, die Entstehung und wirtschaftliche Ausstrahlung der Hanse und der Sitz der mecklenburgischen Herzöge von 1556 bis 1695 in Güstrow, besonders in der Residenzzeit 1556 bis 1603 von Herzog Ulrich, führten zu einer günstigen und bedeutenden Entwicklung des Handwerks in Güstrow. Selbst der Umstand, dass Wallenstein während des Dreißigjährigen Kriegs 1628 und 1629 im Güstrower Schloss residierte, beförderte Güstrows Bedeutung. Nach dem Großherzoglich Mecklenburg-Schwerinschen Staatskalender von 1822 sind in Güstrow unter anderem neben 6 Goldschmieden und 3 Gelbgießern noch 3 Zinngießer tätig (1852 sind es nur noch 2 Zinngießer). Daneben arbeiteten in der Stadt 78 Schneider, 120 Schuster, 54 Kauf- und Handelsleute (1852 sind es derer schon 80). 19 Grob- und Kleinschmiede, 17 Riemer und Sattler, 8 Stell- und Rademacher, 28 Tischler und andere mehr. Das städtische Handwerk florierte. Immer mehr Menschen strömten in die Stadt. Um hier leben und arbeiten zu dürfen mussten sie auch unter anderem einen Bürgereid auf die Stadt ablegen.

Die giebelständigen Häuser der Stadt schmiegten sich aneinander mit kleinen Fensteröffnungen und einer Hofzufahrt. Im Vorderhaus befand sich in der Regel das Gewerbe, die Werkstatt, der Ort wo das tägliche Brot verdient wurde. Im kleinen Hinterhaus, dem sogenannten Kemladen befanden sich die Wohnräume mit der Feuerstelle des Hauses. Der Hofplatz teilte sich in Stallungen für Tiere und einen kleinen Garten zur Eigenversorgung auf. Einzelne Handwerker waren auch nebenbei als Ackerbürger tätig, weil das eigene Handwerk sie allein nicht ernähren konnte.

ZINN UND DESSEN BEDEUTUNG

In einer Zinngießerwerkstatt waren Ofen und Schmelztiegel, Lötkolben, verschiedene Feilen, Achatsteine zum Glätten und eine Drehlade, die wichtigsten Werkzeuge.

