Reetzow Chronik Walter Laß

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Reetzow ist Ortsteil von Benz Usedom

Lebenserinnerungen von Walter Laß

geb. ca. 1908, aus Reetzow Insel Usedom - aufgeschrieben im Jahr 1993

So vergingen die Jahre in Reetzow, Päts Mutter hat 1792 mit 23 Jahren Hochzeit gemacht und die Liebe war damals genauso gut und groß wie vorher und heute, nur mit dem sehr großen Unterschied, dass damals die uneheliche Mutter jeden vierten Sonntag ihr Kind beim Gottesdienst in der Kirche in der Wiege wiegen musste. Wenn Pät Martin als jüngstes von 5 Kindern 1800 geboren ist, dann sind die vier älteren in den 8 Jahren davor geboren. Um 1800 kam vom Amt die Anweisung, dass der Acker von Feldsteinen frei zu machen sei. Daraufhin wurden Steine zur Begrenzung der Hofanlagen, als Koppelmauern, als Wegebegrenzung und als Fundamente für ständig zubauenden Gebäuden vorgesehen. Auch für die damals, infolge der halbwegs guten Kartoffelernten, beginnende Schweinehaltung wurden Feldsteine zum Bau von Schweineställen verwendet.

Steine vergraben

Auf den entfernt liegenden Äckern wurden zum Teil große Löcher gegraben, wo die Steine nach Größe sortiert vergraben wurden (erst die großen, dann die mittleren und zum Schluss die kleineren Steine), aber immer so tief, dass noch gepflügt werden konnte. Während die Frauen ihre Sorgen mit Spinnrädern, dem Webstuhl, dem Schrotmehl für das Brotbacken und das Melken und Buttermachen hatten, mussten 5 Männer 3 Tage in der Woche nach Pudagla zum Arbeitseinsatz. Sicherlich wurden die Büdner auch mit eingesetzt, wenn sie sonst auch nicht hörig waren, aber sie und ihre Familien erhielten ihren Lohn in Naturalien und es sind keine großen Differenzen entstanden. Bis 1840 wurden alle Außenarbeiten noch gemeinsam gemacht.

Dorfschulze - Schultenstaff (Schultenknüppel)

Seit der Zeit, wo die Gemarkung Reetzow an 5 Bauern übergeben wurde, musste einer von diesen Dorfschulze sein. Der war erster Mann im Dorf und zwei Schöffen standen ihm zur Seite. Wie der Schulze über die Runden kam, war für ihm ganz einfach: er konnte nicht schreiben und die anderen konnten nicht lesen, das wurde alles mündlich abgesprochen und geregelt. Von Amts wegen hatte er dafür zu sorgen, dass die Steuern halbjährlich bezahlt wurden und dass die fünf Arbeiter an drei Wunschtagen dem Amtsgut zur Verfügung standen. Wenn Streit im Dorf entstand, indem dass sich bösartige Frauen in den Haaren lagen und die Männer sich ein mischten, dann kam der Schulze mit dem Schultenstaff, einem 2 m langen Stab, oben mit einem silbernen Knopf und gebot „Ruhe“ und schickte die Streithähne in ihre Behausung. Dieser Stab war ein vom Landeshauptmann übergebenes Requisit, ein Zeichen der Gewalt. Wer sich nicht fügte, wurde mit dem Stab berührt und der wurde in den gewölbten Keller unter dem Schloss in Pudagla gebracht. Von Reetzow ist keiner nach dort gekommen. Hier wohnten nur einsichtige und arbeitsbereite Menschen.

Labömitz Gut war Lehre für Wirtschaft

Wenn wir die Vergangenheit von Reetzow betrachten, so dürfen wir das Nachbardorf Labömitz nicht übergehen. Schon bei der ersten Erwähnung im Jahre 1258 waren Labömitz und Reetzow viele Jahre Eigentum der Gebrüder von Schwerin, wurden dann im erwähnten Jahr an das Kloster Grobe in Usedom verkauft, aber weiterhin von den Brüdern gegen Pacht an das Kloster bewirtschaftet. Um 1605 wurden vom Herzog Philipp Domänen gebildet, die auf 18 Jahre verpachtet wurden. Weil die Gemarkung Reetzow sich nicht zum Gutsbetrieb eignete, wurde es an 5 Bauern als ständiges Eigentum übergeben. Jeder Bauer hatte im Jahr 30 Taler Steuern zu zahlen. Um die Zeit brachte Bansin als Gut 140 Taler Pacht im Jahr, wurde aber später, wegen Mangel an Pächtern, zum Bauerndorf gemacht. Um 1801 war Reetzow auf eine beachtliche Wirtschafsgröße angelangt. Die Bevölkerung hatte sich durch Geburten und Einheirat erheblich vermehrt. Die Büdnerhäuser waren in den letzten Jahren von 10 auf 15 angestiegen, zwei Kriegsnot-Häuser waren abgerissen und durch neue ersetzt worden. Zwei der fünf Bauern hatten ihre Höfe geteilt und für den zweiten Sohn eine neue Hoflage errichtet. Der Milchkuhbestand hatte die Höchstzahl erreicht und die ersten Schweine waren bald schlachtreif. Zwei Büdner, die ständig in Labömitz für Lohn arbeiteten gingen, hatten jeder eine Tochter in dem Gutshaushalt vermietet. Diese hatten dort die Hausschlachtungen mitgemacht und konnten Auskunft über Wurstmachen geben und wussten, wie Schinken und Schweinefleisch eingepökelt und in den Wiem gehängt wurde. Wenn neues Saatgut, neue Pflüge oder Eggen vom Gut angeschafft wurden, dann kam bald danach auch etwas davon nach Reetzow. Labömitz war wie eine Lehranstalt für Reetzow und das blieb so, einmal weil die Kinder nach Reetzow zur Schule gingen und weil bis 1945, wo das Gut liquidiert wurde, ständig Arbeiter nach dort zur Arbeit gingen.

Buttern

Diese Erinnerungen gelten für die Zeit von 1800 bis 1806. Für die Butterherstellung wurden damals Milchsatten benutzt, dass waren flache irdene Schüssel, die leicht herzustellen waren und die es billig gab. Diese Schüssel wurde mit Milch gefüllt und in den Milchspind gestellt. Wenn sich der Rahm abgesetzt hatte, wurde dieser mit einen Löffel in den Rahmtopf abgestrichen. Wenn die nötige Literzahl erreicht war, kam der Rahm in das Butterfass und die Stampferei konnte beginnen, wovon Wilhelm Busch sagte, „bis das gequälte Element, in dick und dünn sich hat getrennt“. Dann wurde die Butter herausgenommen, mehrmals geknetet, gesalzen und fertig war die Butter. In späteren Jahren wurde die Butter in muschelähnliche Formen gedrückt, die ein schönes Aussehen hatte. Saubere Bauernbutter wurde der Molkereibutter vorgezogen, weil sie weitaus besser schmeckte. Die Bauersfrauen brauchten 15 Liter und die Molkereien brauchten 11 Liter für 1 Pfund Butter.

Dorfschulze stirbt

Der Bauernhof Nr.1 wurde von einem Unglück getroffen, gegen 1802 starb plötzlich der Dorfschulze und Besitzer des Bauernhofes Nr.1 in Reetzow Peter Labahn und hinterließ nach zehnjähriger Ehe seine Frau und fünf Kinder. Das war die Familie von Pät Martin, seiner Mutter, Katharine Labahn geb. Lueder, hatte wie erwähnt, 1792 Hochzeit gemacht und in den zehn Jahren hatte sie fünf Kinder zur Welt gebracht. Die Namen der Kinder waren, der Reihe nach, Johann Christian Labahn, Katharina, Dorothea Labahn, Christine, Sophie Labahn, Michael, Christoph Labahn. Martin, Michael Labahn. Bis auf den letzten wurden alle noch vor 1800 geboren.

Pät Martin hat gesagt: „Als ich noch ganz klein war, ist mein Vater an einer heimlichen Krankheit gestorben“. Seine Mutter saß mit fünf kleinen Kindern auf den Hof. Die Schwiegermutter, bald 60, in damaliger Zeit nicht mehr voll arbeitsfähig, konnte keine große Hilfe mehr bringen. Die Schultenfru, wie sie in Zukunft genannt wurde, musste die Bewirtschaftung des Hofes den Büdnern übergeben und dadurch ging die Wirtschaft zurück. Drei Tage in jeder Woche musste ein Mann zur Arbeit nach Pudagla gehen, der wurde wie um 1800 üblich schon bezahlt. Zwei Ochsengespanne mussten täglich auf dem Acker arbeiten, Steine schleppen, die Ernte, Torf und Brennholz fahren. Auch mussten Ochsengespanne zum Amt wenn Sand zum Klosterdamm gefahren wurde, oder zum Damm zwischen Benz und Stoben. Die Hausfrau musste noch die Kühe melken, die Familie mit Essen und Trinken versorgen, den Webstuhl benutzen und das Spinnrad in Bewegung halten, damit die Kleidung für alle gesichert war. Das war ein gerüttelt Maß an Arbeit, dass auf den Schultern dieser Frau lag.

Die Versorgung und Pflege des Viehbestandes war den Frauen der Büdner übergeben worden, die auch die Beköstigung ihrer Angehörigen übernehmen mussten, die auf den Hof der Schultenfru beschäftigt waren. Die erforderlichen Rohprodukte, wie Kartoffel, lebendes Vieh für Fleisch, Milch und anderes wurden vom Hof geholt, zuerst noch gefragt, später wurde nichts mehr gesagt, nur noch genommen. Pät Martin hat später gesagt, manches Stück Vieh ist uns damals eingegangen, also tot geblieben. So oft wie möglich ist Martins Mutter mit Butter, Eier und sonst was zum Markt gegangen, um Geld für die Steuern zu bekommen. Es reichte kaum für den Lohn der Beschäftigten. In Ihrer Not ging sie zum Gutpächter von Labömitz, der ein guter Bekannter von ihrem Mann war und trug ihm vor, sie müsse den Hof verkaufen, eine andere Möglichkeit sehe sie nicht. Der war damit nicht einverstanden. „Ich borge ihnen das Geld für die Steuern, in ein paar Jahren sind die Kinder erwachsen und stehen ihnen zur Seite. Ich werde bei Gelegenheit mal sehen, was ihre Leute so machen“.

Und er hat sich mehr als einmal sehen lassen, hat gute Ratschläge gegeben und er hat einen guten eisernen Pflug geborgt, der ihm später bezahlt wurde. Dadurch wurden bessere Ernten erzielt. Dem einen Büdner hat der Herr Mühlenbruch gesagt, wenn sie Ihre Arbeit behalten wollen, dann müssen sie mehr Sorgfalt an den Tag legen! So oder ähnlich wird der Herr Mühlenbruch zu einem Ochsenkutscher der Schulten früh gesagt haben, denn nach drei Jahren besserte sich das Verhalten aller Hilfskräfte. Es konnte in der Folgezeit Rinder und Bullen verkauft werden und wenn auch noch oft Geld für Steuern geborgt wurde, es konnte bald zurückgegeben werden und wenn wieder geborgt wurde, konnte Martins Mutter sagen, heute brauche ich nur noch so viel! Und als 1807 die Franzosen kamen, da war der Älteste bald erwachsen und die beiden Mädchen über zehn und da ist ein Bauernmädchen halb erwachsen und kann ihrer Mutter viele Arbeit abnehmen, sei es beim Stricken, Spinnen, Kleider nähen und da konnte die Mutter mit ihren beiden Töchtern schon das zeitraubende Wieten ihrer Leinparzelle durchführen und während die beiden jüngeren Söhne mit der Großmutter das Haus hüteten und unter Aufsicht der Großmutter das von der Mutter vorbereitete Mittagessen zum Kochen brachten, war der ältere mit den Helfern beim Torf graben oder Umdrehen der Torfstücke, damit sie schneller trocken wurden, damit sie vor der Roggenernte noch nach Hause gefahren werden. Es wurden mehr Hühner und Gänse gehalten und der Markt in Swinemünde wurde mehr wie sonst besucht und die Mädchen mussten umschichtig mit und tragen helfen. Die Lohngelder an die Büttner konnten durch eigene Arbeit gespart werden und diese wurden wieder wie früher mit Naturalien entschädigt, hatten aber auch Kleinvieh, wie Hühner, Enten, Gänse oder Kaninchen, die zum Teil auch auf den Markt verkauft wurden. Aber dann kamen die Franzosen und wollten gut essen und trinken und nahmen erst im Guten und dann mit Gewalt.

