Warnemünde im Spiegel von Zeitgenossen

Aus Ortschroniken
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Warnemünde und die Sturmflut am 10. Februar 1625 (Auszug aus H.F.Beckers "Chronik der Rostocker Heide" 1839)

(NHG) Den 10. Febr. 1625 stand der Wind von Morgen bis Mittag südlich und es war stilles Wetter, als plötzlich um 8 Uhr vormittags die Ostsee so stark in die Warnow drang daß ohnerachtet der Windstille die derzeit vorhanden sieben Strandbrücken und das ganze Warnowufer bis an die Strandthore zur Überraschung der Meteorologen und Seefahrer überschwemmt wurde. Es herrscht bekanntlich in der Ostsee keine bemerkbare regelmäßige Ebbe und Fluth, jedoch verändert sich der Wasserstand zuweilen in der Art, daß die sonst niedriger liegende Ostsee in den Warnow Fluß eintritt oder wie man sagt der Strom einläuft, welches gewöhnlich bei Nordost oder Nordwind der Fall ist. Es vermutheten daher die Schiffer daß ein Sturm aus Nordost im Meere herrschend sey, und diese Vermuthung ward bald zur Gewißheit. Mittags um ein Uhr trat ein Orkan ein, mit Schnee, Hagel und Regen verbunden. Zuerst kam der Wind aus Osten, dann drehete er sich nach Nordosten. Es stürmte den Nachmittag und die ganze Nacht hindurch bis am Morgen den 11. Febr. Die Warnemünder sahen das Meer in einer so heftigen Bewegung, daß sie die Wellen mit Wasserbergen verglichen die bis an die Wolken reichten. Der Sturm war so heftig, daß Reisende weder fahren noch gehen noch stehen konnten, und sich bei den Schneewirbeln auf die Erde niederwerfen mußten um athmen zu können. Da schönes warmes Wetter voraufgegangen war, so wirkte die eingetretene eisige Kälte so stark auf den menschlichen Körper, daß mehrere Menschen erstarreten und verhindert wurden sich von dem überschwemmten Lande zu retten. Die Fluth erreichte abends 5 Uhr bei Rostock den höchsten Stand, und blieb bis Nachts 2 Uhr also 9 Stunden in dieser Höhe, welche den mittleren Waßerstand 14 Fuß überstiegen hatte. Nach 2 Uhr sank das Wasser, stieg aber am 14. Febr. bei gemäßigterem Sturm fast bis zur derselben Höhe. Dies Unwetter traf mit gleicher Wasserhöhe auch Greifswald, Stralsund, Wismar und Lübeck. Die Folgen dieser Sturmflut waren schrecklich. In und um Rostock fand man nach Ablauf des Waßers, daß der Hafen selbst fahrbar geblieben, daß, aber die Waßerwerke, woran man über 20 Jahre gearbeitet, sehr ruinirt waren. Die Dünen, an deren Erhaltung man derzeit erhebliche Kosten verwandt hatte, waren vom Stromgraben bis Warnemünde und von hier bis Diedrichshagen vom Meerwaßer überstiegen, zerrißen und niedergestürzet. Die von Eichenholz mit starken eisernen Klammern verbundenen und mit großen Steinen beschwereten Kisten, sowohl am Meer als im Hafen und am Breitling waren gänzlich umgestürzet, die Steine ins Waßer gefallen, jedoch ohne das Fahrwaßer zu verschütten; das Kistenholz war zerbrochen, gänzlich weggeschwemmt und auf die Ufer von Marienehe und Bramow geworfen. In der Rostocker Heide waren eine große Menge Eichen, Buchen, Kiefern pp. umgeworfen. Die Dörfer Schmarl, Lütten und großen Klein, Marienehe, Redewisch pp. hatten an Häusern, Scheunen, Ställen Obstbäumen pp. sehr gelitten. Mehrere Gebäude waren umgestürzt und weggeschwemmt, viel Vieh ertrunken, Acker und Hausgeräthe weggetrieben. In dem Stadt Dorf Mohr, vermuthlich dem im Walde gelegenen Moorhof, welcher jetzt nicht mehr existirt aber auf die Reiter Charte bemerkt stehet, sind einige Pferde und Ochsen ertrunken. Die Menschen haben sich auf den Boden gerettet und dort drey Tage ohne Speise geseßen. Wie weit das Waßer in die Heide vorgedrungen ist nicht bemerkt worden, nach einer mündlichen Tradition soll es in Niedrigungen bis Blankenhagen vorgerückt seyn. Im Flecken Warnemünde sind von 150 Häusern 74 sehr beschädigt worden. Die Wände sind ausgefallen und nur die Ständer stehen geblieben. Alle Kisten, Betten, Bettstellen, Tische, Schränke pp. sind von den Fluthen weggerißen, 18 Häuser aber an der Nordseite bei der Laterne, gänzlich über den Haufen geworfen. Die steinerne Kirchhofs Mauer ist niedergestürzt, in der Kirche das Waßer drei Fuß hoch gestanden und durch die Vogtei hat man mit Böthen fahren können. Die beiden aeltesten Bürgermeister Tancke und Schütte haben am 12. Febr. den Schaden in Warnemünde in Augenschein genommen und sich die Klagen der Warnemünder, denen von ihren geborgenen Sachen noch manches weggestohlen worden, vortragen laßen. Alle im Hafen gelegenen Schiffe, mit Ausnahme von zweien sind losgerißen, aneinander und gegen die Häuser geschleudert worden. Mehrere sind zertrümmert; 18 haben auf trockenem Boden vor den Häusern und der Voigtei gestanden, unter diesen ein Schiff von 100 Last mit voller Ladung; zwei Schütten hat man auf den Wiesen bei der alten Warnow gefunden.