Zinn mit dem chemischen Zeichen Sn (vom lateinischen Stannum), so wie wir es aus der Schulzeit kennen, zählt zu den unedlen Metallen. Das matt glänzende, silbergraue Metall ist leicht und gut zu bearbeiten. Sein Schmelzpunkt mit ca. 230 °C ist relativ niedrig. Zinn rostet nicht, ist resistent gegen bestimmte Säuren, es ist nicht gesundheitsschädlich, lebensmittelneutral und geeignet für die Herstellung von Trink- und Speisegefäßen . Das Bronzezeitalter vor ca. 4000 Jahren ist ohne Zinn nicht vorstellbar. Seit dem Altertum ist Zinn den Menschen bekannt. Schon die Pharaonen im alten Ägypten und die Römer in der Antike kannten kleine Zinngegenstände z.B. Gefäße und Schmuck. Seit dem frühen Mittelalter waren für ganz Europa die wichtigsten Zinnlieferanten, wie schon in römischer Zeit die Erzgruben von Cornwall (Südengland). Daneben waren seit dem 12. Jahrhundert die Vorkommen im sächsisch-böhmischen Erzgebirge von großer Bedeutung. Die Städte Graupen, Schönfeld, Zinnwald, Altenburg, Schlaggenwald und andere Fundorte waren jahrhundertelang die Zentren des Zinnbergbaus in Mitteleuropa. In Form von Platten, Stangen oder Barren gelangte das Zinn aus dem Erzgebirge über die Elbe nach Dömitz und dann auf dem Landweg nach Güstrow. Das englische Zinn kam über den Seeweg nach Wismar oder Rostock. Zinn nannte man früher auch das schreiende Metall. Wenn man zum Beispiel von einem alten Zinnteller ein Stück abbiegen wollte, hörte man das Metall „schreien“. Seit dem 14. Jahrhundert eroberte das Zinn weitere Verwendungsgebiete, es nahm immer mehr Einzug in die wohlhabenden Bürgerhäuser und Landgüter. Porzellan war noch nicht erfunden. Glas war zu teuer und Gegenstände aus Ton waren zerbrechlich. Es wurden in dieser Zeit viele Gegenstände des täglichen Gebrauchs aus Zinn gegossen. Man stellte sie für die Ewigkeit her. Sie wurden geschätzt und in den Haushalten immer weitervererbt. So entstanden zum Beispiel: Trinkkrüge, Becher, Flaschen, Kannen aller Art (die größten waren die so genannten Schleifkannen = große Prunkkannen), Schüsseln, Teller, Schalen, Platten, Leuchter, Öllampen, Salzfässer, Löffel, zinnerne Särge und Beschläge, Tintenfässer, Tabaksteller, Gewürzladen, Kämme, Knöpfe, Waschgefäße, Terrinen mit und ohne Deckel und so weiter. Mit dem Material Zinn wurden auch später viele Gegenstände kombiniert. Bei Glas-, Ton- und Porzellangefäßen ergänzte man die Verschraubungen oder die Standflächen zur sicheren Verstärkung und Haltbarkeit durch Zinn. Auch wurden Zinngegenstände durch die Werkstoffkombination mit Bronze stabiler gemacht. Den schönen Farbkontrast vom silbergrauen Zinn zu gelbgold glänzender Bronze kann man in Einlegearbeiten bei besonders prunkvollen zinnernen Trinkgefäßen bewundern. Ein Schatz jeder Werkstatt waren aber die Gussformen aus Sandstein oder Messing. So ist wahrscheinlich die Grepelstraße in Güstrow, als Groperstraße kannte man diesen Straßenzug bereits Anfang des 15. Jahrhunderts, eine Straße der Töpfer, der Gelb- und der Zinngießer. Jedenfalls stand der heutige Wortlaut schon 1740 endgültig fest. Der Name stammt von dem Gefäß, dem Grapen, einem mittelalterlichen Topf aus Ton oder Gelbguss (Bronze) mit kugelförmigem Boden, drei Füßen und einem beweglichen Henkel aus Eisen. Er war in jedem norddeutschen Haushalt zu finden. So kann man im heutigen Krippenmuseum (altes Hospiz am Schloss, heute Haus an der Gleviner Str.) im inneren Mauerwerk einige Grapennieschen, die zum Breikochen genutzt wurden, erkennen. Die Spuren der Zinngießer führen bis in die Gegenwart. In der Stadt gab es schon im frühen 16. Jahrhundert eine eigene Wasserversorgung (Wasserkunst), auch als Löschwasservorrat genutzt, denn die verheerenden Stadtbrände1503, 