Franzosenzeit

Bis 1812 ist es zu Kampfhandlungen auf der Insel nicht gekommen, doch die zahlreichen Besatzungstruppen verlangten Lebensmittel und für ihre Pferde Hafer, Heu und Stroh. Zwar waren diese Soldaten nur in Wolgast, Usedom und Swinemünde untergebracht, aber das Amt Pudagla erhielt vom Landrat in Swinemünde, der schwören musste die Anforderungen des Französischen Kommandanten getreulich zu erfüllen, täglich die Anweisung, was und wie viel nach Swinemünde zu bringen sei. Das Amt verteilte die Anforderung auf die Ortschaften ihres Bezirks und das ging solange, bis nichts mehr abzuliefern war.

Die ständig durchmarschierenden Truppen requirierten auch für sich und wenn die Erfahrungen der vergangenen Kriege nicht gewesen wären, dann hätten die Einwohner von Reetzow hungern müssen. Die Fische in den Gewässern konnte ihnen keiner nehmen und die besten Milchkühe hatte man in den alten Erdbunkern versteckt. Die zeitweilige Einquartierung von drei Franzosen war erträglich, über deren Weigerung, die Schrotsuppe zu essen, wurde noch lange gelacht.

1812 zog Napoleon mit seiner Armee nach Russland, wo er eine große Niederlage erlitt, darauf verbündeten sich Russland, Österreich und Deutschland und brachten Napoleon in der Völkerschlacht bei Leipzig eine vernichtende Niederlage bei. Bis Frankreich hinein wurde Napoleon verfolgt und auf der Insel Kreta bis Lebensende gefangen gehalten. Dieses Kriegsende brachte für Pommern und somit auch für Reetzow große Veränderungen.

[Kategorie: Franzosenzeit]

Leibeigenschaft

Durch den vom König eingesetzten Minister Stein wurde die Leibeigenschaft aufgehoben. Das war bis dahin für die Landbevölkerung eine schreckliche Einrichtung. Die Tagelöhner auf den Rittergütern durften ohne Erlaubnis nicht heiraten, durften den Arbeitsplatz nicht wechseln, nicht in eine Stadt ziehen. Die Hand- und Spanndienste wurden abgeschafft, von Reetzow brauchte keiner mehr nach Pudagla zur Arbeit. Obwohl das Land bis aufs Blut ausgesogen war, war der Viehbestand in Reetzow, wie Martin gesagt hat, sehr klein, aber Verwüstungen und Frauenschändungen sind nicht vorgekommen. Allerdings war unter den 400 Franzosen in Swinemünde ein sehr hoher Prozentsatz Frauen dabei. In Reetzow ist von den drei Mann Besatzung doch einer fündig geworden, denn ein kleiner Franzose ist in Reetzow geboren und groß geworden.

Pät Martins Großmutter ist bei Kriegsende mit 70 Jahren gestorben, was in diesen Jahren ein sehr hohes Alter war. Eines muss noch erwähnt werden, über die im französischen Dienst stehenden Soldaten aus Bayern hat man noch lang geschimpft. Die Aufstockung des Rindviehbestandes hat einige Jahre gedauert aber man konnte reichlich wilde Schafe einfangen, denn die hatten sich gut vermehrt, weil die Winter wenig Schnee hatten und weil es auf der Insel keine Wölfe mehr gab. Schlechter war es an Enten und Gänse heranzukommen, Martins Brüder haben junge Wildgänse eingefangen und die Schwestern haben sie aufgezogen. Aber gebrütet haben sie nicht und wurden deshalb geschlachtet.

Nach 1816

Auf den Hof Nr.1 bei der Schultenfru wehte um 1816 ein anderer Wind, der ältere Sohn war 22 Jahre, die beiden Töchter 19 und 20 Jahre und Martin war gehbehindert, nicht arbeitsfähig, 15 Jahre, sein Bruder 2 Jahre älter. Die Mutter war nicht wie früher ans Haus gebunden, sondern war mit den Kindern, die nun keine Kinder mehr waren, bei der Arbeit auf Feld und Wiese. Ein Ochsengespann war vom Krieg übrig geblieben und der alte Kutscher war damit jeden Tag pflügen, denn die Ochsen gehen nur langsam und große Flächen wurden für die Ernährung der zum Hof gehörenden Menschen notwendig. 1816 wurde vom König der Schüler des Ministers Steins, Sack, zum Präsidenten der Provinz Pommern berufen. Die von ihm durchgeführte Neuordnung der bäuerlichen Eigentumsverhältnisse brachte auch für Reetzow eine große Umstellung.

Trotz des Widerspruches des Adels wurden die kleinen Leute des Amtes Pudagla durch Abtretung von Labömitz und den königlichen Forsten mit so viel Grundbesitz ausgestattet, dass sie den Kampf ums Leben herzhaft aufnehmen konnten. Die Büdner von Reetzow erhielten vom Gut Labömitz Wiesen und Acker, dass sich jeder eine Kuh halten und vom Acker ernähren konnte. Die Abhängigkeit vom Bauern war für den Büdner von nun an nicht mehr so groß und es entwickelte sich ab jetzt ein Lohngefüge, denn auf Geld verdienen durch Arbeit waren die Büdner weiterhin angewiesen. Einen großen Teil der Arbeit auf den Hof machte die Schultenfru mit ihren Kindern selber. Jedes Kind betrachtete jedes Stück Vieh als Eigentum des Hofes und jeden Handschlag als dazu gehörig und das wirkte sich günstig für den Hof aus.

Thurbruch

Seit je her war die Entwässerung des Thurbruches auch für Reetzow von sehr großer Wichtigkeit, hing doch der Ertrag der Wiesen und Weiden davon ab. Die Trockenlegung war bis dahin mangelhaft und als der Landes- Präsident Sack 1818 einen Abflusskanal bei Neuhof graben ließ, wurde dadurch eine gute Entwässerung erreicht, die sich durch ergiebige Heuernten bemerkbar machte. Der Kanal hat damals 5.800 Taler gekostet, wovon die Thurbruch-Dörfer nur 900 Taler beisteuern brauchten. Da bei Oststurm die Mündung oft versandet war, wurde um 1970 an beiden Seiten des Auslaufes Molen errichtet, die ein Versanden weitgehend verhinderten.

Webstuhl

Den Wert der Wolle hat man sicherlich erst viel später erkannt. Als dann das Spinnrad erfunden war, wurden die dünnen Fäden sogar dreifach verdrillt hergestellt. Dadurch waren alle Möglichkeiten der Wollverwertung gegeben. Mit dem Spinnrad wurde auch die Verwertung der Flachsfaser möglich und mit beiden natürlichen Erzeugnissen war die Möglichkeit einer groß angelegten Erzeugung von Webstoffen gegeben und wurde auch durchgeführt. Die mit Flachsfaser im Aufzug „Uptoch" und mit Wolleinschlag erzeugten Oberbekleidungsstoffe wurden von beide Geschlechtern getragen, für derbe Arbeitsbekleidung wurden beim Spinnen beide Rohstoffe gemischt und beim Aufzug und Einschlag auch so verwendet.

Für Tisch und Bettlaken wurden nur Flachsfäden beim Weben verwendet, die dann zum Bleichen auf einer Wiese ausgebreitet, täglich mehrmals mit Wasser besprüht und von der Sonne schneeweiß gebleicht wurden. Dieser Leinenstoff wurde auch als Hemdenstoff für beide Geschlechter verwendet. Für Intimwäsche wurden feinste Woll- und Flachsfäden verwebt und über ein leichtes Feuer bewegt, damit die Fasern verglimmen. Aus dem Abfall der Flachsfaser der Schäwelheide wurde Stoff für Säcke und Strohsäcke gewebt. Während der verschiedenen Kriege waren die wichtigen Geräte und Werkzeuge durch Feuer und Diebstahl oft verloren gegangen und eine Wiederbeschaffung unmöglich. Spinnräder und Webstühle wurden in den Kriegspausen und danach von Handwerkern in Usedom hergestellt und bei Kauf, wegen der großen Nachfrage, fast mit Gold aufgewogen.

Während der Kriege war die Frage der Bekleidung eine Katastrophe gewesen, hat Martins Großmutter gesagt. Manche Mutter hat geweint, wenn sie ihr Kind in ein Schaffell wickeln musste, um es vor Kälte zu schützen. Sie sind in einem Lammfell aufgewachsen und hatten lange in einem Schaffellsack geschlafen. Als sie Hochzeit machen wollten, hat ihr Vater zwei fette Schafe in Swinemünde verkauft und für das Geld hatte ihre Mutter in Swinemünde einige Sorten Stoff gekauft. Nach der Aussage von Päts Großmutter hat ihre Mutter das erste Spinnrad zwischen den beiden letzten Kriegen durch ihren Mann von Usedom bekommen. Die Tischlerfrau hat ihm gezeigt, wie Wolle gesponnen wird und so habe die es gemacht und so habe sie es dann gelernt. Demnach war dieses Spinnrad dass erste in Reetzow nach vielen Jahren und wenn das in dem Jahr gewesen ist, als Päts Großmutter geboren ist um 1745, dann lebte keiner mehr der vor dem langen Krieg mit einem Spinnrad Wolle gesponnen hat. Es musste neu gelernt werden, da war keine Mutter oder Oma die ihrer Tochter Hinweise geben konnte. Meine Frau hat oft erzählt, wie ihre Großmutter geschimpft hat, wenn sie während der Abwesenheit der Großmutter ein paar Umdrehungen auf dem Spinnrad gemacht hatte, denn der Faden sei nicht so glatt geworden

Wir gehen wieder zurück und hören, was Pät Martin erzählt hat. Kurz nach ihrer Hochzeit hat meine Mutter einen eigenen Webstuhl bekommen. Der Pächter von Labömitz hat ein Pferdefuhrwerk nach Usedom geschickt, mein Vater ist mitgefahren und hat das Webgestell zu uns gebracht. Wir hatten keine Pferde und mit Ochsen kann man nicht nach Usedom fahren. Meine Mutter hat zwei gute Zuchtgänse und einen Ganter für die Fahrt gegeben. Bei Kriegsanfang, 1807, wurde ein zweites Spinnrad angeschafft und darauf haben die Mädels dann spinnen gelernt, so gut, dass der dreifach zusammen gedrillte Wollfaden durchweg eine gleichmäßige Stärke hatte und ohne Knoten war, wie es beim Weben von guter Oberbekleidung für Frauen und Männer erforderlich war. „Min Grotmudda sah denn, Mädns wur kriegen ji datt blot so gaut henn, dat kann ik jo gor nich“, und die beiden Mädchen freuten sich wenn sie gelobt wurden. Dann drehten sich beide Spinnräder und der Webstuhl klapperte und die Oma kochte Mittag und die Jungs machten Reusen oder holten Fische von der Bäk wo zeitweise viele drin waren. Im Bauernhof Nr.1 stand der Webstuhl selten still, denn die zum Hof gehörigen Büdner wollten auch weben und das ging nur wenn der Aufzug (Kettfaden) abgewebt war und deshalb webten Büdnerfrauen auch als Ablösung für die Schultenfru. Der Aufzug bestand aus gut gesponnenen Leinfasern, als Einschlag (Schuss) wurde bestens gesponnene dreifach gedrillte Wolle verwendet. Aus diesem Webstoff wurden Oberkleider für Frauen und Männer gemacht, für Arbeitsanzüge wurde der Einschlag mit Leinfaser beim spinnen gemischt. Für Hemdenstoff, Bettlaken und Tischlaken wurde für Aufzug und Einschlag nur feinste Leinenfaser verwendet, dieser wurde auf der Linnenbleik (Wiese), ausgebreitet, ständig mit Wasser besprüht, bis es eines Tages rein weiß gebleicht war. Auch für Unterhosen wurden Stoffe reichlich mit Wolleinschlag gewebt. Für Intim-Wäsche wurde eine besondere Mischung für Aufzug und Einschlag beim Spinnen hergestellt, der später über ein leichtes Feuer gehalten wurde, damit die anhaftenden Fasern abglühen konnten.

Dieses und jenes wurden von den Frauen des ganzen Dorfes durchgesprochen, und besonders beim häufigen Kirchgang konnte die Schultenfrau manche Neuigkeit erfahren. Bei Festtagen war es, wie in meiner Jugendzeit, dass alle Mädchen des Dorfes beim Kirchgang ihre neuen Kleider zeigten, was da an Jung und Alt kurz vor Mittag, den Kirchsteig herunter kamen, war eine kleine Völkerwanderung. Die selbst gewebten Tischlaken sind heute noch in vielen Häusern zu sehen. Aus der zweiten Garnitur, der Schäwellheide, die gesponnen wurde, wurden Säcke und die beliebten Strohsäcke hergestellt, die mit Kurzstroh gefüllt, als Matratzen benutzt wurden. Die mit Kurzstroh gefüllten Säcke wurden Jahrhunderte lang als Schlafunterlage genutzt, während die von der Sonne gebleichten Linnen Stoffe mit Federn gefüllt, als Zudecke benutzt wurden.