1797 Hermann Friedrich Becker - Der erste namentlich bekannte Badegast Warnemündes

(NHG) Im Jahre 1925 schrieb Friedrich Barnewitz in seiner „Geschichte des Hafenortes Warnemünde“: „Immerhin steht fest, daß sich im Juni 1817 Forstinspektor Becker aus Rövershagen mit seinen Angehörigen, sicher aber auch noch andere Familien, mehrere Wochen lang, während des Sommers in Warnemünde aufgehalten haben, um zu baden...“ Das Hermann Friedrich Becker ( 1766 - 1852) diesen Aufenthalt in seinen handschriftlichen Familienaufzeichnungen besonders hervorhebt ist wohl dem Umstand geschuldet, daß sich für ihn erstmals die Gelegenheit bot sich ganze vier Wochen dem Badevergnügen hinzugeben. Da er seinen Wohnsitz in Rövershagen, am Rande der Rostocker Heide hatte und der Ostseestrand nur einen Katzensprung entfernt war, ja der Küstenabschnitt zwischen Markgrafenheide und Graal-Müritz sogar seiner Dienstaufsicht unterstand wird er dessen Vorzüge auch zuvor schon häufig genutzt haben. Das Baden in der Ostsee war für ihn bereits in den zwanzig Jahren zuvor eine Selbstverständlichkeit. Schon im Jahre 1798 wirbt er für die positiven Wirkungen des Badens im Meer und macht sich über dabei einzuhaltende Regeln Gedanken: „Unter allen nervenstärkenden Mitteln behauptet kaltes Wasser den ersten Rang. Unstreitig gibt es Körper, denen das kalte Bad nicht heilsam ist,...“ „Wenn wir von Jugend auf zum kalten Bad gewöhnt würden, so könnten selbst fette Körper, die viel ausdünsten, keine schlimmen Folgen befürchten, ja ich möchte wohl behaupten, daß wir sodann wenig aufgedunsene fette Körper unter den Menschen antreffen würden.“ „Im Sommer kann das kalte Bad tödlich werden, wenn es gleich nach einer heftigen Bewegung und Transpiration des Körpers gebraucht wird. Die schönste Badezeit ist des Morgens, nüchtern und des Abends eine Stunde vor Schlafengehen. Nach dem Morgenbade muß man noch ein Stündchen faulenzen,...“ Des Abends muß nach dem Bade nie Tee oder Punsch getrunken werden, bloß ein Glas kaltes Wasser, eine Pfeife Tabak, und so zu Bette. Nach Tische sind die kalten Bäder höchst schädlich. - Wer zuviel Reiz, besonders im Sommer dafür empfindet, warte wenigstens drei Stunden nach der Mahlzeit ehe er badet. Beim Baden in Flüssen und Strömen, in der See p.p. suche man sich jederzeit die flachen und sandigen Stellen aus, wo der Boden fest und rein ist; ...“ „Die See ist das kostbarste Bad und das nützlichste unter allen.“ „Es ist notwendig, erst eine Viertelstunde am Ufer auf und nieder zu gehen, sich nach und nach auszuziehen, und nur dann erst ins Wasser zu gehen, wenn die Transpiration ganz vorüber ist. Dessen ungeachtet muß schlechterdings nicht vergessen werden, sich erst am Ufer niederzukauern, ein paar Hände voll Wasser auf den Wirbel zu gießen, und den Kopf, das Genick, die Brust zu benetzen, ehe die Füße befeuchtet werden. Nach dieser beobachteten Vorsicht kann man sich ohne Furcht ins Wasser werfen. Nach dem Bade ist ein Glas alter Wein sehr nützlich - höchst schädlich aber der Trunk. Man muß, wenn das Bad des Morgens gebraucht wird, nicht gleich seine Verrichtungen anfangen, sondern noch ein halb Stündchen faulenzen. Der Schlummer, welcher auf das Morgenbad sodann unausbleiblich erfolgt, ist Balsam für den Körper. Beim Abendbad gehe man noch eine halbe Stunde auf und nieder, und dann zu Bette. Die sogenannten Badehemden sind höchstens nur dem schönen Geschlecht erlaubt, im Ganzen aber verhindern sie den wahren Nutzen des Bades. ...“ „Übelangebrachte Schamhaftigkeit und Mängel der Erziehung sind die Hauptursachen, weshalb das weibliche Geschlecht das Bad vermeidet, und doch gibt es für die geschwächte Gattin, für das hysterische Mädchen, keine größere Arznei in der Natur, als ein mit Vorsicht gebrauchtes Bad.“ „Heftige Körperbewegung ist vor dem Bade ebenso schädlich, als nach dem Bade. Ebenso schädlich ist es gleich nach dem Bade zu essen , wenn schon der Appetit zum Essen nie stärker ist, als eben dann. Sanguinischen und cholerischsanguinischen Menschen ist der Genuß nach dem Bade schlechterdings untersagt. Der Gatte entferne sich also von seiner Gattin, wenn er sich gebadet hat, und der Liebhaber fliehe sein Mädchen. Der Genuß nach dem Bade ist zerstörend in seinen Wirkungen, je stärker der Trieb genießen zu wollen, nach dem Bade ist. Einige Stunden nachher - besonders beim Morgenbade, ist der Genuß nicht mehr so schädlich. - Des Abends aber muß er gänzlich unterbleiben, denn der darauf folgende Schweiß ist sehr schädlich für die Gesundheit und raubt die schönsten Säfte. Mit Vorsicht Baden heißt seine Gesundheit sichern und unterstützen.“ So weit einige Gedanken des Rövershäger Forstinspektors vor mehr als zweihundert Jahren. Auch die heilsamen Wirkungen der Seeluft erkannte Becker schon sehr früh. So veröffentlicht er im im Jahre 1831 in dem hier viel gelesenen „Freimütigen Abendblatt“ seinen Beitrag „Über den Wohltätigen Einfluß der Seeluft auf den menschlichen Körper“. Darin heißt es unter anderem: „Jeder, der sich einige Zeit am Meeresufer, vorzüglich in der heißen Jahreszeit, aufgehalten hat, wird es bemerkt und gefühlt haben, daß die Seeluft einen besonders wohltätigen Einfluß auf den menschlichen Körper ausübt, ihn durch und durch erfrischt und stärkt,,gegen die Einwirkungen der Witterung abhärtet und weniger empfindlich macht. Man kann sich in dieser Atmosphäre, obwohl sie kühler ist, erlauben, die gewohnte Kleidung zu verringern, ja sich selbst den Seewinden aussetzen, ohne Erkältung befürchten zu dürfen, wenn nicht übermäßige Erhitzung voraufgegangen. Die Luft, die man einathmet, ist so rein und wirkt so wohltätig auf die Lunge, daß man sich viel leichter fühlt, als in der verschlossenen Luft der Städte, die in heißen Tagen noch mephitischer ( hieraus entstand das volkstümliche Wort „Mief“ W.S.) wird, als sie sonst schon ist. Benutzt man nun hierbei das Bad des Meerwassers, wovon ich jetzt nicht reden will ... so ist ersichtlich, daß der Aufenthalt am Meeresufer in der heißen Jahreszeit die größte Wohltat ist, die man seiner Gesundheit erzeigen könne.“

1800 Johann Christian Friedrich Wundemann "Warnemünder - ein gutartiges Völkchen von ohngefähr 620 Menschen"

(Prediger zu Walkendorf) Auszug aus "Mecklenburg in Hinsicht auf Kultur, Kunst und Geschmack" (NHG) "Ich habe zuvor Warnemünde als eines Bellustigungsortes für die Rostocker erwähnt. Zwar bringt er nicht an sich selbst viel Vergnügen mit sich. Der dürre, unfruchtbare Sand, der die beiden Erdzungen füllt, welche auf der einen Seite durch die Ostsee, auf der andern durch einen sehr weiten Busen der Warnow gebildet, und nur durch den dazwischen fließenden Strom getrennt werden; ferner, die kleinen, spitzen Giebelhäuser,welche in zwey Reihen au der Westseite des Hafens stehen, und so auch die Bewohner dieser Häuserchen, welche von dem, was die vornehme Welt vergnügt, nichts wissen, sind an sich eben keine Gegenstände, die den Frohsinn reizen. Indeß hat doch die Wasserfahrt dahin, die Ansicht des Hafens, der weiten Ostsee, der ankommenden oder abgehenden Schiffe für diejenigen, die derselben nicht oft genießen, viel Annehmlichkeit. Für den Hafen selbst hat die Natur eigentlich nichts gethan, als der Warnow hier ihren Ausfluß ins Meer angewiesen. Er würde vermuthlich schon längst versandet und für die Schiffahrt unzugänglich geworden seyn, wenn ihm nicht die Kunst zu Hülfe gekommen wäre, und den beständigen Sandauswurf des Meeres abzuhalten gesucht hätte. Zu dieser Absicht ist er sowohl gegen die Warnow als eine beträchtliche Strecke in die See hin auf beiden Seiten mit einem sehr starken Pilotis und Kisten, die mit großen Steinmassen angefüllt sind, versehen. Selbst bey dieser Vorsicht, die noch immer einen großen Aufwand an Holz und Kosten mit sich bringt, wird an der einen Seite der Oeffnung des Hafens durch den beständig angeworfenen Sand eine Untiefe erzeugt, so daß es alle Behutsamkelt der Lootsen erfordert, die Schiffe an dem Pilotis zur Rechten in den Hafen zu steuern. Er ist aber auch hier, besonders bey auslaufendem Strom nicht so tief, daß er Schiffe von mehr als 80 bis 100 Lasten mit voller Ladung aufnehmen könne. Diese müssen zuvor auf der Rhede löschen. Andere, die die angegebene Größe viel übersteigen, können zum Theil überhaupt nicht in den Hafen legen. Die Gegend um Warnemünde hat übrigens, wie schon erwähnt ist, nichts Anziehendes. Der Boden ist sandig und unfruchtbar, tragt kaum die nöthigen Gartenfrüchte, noch weniger Korn. Selbst für das Vieh hat er an der Seite von Warnemünde kein Futter. Im Sommer muß es täglich durch den Strom nach der andern Seite schwimmen, um dort zu weiden. Alle Bedürfnisse müssen also für die Einwohner dieses Orts aus Rostock herbeigeschafft werden, und täqlich rudert eine Menge derselben dahin, um ihre Fische oder den weißen Seesand zu verkaufen, und sich dagegen mit Mehl, Brod, Bier und andern Nahrungsmitteln zu versehen. So lebt hier in beständigem Kampfe mit dem großen wogigen Element und den Gefahren der täglichen Fischerey auf demselben, im Kampfe mit öftern Stürmen, und mit der Unfruchtbarkeit des Bodens, ein stilles, gutartiges Völkchen, von ohngefähr 620 Menschen, das sich fortwährend von allen andern Menschenarten unvermischt erhält; ein Völkchen, das für Rostock, freilich mit Verschiedenheit der Gewerbe und Nahrungart, ohngefähr das ist, was die Vierlander für Hamburg, und die Sachsenhäuser für Frankfurt sind. An Kleidung, Dialekt der Sprache, und, man kann auch wohl sagen, an Sitten hält es sich noch immer von der Stadt, zu der es gehört, ganz abgesondert. In der Kleidung zeichnen sich besonders die Weiber durch eine nach hinten etwas länglicht rund zulaufende Mütze mit schmalem knapp anschließenden Striche, durch ein rothes oder blaues enges Mieder mit weißen Knöpfen, und ein buntes nur oben am Latz zugebundenes und dann los bis über die Hüften herab, hängendes Camisol, mehrentheils von gestricktem Wollenzeuge; dann durch kurze nur bis auf die Waden reichende und oben dicht gefaltete Röcke aus. In der Sprache desselben finden sich so. viele theils Verlängerungen theils Verkürzungen der Worte, so viele Vertauschungen der Vokale, daß deren ein eigenes Idiotikon gesammelt wer, den könnte. Damit ist noch ein besonderer ziehender oder singender Ton verbunden, der keiner Beschreibung fähig ist. — In den Sitten bleibt dieses Völkchen der hergebrachten Lebensart, die sehr mäßig und enthaltsam ist, fortwährend treu. Vornämlich hält es sich im Punkte der Keuschheit so rein, daß eine Verletzung derselben zu den seltensten Begebenheiten in Warnemünde gehört, und eine unerlaubterweise verdorbene Jungfräuliche Taille den allgemeinsten und bittersten Unwillen erregt. Die Nahrungsart dieser Leute ist, wie sich erwarten läßt, sehr einfach und kärglich. Die Männer dienen als Matrosen zur See — wenn sie durch Sparsamkeit oder andre Glücksfälle so viel gewinnen, sich eigne Schiffe anschaffen zu können, so müssen sie das Bürgerrecht zu Rostock annehmen, und dort wohnen; — in der Abwesenheit derselben nähren sich die Weiber vom Fischfang und dem Sandhandel. Und dennoch lebt dieses Volk in seiner Art zufrieden und glücklich. Die Gewohnheit härtet es ab gegen dle mancherley Unannehmlichkeiten seiner Lage, und eine charakteristische Genügsamkeit bey wenigen Erwerbmitteln zu einem bequemen und weichlichen Leben bewahrt den Fond von Redlichkeit und Treuherzigkeit, der ihm von Alters her eigen ist."

