Niendorf bei Neuhaus(Elbe) Festschrift (Dieter Greve) 3. DDR-Zeiten

Aus Ortschroniken
Version vom 4. November 2016, 16:21 Uhr von HolgerMeyer (Diskussion | Beiträge) (Die Seite wurde neu angelegt: „= 3. Die Gemeinde Niendorf zwischen 1945 und 1990 = Am 1. Mai 1945 wurde das Gebiet zunächst von amerikanischen, dann britischen und ab dem 1. Juli 1945 von…“)
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)
Zur Navigation springen Zur Suche springen

3. Die Gemeinde Niendorf zwischen 1945 und 1990

Am 1. Mai 1945 wurde das Gebiet zunächst von amerikanischen, dann britischen und ab dem 1. Juli 1945 von sowjetischen Truppen besetzt. In dem sowjetischen besetzten Gebiet wurde ab September 1945 eine Bodenreform in der Landwirtschaft durchgeführt. Dabei wurden alle Betriebe mit mehr als 100 ha Größe und Betriebe aktiver Nationalsozialisten enteignet. Betriebe der ersten Kategorie gab es in Niendorf nicht. Als Betriebe aktiver Nationalsozialisten wurden diejenigen der Miteigentümer Karl Greve, Nr.4 (Kreisbauernführer), Rudolf Vogeler, Nr. 10 und Wilhelm Greve, Nr. 17 (Ortsbauernführer) der Bodenreform zugeführt. Es wurden jeweils drei Neubauernstellen aus den Hufen geschaffen:

  • Hufe Nr. 4: Hagen, Heinrich; Singe, Gustav und Peldczus, Heinrich,
  • Nr. 10: Herbst, Gustav; Kraft, Helmut und Ränicke, Karl,
  • Nr. 17: Eggert, Wilhelm; Nitsch, Hermann und Waack, Hermann

eingerichtet. Außerdem erhielten Land:

  • Greve, Adolf, B 2; Buck, Friedrich, B 6; Fritz Rautenberg.

Bei der Besetzung der Neubauernstellen gab es im Laufe der Jahre noch Veränderungen:

  • 1949 Wilhelm Eggerts Stelle geht an Siegfried Hübner
  • 1950 ging die Stelle vo Heinrich Peldczus an seine Tochter Hildegard Jurkat
  • 1952 Emil Schattner erhält die Stelle von Helmut Kraft, Schattner geht jedoch bereits nach einem halben Jahr Februar 1953 in die Bundesrepublik, dann erhält
  • 1953 Erich Herbst, der vorher bei Waack gearbeitet hat, diese Stelle.

Der sogenannte Niendorfer Hof, der aus der Zusammenlegung dreier Hufen am Anfang des Jahrhunderts mit einer Größe von 96 ha entstanden war, fiel zunächst nicht unter die Bodenreform, bis der Sekretär der SED-Gebietsparteiorganisation Neuhaus feststellte, dass der Eigentümer von Hörsten in der Göhrde bei Hitzacker einen weiteren größeren Landwirtschaftsbetrieb hatte. Das entsprach jedoch nicht den Tatsachen, denn Karl von Hörsten, der 1942 [Anm. HM: 1944? Bei den Gefallenen des II. WK wird Hans von Hörsten mit 1942 und Karl von Hörsten mit 1944 genannt] verstorben war, hatte testamentarisch verfügt, dass zwei seiner Söhne jeweils einen Hof erben sollten. Der Niendorfer Hof war auch im Frühjahr 1949 bereits auf den jüngsten Sohn Siegried von Hörsten im Grundbuch umgeschrieben. Dann wurde er 1949 widerrechtlich der Bodenreform zugeführt. Der Hof wurde zu einem volkseigenen Betrieb, der später dem Volkseigenen Gut Pritzier als Betriebsteil zugelegt wurde.

Zu Beginn der Fünfziger Jahre verschärften sich in allen Dörfern die Tendenzen, durch wirtschaftliche Maßnahmen die größeren Bauern, die ab einer Betriebsgröße von 20 ha unabhängig von der Bodenqualität als Großbauern bezeichnet wurden, zur Aufgabe ihrer Betriebe zu zwingen. Ein wesentliches Element dazu war die Verschärfung der Pflichtablieferung, die nun Anfang der Fünfziger Jahre durch die Möglichkeit „Freie Spitzen“ zu liefern ergänzt wurde. Als „Freie Spitzen“ wurden die überschüssigen Produkte bezeichnet, die nicht für die Pflichtablieferung und auch nicht für den betrieblichen Kreislauf benötigt wurden. Für diese wurde ein wesentlich höherer Preis gezahlt. Dadurch konnten gerade die kleineren und die mittleren Betriebe durch intensive Ausnutzung ihrer Flächen höhere Gewinne erzielen. In einzelnen Fällen konnten auch die größeren Bauern durch intensive Viehwirtschaft daran teilhaben. In Niendorf waren es vor allem die Rinderzucht und auch die Pferdezucht, bei denen Erfolge erzielt werden konnten. So konnte Wilhelm Jammer mit einer Hannoveraner-Stute auf der Landwirtschaftsausstellung in Markkleeberg 1950 einen 1. Preis erringen. Auch in der Rinderherdbuchzucht gab es bis in die jüngste Zeit hinein Auszeichnungen. Der größere Teil der „Großbauern“ hatte nun aber mit der hohen Sollveranlagung zu kämpfen.