Dünn gesponnenes Leinen oder Flachs wurde auch als Zwirn verwendet. Bei Verminderung der Armee wurden 1815 für wenig Geld Pferde an die Landwirte abgegeben, Reetzow, das wegen Pferdefutter, Abneigung für Pferde hatte, kaufte einige Tiere und nutzte die Trockenlegung der Wiesen und die damit verbundene Vergrößerung der Wiesenfläche zu einer Pferdezucht. Um die Heuwiesen vor Beweidung zu schützen, mussten Kühe und Pferde täglich gehütet werden. Zu dieser Arbeit wurde auch Martin zeitweise eingeteilt, er hat dann später gesagt, beim Heuwarder ging das klare Wasser ohne Rohr bis an die Wiese, im heißen Sommer gingen die Pferde von sich aus zum Baden ins Wasser und weit in den See hinein. Die kleinen Fohlen gingen der Mutter nach und so lernte die Jugend von den Alten.

Kartoffelanbau - Schrot - Salz - Brot

Zur Vorratswirtschaft ist noch nachzutragen, dass das Einsalzen von Fleisch und Heringen ebenfalls bekannt war. Auch der Frost wurde in den langen kalten Wintern zur Haltbarmachung von Fisch genutzt und zur Verhütung von Diebstahl durch Söldner, in Säcke getan und in hohe und versteckte Bäume gehängt. Die Ernährungslage der hiesigen Bevölkerung war bis zur Einfuhr der Kartoffeln mit der heutigen nicht zu vergleichen. Martins Großmutter hat gesagt „ass ick half groot wier, kömen dei Tüfften (als ich halb groß war kamen die Kartoffeln), diese wurden aber wegen Geschmacklosigkeit von den Menschen abgelehnt und in Gärten als Blumen angepflanzt. Als bei Ende des Siebenjährigen Krieges Hungersnot entstand, wurde aus der Not eine Tugend. Doch durch die Erhöhung des Viehbestandes wurde der Hunger weniger und das Interesse an den geschmacklosen Kartoffeln ging verloren. Es ist schwer, Jahrhundertlange Gewohnheiten abzulegen und durch neue zu ersetzen. 1775 wurde vom Amt, durch den König, ein Anbauzwang für Kartoffeln eingeführt. Die Domänen lieferten das Saatgut und vom Amt wurden Soldaten auf die Dörfer geschickt, die das Pflanzen erklärten und das Pflegen, Ernten und die Überwinterung beaufsichtigten. Die Kartoffeln fanden immer mehr Beachtung in der Küche und bald standen die Kartoffeln auf dem Mittagstisch. Der Gutspächter von Labömitz gab wertvolle Hinweise, indem man durch das Einpflügen von Stalldung die Kartoffelernte erhöhen konnte. Das hatte zur Folge, dass die Kartoffel zur Umstellung der gesamten Lebensweise und Ernährung in Reetzow führte. Die Kartoffel hatte also vor 1730 schon die Schrotsuppe vom Mittagstisch verdrängt.

Die Schrotsuppe blieb aber den Menschen morgens und abends über 100 Jahre erhalten. Die Beschaffung von Schrot durch das Reiben auf dem Mahlstein war die tägliche Arbeit der Hausfrauen. Vor dem großen Krieg hat es schon Mühlen gegeben, sie wurden jedoch vernichtet. Um 1830 soll die Windmühle in Benz gebaut worden sein, die dann auch Reetzow mit Mehl versorgte. Doch bis dahin mussten die Hausfrauen noch lange ihren Mahlstein benutzen, wenn auch durch den Kartoffelverzehr der Schrotverbrauch sehr zurückgegangen war. Es hatte sich nämlich eingebürgert, abends Pellkartoffeln und Salzheringe zu essen um Brot zu sparen, als Nachtisch gab es einen Teller Schrotsuppe in Milch gekocht. Mit dem Salz musste sparsam umgegangen werden, denn es war sehr teuer. Jedem Kind wurde gesagt, wie viel Körner Salz du verschüttest, so viele Stunden musst du nach deinem Tod vor der Himmelstür warten und wir durften sicher sein, dass vorsichtig mit dem Salz umgegangen wurde.

Das Brotbacken lässt sich über viele Jahre zurückverfolgen. Vor eintausend Jahren wurde ein mit Wasser verdickter Schrotklumpen auf einen heißen Stein gelegt, mehrmals gewendet bis er durch gebacken war, und dann als Röstbrot gegessen. Die vielen üblichen Backöfen sollen von den Mönchen mitgebracht worden sein. Diese Backöfen hatten die Form eines halbierten Balles, der mit der halbierten Öffnung auf eine fußhohe Steinlage gesetzt war, mit einer seitlichen Öffnung, die so groß war, dass ein Mann hinein kriechen konnte. Vor dieser Öffnung wurde eine Tür gestellt, damit die Backhitze nicht entweichen konnte. So ein Ofen wurde mit allen Holzarten und Gesträuch geheizt, wegen der Brandgefahr wurden die Öfen abseits von den Gebäuden errichtet. Der Ofen hatte eine Innenhöhe von 90 cm, und wurde beim Heizen erst oben heiß und dann langsam nach unten bis auf den Herd, dann war die Backhitze erreicht und nachdem der Ofen von Glut und Asche gesäubert war, wurde der zu Brote geformte Teig in den Ofen geschoben. Nach einer Stunde wurde probiert, ob das Brot durch gebacken war; wenn nicht, dann blieb das Brot noch im Ofen, denn es wurde für 15 bis 20 Tage gebacken. Bei zu viel Feuchtigkeit wurde das Brot schnell schimmelig.

Ab 1912 kam 2-mal in der Woche der Bäcker Langhoff von Stolpe/Usedom mit seinem Zweispänner-Brotwagen vollgepackt mit Roggen- und Weizenbrot, mit Streuselkuchen, Amerikanern, Schnecken. Seine Tagestour war an den Tagen Katschow, Labömitz, Reetzow, Benz, Neppermin und Mellenthin. Mitte des ersten Weltkrieges stellte Langhoff das Brot fahren ein und es wurden wieder neue Backöfen errichtet und das Brot und Kuchen selbst gebacken. Ab 1920 wurden in Reetzow zahlreiche Hochzeiten gefeiert und meistens wurden ganze Öfen voll Kuchen gebacken, denn am Polterabend kamen alle Kinder zum Poltern und jedes bekam reichlich Kuchen. Auch abends, wenn sich das halbe Dorf als Zuschauer einstellte und die maskierten Tänzer die zu jeder Hochzeit gehörten, sie alle bekamen Kuchen, denn „Utkleeder un Taukieker leoben dei Hochtiet“, ebenso wurden Korn und Likör an die Zuschauer spendiert. Bis 1925 dauerte diese Bäckerei, dann kamen die Berufsbäcker von Neppermin, Benz und Bansin jeder zwei Mal in der Woche mit seinem Brotwagen nach Reetzow und brachten Brot und Brötchen, dadurch schlief dann das Backen wieder ein und ist bis heute nicht wieder erwacht. Auch das große Kuchen backen für Hochzeiten wurde nach und nach von Bäckern übernommen, zumal bei 1930 schon die ersten Torten bei Hochzeiten auf den Tisch kamen. Für den Hausgebrauch war in manchen Häusern noch ein kleiner Backofen unter dem Herd.

Seit Jahrhunderten wurde Schafwolle auf Spinnrädern zu feinen Fäden gesponnen und zum Stricken von Strümpfen, Jacken und zum Weben verwendet. Die Zähmung der Wildschafe zu Haustieren vollzog sich im Selbstlauf. Die Tiere können bei größter Kälte draußen übernachten, die Vermehrung erfolgt ohne den Menschen. Bei hohem Schnee wurden Futterstellen eingerichtet und die Tiere blieben eben bei den Futterstellen und gewöhnten sich an den Menschen, das Einfangen zur Fleischgewinnung war dann ein Leichtes.

Viehhaltung

Um 1820 und danach wurde bei großem Viehbestand dass Futter auf der Weide knapp, als Ausweg machte man mit kleiner Pferdegruppe den Versuch bei Nacht die Pferde in den Wiesen beim Heuberg satt zu weiden. Nach mehrmaligen Proben wurde die ganze Herde, ohne Fohlen, mitgenommen. Vorne drei Reiter und hinten drei Reiter und in der Mitte die losen Tiere ging es im Galopp zum Wald und dann im Schritt weiter und so auch wieder zurück. Pät Martin hat gesagt, ich wäre auch gerne mit geritten aber ich konnte nicht reiten. Eines Tages gab es Krach, denn die Wiesen sollten verpachtet werden und waren kahl gefressen, danach wurde nachts nicht mehr geritten.

Schule - Lehrer

Um 1820 wurde in Reetzow eine Schule eingerichtet. Der Lehrer Arnd hatte nur einen Arm gehabt und war sicherlich Kriegsinvalide. Das Schulgebäude, soll ein Fachwerkbau mit Rohrdach gewesen sein. Die Besoldung soll recht dürftig gewesen sein, als Nahrungsgrundlage hatte der Lehrer drei Morgen Acker und drei Morgen Wiese auf der er für sich eine Kuh, zwei Schweine und Hühner halten konnte. Für Lehrer und Schule war Torfstich reserviert, wo die Gemeinde nach Bedarf Torf stechen konnte, pflegen und anfahren musste. Die Acker- und Erntearbeiten, sowie das Dreschen gingen auf Kosten des Lehrers, immerhin war sein Bedarf an Naturalien gesichert und wenn er eine arbeitswillige Frau hatte, die mit Kuh und Schweinen umgehen konnte, dann hatte er sein tägliches Brot. Das Dorf Reetzow, inmitten der Insel gelegen, war eine der ersten der umliegenden Ortschaften die eine Schule erhielt. Das ging über die Kirche und hing mit der Wirtschaftskraft von Reetzow zusammen, dessen Landwirtschaft in Blüte stand und das einen beachtlichen Handel mit Swinemünde betrieb.

Jeder der fünf Bauern hatte ein oder zwei Pferdegespanne und damit war die Stadt schneller zu erreichen als mit Ochsen. Die Stadt, wie Swinemünde genannt wurde, platzte wegen Hafen und Seebad aus allen Nähten und die Schlachter und andere Kaufleute überboten sich in aller Stille aus Konkurrenzgründen. Der Handel blühte und brachte Geld und einen Teil davon kam nach Reetzow und als die Kirche Geld brauchte, da griff Reetzow tief in die Tasche und erhielt dafür die besten Plätze, zugesprochen, alle Sitzplätze rechts der Tür bis unter die Kanzel, das sind Reetzower Bänke.

Um 1860 wurde ein Lehrer in Reetzow entlassen, weil er beim Rechnen mit der großen Klasse vor der Rechentafel immer ein Mädchen auf den Schoß nahm und bei einer soll er unter den Rock und etwas zu hoch gefasst haben, was damals, als die Schulmädchen noch keine Schlüpfer trugen, zu viel verlangt war. 1898 wurde, an Stelle der alten eine neue moderne Schule mit geräumiger Lehrer Wohnung gebaut, die dann von dem jungen Lehrer Gräser bezogen wurde. Vorher war er in der Gemeinde Hammelstall (später Trassenheide) Lehrer gewesen, wegen dem Namen hat er sich da abgemeldet und ist nach Reetzow gekommen, von wo er bei Anfang des Krieges 1914 gleich eingezogen wurde. Ab der Zeit hielt der Pastor Petermann aus Benz jeden Montagvormittag Schulunterricht in Reetzow. Im Winter blieb die Schule geschlossen. Ab der neuen Einschulung hielt der Lehrer von Neppermin Unterricht, später die Lehrer von Neusallenthin und Bansin, immer nur einen Tag in der Woche. Ich vergaß zu berichten, dass die Kinder von Labömitz ab 1820 auch zur Schule nach Reetzow sollten, im Sommer kamen sie, aber im Winter mit Holzpantoffel im Schnee, da waren alle krank und dem Lehrer war es recht. Ab Sommer 1916 mussten die Kinder von Reetzow und Labömitz zur Schule nach Benz.