1809 - Schillsche Truppen in Warnemünde

(NHG) Im Stadtarchiv der Hansestadt findet sich ein umfangreiches Aktenstück aus der Franzosenzeit, also der Besetzung durch napoleonische Truppen zwischen 1806 und 1813. In diesem Dokumentenbestand ist auch der vom 29.Mai 1809 datierte ausführliche Bericht des Warnemünder Vogtes Lange enthalten. Er berichtet was sich am Rande des in der deutschen Geschichtsschreibung oft heroisch geschilderten Kriegszuge Ferdinand von Schills mit seinem Bataillon Husaren rund um den alten Strom zutrug: „Dienstag d. 23. (Mai) gegen Mittag sprengten 4 Husaren vom von Schillschen Corps hinten an die Voigtey und fragten nach dem commandirenden Officier in Warnemünde. Es trat der Herr Lieutenant v. Horn heraus, welcher sogleich befragt ward, ob er diesen Platz dem Schillschen Corps übergeben wolle ?“ Der antwortete: „Der Platz sey allenthalben offen, und könne er denselben mit seinen Invaliden nicht verteidigen.“ Daraufhin wies man den 4 Husaren Quartiere bei Warnemünder Bürgern an. Deren Pferde bezogen den Stall beim Bürger Grimm. Am darauf folgenden Mittag erschienen weitere 14 Mann unter dem Kommando eines Sergeanten, der erklärte, das er nun Besitz von Warnemünde nehme. Leutnant von Horn entgegnete darauf, das er Befehl habe nicht von seinem Posten zu weichen. Der Sergeant erwiderte, dass er durchaus an seiner Seite weiter auf seinem Platz bleiben könne. Vor dem Einmarsch der Husaren hatte der Leutnant Schildwachen vor allen in Warnemünde liegenden Schiffen postiert. Um einer Entwaffnung zuvor zu kommen ließ er bei ihnen nun heimlich alle Patronen einsammeln und so die Gewehre unbrauchbar zu machen. Aber die Maßnahme half nichts. Die Husaren entwaffneten die Rostocker Wachen trotzdem. Am darauf folgenden Tag Graf von Moltke, ein Schillscher Stabsoffizier mit weiteren 14 Mann, teils Kavallerie, teils Infanterie hier ein. Auch für sie musste nun ein Quartier gefunden werden. Der veranlasste nun, das drei requirierte Kutter-Boote in die See vor die Hafeneinfahrt gelegt wurden. Fortan war auch den Fischern das Auslaufen verboten. Ein Schillscher Bataillonsschreiber brachte schließlich aus Rostock an von Moltke die Order alle hier liegenden Schiffe zu begutachten und festzulegen. Am nächsten Tage belief sich die Zahl der so erlangten Schiffe auf 22. Bald darauf erging an den hiesigen Lotsenkommandeur Weisung, bei Strafandrohung von 50 Hieben, dass er die Räumung der Wasserfahrzeuge zu organisieren habe. Anschließend sollen sodann auf drei der Schiffe Pferdeställe eingebaut werden. Bald darauf rückt von Rostock der Schillsche Leutnant von Hagen mit 12 Mann an, um nun mit Verspätung den Leutnant von Horn doch noch zu arretieren. Auch müssen die Rostocker Wachsoldaten jetzt den letzten Rest an Ausrüstung und Uniform abliefern. Der Lotsenkommandeur schien außerstande, den Einbau der Pferdeställe in die Schiffe zu organisieren. So sandte man kurzerhand ein Boot in den Breitling. Hier arbeitete gerade eine Reihe von Zimmerleuten an den Steinkisten der Molenbauwerke. Unter Androhung, sie im Wiedersetzungsfalle umgehend zu erschießen zwang man sie nun auf die Schiffe zwecks Einbau der Pferdeställe. Es mangelte jedoch an Material. Polier Stark musste nun angeben was gebraucht wurde. Das erforderliche Holz brachte man in Warnemünde bald zusammen, aber es mangelte an Nägeln. Zwischenzeitlich setzte aus Rostock ein Strom an Waffen, Proviant und Husaren aus Rostock ein. Allein acht Wagen mit Gewehren, Piken und Munition waren in Rostock requiriert worden. Allein Verladungen scheiterten an dem fehlenden Umbau der Schiffe. Der Umbau wiederum an den noch nicht aus Rostock eingetroffenen Nägeln. Als schließlich Schills Adjudant von Baersch in Warnemünde eintraf um die Einschiffung von Truppen auf den requirierten Schiffen zu kommandieren, sprach der ein Machtwort und ließ jede verfügbare Hand dazu kommandieren, aus Umzäunungen, Steganlagen und Gebäuden alle sichtbaren Nägel herauszuziehen und für die Stallanlagen auf den Schiffen zu gewinnen. Es kam auch eine ansehnliche Menge zusammen, allein die Zimmerleute erklärten sie alle für unbrauchbar. So wurde schließlich ein Kavallerist nach Groß Klein gesandt, um dort von einem Schmied ausreichend Nägel zu holen. Zwischenzeitlich beklagten sich die Schiffseigentümer bei Baersch, wer ihnen den Verlust der Schiffe ersetze? Baersch sicherte zu, das Schill ihnen alles ersetze. Nach einem Tag trafen schließlich auch die Nägel ein und die Arbeit an den Pferdeställen begann. Nun erging an den Vogt Lange die Weisung alle in den Warnemünder Häusern verfügbaren Töpfe und Pfannen zu requirieren und für die Truppen auf die Schiffe zu bringen, was bei den Bewohnern zu großem Wehklagen Anlaß bot. Nun schickte man auch Requirierungstrupps in die Dörfer der Umgebung um Futter und Lebensmittel zu beschlagnahmen. Inzwischen begann die Einschiffung der Husaren und ihrer Pferde. Gegen Abend erreichte den Kommandeur von Baersch die Meldung, das einige Husaren der Witwe Heberer ihren Wein mit Gewalt aus dem Keller geholt hatten. Der Kommandeur eilte sogleich mit einem weiteren Offizier dorthin um die Marodeure zu verhaften. Einer von ihnen widersetzte sich und ward von von Baersch noch am Ort exekutiert und vor dem Haus verscharrt. Kurz darauf erklärt von Baersch dem Vogt, dass er dessen Dienstmädchen Lene als Köchin mit auf sein Schiff nehmen wolle. Die entzog sich dem aber sogleich durch Flucht und versteckte sich zunächst im Pfarrhaus. Die Anzahl der höheren Offiziere, die in der Vogtei Quartier bezogen hatten und sich zwangsweise am Tisch des Vogtes Lange beköstigen ließen stieg unablässig. Inzwischen begann man bereits einzelne Schiffe auf die Reede auszuschiffen. Das zwei der erfahrenen heimischen Schiffer nacheinander die Segler auf eine Untiefe von Einheimischen „Lichtbogen“ genannt, auflaufen ließen, war sicher nicht deren Unerfahrenheit zuzuschreiben. Viel Zeit kostete nun deren Bergung um auch für die anderen Segler die Hafenzufahrt passierbar zu machen. Am 28. Mai morgens hatten holländische Truppen Warnemünde von Westen her erreicht und versuchten nun durch Beschuß die gegnerischen Schillschen Truppen am Auslaufen zu hindern. 15 Schiffe lagen bereits auf Reede. Das sechzehnte, geführt vom Schiffer Maas aus Rostock segelte eine viertel Stunde lang unter starkem Beschuß aus der Hafenausfahrt. Den Holländern gelang es nicht im weichen Dünensand die Kanonen richtig auszurichten, so dass sie immer wieder nur die Segel des Schiffes trafen. Zwei weitere Schiffe mit Husaren an Bord lagen noch in Warnemünde. Da ihnen die ausfahrt offensichtlich nicht mehr gelingen würde, flüchteten die Schillschen an Land über den Strom und die Hohe Düne in die Rostocker Heide. 22 Der Husaren gerieten jedoch bei der anschließenden Verfolgungsjagd noch in Gefangenschaft der Holländer. Ein Teil der holländischen Truppen quartierte sich nun in den Warnemünder Häusern ein und ließ sogleich wiederum Lebensmittel requirieren. Einen Tag später ließen sie sich jedoch zur Hohen Düne übersetzen um die Schillschen Truppen weiter in Richtung Stralsund zu verfolgen. Am nächsten Tage war Warnemünde wieder militärfrei.