Die Repressalien gegen die „Großbauern“ nahmen immer mehr zu.

  1. Es wurden Hauskontrollen durchgeführt, wenn beispielsweise das Ablieferungssoll für Getreide nicht erfüllt war. Diese Kontrollen konnten innerhalb der Gemeinde angeordnet werden, aber auch von den staatlichen Erfassungsorganen vorgenommen werden.
  2. Zur Überprüfung der staatlichen Anbaupläne und Viehhaltungspläne, die den Bauern die Art und den Umfang des Feldkulturenanbaus und der Viehhaltung im Detail vorschrieben, wurden Feld- und Hofbegehungen durchgeführt.
  3. Die Verweigerung der Hausschlachtung an Betriebe, die ihr Soll in der Ablieferung von Schlachtvieh nicht erfüllt hatten, war gang und gäbe. Dazu muss man wissen, dass das Schlachten für den Eigenbedarf bereits in der Kriegszeit und dann auch danach der Genehmigung durch die Gemeinde bedurfte. Diese durfte die Genehmigung an Betriebe mit Ablieferungsschulden nicht erteilen. Da andererseits die Landwirte als Selbstversorger auch keine Fleischversorgung auf der Lebensmittelkarte erhielten, waren sie gezwungen Schwarzschlachtungen durchzuführen. Wurden diese entdeckt, so wurden sie wegen Wirtschaftsverbrechen angeklagt.
  4. Die Gemeinde musste sich zunehmend in die Belange der Landwirte einmischen. Nicht nur Anbau- und Viehhaltungspläne waren aufzustellen, sondern in der Erntezeit auch Druschpläne (wegen der niedrigen Stromspannungen) zu erarbeiten und Nachtdruschkolonnen aufzustellen. Auch die Erfüllung der Ablieferungspflicht war zu überwachen.
Gehöft der Hufe 10 im Jahre 1999 mit erhaltenem Bauernhaus und Scheune (Quelle: Dieter Greve)

All diese Maßnahmen dienten außer klassenkämpferischen Zielen auch der Vorbereitung der Kollektivierung der Landwirtschaft. In vielen Dörfern wurden aus enteigneten sogenannten „devastierten“ Betrieben die „Örtlichen Landwirtschaftsbetriebe (ÖLB)“ unter Führung der Gemeinde gebildet. Diese waren dann oft die Keimzellen der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG). In Niendorf war das allerdings nicht der Fall. Hier wurde die LPG „Grüne Aue“ im Jahre 1953 von einigen Bauern unmittelbar gebildet (Heinrich Hagen, Gustav Herbst, Otto Wilken u.a.). Vorsitzender wurde Heinrich Hagen.

1955 sind laut Viehzählungsliste Mitglieder der LPG:

  • Wilhelm Bannöhr (Vorsitzender?),
  • Hedwig Plischke,
  • Erich Bittner,
  • Heinrich Hagen,
  • Lisa Beuthner,
  • Gustav Herbst und
  • Otto Wilken.

In dieser Zeit (1952) wurden Maßnahmen zur „Sicherung der Staatsgrenze“ durchgeführt. Dabei wurde ein Sperrgebiet eingerichtet, in dem man sich nur mit besonderer Genehmigung aufhalten durfte. Das Sperrgebiet bestand aus zwei Zonen, dem „Fünf-Kilometer-Sperrgebiet“ und der „Schutzzone“, die etwa 500 bis 1000 Meter breit war. In dieser galten verschärfte Maßnahmen. Gleichzeitig wurde an der Landgrenze ein gepflügter und geharkter Zehnmeterstreifen angelegt, auf dem die Spuren von Flüchtlingen zu erkennen sein sollten. Auch Niendorf befand sich nun im Sperrgebiet. Im gleichen Jahr wurde die sogenannte „Aktion Ungeziefer“ durchgeführt, bei der politisch missliebige Personen aus den Dörfern des Sperrgebietes in andere Kreise zwangsweise umgesiedelt wurden. Hiervon war Niendorf nicht betroffen – wohl aber die Nachbardörfer Krusendorf und Sumte.

Am 3.12.1959 führt die Viehzählungsliste folgende landwirtschaftliche Betriebe auf:

Größe 1 bis 20 ha:

  • Döscher, Wilhelm
  • Pink, Emmi
  • Greve, Adolf
  • Schröder, Johann
  • Brusch, Betty
  • Greßmann, Friedrich