1508 und 1512 waren den Menschen tief im Gedächtnis geblieben. Im Jahre 1830 wurden die Holzleitungen (Piepen) durch gusseiserne Rohre ersetzt. Der Güstrower Zinngießermeister Hausherr hatte dem Rat den Vorschlag gemacht, für die Eisengussrohre der neuen Wasserleitung in der Stadt doch die leichter zu verlegenden Bleirohre zu verwenden. Dieser Vorschlag wurde aber vom Rat abgelehnt. Mit der Missionierung im 11. Jahrhundert und der Ansiedlung, der Verteilung von Lehen in Mecklenburg an deutsche Adelsfamilien, kamen auch Handwerker und Kaufleute ins Land. Die darauffolgenden Stadtgründungen im Land (Schwerin 1160, Rostock 1218, Wismar 1226 und Güstrow 1228) boten den Handwerkern und Kaufleuten den notwendigen Marktplatz. Die Märkte, Wochen- und Jahrmärkte waren in der damaligen Zeit zwischen den Händlern und Kunden die wichtigsten Begegnungsorte. Das Stadtbild und die Stadtentwicklung durch das Handwerk und sein Gemeinschaftsleben bestimmt. Die Handwerker schlossen sich in den Städten zu Zünften zusammen, die im Norden die Bezeichnung Amt führten. Möglicherweise war die erste mecklenburgische Zunft, das ehemalige Parchimer Fischeramt. Gegründet wurde es zwischen 1230 und 1240. Aus norddeutschen Städten ist bekannt, dass in der Renaissancezeit des 16. Jahrhunderts der Besitz reicher Familien neben Kupfer- und Tongeschirr auch Geschirr bis zu 1000 Pfund (500 Kg) betrug. Die Landgüter besaßen im Allgemeinen bis zu 100 Teller. Etwa 25 Schüssel in verschiedene Größen. Etwa 50 Krüge, eine Vielzahl an Bechern in verschiedenen Formen. Alle Ämter in deren Städten besaßen neben einer eigenen Lade auch ihr eigenes Zinngeschirr. Dieses Geschirr wurde mit den Symbolen der Zunft, des Eigentümers oder dem Namen des Stifters verziert. Bei Zusammenkünften und Feiern wurde das Zunftgeschirr genutzt. Der Willkom war mit Abstand das prächtigste und größte Trinkgefäß eines jeden Amtes. Er war ein Zeichen des Wohlstandes und des Stolzes. Aber auch für andere Auftraggeber arbeitete man fleißig, z.B. für die Apotheken, für die Klöster und Kirchen. In den Bänden „Kunst und Geschichtsdenkmäler Mecklenburgs“ von Geh. Hofr. Professor Dr. Friedrich Schlie von 1901 wurde unter der Rubrik – Kleinkunstwerke der mecklenburgischen Städte und Kirchdörfer – das Kircheninventar erfasst. Hier lässt sich sehr gut erkennen, dass neben dem wertvollen Silbergeschirr auch die Zinngegenstände eine große Bedeutung hatten und es keine Kirche gab, in der kein Zinngeschirr vorhanden war. Aus Zinn bestanden häufig die Altarleuchter. Es gab zinnerne Taufbecken, Kelche, Patenen, Altarvasen, Wappenschilder und anderes mehr, auch die Orgelpfeifen waren aus Zinn. Das Zinngeschirr in den Kirchen unterstreicht das kunstsinnige und handwerkliche Können der Zinngießermeister. Zinngeschirr wurde den Kirchen in der Regel gestiftet oder geschenkt. In den nord- und niederdeutschen Städten entwickelten sich landesspezifische Gegenstände wie z.B. der Grapen – ein dreibeiniger Kugeltopf, die Hansekanne, die schlichten geraden Schenkkannen und die sogenannten Roerken. Die Hansekanne als Trinkgefäß oder Schenkkanne war bis zur Mitte des 15. und 16. Jahrhunderts weit verbreitet und beliebt. Seit dem 14. Jahrhundert eroberte das Zinn weitere Verwendungsgebiete, es nahm immer mehr Einzug in Bürgerhäuser und Landgüter. So ist bekannt, dass schon 1352 der Hamburger namens Dirk Kannengeter die Hanseschiffe mit Zinngeschirr (Hansekanne) ausrüstete. Die Hansekanne war ein besonders wichtig wirkender und standfester Kannentyp. Der bauchige Körper wurde am Fuß durch einen Standring gehalten. Später gestaltete man den Halsbereich der Kanne schlanker und höher. Das Zentrum der Herstellung dieser Hansekannen war Rostock.