1821 Hermann Friedrich Becker „Mein liebes Warnemünde wächst und gedeiht“

(NHG) Sehr bewußt wurde er, gemeinsam mit einer Reihe von Freunden, zum Förderer Warnemündes als Volksbad, im Gegensatz zu Heiligendamm als elitäres Nobelbad. Im Jahre 1821 liest sich das in seinen privaten handschriftlichen Aufzeichnungen so:„Das brachte mich auf den Gedanken, die Ostsee in Warnemünde zu versuchen, wo man nahe der See zu billigem Preise ein Bett und einen sauber gedeckten Tisch mit gebratenen Fischen findet. Meine Frau war bald bereit, mitzukommen, die Kinder stimmten jubelnd zu. Wir hatten schon öfter das Badeleben in Heiligendamm betrachtet. Da rühmten sich die Leute, das erste Seebad Deutschlands zu haben. Aber was taten sie? Sie fuhren in ihren Pfunkkarossen täglich von Doberan an die See, um ihre Kleiderpracht zu zeigen und um mit ihren schönen Pferden zu prahlen. Ins Wasser gingen sie nur ganz wenig und vorsichtig. Sie hatten einen Badearzt, unsern würdigen Professor Vogel, der die Leute untersuchte, sinnend die Finger an die Nase legte und dann wie ein Orakel verkündete, wie viele Minuten sie an der See oder gar in der See verweilen durften. Waren die Leute reich, so erlaubte er ihnen das Meer nicht an jedem Tage, damit sie recht lange in Doberan blieben und ihr Geld in der Spielbank los wurden. Er ließ auch Badeschaukeln nahe dem Strande bauen. Wenn die Frauen sich in flatternden Kleidern schaukeln ließen - so hieß es – atmeten sie recht viel von der heilenden Seeluft. Alle diese Scherzo, die uns wie Bauernfang vorkamen, machten wir in Warnemünde nicht mit. Hier haben wir die Seeluft billiger. Wir wohnen und speisen beim Vogt. Wir sitzen zwischen den Dünen am Meere. Wer baden will, geht an eine einsame Stelle und schwimmt, so weit er will. Die Kinder aber spielen wie die Wassernixen im Meere ganz vorn wo es flach ist. Wir sind hier die Bahnbrecher gewesen. Es bestand ein altes Vorurteil gegen den Warnemünder Strand. Da sei der Sand so tief und grundlos, das man nur stampfend und keuchend hindurchdringe, das sei man in baumloser Oede den Stürmen ausgesetzt und dem Flugsand, der durch Kleider und Haare dringe, da müsse man leben ohne das gewohnte Rostocker Behagen, in dürftigen Kammern und bei schlechter Kost. Es ist uns gelungen alle diese Vorurteile zu zerbrechen. Freilich müssen wir uns mancherlei mitbringen: Betten und Eßwaren und Kochtöpfe, aber damit leben wir hier wie einst Robinson auf seiner glücklichen Insel. Wir werden braun und gesund und fröhlich und segnen auch ohne ärztlichen Rat die Heilkraft des Meeres. Unsere Feriengenossen sind liebe Rostocker Freunde, meist ganze Familien mit vielen Kindern. Da ist mein lieber Bruder, der Pastor an St. Marien, mit seiner Kinderschar. Da ist der greise Professor Lorenz Karsten von Neuenwerder, der schon vor einem Menschenalter die Warnemünder Dünen mit Strandhafer bepflanzt hat. Wohl ist der Sandboden hier trocken, aber dieser Strandhafer besitzt einen langen Wurzelstock, der mit feinen Verzweigungen nach allen Seiten den Strand durchzieht. Dadurch bekommt die lockere Sandmasse einen festen Halt, bald wiedersteht sie den sandsaugenden Stürmen und dem Anprall der Wogen. Wir müssen – so sagte Karsten - die wandernden Dünen zu eisenfesten Bollwerken machen! Da ist Pastor Detharding von Sankt Jakobi, nur wenige Jahre älter als ich. Er hat als Pastor gefordert, man solle die armen Kinder keine unverstandenen Bibelsprüche auswendig lernen lassen und die Kinder Kinder sein lassen. Er wäre dafür fast seines Amtes entsetzt worden. Auch sein Vetter ist da, der Arzt Georg Detharding. Er und sein Vetter und Lorenz Karsten sind mit mir eine heimliche Verschwörerbande. Unser gemeinsames Ziel ist, Warnemünde zu einem Seebade zu machen, im Gegensatz zu dem teuren Heiligendamm mit seinen Fürsten und Geldmännern. Der eifrigste von uns ist Dr. Detharding. Er behandelt in der Stadt viele Kranke, wirkliche und eingebildete. Manch einen davon hat er an die Ostsee gebracht. Er hat es zu Wege gebracht, daß der „König“ unserer Aertzte, der Generalchirurgus Dr. Johann Wilhelm Josephi einige Wochen in Warnemünde geweilt hat. Wir haben in Rostock einen heimlichen „Feind“, der seinen Zorn kaum verbirgt. Das ist der Dr. Vogel, Professor der Medizin und Leibmedicus des Großherzogs. Für ihn sind wir nur die Verderber seines ersten Seebades in Heiligendamm. Wir haben Bade-Vogel selbst kennengelernt, den kleinen beweglichen Herrn mit dem hohen Kragen und dem dicken Halstuch, der immer die Tasche voller Zucker hat und ein Stück nach dem andern zum Munde führt. Das wäre seine Zuckerkur, die alle Gifte im Körper bannen soll. Uns ist er auch gram, weil wir in Warnemünde seine Heiligendammer Baderegeln nicht befolgen. Die drehen sich um die heilige Zahl 7. 7 Bäder sind für ihn nur eine Einleitung, 14 Bäder bilden eine kleine Kur, 21 eine mittlere und erst 28 eine volle Kur. Bei jedem Bade aber nur wenige Minuten in der See bleiben, damit des Guten nicht zu viel wird. Wir belächeln seine Zahlenspiele, aber in Heiligendamm schwört man auf ihn. Er ist der Apostel und aus seinem Munde strömt das Evangelium.“ Becker meinte einmal etwas scherzhaft, das er sich in Warnemünde wie in seiner heimischen Rostocker Heide fühle, waren doch die hölzernen Hafenbollwerke, die Warnemünder Jollen, das Ständerwerk der Warnemünder Häuser, ja selbst der Signalmast neben der Leuchte ausschließlich aus Stämmen errichtet, die zuvor in der Rostocker Heide herangewachsen sind und im Winter besuchen die Warnemünder seine Heide regelmäßig um hier ihr Brennholz zu stehlen.

Im Jahre 1841, nach inzwischen mehr als 50 Dienstjahren Pensionär geworden, hält er seine persönliche Bindung widerum handschriftlich fest:

„...Gleich nach dem Großherzog (Friedrich Franz I.) starb auch sein Leibarzt unser Professor Vogel, der das Seebad Heiligendamm geschaffen hat. Seine Leiche wurde mit viel Pracht und Prunk durch ganz Rostock zum neuen Friedhof gefahren, und mir war es, als begrüben sie nicht nur den Professor, sondern auch „sein Heiligendamm“, das schon jetzt von unserem schlichteren Warnemünde überflügelt ist. Mein liebes Warnemünde wächst und gedeiht. Wir waren auch in diesem Sommer mehrere Wochen da. In Warnemünde nehme ich noch an allem Anteil. Die Dünen sind fest geworden, und fliegenden Sand haben wir nur noch bei heftigem Sturm. In den Anlagen sind die Bäume, die ich einst pflanzen ließ, weit über Mannshöhe gewachsen und spenden schon Schatten. Oft bin ich auf der Mole, die eine Viertelstunde ins Meer hinausragt und unsere Einfahrt vor Versandung schützt. Seit Jahrhunderten wird diese Mole aus Doppelreihen von Steinkisten gebildet. Fast 50 Jahre lang habe ich aus der Rostocker Heide die Eichen und Kiefern für den Bau der Steinkisten geliefert. Diese Kisten, die ewig zu erneuern waren, haben ganze Wälder gefressen. ...Ich habe den Zimmerleuten immer gern zugesehen. Wie ein riesiger Sarg schwimmt die leere Kiste heran. Sie wird mit Stangen und Tauen dahin geleitet, wo sie mit Steinen gefüllt und versenkt werden soll. Gewaltig quirlt das Wasser, wenn der gefüllte Sarg versinkt. Und außer den Zimmerleuten sind immer noch die Wasenbinder dabei, die unter die Steinkisten die Reisigwasen oder Faschinen schieben, damit das Meer nichts unterspült. ...Ich genieße nun von der Mole die herrliche Luft, den weiten freien Blick übers Meer und die Wellen, die sich schäumend an den Steinkisten brechen.“

1822 Dr. Formey, "Die Seebäder und Heilquellen zu Doberan und Warnemünde im Sommer 1822" in Hufelands "Journal der praktischen Arzneykunde" Bd.55, Stück 4.)