Nach Benz gingen auch noch die Kinder von Stoben und Pudagla und als noch die Kinder von Reetzow und Labömitz dazu kamen, da reichten die Sitzplätze nicht und die beiden Lehrer fragten morgens, wer zuhause Arbeit hat, der kann gehen und es gingen viele. Im nächsten Winter verfügte die Gemeinde von Reetzow und die Gutsverwaltung von Labömitz schloss sich dem an, dass die Kinder der Reetzower Schule zu Hause bleiben durften. In Benz waren zwei Lehrer, ich gehörte zu den kleinen, vom ersten bis zum vierten Schuljahr, zu jeden Jahrgang gehörten 15-20 Schüler, der Lehrer hatte die kleine Schule in zwei Gruppen geteilt. Wenn er mit der älteren Gruppe lesen übte, dann mussten die anderen die Zahlen von 1 bis 100 auf ihre Tafel schreiben. Wenn mit den Jüngeren das Buchstaben schreiben geübt wurde, dann mussten die anderen das 1 mal 1 oder ein höheres auf der Tafel schreiben. Auf diese Art und Weise haben wir die Jahre bis zum Schulanfang 1918 verbracht, wo wir einen neuen Lehrer für die Schule von Reetzow erhielten. Ungefähr am 01. April 1918 begann meine richtige Schule, die nach 4 Jahren 1922 beendet war.

Meine 3 Mitschülerinnen und ich sind nur 4 Jahre zur Schule gegangen, im Grunde genommen haben die von 1916 bis 1924 von der Schule entlassenen Kinder von Reetzow und Labömitz eine mangelhafte Schulbildung. Die verlorene Zeit konnte vom neuen Lehrer Bergholz, kriegsbeschädigt, nicht aufgeholt werden und unser zuständige Lehrer Gräser, der bei Einschulung 1919 wieder seinen Dienst antrat. Herr Berkholz wurde nach Neppermin versetzt, stand vor einen Trümmerhaufen. Viel war nicht mehr zu retten, wer sich keine Mühe gab oder keinen Grips hatte, der erreichte die Oberstufe nicht, blieb sitzen und wurde bei der Unterstufe „eingesegnet“ entlassen. Wie das mit der Schule in Reetzow weiterging, folgt später.


Ab 1830 Vermessung

Um 1830 war durch Geburten und Einheiraten die Zahl der Einwohner erheblich angestiegen, mehrere Bauernhöfe waren geteilt und hatten neue Hoflagen errichtet. Die Zahl der Büdnerhäuser war auf 20 gestiegen und wenn auch einige Dörfler auf die Domänen für Lohn arbeiten gingen, so mussten die Ernteerträge doch gesteigert werden, weil die Büttner zur Arbeit gebraucht wurden und weil alle Arbeiten mit Geld verrechnet wurden und dieses Geld kam nur durch Verkauf von landwirtschaftlichen Produkten ins Dorf.

Eine Ertragssteigerung war jedoch bei der bisherigen Kommunenbewirtschaftung nicht möglich, dass der eine heute hier und morgen dort sich den besten Acker nehmen wollte, führte zu Streitigkeiten, man einigte sich auf eine Separierung, indem das der ganze bäuerliche Besitz in fünf gleiche Teile gelegt, durch das um die Zeit in Swinemünde eingerichtete Vermessungsamt vermessen und für jeden als Eigentum in das Grundbuch eingetragen wurde. Der Antrag des Dorfschulzen, dass das Gut Katschow keine Schafe mehr auf dem Acker von Reetzow hüten dürfe, wurde vom Amt dahingehend abgelehnt, dass das Gut Katschow dann weniger Pacht zahlen könne, oder das Reetzow dafür aufkommen müsse. Das Kreisgericht in Swinemünde hat entschieden, dass keine Schafe von Katschow auf den Acker von Reetzow weiden dürfen. Daraufhin wurde Reetzow wie vorgesehen separiert. Die Schultenfru hat danach zu ihren Kindern gesagt, die haben uns betrogen, euer Vater hätte das nicht mitgemacht.

Die Anderen, dass waren die, die ihr nicht ein wenig unter die Arme gegriffen haben, als sie mit fünf kleinen Kinder, die Steuern nicht bezahlen konnte. Im Winter 1822/23 war es so kalt, dass die Vögel tot aus der Luft fielen und im Sommer 1826 fiel in drei und einen halben Monat, auf unsere Insel so gut wie kein Tropfen Regen, eine große Missernte war die Folge. Der Gutsbesitzer Weichbrodt von Gothen, ließ um 1860 am Sackkanal eine Dampfmaschine aufstellen, um den Gothensee leer zu pumpen. Der Plan gelang, alle Nachbardörfler holten sich Fische aus dem trockenen See, mussten sich aber Bretter unter die Füße binden, um nicht im Moor zu versinken. Nach dem Bewachsen wurden die vermessenen Flächen als Wiesen verpachtet.

Thurbruch - Torfstechen

Bei der Verpachtung wurden unwahre Zahlen in den Listen eingetragen und bei der Grabenregulierung wurden Lohnempfänger in der Lohnliste geführt, die es nicht gab, das dabei erworbene Geld nahmen der Inspektor und der Schachtmeister an sich. Der letzte Besitzer, eine Ww, ging dabei Bankrott, den Wald, von Ahlbeck bis Bansin hatte schon vorher die Aktiengesellschaft von Heringsdorf gekauft. Von dem Rest entstand das Bauerndorf Gothen und das Dorf Neuhof. Der Gothensee wurde an einen Fischer verkauft, dessen Name Fischer war.

Als mein Vater 1888 nach Berlin eingezogen wurde, war der See noch trocken, als er 1890 im Herbst auf Urlaub kam, stand der See voll Wasser. Das Dampfpumpwerk wurde einige Jahre später abgerissen. Durch ständigen Zuzug vergrößerte sich die Bevölkerung von Swinemünde derart, dass die Forst den Bedarf an Heizmaterial nicht erfüllen konnte, weil Korswandt und Ulrichshorst Torf nach Swinemünde verkauften, griff das auch nach Reetzow über. Hatte man solange den Torf mit Spaten gegraben, so mussten für den Verkauf mauersteingroße Torfstücke geschnitten werden und dazu brauchte man spezielle Torfspaten. Nachdem alle Voraussetzungen geschafft waren, wurde Verkaufstorf gestochen entsprechend gepflegt und in der Thur an Ort und Stelle eingemietet.

Von dort wurde der Torf am liebsten mit Schlitten nach Swinemünde gebracht, denn mit Wagen auf gefrorenen Wegen war das eine holprige Angelegenheit. Um 1845 haben 1000 Stück Torf einen Taler gekostet. Um die Zeit ließ man in Swinemünde die neuen Schlitten „Jaeker" zum Transport von Lasten, wie Steine Langholz und 2000 Stück Torf bauen, wie sie die Swinemünder Fuhrleute für den Transport der Schiffsladungen nach Stettin über das Haff hatten. Meine Brüder, sagten Martin hatten erst einen Schlitten zusammen, den haben sie umschichtig benutzt, denn der war teuer. Der eine ist heute und der andere ist morgen gefahren. Mit 2000 Stück war das an einen Tag eine gute Einnahme. Die Kinder der Schultenfru hatten, bis auf Martin, alle geheiratet, hatten eigene Gebäude errichtet und hatten sich, nach der Separation, die Flächen eingeteilt. Die Brüder arbeiteten viel Hand in Hand, wie wir beim Torfverkauf sehen. Die Ochsen waren inzwischen abgeschafft, denn die Schlächter wollten die alten Tiere nicht mehr kaufen und alle Fahrten wurden, besonders mit Schlitten, mit Pferde gemacht, weil es viel schneller ging, was besonders bei großer Kälte sehr angenehm war, weil an Marktagen die Frauen gerne das Mitfuhren einplanten. Die Büdner hatten durch die Zuteilung von Acker und Wiesen eine bessere Lebensgrundlage wie früher, waren aber trotzdem auf Arbeit und Geldverdienen angewiesen, denn sie mussten Steuern zahlen und das Brennholz musste neben vielen anderen auch bezahlt werden. Das beackern ihrer Felder wurde durch Arbeit bei den Bauern verrechnet und ansonsten wurden sie für Erntearbeit, Torfstechen und vieles andere bezahlt. Das Scheunendreschen ging ja immer noch bis 1880 um den siebenten Scheffel.

Das Gras- und Getreidemähen wurde 1860 noch genauso wie vor 400 Jahren mit Sensen und Muskelkraft ausgeführt. Und wenn der oder der Büdner von einen Bauern nicht zum Roggenmähen geholt wurde, dann fühlte er sich beleidigt und fragte seinen Nachbarn, warum er ihn dieses Jahr nicht zum mähen bestellt hat, wo ich doch jedes Jahr bei ihm geholfen habe. Zum Stillsitzen kam keiner in Reetzow, zu allen aufgezeigten Arbeiten kam nämlich das ständige Bauen von Häusern, Scheunen und Ställen.

Hausbau

Um 1860 und später wurde oft Bauholz vom Usedomer Wald nach Reetzow geholt, wo es dann mit Brettsägen zu Balken und Bretter geschnitten wurde, oder mit der Axt zu Vierkantbalken geschlagen wurden. Zum Verbinden der Fachwerkgebäude hatten sich in der angegebenen Zeit schon Facharbeiter Gruppen gebildet, die für Bezahlung die Holzarbeiten ausführten. Eine solche Gruppe von Usedom hat mehrmals in Reetzow gearbeitet, musste aber Kost und Schlafgelegenheit bekommen.

Wenn ein Wohnhaus zum Winter bezogen werden sollte, dann musste wegen Austrocknung der Lehmverkleidung das Haus am Johannistag fertig sein. Die Verkleidung wurde immer von Ortsbewohnern, hauptsächlich von Frauen und Mädchen durchgeführt. Die Mithilfe am Bau von Gebäuden wurde als gegenseitige Hilfe der Dorfbewohner angesehen und nebenbei als Lernobjekt für die Jugend betrachtet. Später kam eine Zimmermann Gruppe von Benz – Stoben und machte für Lohn den Holzverband, bekamen zu essen und gingen abends nach Hause.

Nach 1864 Soldat

Inzwischen haben wir das Jahr 1864 erreicht und es wird Krieg. Dänemark, gestützt auf eine starke Kriegsflotte, wollte sich Teile von Schleswig-Holstein einverleiben. Mein Großvater, Johann Laß geb. 21.08.1841, war mit 20 Jahren nach Königsberg zum Garderegiment eingezogen. Kurz vor Beendigung seiner Dienstzeit begann der Krieg mit Dänemark. Beim Sturm auf die Düppler-Schanzen fiel der Fahnenträger tödlich getroffen neben ihm, er ergriff die Fahne, sprang damit über den ersten und zweiten Schützengraben der Dänen, steckte die Fahne dort in den Boden und rief „Hierher" und schlug mit den Gewehrkolben von hinten auf die Gegner ein, denn zum Laden seines Gewehrs hatte er keine Zeit. Nun ist eine Erklärung zur Sache erforderlich.

Alle Gewehre der damaligen Zeit waren Vorderlader, jeder Soldat musste zum Laden aufstehen, im Liegen ging das nicht, und jedes Laden dauerte eine halbe Minute. Während dieser Zeit sind viele Deutsche Soldaten über die Gräben gesprungen und haben von hinten die Düppler-Schanzen erobert. Das Aufstellen der Fahne hinter den feindlichen Linien wurde als Heldentat gewertet und als Grund für die schnelle Beendigung des Krieges angesehen. Zwei Jahre später kam es zum Krieg mit Österreich. Der Sieg bei Königgrätz ist in die Geschichte eingegangen. Bei der Mobilmachung musste mein Großvater von Reetzow bis Pasewalk zu Fuß gehen, bis dahin ging 1866 erst die Eisenbahn. Das Garderegiment war inzwischen von Königsberg nach Berlin verlegt und mit dem Zündnadelgewehr, dem ersten Hinterlader der Welt ausgerüstet worden. Mein Großvater wurde als Korporal eingekleidet und machte den Krieg als Korporalsführer mit. Sein Regiment hatte den Auftrag, den Gegner von links zu umfassen und aufzurollen, auf Grund der Geheimhaltung der Gewehre, glaubte man das Einplanen zu können. Das Garderegiment hatte sich im wolkenbruchartigen Gewitterregen beim Anmarsch verspätet und konnte erst Eingreifen, als sich die Schlacht zu Gunsten Östereichs neigte. Durch die Schussschnelligkeit der Gardeinfanterie wurde die den linken Flügel deckende Kavalleriebrigade bei einer Attacke gegen die Gardeinfanterie vollständig vernichtet. Beim Vorderlader 2 und beim Hinterlader 10 Schuss pro Minute - damit war der Kampfwert der Kavallerie hinfällig geworden. Die Gardehusaren und Ulanen konnten in kurzer Zeit ohne Behinderung eine stattliche Zahl feuernde Geschütz-Batterien nieder kämpfen und der Korporal Johann Laß meldete seinem Hauptmann kurze Zeit danach „Herr Hauptmann, ich habe mit meiner Korporalmannschaft den österreichischen Generalstab gefangen genommen“.