ZINN IN MECKLERNBURG

Danach verbreiteten sich die schlichten Zylinderkannen. Ein Typus, der zu den schönsten und von Sammlern gesuchten Zinngefäßen gehört, ist das Rörken auch Krönken genannt. Es ist ein kleines Trinkgefäß mit einer Höhe um die 26 cm, nach unten hin läuft es konisch zu. Dass mit viel Kunstsinn und Verstand hervorragende Werke entstanden, zeigt das Beispiel eines prächtigen Lübecker Glücksrörken aus Zinn mit Messingeinlagen einer Löwenfigur als Daumenrast und auf dem Deckel ein beweglicher Zeiger mit einer Skala von 1 bis 12 für ein Trinkspiel, datiert 1756, vom Meister Michael Abraham Kupferschmiedt geschaffen und mit einem Spruch graviert „Las Neider neiden. Las Hasser hassen. Was Gott mir gibt. Muss mir die Welt wol lassen“ (aufs Glücksspiel bezogen) Oder ist dieser Spruch des sinnigen Meisters zweideutig? „Las Neider neiden. Las Hasser hassen, aber meine Ideen und meisterliches Können kann mir niemand nehmen.“ (aufs Handwerk bezogen). Dieser Spruch vor rund 260 Jahren hat bis heute seine Aktualität nicht verloren. Dieses Glücksrörken wurde von Herrn Johannes Vogt in München auf einer Auktion im Mai 2009 für 12.000 € bis 15.000 € angeboten. Das Hauptverbreitungsgebiet des Röhrchen (Rörken)ist das norddeutsche Küstengebiet mit den Zentren Lübeck, Rostock und Güstrow, aber auch weiter im Binnenland und in Skandinavien fand die Form Anklang und wurde nachgeahmt, so zum Beispiel ein Rörken aus Stuttgart von 1699. Hier ist in der Stadtmarke eine römische 10 zu erkennen. Es ist zehnteiliges Probezinn. Unter den verschiedenen Zinnschalen trat eine Trinkschale in kleiner, runder Form, Durchmesser ca. 17 cm, mit ein oder zwei waagerecht abstehenden, teils durchbrochenen, verzierten Handgriffen hervor. Diese so genannte Weinbrandschale war an der Nord- und Ostsee verbreitet, sie wurde gefüllt mit Branntwein und Brocken eines süßen Gebäcks. Mit beiden Händen wurde diese Schale gehalten und zu Munde geführt. Man nannte diese Schale auch „Kölleschal“, kalte Schale. Der bekannte Trostspruch zur Beerdigung des im Jahre 1503 verstorbenen Herzog Magnus in der Kirche zu Doberan:

„In dieser Welt hab ich meine Lüst
Allein mit kalter Schalen gebüßt -
Hilf mir Herr in dem Freuden Sähl
Und gib mir die ewigen Kalteschal“,