"Weder Badewagen, noch irgend eine zur Bequemlichkeit der Badenden gereichende Vorkehrung ist vorhanden. Jeder Badelustige eilt in den Fluten des offenen Meeres um Erquickung oder Heilung zu finden. Der Ort ist ein Eigenthum der Stadt Rostock, dessen Magistrat, um alle Rivalität mit dem fürstlichen Doberan zu vermeiden, jede dahin lockende Einrichtung absichtlich unterläßt. Dessen ohngeachtet nimmt die Frequenz der Badegäste mit einem jeden Jahre zu." "Dieser Badeort ziehet durch seine Lieblichkeit und die Ruhe, die dort herrscht, alle diejenigen hin, welche entfernt vom prachtvollen Geräusche Doberans die Seebäder im Genusse dere schönen Natur gebrauchen wollen."

1825 Theodor Fontane: "Warnemünde ist gar nicht so übel"

"Warnemünde, seinem Renommeé nach eine Art Aschenputtel unter den Badeplätzen, ist gar nicht so übel. Es gibt einen Warnemünder Baustil. Er besteht darin, daß man an die Fronten der Häuser einen Glaskasten anklebt , der, unter den verschiedensten Namen auftauchend, als Balkon, Veranda, Pavillon, doch immer der alte Glaskasten bleibt, wovon das Sein oder Nichtsein aller Gäste und zuletzt auch ganz Warnemündes abhängt. Mit dem Glaskasten steht es oder fällt es. Diese gläsernen An- und Vorbaue geben dem Ort seinen Charakter und dem Badegast sein Behagen. Sie sind wirklich ein Schatz."

1845 Friedrich Lisch "Die Warnemünder Tracht"

"Die sichere nachhaltige Hauptquelle ist das Meer. Die meisten Männer sind Seefahrer, viele sind Fischer; in gereiften Jahren dienen sie im Hafen als Lotsen. Die Weiber sind äußerst betriebsame, rührige Gehülfinnen, ja Stellvertreterinnen der Männer auf dem Meere und dem Flusse,helfen fischen und Sand holen, besorgen den Verkauf des Gewinnes in Warnemünde und Rostock und den Verkehr des Fleckens mit der Stadt; beständig ist die Warnow mit leichten Böten bedeckt, welche die flinken Warnemünderinnen sicher und gewandt durch die Fluten lenken. Die zahllosen Bedürfnisse der Badegäste haben ihre Tätigkeit noch erhöht. Dies alles, neben dem Volkscharakter und der eigenen Sprache, gibt dem Völkchen, das auch bei dem gesteigerten Badeleben den alten Sitten treu geblieben ist, einen eigenen wohltuenden Anstrich. Wir sehenauf unserm Bilde eine Warnemünderin , wie deren täglich viele in den Straßen Rostocks umhergehen, um Seefische zu verkaufen, und einen Warnemünder Matrosen. Die Tracht der jungen Männer hat sich bereits der allgemeinen Matrosentracht angeschlossen. die Tracht der älteren Matrosen und Fischer hat jedoch noch den Charakter der Strandbewohner an den lebhafteren Küsten des nördlichen Eurpoas. Die Fischer trugen bei der Arbeit eine kurze wollene Jacke, dunkle, wollene Strümpfe, hohe Lederstiefel und als Hose die "Unnerbrauk", die bis zum Knie reichte, darüber die "Spitzbüx" mit der Klappe und den großen silbernen Knöpfen, und beim Netzeeinholen die weite, leinene Oberhose als Nummer drei."

Die Warnemünder Tracht Stich: Tiedemann 1840

1852 Karl Schurz und Gottfried Kinkel "Warnenünde - Flucht mit der Kleinen Anna nach England"

Auszug aus: "Sturmjahre - Lebenserinnerungen 1829 - 1852 " von Carl Schurz

"...In Neubrandenburg sowie in Teterow wechselten wir die Pferde, und kurz nach sieben Uhr am nächsten Morgen, dem 8.November (1852), erreichten wir das Gasthaus "Zum Weißen Kreuz" an der Neubrandenburger Chaussee bei Rostock. Petermann holte sofort Moritz Wiggers herbei, der nun die ganze Sorge für uns übernahm. Ohne Verzug schickte er uns in Begleitung des Kaufmanns Blume in einer Droschke nach dem zwei Meilen entfernten Hafen- und Badeort Warnemünde, wo wir in dem Wöhlertschen Gasthause abstiegen. Petermann, überglücklich, wendete sich nach Strelitz zurück. Auf der Reise hatten wir uns angewöhnt, Kinkel mit dem Namen Kaiser und mich mit dem Namen Hensel anzureden, und unter diesen Namen wurden wir in der Herberge einquartiert.

Wiggers hatte uns Warnemünde als einen Platz von patriarchalischen Einrichtungen und Sitten geschildert, wo es eine Polizei nur dem Namen nach gebe und wo die Ortsobrigkeit, wenn man uns entdecken und die preußische Regierung unsere Verhaftung verlangen sollte, zuerst darauf bedacht sein würde, uns aus der Gefahr zu helfen. Dort, meinte er, würden wir sicher sein, bis eine gute Fahrgelegenheit oder ein besseres Asyl bereit sein würde. Von Warnemünde aus sah ich zum erstenmal in meinem Leben das Meer. Ich hatte mich lange danach gesehnt, aber der erste Anblick war mir eine Enttäuschung. Der Horizont erschien mir viel enger und die Wellen, die vom Nordostwind gepeitscht, weißköpfig heranstürzten, viel kleiner, als ich sie mir in meiner Phantasie vorgemalt hatte. Ich solle die See noch besser kennen und mit größerer Achtung und höherem Genuß betrachten lernen. Übrigens waren wir auch damals wenig zum Naturgenuß gestimmt. Kinkel hatte zwei, ich drei Nächte im Wagen auf der Landstraße zugebracht. Wir fühlten uns bis aufs äußerste erschöpft, suchten bald unser Zimmer auf und sanken fast willenlos dem Schlaf in die Arme. Ich hatte noch Bewußtsein unserer Lage genug, um meine Pistolen unters Kopfkissen zu legen, und Herr Blume erzählte nachher, ich habe, als er sich während unseres sechsstündigen Schlafes leise in mein Zimmer geschlichen, sofort die Augen geöffnet, "Wer da ?" gerufen und meine Schießgewehre ergriffen, worauf er schleunigst davongegangen sei. Es war wohl so, aber ich erinnere mich dessen nicht.

Am nächsten Tage traf Wiggers wieder bei uns ein. Er verkündete uns, es liege nur eine Brigg auf der Reede - wir sahen sie vor uns auf den Wellen tanzen -, die aber noch nicht segelfertig sei. Sein Freund der Kaufmann und Fabrikherr Ernst Brockelmann, halte es auch für besser, uns auf einem seiner eigenen Schiffe über See zu schaffen, und bis dieses zur Abfahrt bereit sein werde, uns in seinem eigenen Haus zu beherbergen. So verließen wir denn das Gasthaus, bestiegen die Jolle eines Warnemünder Lotsen und, den scharfen Nordost im Segel, flogen wir über die breite Bucht den Warnowfluß hinauf. An einem Gehölze landeten wir, und bei einem nahen Dorfe fanden wir Brockelmann mit seinem Wagen. Wir sahen einen hochgewachsenen, kräftigen Fünfziger vor uns, mit grauem Haupthaar und Backenbart, aber frischer Gesichtsfarbe und jugendlich lebhaft in Ausdruck und Bewegung. Er begrüßte uns mit freudiger Herzlichkeit, und nach den ersten Minuten waren wir alte Freunde. In Ihm erkannten wir das wahre Bild des "selbstgemachten" Mannes im besten Sinne des Wortes - eines Mannes, der seines eigenen Glückes Schmied gewesen, der mit Selbstgefühl auf das blicken kann, was er geleistet hat, und in seinen Erfolgen die Inspiration weiteren Strebens und eines unternehmenden und opferwilligen Gemeingeistes findet. Seine natürliche Menschenfreundlichkeit, die das Recht eines jeden auf die Anerkennung seines wahren Wertes und auf eine entsprechende Chance des Fortkommens würdigte, hatte ihn von Jugend auf zu einem Liberalen und auch der achtundvierziger Revolution zu einem Demokraten gemacht. Seine Grundsätze und Theorien hatte er, so weit sich ihm die Möglichkeit bot, praktisch bestätigt, und er war daher weit und breit als ein Freund und Führsprecher der Armen und Bedrückten bekannt, besonders aber von seinen Arbeitern, die er in großer Zahl als Fabrikherr beschäftigte, wie ein Vater verehrt und geliebt. Er konnte als er uns sein Haus als Zufluchtsort anbot, wohl sagen, daß er Arbeiter genug habe, die sich auf seinen Wunsch im Notfalle für uns schlagen und unser Asyl lange genug halten würden, um uns Zeit zum Entwischen zu geben. Indes würde es dazu nicht kommen, da die Beherbergung der Herren Kaiser und Hensel als Gäste eines vielbesuchten Hauses kein Aufsehen mache und da, selbst wenn unser Geheimnis von seinen Leuten geahnt würde, es unter diesen keine Verräter gäbe. Kurz er könne für alles einstehen. so fuhren wir denn in Brockelmanns Wagen nach seinem in der Mühlentorvorstadt gelegenen Hause. Nun begannen für uns einige Tage der Ruhe und des eigentlichen Schlaraffenlebens. Brockelmann, seine würdige Gattin, die älteste Tochter, deren vortrefflicher Bräutigam, der Kaufmann Schwarz und der kleine Freundeskreis, der ins Vertrauen gezogen war, überschütteten uns mit den liebenswürdigsten Aufmerksamkeiten. Wie könnte ich die Sorge beschreiben, mit der die Hausfrau Kinkels verwundete Hände wusch, verband und pflegte! Und nun die nach den mecklenburgischen Begriffen von Gastfreundschaft unentvehrlichen ersten Frühstücke und zweiten Frühstücke und Mittagessen und Nachmittagskaffees mit Kuchen und Soupers und "Bissen vorm Schlafengehen" und Nachtmützen, die von morgens früh bis zu später Nacht in unglaublich kurzen Zeiträumen aufeinanderfolgen! Und die Abendgesellschaften mit Strömen von Wein, während deren Wiggers zuweilen mit meisterhafter Hand Beethovensche Sonaten spielte, die Kinkel an die musikalische Sprache seiner Johanna erinnerten. Und die Überraschung, als bei einer unverfänglichen Gelegenheit Brockelmann von einem Musik-Corps im Hause die allgemeine Revolutionshymne, die Marsellaise, spielen ließ! Und die Spaziergänger zum Luftschöpfen im Garten bei später Nacht, wenn das Gesinde zu Bett war!