Der Hauptmann, ein von und zu, hat gesagt „werde ihn zu loben wissen“. Tausende Österreicher sind in den Sümpfen nachts auf der Flucht ertrunken. Der Korporal Johann Laß aus Reetzow wurde vor der Regimentsfront gelobt. Als 1870 der Krieg mit Frankreich begann, war die Eisenbahn so günstig gebaut, dass die Deutsche Armee in 48 Stunden an der französisch-belgischen Grenze stand. Durch schnellen Einmarsch konnte die Stadt Sedan von deutschen Truppen eingeschlossen und nach einer Woche zur Übergabe gezwungen werden. Unter den Gefangenen war der Französische Kaiser. Durch diese Situation war der Krieg gegen Frankreich praktisch entschieden. Einen Waffenstillstand lehnte Frankreich jedoch ab und darum wurde Paris eingeschlossen aber nicht bekämpft. Nach 4 Wochen ergab sich Paris und es wurde Frieden gemacht. Im Schloss von Versailles wurde der König von Preußen, Wilhelm I., zum deutschen Kaiser gewählt, seitdem besteht das Deutsche Kaiserreich. Während, zwischen und nach dem Krieg hat der Einwohner Johann Laß von Reetzow 11 Orden und Ehrenzeichen von der Deutschen Armee für erwiesene Tapferkeit erhalten. Generäle haben ihn um sein Ordenskissen beneidet. Dieses Ordenskissen hat vom 30. Mai 1929 bis Kriegsende 1945 in der Kirche von Heringsdorf gehangen und ist seit der Zeit spurlos verschwunden. Meine Nachforschungen blieben erfolglos.

Nach 1871

Die von Frankreich an Deutschland gezahlte Kriegsentschädigung und die 1876 gebaute Eisenbahn nach Swinemünde und die in Heringsdorf beginnende große Bautätigkeit bewirkte, das 1880 Büdner und deren Nachkommen in andere Orte zur Arbeit gingen, Maurer lernten und dort mehr Geld verdienten als in Reetzow beim Bauern. Das bewirkte, dass zur Erntezeit die Arbeitskräfte knapp wurden und mehr Tagelohn im Gespräch kam. Da auch die Einnahmen der Landwirte, durch die Entwicklung von Swinemünde, Badeorte, Güterverkehr, Hafen und Stadtentwicklung, verbunden durch Ansteigen der Bevölkerung, durch höhere Preise auf den Markt stiegen.

Das fand seinen Grund, dass die Landwirte sich mit dem vertraut machten, was in Labömitz an Maschinen angeschafft worden. Als erstes wurden Dreschmaschinen gekauft, denn die Ernten waren erheblich größer geworden und konnten in den Scheunen nicht mehr untergebracht werden. Labömitz war wieder Vorbild und brachte die Lösung. Um 1880 wurden die ersten Dreschmaschinen von der Firma Tiemike in Usedom in Reetzow aufgestellt, diese wurden durch Göpel mit Pferde durch Rundgang angetrieben und so hielt die Technik ihren ersten Einzug in Reetzow. Eine Windfege (Klapper) dazu und schon konnte am nächsten Tag das Getreide auf den Markt in Swinemünde verkauft werden. Die Frauen oder Töchter nutzten die Gelegenheit und brachten Butter, Eier und die um diese Zeit schlachtreifen Hähnchen zum Markt. Reetzow war den anderen Dörfern immer eine Nasenlänge voraus, weil sie viele Wiesen hatten und weil der Acker, obwohl bergig, ansonsten aber nicht schlecht war, was eine reichliche Viehhaltung erlaubte.

Die Ortschaften mit gutem Boden waren um diese Zeit noch Domänen und deren Pächter legten auf die Veredlung der Produkte noch keinen Wert. Durch die Anschaffung der Göpel-Dreschmaschinen wurde der Scheunendrusch mit Flegel auch im Winter, nach einer Übergangszeit beendet. Büdner haben aber noch lange ihre kleine Ernte mit Flegel gedroschen. Ich musste es auch noch lernen, wegen der Tradition wie mein Vater sagte. Als mein Vater im Herbst 1888 nach Berlin zur Armee eingezogen wurde, war der Gothensee noch den Sommer als Wiese genutzt worden, Pät Martin gab ihm einen Taler als Zehrgeld mit. Er hätte mir zehn Taler geben können, er hatte Geld genug, sagte mein Vater. Als er im Herbst 1890 den ersten Urlaub bekam und in Reetzow eintraf, lag sein Pät Martin in Benz auf den Kirchhof, er war der Onkel seiner Mutter und sein Freund seit seiner Kindheit. Uns hat Pät Martin Labahn fast 100 Jahre durch Reetzow begleitet, die Martin Wiese und die Martins Wurt erinnern heute noch manchen Reetzower an sein Dasein.

Und der Gothensee stand voll Wasser wie heute noch, nachdem er 25 Jahre als Wiese benutzt wurde, zeigte sich, dass die Unkosten höher als der Gewinn war und die Absicht durch den trockengelegten See Geld zu verdienen ein Irrtum war. Immerhin hat der geldfressende See der Entstehung Heringsdorf Vorschub geleistet, denn der Verkauf des Geländes war ein Notverkauf. Durch den Eisenbahnbau nach Swinemünde 1876 wurden Kohlen und Brikett geliefert und der Torfverkauf wurde beendet. Es wurde nur noch für den eigenen Bedarf Torf gestochen. Da die entstehenden Badeorte immer mehr Arbeitskräfte durch hohen Verdienst vom Land abzogen, wurden hier die Landarbeiter knapp und Labömitz zeigte den Ausweg und es wurde auch in Reetzow Getreide und Grassmaschinen gekauft, wenn auch einige die Nase rümpften, sie gewöhnten sich daran.

Eisenbahn - Badeorte

Als um 1895 die Eisenbahn bis Heringsdorf fertig gestellt war, setzte nicht nur in Heringsdorf, sondern auch in Ahlbeck und Seebad Bansin, eine große Bautätigkeit ein. Überall wurden Arbeitskräfte gebraucht, das Maurerhandwerk hatte einen goldenen Boden, denn diese verdienten den höchsten Lohn, nämlich einen Taler für zehnstündige Arbeit am Tag, und darum lernten viele junge Männer Maurer. Auch andere Arbeiter wurden massenhaft als Hilfskräfte gebraucht. Ein Handlanger beim Bau verdiente auch zwei Mark pro Tag. Aus Reetzow ging täglich eine beträchtliche Zahl Menschen zur Arbeit in die besagten Orte, nicht nur Männer, sondern auch Frauen und Mädchen gingen zum Wäschewaschen in Wäschereien. Sogar von Balm gingen täglich Maurer und Arbeiter bis nach Ahlbeck und abends zurück nach Hause.

Der größte Arbeitgeber waren die „Aktien", wie die Gesellschaft in Heringsdorf genannt wurde. Während das Baugewerbe in der Saison, wegen Belästigung der Badegäste, verboten war und im Winter wegen Frost, im Gegenteil von heute, nicht gearbeitet wurde, beschäftigten die Aktien ihre 50-60 Arbeiter, auch im Winter. Holzeinschlag und Transport zu ihrem Sägewerk auf den Aktienhof, wo jedem Morgen die Arbeiter aufgerufen wurden, Fußsteige im Wald anzulegen, den umfangreichen Zaun am Wildpark zu erneuern, die Wasserleitungen vom Wasserwerk nach Ahlbeck, Heringsdorf und Neuhof zu verlegen und vieles mehr. Die Aktien zahlten im Winter 1 Mark und im Sommer 1,30 Mark je Tag, Knöpfe hat sich da keiner abgerissen. Durch Streik erreichten die Maurer, das ab 01.01.1900, nur noch 8 Stunden für einen Taler zu arbeiten wurde. Dieser Lohn blieb bis Kriegsausbruch 1914. Bis dahin gingen alle getreulich morgens und abends zu Fuß, zur Arbeitsstelle und zurück.

Natursteine

Durch tieferes Pflügen stieß man auf die vor 150 Jahre eingegrabenen Steinnester. manche Besitzer hatten schon beachtliche Steinhaufen gesammelt, als sich die Möglichkeit bot, diese zu verkaufen. Nach Bansin, Heringsdorf und Neuhof sind von Reetzow viele Feldsteine für Fundamente und Straßen verkauft worden. Der m³ kostete 3 Mark und jeden Tag waren im Winter Fuhrwerke von Benz, Neppermin, Stoben, Sellin, Sallenthin und Reetzow mit Steinen unterwegs, denn Geldverdienen schändet nicht und manches Ackerstück wurde mit Steinnadeln durchgepiekt um Steinnester zu finden. Zur Jahrhundertwende ab 01.01.1900 wurde eine Umstellung in vielen Dingen vorgenommen. Wir wollen nur solche erwähnen, die für Reetzow von Bedeutung sind:

Aus dem Scheffel wurde der Zentner, indem der Scheffel mit 50 Liter abgeschafft und der Zentner mit 100 Pfund oder mit 50 kg auf der Dezimalwaage abgewogen wurde.

Auch mit dem Geld wurde eine Umstellung vorgenommen, aus 4 Groschen wurden 5 Groschen gemacht, die Mark hatte dann 10 Groschen, der Taler hatte vorher 24 Groschen und wurde ab 01.01. mit 3 Mark je 10 Groschen berechnet. Die Mark hatte 100 Pfennig.

Die Elle verschwand, das Meter hatte 100 cm, die Meile wurde gestrichen, dafür kam der km, er hatte 1000 m. Ab 01.01.1900 musste jeder für Stallbeleuchtung eine mit Glass versehene Petroleumlaterne haben, ab der Zeit sollten auch, aus hygienischen Gründen, die Bedürfnishäuschen fliegendicht eingerichtet werden.

Straßenbau

1907 sollte von Sallenthin über Reetzow nach Labömitz und Katschow eine Chaussee durch den Kreis gebaut werden. Die damalige Gemeindeverwaltung lehnte den Straßenbau ab, der Grund, wegen starker Belästigung durch Zigeuner, Verlust von Acker und Störung des dörflichen Friedens. Eine öffentliche Gemeindevertreter-sitzung gab es damals noch nicht, die größten Besitzer stellten den Schulzen und zwei der größten waren Schöffen und wenn noch zwei Büttner dabei waren, so bestand hier und da eine Abhängigkeit und so blieb es bei ja und nein. Die Straße wurde dann von Benz nach Labömitz und Katschow gebaut. Die Benzer haben damals über die Ablehnung der Reetzower gejubelt, bekamen sie doch für ihren steilen Feldweg eine feste Straße. Drei Jahre später spürte man schon den Schaden, denn Reetzow geriet ins Abseits.

Die Schlächter der Badeorte, die abends über Land fuhren, weil sie morgens Fleisch und Wurst für die „Badegäste" brauchten, blieben lieber auf fester Straße. Die Pferde von Reetzow mussten noch viele Jahre die schwer mit Getreide oder Kartoffeln, mit Dünger oder Kohlen, beladenen Wagen von oder nach Reetzow durch den Landweg ziehen. Kein Arzt oder Tierarzt wollte nach Reetzow kommen, weil sein Auto im Sand oder Schlamm stecken blieb, manche kranke Frau musste zur Chaussee gefahren werden, weil das Auto an der Straße wartete, oder das bei Schneesturm eine Frau wegen Entbindung durch Schneewehen zur Chaussee getragen wurde. wo das Auto wartete und man war froh, dass es dort wartete, denn manchmal war es nicht da.

Seit alten Zelten war es notwendig in Reetzow Hand und Spandienste durchzuführen, einmal die Wege in die Thur und Wiesen mit Sand vom Krückenortsberg auszubessern zum anderen mussten die drei Wege nach Labömitz, Benz und Sallenthin im Winter schneefrei gehalten werden, was bei ständigen Schneesturm ein großes Übel war. Das ewige Schnee schippen wurde den verkalkten Chausseen hinderlich angelastet, leider lebten diese dann nicht mehr. Das Regenwasser aus der Magnis verursachte bei Frostwetter eine Eisbahn auf der Straße, um dem abzuhelfen, wurde eine Tonrohrleitung bis in den Fockenwiesengraben gelegt, das hat seit 1911 gut funktioniert. 1958 wurde die Straße Sallenthin - Reetzow, 1970 Reetzow – Labömitz und Reetzow - Ulrichshorst fertig.