deutet die Verbreitung und Beliebtheit dieser Schale an. In Nordfriesland wären diese Schalen mit zwei senkrechten Seepferdchen als Handhaben verziert. Immer wieder wurden auch aus modischen Gründen aus den alten, abgenutzten oder zerbrochenen Zinngegenständen neue angefertigt. Zinngegenstände handelte und verkaufte man im Mittelalter häufig nach Gewicht. Es ist sehr schwer, Zinngegenstände von vor dem Dreißigjährigen Krieg zu finden. In den 30 Jahren Krieg wurde in Europa geraubt, geplündert und zerstört. Der einst reiche Zinnbestand in den Haushalten reduzierte sich auch später in der Zeit vor dem 1. und 2. Weltkrieg durch Schrottsammlungen für den Krieg. Aus Lübeck und Wismar hören wir, dass sich gegen 1500 bis 1600 die Einkaufsforderung (1 Schiffs-pfund = 280 Pfund gegen Zahlung von 50 Mark) fast verdoppelt, gegen Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges aber verdreifacht hatte. Um das teure Zinn zu strecken, vermischte man es mit billigem, aber giftigen Blei. Nicht nur die Obrigkeit, sondern besonders die Ämter hatten ein sehr waches Auge auf das Legierungsverhältnis zwischen dem Blei und dem Zinn. Das Ergebnis war die Punzierpflicht aller Zinnprodukte mit der Stadt- und Meistermarke, die in den Ämterrollen festgeschrieben waren. So zum Beispiel: Die Settighe der Hamburger Kannen- und Grapengiesser vom Jahre 1375 enthält Bestimmungen über die Zinnproben und marken (Hamburg 1375… en jewelik cannenghetere schal syn merken laten myt der stad merke und ok myt synes sulves merke …)1810 arbeiteten in den Mecklenburg-Schwerinschen Städten folgende Anzahl von Zinngießer, die mit Zunftgerechtigkeit privilegiert waren: Rostock 3, Bützow 1, Ribnitz 1, Sternberg 1, Wismar 4, Gabebusch 2, Rhena 1, Schwerin 5, Boizenburg 2, Hagenow 1, Wittenburg 1, Parchim 2, Dömitz 1, Grabow 1, Neustadt 1, Güstrow 3, Gnoien 1, Teterow 1, Waren 1, Plau 1, Röbel 2. In der Summe waren es 36 Meister. Das Bestandsverzeichnis der städtischen Sammlungen 1952 (Bücher, Schriften, Bilder, Geräte u.a.) des Heimatmuseums der Stadt Güstrow listet nur noch folgende Zinngegenstände auf: 19 Krüge, 5 große Becher, 4 Töpfe, 6 große Schalen, 11 Teller. Alle 45 Zinngegenstände sind aus dem Besitz Güstrower Handwerkerinnungen des 17.-19. Jahrhunderts.

BEDEUTUNG DER AMTSROLLEN

Das Zusammenleben der Menschen in den Städten wurde durch die Amtsrollen der einzelnen Ämter bestimmt, die von der Obrigkeit bestätigt waren (von der Stadt oder vom Herzog). Diese wurden in einer Lade neben Geld und anderen wichtigen Papieren aufbewahrt. Die Lade war eine kleine Truhe, in der Regel aus kunstvoll verarbeitetem Holz, in echteckiger Form und den Maßen ca. 40x60x35 cm und wurde oft durch zwei voneinander getrennten Schlössern verschlossen. Das Herzstück des üppigen fröhlichen Treibens der alten Sitten in den Ämtern war diese „Amtslade“, ein Sinnbild der ganzen Gemeinschaft. Nicht nur die Bauart und Verzierungen der Lade weisen auf ihre Bedeutung hin, sondern auch der hohe symbolische Wert für das Amt. Ohne rechtmäßig geöffnete Lade fing keine beschlussfähige Versammlung an.

Das Güstrower Museum besaß 1913 nach Aufzeichnungen seines Leiters, Prof. Dr. Marquard, eine Sammlung von 50 Zinngegenständen der ehemaligen Maurerzunft. In einer Bestandsliste von 1952 wurden noch 45 Gegenstände aus der Sammlung erfasst.