Freilich wurde dabei die sehr ernste Seite unserer Lage nicht vergessen. Brockelmann ließ eines seiner eigenen Fahrzeuge, einen Schoner von etwa vierzig Last, der sich als guter Segler erprobt hatte für uns bereitmachen. Die kleine Anna, so hieß der Schoner, empfing eine Ladung Weizen für England, die man möglichst schnell an Bord schaffte, und Sonntag, den 17. November, wurde als Tag der Abfahrt bestimmt, wenn sich bis dahin der noch immer wehende starke Nordostwind gelegt haben würde. Mittlerweile ging die Nachricht von Kinkels Flucht durch die Zeitungen und erregte allenthalben das größte Aufsehen. Unsere Freunde in Rostock unterrichteten sich mit größter Sorgfalt von allem, was über die Sache gedruckt, gesagt und gerüchteweise gemunkelt wurde. Den von der preußischen Regierung gegen Kinkel erlassenen und in den Blättern veröffentlichten Steckbrief brachten sie uns zum Tee mit, und er wurde unter großerer Heiterkeit mit allerlei unehrerbietigen Randglossen vorgelesen. Von meinem Anteil an Kinkels Befreiung wußten damals die Behörden und das Publikum noch nichts, die Kinkels Ankunft an den verschiedensten Orten zu gleicher Zeit anzeigten. Der freisinnige Pastor Dulon in Bremen, einem richtigen Instinkt folgend, beschrieb in seinem Blatt mit großer Umständlichkeit, wann und wie Kinkel durch Bremen passiert und zu Schiff nach England gefahr+ren sei. Einige meiner Freunde berichteten sein Eintreffen in Zürich und in Paris. Eine Zeitung brachte sogar einen ausführlichen Bericht über ein Bankett, das Kinkel von deutschen Flüchtlingen in Paris gegeben worden, und von der Rede, die er dabei gehalten habe. So blieb nichts unversucht, um die preußische Polizei zu verwirren und irrezuleiten. Es kamen aber auch Schreckschüsse beunruhigender Art. So empfing Wiggers am 14. November einen Brief aus der Gegend von Strelitz, ohne Unterschrift und von unbekannter Hand geschrieben, der so lautete: "Beschleunigen sie die Versendung der ihnen anvertrauten Waren; es ist Gefahr im Verzuge." Warscheinlich war von den Behörden unsere Spur zwischen Spandau und Strelitz entdeckt und von dort weiterverfolgt worden. Dann meldete sich am Freitag, dem 15. November, ein Fremder bei Wiggers, der sich für den Gutsbesitzer Hensel ausgab und fragte, ob Kinkel, den er von Spandau nach Strelitz gefahren, noch in Rostock sei. Wiggers hatte uns zwar von Hensel in Ausdrücken des höchsten Vertrauens sprechen hören, aber er besorgte, der Fremde möge nicht der richtige Hensel, sondern ein Spion sein. So stellte er sich denn erstaunt, daß Kinkel in Rostock sein könne, versprach aber, Erkundigungen einzuziehen und bestellte den Fremden wieder zu sich auf den nächsten Tag. Der Vorfall wurde uns sofort berichtet, und die Beschreibung des Aussehens des Mannes überzeugte uns, daß der Fremde wirklich der brave Hensel sei. Er war, wie er Wiggers sagte, nach Rostock gekommen, nur um seine Herzensangst um unsere Sicherheit zu beschwichtigen. Kinkel und ich wünschten sehr, ihn zu sehen und dem treuen Freunde noch einmal die Hand zu drücken; aber Wiggers, der durch die Warnung von Strelitz ernstlich besorgt worden war, riet dringend zur äußersten Vorsicht und versprach uns Hensel, der bis zum 18. in Rostock bleiben wollte, unsere Grüße zu überbringen, nachdem wir die offene See erreicht haben würden. So fanden wir trotz aller Gemütlichkeit doch nicht geringe Beruhigung in der Nachricht, daß der Nordostwind sich gelegt habe, das die Anna bereits bei Warnemünde vor Anker liege und das alles zu unserere Abfahrt am 17.November bereit sei. Wiggers hat im Jahrgange 1863 der Leipziger "Gartenlaube" diese Abfahrt anziehend beschrieben. An einem frostigen Sonntagmorgen segelten wir mit unserer bewaffneten Begleitung, die unsere Freunde aus zuverlässigen Leuten zusammengesetzt und so stark gemacht hatten, daß sie, wie Wiggers sagte, einem nicht ungewöhnlich mächtigen Angriff der Polizei hätte wiederstehen können, in zwei Booten über die Bucht nach dem Ankerplatz der Anna. An Bord angekommen gab Herr Brockelmann dem Kapitän, der über den so unerwartet zahlreichen Besuch sehr erstaunt war, seine Instruktionen. "Sie nehmen diese beiden Herren;" sagte er, auf Kinkel und mich deutend, "mit nach Newcastle. Bei Helsingör segeln Sie, ohne anzulegen, vorbei und zahlen den Sundzoll auf der Rückreise. Bei ungünstigem Winde setzen sie lieber das Schiff an der schwedischen Küste auf Strand, als das sie nach einem deutschen Hafen zurückkehren. Paßt ihnen der Wind nach einem anderen Hafen der englischen oder schottischen Ostküste besser als nach Newcastle, so segeln sie dorthin. Es kommt nur darauf an, daß sie möglichst schnell nach England kommen. Ich werde es ihnen gedenken, wenn sie meine Ordres pünktlich ausführen." Der Kapitän - Niemann war sein Name - mag diese Instruktion mit einiger Bestürzung angehört haben, aber er versprach sein Bestes zu tun. Einige seiner Freunde blieben bei uns, bis der kleine Schleppdampfer, welcher der Anna vorgespannt war, uns eine kurze Strecke in die offene See hinausbugsiert hatte. Dann kam der Abschied. Wie Wiggers erzählt, warf sich Kinkel schluchzend an seine Brust und sagte: "Ich weiß nicht, soll ich mich feuen über meine Rettung, oder soll ich trauern, daß ich wie ein Verbrecher und Ausgestoßener mein teures Vaterland fliehen muß!" Dann stiegen unsere Freunde in den kleinen Dampfer, und dankbaren Herzens riefen wir ihnen Lebewohl zu. Zum letzten Abschied feuerten sie ein Salut mit ihren Pistolen und dampften dann nach Warnemünde zurück, wo, wie Wiggers erzählt, die ganze Gesellschaft das gelungene Rettungswwerk mit einem fröhlichen Mahle feierte. ..."

um 1870 Julius Woeniger: "Warnemünde - Natur und Kunst haben beide wenig für dasselbe gethan"

"In Warnemünde ist das Badeleben schon in vollem Gange. Es ist ein merkwürdiger Badeort, dies Warnemünde; Natur und Kunst haben beide wenig genug für dasselbe gethan und doch geht der meiste Mann am liebsten dahin; das mehr Demokratische, welches das Warnemünder Badeleben hat, muß es wohl machen."