Starkstromleitung

Als im Jahr 1912 von Stralsund über Bansin, Reetzow, Labömitz eine Starkstromleitung gebaut wurde, hatte Reetzow die Möglichkeit elektrischen Anschluss zu erhalten. Die Gemeindeverwaltung lehnte den Anschluss ab. Doch sieben Besitzer gründeten eine Genossenschaft, nahmen einen Kredit auf, finanzierten damit das Ortsnetz welches immer bis an das Gebäude des Abnehmers ging. Das Ortsnetz und die Hausinstallierung wurde der Fa. Hardwig in Swinemünde übergeben, die auch die fünf Elektromotoren betriebsfertig lieferten. Ich war damals 4 Jahre alt und konnte mich noch gut erinnern, als eines Tages ein großer Rollwagen mit Stuben- und Küchenlampen kam und jede Hausfrau kaufte was ihr gefiel und eines Abends brannten in den Häusern der Genossenschaft alle Lampen. Etwa ein Jahr danach kamen die ersten Nachzügler und dann ging es langsam weiter bis 1925, wo der letzte elektrisches Licht legen lies, bis dahin hatte er auf den Blitz gewartet, der in sein Haus einschlug, wenn er elektrisches Licht anlegen ließ. Andere Dörfer, wie Benz, Stoben, Sellin und andere waren finanziell nicht in der Lage, die Kosten auf zubringen, sie mussten bis ca.1930 warten bis der Staat einsprang. Sellin wurde erst um 1950 mit Elektrik versorgt.

Im Frühjahr 1914 wurde bei einer Hochzeit, ein Zuschauer erschlagen. Die Swinemünder Zeitung überschrieb ihren Bericht: „Die Bluthochzeit von Reetzow“. Die polizeilichen Ermittlungen blieben erfolglos.

Erster Weltkrieg

Im Juli 1914 wurde der Thronfolger von Österreich in Sarajewo erschossen, dadurch entstand der Weltkrieg 14 -18. Nachdem Frankreich und England, Deutschland den Krieg erklärt hatten, hat die Deutsche Reichsbahn bewiesen wie wichtig eine exakte Verkehrsplanung ist. Innerhalb weniger Stunden begann der Vormarsch deutscher Truppen nach Frankreich. Über Sedan, Reims und Epanay bis hinter die Marne. Mit Sicht der Türme von Paris begann ein chaotisch unbegründeter Rückzug der deutschen Armee bis fast an die Ausgangsstellung. Das „Marne Wunder" ist nie geklärt worden. Bei dem schnellen Vormarsch war die linke Flankensicherung lückenhaft gewesen und in diese Lücke war eine französische Batterie zufällig hinein gekommen und beschoss marschierende deutsche Truppen. Wegen der bevorstehenden Einkesselung wurde ein unbegründeter Rückzugsbefehl gegeben und ausgeführt. Die Franzosen haben an der Stelle ein 10 m hohes Denkmal gesetzt. Bis hier waren die Deutschen an dem Tag. Dieses Denkmal habe ich 1940 gesehen.

Der erste Weltkrieg hat bis 09.11.1918 gedauert, um 10 Millionen Tote hat er auf beiden Seiten gekostet. Das meiste Menschenblut ist bei der Festung Verdun „Werden", Fort Vaux und Duamont geflossen. Frankreich hat 1920 bei Verdun eine Toten Halle errichtet, wo ein Buch mit Namen aller dort erfassten Toten zur Einsicht ausliegt. Über den Eingang steht, auch in deutscher Sprache, geschrieben:

„Sterblicher entblöße dein Haupt wenn du diesen Raum betrittst, denn hier sind viele hundert Tausend junge Soldaten aller Nationen begraben".

Unser Kommandeur hat mit seinem Fahrer einen großen Umweg gemacht, und uns von dieser Toten Halle berichtet. Im Friedensvertrag von Versailles verlangte Frankreich viele Milliarden Mark von Deutschland für erlittenen Kriegsschaden. Wie nach jedem verloren Krieg stellte sich nach Kriegsende eine jahrelange Inflation mit Arbeitslosigkeit und Lebensmittelmangel ein. Durch Kredite von Amerika, konnte die Geldentwertung am 01.11.1923 beendet werden, eine Billion wurde zu einer Rentenmark erklärt und dann konnten von Reetzow wieder Produkte für wertbeständiges Geld auf den Markt gebracht werden. Bei Kriegsende war der Kaiser nach Holland geflüchtet und dadurch wurde Deutschland zur Republik. Erster Präsident der Weimarer Republik war Friedrich Ebert, leider starb er 1924. Nach vielen hin und her, wählte man 1925 den früheren Generalfeldmarschall von Hindenburg zum Reichspräsidenten. Unter seiner Präsidentschaft wurde Deutschland zu einem politischen Müllhaufen.

Bevor wir uns Reetzow wieder zuwenden, wollen wir die Toten des ersten Weltkrieges gedenken, denn auch die haben den Krieg nicht gewollt, sondern wurden Opfer einer unnötigen und sinnlosen Kraftprobe mit der ganzen Welt, dessen Ausgang jeden halbwegs gebildeten Menschen bewusst war. Ob ein schneller Sieg über Frankreich, die Beendigung des Krieges gebracht hätte, ist angesichts Russlands, der Verbündung Italiens mit den Westmächten und mit Amerika im Rücken, doch sehr ungewiss.

Die Kriegstoten des ersten Weltkrieges von Reetzow sind: August Köster, Fritz Labahn, Heitberg, Fritz Labahn am Teich, Johann Wartenberg, Fritz Wartenberg, Fritz Hagemann.

Unter der Präsidentschaft Hindenburgs wurde Deutschland zum Spielball der Parteien, 15 bis 20 waren es die bei der häufigen Wahl um Wahlstimmen warben. Die stärksten davon waren SPD, KPD, Centrum, Deutschnational, Deutsche Demokraten, Radikal Kommunisten, die Hitlerpartei war zeitweise verboten. Schade dass es in den zwanziger Jahren noch kein Fernsehen gab, die Wortgefechte und Schlägereien im Reichstag hätten ein imposantes Programm ergeben.

Geflügel - Kennzeichnung

Von Labömitz kamen auch die Kohl- und Stoppelrüben, die fast so gut wie Kartoffeln schmeckten und die in den folgenden Kriegen oft Hunger gestillt haben. Schade, dass die wunderbar schmeckenden Stoppelrüben eingegangen sind. Da Reetzow einen schönen Dorfteich hat, der früher dreimal so groß wie heute war, bot sich die Wassergeflügelzucht an. Der Teich hatte rundherum flache Ränder, so dass Enten und Gänse ungehindert ein- und ausgehen konnten. In den Kriegsjahren 1914-1918, als Reetzow noch autofrei war, da blieben Enten und Gänse bei Nacht im und am Teich, wurden morgens und abends von ihren Besitzerinnen gefüttert und tagsüber zupften die Tiere Gras am Teichrand und nachts saß das ganze Geschwader rundherum am Teich und schlief.

Jede Frau hatte ihre Tiere durch Schnitte in der Schwimmflosse gezeichnet, linkes, rechtes Bein, innen, außen oder in der Mitte der Schwimmflosse, und die einzelnen Zuchten duldeten keinen Fremdling innerhalb ihrer Reihen. Beim Gänse schlachten wurde das Blut aufgefangen und davon das sehr beliebte Schwarzsauer, eine aus Gänseblut, Weizenmehl und Rosinen gekochte Suppe, hergestellt. Die ersten Enten waren ab August schlachtreif, die Gänse am Martinstag, 10. November. Enten und Gänse wurden seit jeher zum Verkauf gehalten, weil sie gut bezahlt wurden und Geld für Steuern musste pünktlich da sein, denn vor 200 Jahren 15 Taler im halben Jahr aufzubringen war schwer.

Nur ein gut bezahlter Beamter konnte es sich leisten, zum Weihnachtsfest eine gute gebratene Gans für 1/2 Taler auf dem Tisch zu haben. Enten wurden an jedem Markttag angeboten, was nicht verkauft wurde, kam ins Pökelfass und danach in den Wiem, wo die Gänsebrüste auch geräuchert wurden und dann auf den Markt angeboten wurden. Die Entenfedern waren nicht beliebt, doch die Gänsefedern wurden für Kind und Kindeskinder aufgespart. Zum Markttag gingen die Frauen von Reetzow mit Suppenhühnern, mit Butter und Eiern. Markttag war Mittwoch und sonnabends immer vormittags, wovon der Sonnabend der Hauptmarktag war, wo dann auf dem großen Marktplatz der Jahreszeit entsprechend, Fuhrwerke mit Roggen, Hafer oder Kartoffeln hielten. Während Fuhrwerksbesitzer und andere Pferdehalter ständig entsprechend ihrer Kasse oder Lagermöglichkeiten Futterkorn brauchten, waren auch zwei Juden, die gegen Mittag das kaufen wollten, was nicht verkauft worden war, und dann entsprechend weniger bezahlen wollten.

Sackkanal

Der um 1818 erbaute Sackkanal hatte neben allen Vorzügen auch Nachteile. Der durch 150 Meter breite Dünen durchgestochene Kanal, war einmal durch Sturm immer versandet, zum anderen durch starken Wind in Bewegung gesetzten Dünensand auch weiter rückwärts der Versandung Preis gegeben. Die Heringsdorfer Aktien - Badegesellschaft hatte mit dem Kauf des Waldgeländes vom Rittergut Gothen, auch den Sackkanal und dessen Instandhaltung übernommen und auch eingehalten. Wegen Arbeitskräftemangel während des Krieges 14-18 war die Funktion des Kanals gemindert und als die Aktie nach dem Krieg alles verkauften, nur den Kanal nicht, blieb dieser in der Luft hängen, herrenlos. Die Folge war, dass das Thurbruch unter Wasser stand. In der Fockenwiese stand im Winter und Sommer das Wasser halb bis Knabes Haus. Oder ein anderes Beispiel: die Viehkoppel von Wilhelm Labahn ist Sandgrund und hat sich nicht verändert. Wenn wir Jungens zum Hechtschlagen zur Garlitz wollten, mussten wir uns noch auf den höchsten Hügeln die Strümpfe ausziehen und liefen dann barfuß durch das Wasser und zogen uns dann die Strümpfe wieder an, so hoch war damals das Wasser in den Wiesen. Die Beschwerden führten dazu, dass das Landeskulturamt in Stettin sich der Sache annahm. 1924 wurde ein Betontunnel durch das Dünengelände gebaut, der bis an das Wasser der Ostsee reichte aber der Weisheit letzter Schluss war das noch nicht, bei Oststurm wurde dieser Tunnel weit hinein mit Dünensand vollgeschlagen und das Hinausbringen war mit Lebensgefahr für die Arbeiter verbunden, denn wenn ein Wassereinbruch, bei Ende der Sandbank erfolgte, konnten Arbeiter mit Schwemmsand festgeschwemmt werden, was zum Tode führen konnte. Aus diesem Grunde wurden von einer Pioniereinheit Löcher in die Decke des Tunnels gesprengt, wodurch man feststellen konnte, wieweit die Sandbank im Tunnel ging. Bei entsprechender Entfernung vom Ende der Sandbank, hat man eine Holzstange an der Decke des Tunnels entlang geschoben und so den ersten kleinen Wasserlauf erzeugt, der sich langsam vergrößerte und den ganzen Sand aus den Tunnel heraus schwemmte. 1924 wurde auch der ganze Sackkanal einer gründlichen Reinigung unterzogen. Nachdem der Abfluss in die Ostsee gesichert war, ging man an die Entwässerung des Thurbruchs. Als erstes wurde die in Schlangenlinien verlaufende, vom Kachliner See bis zum Gothensee verlaufende Beek begradigt. Diese Arbeit wurde 1925, wie auch im Vorjahr der Sackkanal und alle nachfolgenden Gräben, durch Handarbeit ausgeführt, Maschinen gab es dafür damals noch nicht. Einige Vorfluter wurden noch in diesen, alles andere im nächsten Jahr fertig gestellt. Ich habe mit 17 Jahre 1925 im Grabenbau angefangen und bin deshalb über alles, was Entwässerung betrifft, halbwegs informiert. 1926 wurden die letzten Abzugsgräben im Bereich Reetzow, dann bei Bansin Dorf, dann das Grabensystem in den Ahlbecker Wiesen und dann ging es mit großer Mannschaft in den Bereich Ulrichshorst, Zirchow, Kutzow, Görke, Kachlin und Katschow, wo schon seit Frühlingsanfang eine starke Mannschaft gearbeitet hatte. Bis Jahresende war im wesentlichem die Melioration im Thurbruch bis auf Kleinigkeiten fertig. Die Vermessung und Nivellierungsarbeiten wurden vom Wiesenbaumeister Kröppel, über das Landeskulturamt Stettin durchgeführt. Nach seinen Berechnungen war der Bau von Pumpwerken nicht notwendig, wenn einige Voraussetzungen erfüllt würden. Erstens müsste der Auslauf vom Sackkanal ständig frei sein, zweitens, müssten die beiden Schleusen vor dem Kanal bei starkem Westwind stets offen sein. Er hatte bei einer genauen Nivellierung festgestellt, dass bei Weststurm vom Gothensee bis zur Ostsee ein Gefälle von 100 cm, bestehe und das sei bei Beachtung der Notwendigkeiten eine Garantie für die Trockenlegung im Thurbruch. Außerdem empfahl er bei Abständen von 80 bis 100 m Stechgräben in den Wiesen zu ziehen. Diese Trockenhaltung hat sich bis 1945 gut bewährt.