KANNENGIESSERAMT GÜSTROW

Die Güstrower Kannen-und Zinngießer gehörten zuerst zu dem Rostocker Amt (Zunft). Die älteste Rolle dieser Zunft im Rostocker Ratsarchiv ist die der vereinigten Grapen-und Kannengießer vom 16. Mai 1482. Sie war auch für die Güstrower Zinngießermeister bindend und blieb dort bis 1880 in Kraft. Sicher arbeiteten schon vor 1482 in Güstrow unbekannte Meister, die das Handwerk der Gießerei beherrschten. Aufzeichnungen, die von den ersten Anfängen des Handwerks in den Mauern der Stadt Güstrow berichten konnten, sind vermutlich den verheerenden Feuerbrünsten der Stadt in den Jahren 1503, 1508 und 1512 zum Opfer gefallen. Friedrich Damman, 1605 Freikannengießer des Herzogs Ulrich, stirbt vor 1607. Die Witwe darf die Werkstatt weiterführen und heiratet den Kannengießer Clement Pries, den sie überlebt. Nach dem Tode Herzog Ulrichs lässt sich eine rückläufige Entwicklung im Güstrower Zinngießerhandwerk feststellen, so dass am Ende des Dreißigjährigen Krieges diese alte Handwerkskunst fast vollständig zum Erliegen gekommen war. Im Jahre 1661 bestätigt den Zinngießern der Rat von Güstrow eine eigene Amtsrolle, sie bleiben aber noch dem Amt Rostock unterstellt. 1701 schlossen sich die Güstrower Zinngießer gemeinsam mit den Tischlern zur "Großen Zunft der Tischler und Kannengießer" zusammen. Erst im Jahr 1814 erhielten die Güstrower Zinngießer wieder ein eigenes Amt, das Herzog Friedrich Franz I von Mecklenburg bestätigte Im § 1 der bestätigten Amtsrolle heißt es: "Es soll in Güstrow ein eigenes ungeschlossenes Zinngießer Amt sein, in das jeder wenn dies nicht ausdrücklich verboten, eintreten kann, ohne Unterschied, ob er ein Fremder oder Einheimischer, der Sohn eines dortigen oder Meisters einer inländischen Stadt ist. Keiner soll vor dem andern einen Vorzug haben." Zugeteilt waren diesem Amte folgende Städte: Bützow, Schwaan, Krakow, Goldberg, Plau, Lübz, Malchow, Röbel, Waren, Teterow, Sternberg, Malchin, Neukalen, Stavenhagen, Penzlin, Gnoien, Laage, Tessin, Sülze, Marlow und Ribnitz. Die Zahl der Zinngießermeister in den einzelnen Städten war nie von großer Anzahl im Gegensatz zu anderen Ämtern. Aber durch ihr straff organisiertes Amt waren sie immer anderen Ämtern ebenwürdig. "Gutes Zinn" sollte nach der Güstrower Amtsrolle von 1814 mit drei Punzen versehen werden und war ohne Bleizusatz. das schlechteste Zinn enthielt auf fünf Teile Zinn ein Teil Blei. Die Punzierung wurde in der Regel mit drei Stempeln zur Sicherung der Qualität durchgeführt. Der eine Stempel war der Stadtstempel mit dem Stadtwappentier aus Güstrow, ein Stier vor einem Baum stehend und jeweils zwei Meisterstempel. Am 23. März 1852 wird das Güstrower Amt von den Behörden als eigenständiges Amt aufgelöst. Bei der Auflösung des Güstrower Zinngießeramtes im Jahre 1852 wurde die Amtslade mit allen Amtsprotokollen und Rechnungsbüchern dem letzten Ältermann Detloff Andreas Christian Hausherr von den Behörden zurückgegeben. Professor Dr. Markquardt stellte 1913 die Frage: Sollte von diesen Sachen gar nichts mehr erhalten sein?" Nach 1852 sind die Zinngießer mit den Gelbgießern und Gürtlern, Kupferschmieden und Nadlern in einem gemeinsamen Amt zusammengefasst, das nur bis 1870 bestand, aber erst 1889 behördlich aufgelöst wurde.

ZINNGEGENSTÄNDE GÜSTROWER ZINNGIESSER

An dieser Stelle wird auf die Besonderheit des Wappengusses durch die Güstrower Zinngießer-Familie Commentz hingewiesen. Dieser Familie wurde ein eigenständiger Beitrag in der Güstrower Ortschronik gewidmet. Eine Würdigung der Verdienste der letzten Mecklenburger Wappengießer der Güstrower Familie Commentz erfolgte im Jahre 2002 u. a. mit einem Beitrag in den Blättern zur Kultur und Landesgeschichte "Stier und Greif" durch den ausgezeichneten Kenner der Dobbertiner Klostergeschichte Horst Alsleben.