Über das Warnemünder Badeleben 1885

(NHG) Im Sommer des Jahres 1885 führt der Weg rund 5000 Erholung suchende „Berliners“, also Badegäste nach Warnemünde. Das Badewesen hatte in den vergangenen Jahrzehnten eine rasante Veränderung und Entwicklung des Küstenortes zur Folge gehabt. ;Einige Meilensteine bis dahin seien hier genannt:

1828 Hinter der Ostmole wird ein Damenbad mit zwei Zellen geschaffen
1834 Dr. Schütz lässt ein Warmbadehaus im Ortszentrum errichten
1835 Bau eines Herrenbades (auf der Höhe des 1853 erbauten Hotels Hübner) und eines Damenbades (auf der Höhe des heutigen Kurhauses) mit Zellen für jeweils 20 Personen
1866 Verlegung des Herrenbades nach Westen (auf die Höhe des heutigen Hotels Neptun)
1872 Zerstörung aller Bäder bei der Novemberflut
1873 Wiederaufbau beider Bäder an den vorherigen Standorten

Der Badetourismus ist zum bedeutenden Wirtschaftszweig Warnemündes geworden, als der hier ansässige Kaufmann A. Bruger mit seinem Pressebeitrag „Badeplauderei“ im „Anzeiger für die Ostseebäder Warnemünde, Heiligendamm, Groß-Müritz, Wustrow“ am 6.Juli 1885 für Aufregung und lebhafte Diskussion im Ort sorgt. Übrigens weisen die Diskussionsinhalte bemerkenswerte Parallelen zu unseren Tagen auf und eine unterhaltsame Beschreibung des Lokalkolorits jener Tage in Warnemünde ist es in jedem Falle. Er schreibt: „Das Seebad Warnemünde, dessen Besuch von Jahr zu Jahr mehr zunimmt, gehört jetzt schon, und mit Recht, zu den besuchtesten Ostseebädern. In der That findet man selbst in den viel genannten und fashionabelsten Ostseebädern Misdroy, Häringsdorf und Colberg nicht eine solche Anzahl hübsch und anmuthig gelegener und mit so vielem Comfort eingerichteter Privatwohnungen wie in Warnemünde, und gar die großen Hotels dieses Badeortes können nicht nur wegen ihrer schönen Lage in unmittelbarer Nähe der See, sondern auch wegen ihrer vortrefflichen Einrichtung und Leitung, den gelobtesten Hotels in den sogenannten großen Bädern an die Seite gestellt werden. …“ Bruger stellt Vergleiche mit den in damaliger Zeit etabliertesten Ostseebädern und ihren Angeboten an und kommt zu dem Schluß: „Nur an Einem fehlt es in Warnemünde, und dieser Mangel macht sich von Jahr zu Jahr mehr fühlbar, das ist eine Badedirection, welche die Aufgabe hat, dem Fremden in Bezug auf die Wohnungen Auskunft zu geben und für das Amusement der Badegäste zu sorgen. Seitens der Stadtverwaltung, welcher zugleich auch die Verwaltung des Fleckens Warnemünde unterstellt ist, geschieht sehr wenig für die Hebung des Bades als solches und gar nichts für die Annehmlichkeit und Bequemlichkeit der Gäste. Insbesondere könnte man füglich die Anforderung stellen, daß in einem so frequenten Bade die Badeeinrichtungen besser wären. …“ Seine im Beitrag folgenden Beschreibungen über den praktischen Ablauf des Badelebens und den damit verbundenen Dienstleistungen jener Zeit lassen uns heute, an freies Baden gewöhnte, Strandbesucher schmunzeln: „Die Zellen im Damenbade , deren Anzahl in der Hauptsaison nicht im Entferntesten dem Bedürfniß entspricht, sind zum größten Theil völlig dunkel und besitzen mit Ausnahme der wenigen gemauerten, anstatt des Fensters nur eine etwa 1 Fuß (28 cm) große Öffnung in der Rückwand , welche, wie in den Hühnerställen (Legeställen) auf dem Lande mit einem hölzernen Schieber geschlossen wird. Will der Badegast sich nun nicht im Finstern anziehen, was immerhin seine Schwierigkeiten hat, so muß er jenen Schieber öffnen und erhält nun durch diese Öffnung und das gegenüber in gleicher Höhe befindliche Loch in der Thür , dessen einstiger Zweck nicht erfindlich ist, die intensivste Zugluft, die man sich wünschen kann. Die Kleider, welche man an der weißgetünchten Wand der Zelle aufzuhängen hat, zieht man mit Kalk beschmutzt wieder an. Handgroße Spiegel sind allerdings in den Zellen vorhanden, sie hängen aber entweder zu hoch oder zu niedrig, wenn man von „hängen“ überhaupt sprechen kann, da sie fest genagelt sind. Im Uebrigen ist das Glas völlig fleckig und blind, und zeigt dem Hineinschauenden entweder nichts oder ein völlig verzerrtes Antlitz. Eine Wanne zum Abspülen der Füße ist nicht vorhanden, und doch wäre diese um so mehr am Platz, als der auf der Brücke und auf den ins Wasser führenden Treppen befindliche Leinwandläufer stets beschmutzt mit dickem grünem Schlamm. …“ Auch an dem betreuenden Personal der beiden Bäder hat der Kaufmann mancherlei zu kritisieren: „Die Bedienung der Badenden ist ebenso mangelhaft wie die Einrichtung der Zellen. Allerdings umdrängen im Herren- wie im Damenbade eine Menge Menschen den neu hinzugekommenen Badegast und bieten ihre Dienste an. Es beschränken sich aber die Dienstleistungen in der Regel ausschließlich auf das Trocknen und Aufbewahren der Badewäsche. Das sorgfältigste der Gesundheit und dem Wohlbefinden so notwendige Frottieren der Haut unterbleibt entweder ganz oder es wird von dem Badediener ( respective der Badedienerin ) gewissermaßen im Vorübergehen auf dem Badesteg vorgenommen. Die Bedienenden haben in der Regel so vielen Badegästen ihre Dienste verdingt, daß es für sie eine Unmöglichkeit ist, jeden Einzelnen in die Zelle zu begleiten und ihm dort beim Ankleiden behilflich zu sein. Dies und noch vieles Andere, sind Übelstände, welche jeder Badegast unangenehm empfindet. …“ Alle Kritik an der Situation im „Baderegiment“ von Warnemünde führt Bremer schließlich zu der Forderung: „Von Seiten der Stadt müßte in Bezug auf die Einrichtung der Zellen, der Bedienung der Badegäste etc. , ein festes Reglement aufgestellt werden, dessen Innehaltung zu überwachen und zu controllieren Sache des Bade-Direktors wäre, der in jedem größeren Seebade für die Sommermonate angestellt ist, und dessen Abwesenheit sich in Warnemünde , auch in Bezug auf das Miethen der Wohnungen , das Arrangement der Vergnügungen etc. von Jahr zu Jahr mehr fühlbar macht.“ Schon wenige Tage darauf reagiert der Hotelbesitzer C. Hübner, gleichzeitiger Betreiber von Damen- und Herrenbad mit unverhohlener Wut: „Wenn ich beipflichte, daß, wenn in unserem Orte für die Dauer der Saison eine Badedirektion existirte, es in vielen Dingen besser stehen würde wie zur Zeit, so ist es doch sehr zu bedauern, daß eine Einrichtung, die nicht besser, einfacher und reinlicher sein kann, wie unsere Badeanstalt, einer Kritik unterworfen wird. Was den Punkt anbetrifft, daß eine Badedirektion fehle, um Fremden betreffend Auskunft zu geben, so findet auch jetzt jedes an die nicht existierende Badedirektion gerichtete Schreiben sofortige Beantwortung und wird ihm gerne Rath ertheilt.“ Es hatte sich in der Vergangenheit eingebürgert, daß der Postbote Briefschaften, die an die Badedirektion adressiert waren zur Auskunft und Bearbeitung an das Hotel Hübner, eben das größte Haus am Platze gab, wo sie dann bearbeitet wurden. Waren im eigenen Haus keine Unterkünfte frei, leitete man sie dann an die anderen Hoteliers des Ortes weiter. Was verständlicherweise deren Unmut weckte. Hübner führt weiter aus: „…daß Amusements bis jetzt ohne eine Badedirektion stattfanden, so z.B. die Stromfahrten, welche doch nur von Privatpersonen (auf Hübners Rechnung) angeregt wurden und in jeder Weise rege Beteiligung fand.“ „Was nun die Einrichtung unserer Badeanstalten betrifft, so fehlt es in denselben durchaus nicht an Luft und Licht, denn jedem , der sich in denselben seiner Kleider entledigen respective sich ankleiden will, ist es gestattet, die Thüre der Zelle offen zu stellen, so oft er entweder des Lichtes oder der Luft entbehrt, doch thun wohl solche, die sich vor einem Luftzuge scheuen besser, wenn sie im Hause bleiben und ein warmes Bad von 30 bis 40 Grad nehmen. …“ Was die angebotenen Dienstleistungen angeht bemerkt Hübner: „…Zum Abtrocknen und Frottiren der Badenden befinden sich in der Badeanstalt 2 kräftige junge Männer, auf jeder Seite einer, die gewiß ihrer Aufgabe gewachsen sind und willig tun, was von ihnen der Badende verlangt.“ Als Resümé schließt der Hotelier an: „Fragen wir uns nun zum Schlusse, zu welchem Preise ist ein Bad in Warnemünde, und zu welchem Preise ist ein Bad in Häringsdorf oder Colberg zu haben: ein Bad kostet in Warnemünde 20 Pf., in Colberg 40 Pf. Und in Häringsdorf sogar 75 Pf., so gelangen wir zu der Einsicht, daß Warnemünde bei solchen niedrigen Preisen stolz darauf sein kann, eine solche Badeanstalt zu besitzen, und gewiß in dieser Hinsicht den anderen Seebädern ebenbürtig dasteht.“ Auch Kaufmann Bruger fühlt sich nun noch zu einer Erwiderung bemüßigt: „Freilich geht es auch ohne Badedirektion, wie Herr „C.H.“ zu beweisen sich bemüht. Es kommt hier wie überall im Leben nur auf die Ansprüche, die man erhebt, und auf den Platz den man einnehmen und behaupten will. Warnemünde gehört zu den besuchtesten Ostseebädern, es stellt sich mit Recht „Häringsdorf und Colberg“ gleich, da darf es auch bezüglich seiner Badeeinrichtungen nicht so weit hinter den genannten Bädern zurückstehen, wie dies doch in Wahrheit der Fall ist. Wem die Bade-Einrichtungen als die „besten“ erscheinen und er sogar „stolz“ darauf ist, dem zeugt dies von einer nachahmungswürdigen Bescheidenheit und Anspruchslosigkeit, welche leider das die Bäder besuchende, größtentheils wohlhabende Publikum nicht zu besitzen pflegt. Wem es nichts ausmacht bei offener Zellenthür vor zahllosen Zuschauern aus- und anzukleiden,wem die fleckigen blinden Spiegel genügen, wem es nicht unangenehm ist, die mit Sand und Schlamm beschmutzten Füße ohne vorherige Reinigung in dem Badelaken abzutrocknen, wer endlich die Bedienung bei dem Verlassen des Bades nicht entbehrt, der könnte sich füglich auch ganz ohne Zelle behelfen und hätte dabei die Freude, an jedem Bade 20 Pf. zu sparen. Die Badegäste, vorzugsweise die Damen, sind indessen leider so verwöhnt, daß sie es vorziehen sich bei geschlossener Tür und nicht im Finstern anzuziehen. …und sie haben sogar das Bedürfnis in ihrer Zelle von einer Dienerin abgerieben zu werden. … es ist mir unverständlich, weshalb man solche Mängel nicht rügen soll, weil die Badeanstalt sich in den Händen einer Privatperson befindet. Die letztere würde jedenfalls in ihrem eigenen Interesse handeln, wenn sie hier gründliche Abhülfe schafft. … Wenn der Besitzer der Badeanstalt, an welcher er die genannten Verbesserungen vorgenommen hat, dagegen einen etwas höheren Preis für die Bäder verlangt, so wird das Publikum dies nur billig finden. Wer sich den Luxus einer Badereise gestatten und für eine Wohnung täglich 5 – 12 Mark Miethe zahlen kann, dem wird es wahrlich auf die 20 Pf. nicht ankommen, um welche er vielleicht das tägliche Bad theurer bezahlen muß; und Warnemünde wird durch Verbesserung seiner Badeeinrichtungen wesentlich gewinnen.“ Es läßt sich heute nicht mehr aufklären, ob dieser öffentlich ausgetragene Disput mit dazu beigetragen hat, daß drei Jahre darauf, im Jahre 1888, auf Initiative und unter Leitung des Rostocker Bürgermeisters Dr. Paschen für Warnemünde eine amtliche Badeverwaltung eingerichtet wurde. Ein Denkanstoß dazu war es gewiß.