Als bei Kriegsende die Straßen und die Eisenbahnbrücke gesprengt werden sollte, wurden Mienen eingegraben und der Aushub einfach bergab in die Beek geworfen, dadurch blieben nur 20 cm zum Wasserablauf erhalten und so standen die Wiesen nach Kriegsende wieder unter Wasser. Meine alljährige Forderung, den Sackkanal bis auf die frühere Solentiefe zu räumen wurde als unnötig abgelehnt. Ein Meliorationsfachmann, mit Namen Neumann aus Zinnowitz wollte bei einer Versammlung den Anwesenden weiß machen, das Wasser in der Ostsee sei 50 cm, höher wie früher und darum funktioniere die Entwässerung nicht. Er wurde kräftig ausgelacht. Man hat um 1970 einen Kran mit überlangen Arm beschafft und damit den Sackkanal gereinigt, im Thurbruch 4 Polder errichtet die das Wasser in den Gothensee pumpen und dadurch das Bruch trocken halte.

Thurbruch

Doch zurück nach Reetzow. Durch den Krieg und den Sturm war der Sackkanal versandet und der Besitzer, die Axen, kümmerten sich nicht und so stand das Thurbruch, auch im Sommer unter Wasser. Ab Frühjahr 1924 wurde durch das Landeskulturamt in Stettin der Sackkanal vorbildlich hergerichtet und in den folge Jahren dass ganze Bruch mit neuen Gruben durchzogen. Wobei die Begradigung der Reetzower Beek das effektivste Mittel der Entwässerung der meisten Wiesen im Thurbruch war. Diese derzeitige Entwässerung hat im Selbstablauf ihre Aufgabe bis 1945 einwandfrei erfüllt, was für Reetzow ein großer Gewinn war, denn der Milchkuhbestand konnte hierdurch vergrößert und die Einnahmen durch Milch erhöht werden.

Für Reetzow ergab sich im Frühjahr 1927 einen großen Fortschritt. Der Kreistagsabgeordnete Ihlenfeld von Swinemünde erreichte dass durch Reetzow eine feste Straße gebaut wurde. Die Steinschläger schlugen aus den auf Reetzower Gebiet liegenden Feldsteinen Mauer- und Pflastersteine, womit die Dorfstraße fertig gestellt wurde. Die Dorfstraße wurde daraufhin in einem Festakt im Beisein der Familie, in „Ihlenfeldstraße" getauft. Diese Straße hat dem Dorf Reetzow und tut es heute noch, gute Dienste geleistet, denn Reetzow war bis dahin, Straßen mäßig ein Drecknest.

Um 1930 wurde Reetzow auch von der Politik erfasst, der Stahlhelm" ein Bund der Frontsoldaten, gründete eine Ortsgruppe und kurz danach wurde eine SA Formation von Hitler Freunden ins Leben gerufen. Der Luisenbund trug blaue Kleider mit weißen Kragen und die 3 SA Frauen trugen weiße Kleider mit blauen Kragen. Offene Feindschaft war nicht, aber versteckte gab es. Ein SA Freund sagte zum Nachbarn, die blauen Tauben mit dem weißen Ringel um den Hals, waren zur Weihnachtsfeier auch alle da, worauf der andere sagte „die weißen Tauben mit den schwarzen Hälsen müssten sich erst waschen. Durch die Einsetzung Hitlers zum Reichskanzler durch Hindenburg kam Hitler an die Macht und Deutschlands Untergang war damit besiegelt.

Anfang, Mitte und Ende des Krieges sind bekannt. Ich habe Anfang 1942 vor Moskau 51 Grad und wochenlang 40 Grad Kälte erlebt. Dazu die viele Läuse, die die Kälte ertrugen, den Soldaten aber die anfraßen und eitrige Wunden erzeugten.

Unglücke

In der Nacht zum 18.Juni 1934 schlug der Blitz in ein Haus und entzündete es, in kurzer Zeit standen 4 Wohnhäuser und 6 Scheunen und Ställe in Flammen. Die Handspritze in Reetzow konnte ein Wohnhaus und die Benzer Wehr konnte eine Scheune retten. Der Schaden wurde weitgehend von der Versicherung gedeckt.

Kriegsende

Nicht gedeckt wurde der Schaden, den Russische Schlachtflieger am letzten Tag des Hitlerkrieges am 4.Mai 1945 in Reetzow verursachten. Durch Bomben und Brandgeschosse wurden neben Kühe, Pferde, Schweine, Schafe und Geflügel, 22 Wohnhäuser und 34 Scheunen und Ställe vernichtet. Was nebenbei an Elektromotoren, Dreschmaschinen, Ackerwagen und Geräte, Haushaltswaren, Teller Tassen Messer und anderes verloren ging und um die Zeit nicht zu ersetzen war, kann nur der ermessen, der am anderen Tag um ein Stück Brot oder um einen Kochtopf betteln musste.

Monate vorher war schon eine Gruppe Frauen zum Löschen von Bränden ausgebildet worden. Als jedoch die ersten Bomben fielen und Häuser brannten, verließen die Einwohner fluchtartig das Dorf und suchten Schutz in Gräben und Bunker.

Die im Hitlerkrieg gefallenen aus Reetzow sind: Heins Lahs, Karl Lahs, Fritz Reimer, Paul Reimer, Axel Lange, Wilhelm Wartenberg, Fritz Labahn 1/8, Fritz Labahn, Zeller, Helmut Meisner, Wilhelm Zaudtke, Walter Schulz, zum arbeiten mitgenommen und in Hinterpommern als Gefangener gestorben, Karl Labahn Sikerf dazu kommen noch die drei Brüder, Kurt Mehl, Otto Mehl, Willi Mehl.

Der Selbstmord Hitlers hätte verhindert werden müssen. Er, Göbbels und hundert andere Parteigenossen und Generale hätten noch aufgehängt werden müssen. Die Einwohner von Reetzow erlebten am 12. März 1945, wie ein US - Bomber über Swinemünde abgeschossen wurde der dann bei Kachlin nieder ging. 8 Fallschirme öffneten sich und gingen bei Korswandt runter. In der Nacht nach dem Brand war es in Reetzow mäuschenstill, die Abgebrannten suchten bei Nachbarn Unterschlupf. Am nächsten Tag kamen die ersten Rotarmisten ins Dorf, der erste Ausdruck „Urri“ und „Frau komm mit“, machten schnell die Runde und es war ein Glück das im Mai Tag und Nacht warmes Wetter war, denn die Jagd nach Frauen dauerte an, denn diese mussten sich in Stroh und Rohrmieten verstecken und etliche Frauen sind auch in Reetzow erwischt worden.

Gefangenschaft

Am 28.03.1945 kam ich in Ostpreußen in Gefangenschaft. Am ersten Pfingsttag wurde ein Transport zusammengestellt und die Reise ging in eine Stadt die 200 km nördlich von Moskau war. Dort wurde ein Teil des Transportes ausgeladen, die anderen Waggons mit Gefangenen gingen weiter. In den weitergehenden Waggons waren zum Teil französische Zivilgefangene die ich im letzten Lager kennen gelernt habe. Diese Franzosen hatten in Ostpreußen seit dem Krieg 1940 in der Landwirtschaft gearbeitet, hatten ihre Frauen nachkommenlassen, hatten inzwischen die deutsche Sprache gelernt und jetzt mit ihren Frauen als Kriegsgefangene behandelt. Ich war mit einem recht gut befreundet, seine Frau war mit anderen Frauen in einen gesonderten Raum untergebracht und sie trafen sich tagsüber auf dem Hof. Als sie nicht dabei war sagte er mir, das seine Frau mehrmals von russischen Soldaten vergewaltigt worden sei und die anderen französischen Frauen auch. Wenn er nach Frankreich käme werde er den dortigen Kommunisten die Wahrheit über die russischen Kommunisten sagen. Ich war bei der ersten Ausladung, ich glaube die Stadt hieß Belogolowietschi. Nach 5 km Fußmarsch kamen wir in ein altes Sträflingslager und nach drei Tagen gab es wie üblich nach jedem Lagerwechsel das erste Essen. Obwohl ich immer menschlich gehandelt habe, habe ich gesehen was die Deutschen in Rußland angerichtet haben und deshalb war ich froh das ich und die anderen was zum Essen bekamen, obwohl die Rußen selber nichts hatten. Wer fleißig arbeitete bekam pro Tag eine Stulle Brot zusätzlich. Die Arbeitsstelle wo ich eingesetzt wurde, war eine Ziegelbrennerei. Ich meldete mich bei den Zimmerleuten und dadurch hatte ich eine gute Arbeitsstelle. Wir erfüllten täglich unsere Norm und erhielten das Zusatzbrot. Bei der monatlichen Untersuchung wurde ich krankgeschrieben und am 04.10.1945 wurden wir, das heißt 40 Gefangene zum Bahnhof gebracht verladen. Am nächsten Tag kam der Zug, unsere Waggons wurden angehängt und ab ging die Fahrt. In dem Transport waren auch die Franzosen mit ihren Frauen, leider habe ich sie nicht sprechen können.

Heimkehr

Am 20.10.1945 sind, wir in Frankfurt Oder angekommen und am 22.10. bin ich wegen Distrophie, totale Abmagerung, entlassen. Den Augenblick wo unsere Gruppe mit 10 Mann aus der geöffneten Tür gehen durften und die Tür sich hinter uns schloss, werde ich nie vergessen, ich war frei, befreit von der ungeheuren Last, die seit dem 28.September 1939 auf mich lastete. Da war der Barras, der jeden Menschen zum nichts machte, den jeder mit Füßen treten konnte und noch dafür gelobt und befördert wurde, dann der Krieg des wahnsinnigen Hitlers, der Schaum vor dem Mund bekam, wenn er Generäle mit der Reitpeitsche schlug, dann die unmenschliche Vernichtung der Juden. Dann die Verdummungstaktik Hitlertreuen Offiziere, die den Soldaten täglich einredeten, wir kämpfen im Osten für den Deutschen Lebensraum. Dann die Phrasen des Göbbels, (wollt ihr Kanonen oder Butter), und die Berliner Kinder riefen, trotz Bombenhagel, Kanonen. Der Bombenanschlag auf Hitler schlug fehl, viele Soldaten sagten schade und so ging der Krieg dem Ende entgegen. Um die damalige Zeit, haben hohe und höchste Offiziere sich mit Schmutz und Schande bedeckt. Angefangen bei Generalfeldmarschall Paulus, der durch seine Hitlertreue in und bei Stalingrad 200.000 Tote auf dem Gewissen hat und dafür nicht bestraft wurde. Wenn Ulbricht und Honecker Sozialisten gewesen wären, hätte Paulus wegen Massenmord hängen müssen. Warum ihm das geschenkt wurde, hat verschiedene Gründe und da möchte ich mich nicht einmischen. Im Kampf um Berlin haben viele Generäle ihre Einwohnerfeindlichkeit bewiesen und wollten sich am Ende durch Flucht ihrer Verantwortung entziehen. Wer gab einen General das Recht, die drei lebenswichtigen Brücken der Insel Usedom zu sprengen. Nichts rechtfertigt solche Tat und nie sollte sich solches wiederholen. Ich gehe zurück, wo ich am 22.10.1945, aus Gefangenschaft entlassen wurde. Die erste Nacht habe ich im Schweinestall geschlafen, zu Fuß zum nächsten Bahnhof, Kartoffeln gekocht, gegessen. Nachmittag kam ein Zug, alles voller entlassener Kriegsgefangener. Die Lokomotive vorn und hinten der Tender, die Puffer von Lok und Waggons voller stehender Menschen, die Dächer voll liegender Menschen, vom Zug nichts zusehen. Nur Menschenleiber, jeder will nach Hause, so etwas sieht man nur einmal im Leben. Ich bin mit einem Kameraden auf ein Dach geklettert und haben uns dazwischen gelegt und an den Händen gehalten.