um 1890 Carl Von Stein, Auszug aus: "Eine Erinnerung aus Warnemünde" Ode

(Karl Heinrich Friedrich Julius von Stein, 1831 - 1916, von 1868-1870 Vorstand des See-Zollamtes in Warnemünde)

"..In dem kleinen Warnemünde-

Wer es kennt der muß es lieben-

Suchen kühle Sommerfrische

Nach des Winters hartem Dienste

Badegäst´ verschiedner Art:

Alte gelbe Stubenhocker,

Die beim Staub von Folianten,

Lung´und Leber assicirten,

Männer von gelehrtem Stand.

Aber auch Commerzienräthe,

Reiche Strohhutfabrikanten,

Decorirte Officiere,

Und selbst Künstler fehlen nicht.

Auch Berlin, die Metropole,

War in großer Zahl vertreten

Durch Familien, die zu Hause

Ohne Gruß einander kennen,

In der Fremd sich lieben sehr.

Auf der Düne nah am Meere

Lagen nach des Tages Hitze

Hingekauert, wild romantisch

Damen und auch junge Herr´n.

Kleine Wogen plätschern friedlich

Und am fernen Horizonte

Streifen helle, schmale Segel

Die in alter Fischersprache

Man die "weißen Rosse" nennt. .."

1896 Johannes Trojan - "Findigkeit der Hunde"

Auszug aus: Johannes Trojan: Das Wustrower Königsschiessen und andere Humoresken - Kapitel 9 (NHG) Von der Findigkeit der Hunde will ich ein rührendes Beispiel erzählen. Im Seebade Warnemünde wurde ein grosses Bade- und Volksfest gefeiert, und der Landesfürst selbst nahm daran Theil. Natürlich strömte in Warnemünde ein grosses Publikum zusammen, und besonders aus der nahe gelegenen Hafenstadt Rostock kamen so viele Tausende, als nur irgend aus einer mittelgrossen Stadt, in der Wohlfahrt, Vergnügungstrieb und gute Gesundheitszustände herrschen, herausströmen können. Von Rostock nach Warnemünde brauchen die Dampfschiffe, die auf dem breiten Fluss den Verkehr zwischen den beiden Orten vermitteln, zur Zurücklegung der Fahrt eine Stunde; der Landweg aber beträgt beinahe Meilen. Der Festtag erschien, und voll bis zum Sinken kam vom frühen Morgen an Dampfschiff auf Dampfschiff nach Warnemünde. Es war eine unzählbare Menge, die auf dem Festplatz sich drängte, das Fest aber war über die Massen schön. Da es sich nun zum Ende neigte und es dunkel ward, bemächtigte sich des Publikums eine grosse Furcht, es könnte am Ende nicht mehr mit den Schiffen mitkommen, die nach Rostock zurückfuhren. Alles stürzte dem Wasser zu, wo die Schiffe lagen, und dieselben waren im Nu überfüllt. Die aber voll waren, fuhren ab. Bei dieser Ueberstürzung wurde eine grosse Anzahl von Hunden, die ihren Herren aus Rostock gefolgt waren, vergessen und blieb in Warnemünde zurück. Ihre Zahl soll mehrere Hunderte betragen haben. Diese haben dann laut heulend bis tief in die Nacht hinein, ja bis gegen den Morgen hin am Ufer gestanden, und durch ihren Jammer um ihre treulosen Herren ist manch Bewohner von Warnemünde im Schlafe gestört worden. Endlich aber, scheint es, haben sie Berathung gehalten und einen Beschluss gefasst. Sie sind wenigstens um den ersten Hahnenschrei aufgebrochen und in geschlossenem Haufen auf der Chaussee nach Rostock abmarschirt. Die Kleinsten und die schon müde waren, nahmen sie in die Mitte; die Wegkundigsten führten, eine zuverlässige Nachhut sorgte dafür, dass keiner zurückblieb. Das alles weiss man, weil ein später oder vielmehr früher Wanderer in der Morgendämmerung dem Zuge auf der Landstrasse begegnet ist und darüber berichtet hat. Er hat auch die Hunde gezählt und gefunden, dass es 279 waren, und alle Racen waren darunter vertreten. Es sei ihm aber, sagt er, beim dem Anblick eiskalt über den Rücken gelaufen, denn er habe das Ganze für einen höllischen Spuk gehalten. Viele der Hunde hätten gar zu geisterhaft ausgesehen. Was das Letztere betrifft, so ist das kein Wunder, da die Hunde lange Zeit nichts gefressen hatten und in Sorge um ihre Herren waren. Dass es aber kein Spuk war, erwies der andere Tag. Da fand jedweder Bürger von Rostock, der am Tage vorher seinen Hund in Warnemünde vergessen hatte, denselben richtig vor seiner Hausthüre wieder vor. Das ist ein Beispiel von der Findigkeit und zugleich von der Treue der Hunde. Wie viele Menschen hätten denn unter ähnlichen Umständen gleich richtig gehandelt?


1914 Erich Kästner - Ferienausflug von Graal-Müritz nach Warnemünde

(NHG) … Der Naturfreund genießt die Ruhe und Weltabgeschiedenheit der Rostocker Heide als Urlaubsdomizil in vollen Zügen. Ausflüge zu Fuß und per Rad durch die Ruhe der Küstenwaldlandschaft empfindet er als genussvolle Abwechslung zur Lebendigkeit seiner Heimatstadt Dresden: „Die Küste entlang nach Graal und Arendsee. In die Wälder, an schweelenden Kohlenmeilern vorbei, zu einsamen Forsthäusern, wo es frische Milch und Blaubeeren gab. Wir borgten uns Räder und fuhren durch die Rostocker Heide nach Warnemünde, wo die Menschenherde auf der Ferienweide noch viel, viel größer war als in Müritz. Sie schmorten zu Tausenden in der Sonne, als sei die Herde schon geschlachtet und läge in einer riesigen Bratpfanne. Manchmal drehten sie sich um, wie freiwillige Koteletts. Es roch, zwei Kilometer lang, nach Menschenbraten. Da wendeten wir die Räder und fuhren in die einsame Heide zurück.“

1936 Friedrich Witte "Warnemünde meiner Jugend"

(NHG)