Heimkehr von Berlin nach Usedom

Als der mit Menschen volle Zug den nächsten Bahnhof erreichte, standen da nochmals 50 bis 60 Mann die auch mit wollten und mitgekommen sind. Mit dieser Ladung ist der Zug bis Fürstenwalde gekommen, dort stand ein russischer Transportoffizier auf dem Bahnsteig und hat mit Kopf und Armen geschüttelt und hat alles vom Zug gejagt was auf Dächer, Puffer, was hinten und vorne auf der Lok und sonst noch war. Dann wurden noch mehrere Waggons angehängt und da musste alles einsteigen. So sind wir bei Dunkelwerden in Berlin angekommen. In Berlin haben wir mit 10 Mann auf einem Heuboden übernachtet. Am nächsten Morgen weckte uns der Besitzer, jeder bekam eine Tasse heißen Kaffee. Wir haben uns sehr gefreut und er sagte, mehr kann ich euch nicht geben. Wir sagten Dankeschön und gingen zum schlesischen Bahnhof, wo wir uns trennten. Manche nach Süden, Westen und ich alleine nach Norden. Ich musste zu Fuß zum Stettiner Bahnhof, der weit im Norden liegt, keine Straßenlampen, keine Straßenbahn, die Straßen voller Schutt, nur die Fahrbahn freigemacht, so stand ich am Morgen des 24.10.1945 auf der dunklen Straße. Ein Radfahrer sagte mir folgendes, diese Straße gehst du immer gerade aus und dann musst du die Brücken zählen, unter sieben Brücken musst du durch, gleich hinter der siebenten Brücke gehst du rechts der Straße nach bis zum Rosenthaler Platz, da ist ein Loch gemacht, da geht es zur U- Bahn hinunter. Die U – Bahn geht zum Stettiner Bahnhof. Dieser Fußmarsch war wohl 10 km durch menschenleere Straßen, her und da ein Lichtschein durch zugenagelte Fenster, ständig vorbei an himmelhohe Mauerreste. Manchmal bin ich an hohen Wandresten vorbeigelaufen, aus lauter Angst sie könnten umstürzen und mich erschlagen. Als es hell wurde sah ich hier und da Gardinen in den Fenstern hängen auch Möbelreste lagen noch auf hängenden Fußböden. Ein Bild des Grauens, verursacht von Hitler, Goebbels und dem deutschen Generalstab. Die damalige Generalität hat sich schändlich gegen das deutsche Volk vergangen und viel zu wenig sind aufgehängt worden. Inzwischen war es beim Gang durch Berlin hell geworden und ich sah die Stelle wo Menschen in ein Erdloch einstiegen. Ich stieg in die U – Bahn und bald waren wir am Stettiner Bahnhof, der Zug nach Stralsund stand bereit, doch der Zugführer sagte mir, der Zug ist voll und du darfst nicht einsteigen. Ich aber trotzdem eingestiegen und der Zug ist nach einer Stunde abgefahren. Unterwegs stiegen zwei russische Offiziere in meinen Wagen ein, wir kamen ins Gespräch. Sie fragten wie das Essen in der Gefangenschaft war, ich sagte an einem Tag gut an dem anderen nicht gut, kak unas, wie bei uns. Sie gaben mir ein halbes Brot und Tabak und fragten mich wo ich arbeiten werde, ich in der Landwirtschaft. Einer sagte, das ist nicht gut, denn bei uns sind die Bauern Menschen der dritten Klasse. Ich sagte, bei uns nicht, darauf er tschaß budiet, das heißt, bald wird es bei euch auch so sein und es ist so gekommen. In Prenzlau wurde ein anderer Zug besteigen, die Russen waren nicht bei uns im Personenwagen. Ich schnitt mir eine Stulle vom Brot und as. Ein Kind von drei Jahren sagte zu seiner Mutter, ich habe Hunger, ich gab ihm eine Stulle. Ein alter Mann von siebzig Jahren sagte ich möchte auch eine Stulle. Ich gab jedem der im Wagen saß eine Stulle insgesamt für acht Personen. Jeder as ungeniert das trockene Brot auch die junge Lehrerin hat sich nicht geschämt und gab mir dafür eine Zigarette. An diesen Anblick wo alle das trockene Brot gegessen haben und sich keiner schämte, denke ich immer, wenn ein Stück Brot auf der Straße liegt. Weil die Zecheriner und Karniner Brücke gesprengt waren, bin ich in Ducherow aus dem Zug gestiegen und habe hier übernachtet. Am Nachmittag hatte ich in Pasewalk von einem Waggon Kartoffeln geholt und mein Kochgeschirr voll Kartoffeln im Feuer der Lokomotive gekocht und mit Salz die Pellkartoffeln gegessen. Am nächsten Tag bin ich von Ducherow über Usedom nach Reetzow gegangen. Die Strecke betrug 30 km. Die Familie war gesund, meine Frau war nicht vergewaltigt worden, dafür habe ich meinen Schöpfer gedankt und vor Freude ein paar Tränen vergossen, dessen schäme ich mich nicht.

Nach 1945

Bei der üblichen Viehzählung am 1.Mai 1945 waren in Reetzow 132 Milchkühe und eine entsprechende Zahl Jungvieh vorhanden. Am 1.Juni 1945 wurden 70 Kühe von Reetzow nach Swinemünde getrieben und auf Schiffe verladen. Auf Befehl der SMA durfte jeder nur eine Kuh behalten. Jungvieh über ein Jahr wurde auch mitgenommen. Desgleichen mussten alle Schweine, auch die Ferkel nach Pudagla zur Roten Armee gebracht werden. Unser derzeitiger Bürgermeister war sehr russenfreundlich und lieferte mehr als die Rote Armee haben wollte, denn die Ferkel sollten nicht gebracht werden, als sie aber dort waren, wurden sie auch behalten. Nach vielem hin und her, durften fünf weibliche Ferkel zurück gebracht werden, womit eine Nachzucht erreicht wurde. Der von Polen und Rußen eingesetzte Bürgermeister Wischnievski machte in Reetzow eine Kolchosverwaltung auf, nahm die Leitung in eigene Hände, da er keine diesbezüglichen Kenntnisse hatte, brach diese Arbeitsweise in der Roggenernte zusammen und jeder machte dann die eigene Arbeit.

Der amtierende Bürgermeister wurde von der inzwischen gegründeten SPD abgelöst und dafür das Parteimitglied Kaminski als Bürgermeister eingesetzt. Ihm zur Seite standen 6 Gemeindevertreter. Um die Versorgung der Roten Armee und der Deutschen Bevölkerung zu sichern, wurde ein Ablieferungssoll von landwirtschaftlichen Produkten eingeführt. Da die Domänen und Rittergüter 1945 an Neusiedler aufgeteilt wurden und dadurch für die Produktion von Nahrungsmittel ausfielen, war die Belastung der Dörfer umso größer.

Zur Eintreibung der abzuliefernden Produkte wurden vom Rat des Kreises Usedom in Ahlbeck, Erfasser eingesetzt, die mit feindlicher Gesinnung gegen die Dorfbewohner vorgingen. Gewiss, die Not war groß und die Portionen der Lebensmittelkarteninhaber war klein, dass die Rote Armee wie die Maden im Speck lebten, war nicht zu ändern, aber dass der Bauer der kein Bauer war, sondern ein Selbstversorger, wo Eltern, Großeltern und Kinder mithelfen mussten, um ihr Brot zuhaben, nun zu großer Ablieferung gezwungen wurden, um den Schaden, der durch die Zerstückelung der Großbetriebe entstanden war, wettzumachen, das war in vielen Willen ein Kommunistischer Racheakt der Besitzlosen, die oft ihr Wochenlohn versoffen hatten und nun auf die Verteilung des ganzen gehofft hatten, was jedoch von der Roten Armee verhindert wurde, weil diese das schon einmal durchgespielt hatten. Zur Entlastung der eigenen Schuld an der schlechten Ernährungslage, wurde die Behauptung aufgestellt, die Bauern essen alles heimlich auf und dadurch sind die Lebensmittel knapp. Um die, das Dorf Reetzow, auf erlegten Lebensmittelmengen halbwegs gerecht zu verteilen, wurde von der VdgB, im März 1946 ein Anbauplan für jeden Besitzer aufgestellt, auf dessen Grundlage die Ablieferung ab Ernte zu erfolgen hatte.

Weil viele Wohn- und Stallgebäude abgebrannt waren, wurde aus der Ablieferung oft eine Quälerei für die Betroffenen. Die deutschen Erfasser konnte man noch wegen Stromabschaltung hinhalten, aber die russischen Wirtschaftsoffiziere hatten dafür kein Verständnis. Sie verwiesen darauf dass russische Frauen auch mit einem Knüppel auf einen Hauklotz Roggen dreschen mussten. Das Kalb von jeder Kuh musste als Fleischsoll abgeliefert werden. Milchabgabe je Kuh war sehr hoch, Kälber sollten keine Milch haben, sondern auf Russischem Befehl mit Wasser getränkt werden.

Für säumige Lieferanten war in Ahlbeck ein Bunker eingerichtet worden, der oft belegt war. In der Mellenthiner Heide war ein Strafkommando untergebracht. Waffen hatten die keine, aber mit Knüppel machten sie die Dörfer unsicher und stahlen Fahrräder, Anzüge und was ihr gefiel, mancher Radfahrer wurde blutig geschlagen, wenn er sein Fahrrad nicht hergeben wollte. Schwierigkeiten gab es in Reetzow mit der Herbstbestellung, erstens fehlten Pferde um die Bearbeitung durchführen zu können und zweitens fehlte das Saatgetreide, in diesem Fall Roggen, denn die Erfasser bestanden auf volle Ablieferung ohne Rücksicht auf Saatgetreide. Dazu kam das von den Gemeinden Langholz aus den umliegenden Wäldern, zum Ahlbecker Bahnhof zur Ablage Stagniß und zu den Sägewerken Ahlbeck und Bansin zu fahren sei. Diese Holztransporte mussten auf Befehl des Insel Kommandanten durchgeführt werden, säumige Gemeinden, auch Reetzow, wurden zur Kommandantur in Ahlbeck bestellt und verpflichtet, unter Strafandrohung das versäumte in vorgegebener Zeit nachzuholen. Um die vorgesehene Fläche mit Roggen bestellen zu können wurde von der Erfassungsabteilung eine bestimmte Menge Saatroggen bereitgestellt, um in Reetzow und anderswo die vorgesehene Fläche, wenn auch verspätet zu bestellen. So ging das Jahr 1946 zu Ende.

1947 begann wieder mit Holz fahren ohne Rücksicht auf Schnee und Eis. In Reetzow fehlten Pferde und Milchkühe. Ein Hengst konnte als Arbeitspferd gekauft werden und als der zum Decken zugelassen wurde, fielen tragende Stuten zum Holz fahren aus. Die anderen Pferde mussten das Holz für die Stuten auch noch fahren. Leider blieb von 6 Fohlen nur eins in Reetzow, die anderen gingen nach auswärts. Um endlich die Stärkenkälber aufziehen zu können gingen findige Landwirte daran, 1947 Gänse und Hähnchen auf Fleischsoll für Kälber abzuliefern und konnten so ihren Rinderbestand erhöhen. Zur Eigenversorgung wurde Federvieh, Wassergeflügel und Kaninchen gezüchtet, daneben kam, wie früher oft „Speck mit Augen auf den Tisch", und mancher hat selber gefischt. Mancher hat auch das Kalb geschlachtet für sich und hat gesagt, die Kuh hat nicht gekalbt, hat versetzt oder ist nicht trächtig geworden. Ab 1.Januar 1949 wurde die Hektarveranlagung durchgeführt. In Reetzow wurden die Acker- und Wiesenflächen zusammen gefasst und der gesamte Besitz mit einem Ablieferungssoll belegt, einmal mit Ackerfrüchten zum anderen mit Milch, Schweine, Rindfleisch, Eier und Geflügel.

Die Ackerfrüchte gliederten sich in Roggen, Hafer, Kartoffel, Gemüse und oft wurden noch Lein, Tabak oder Mohn verlangt. Da jede Gemeinde für das ganze verantwortlich war, musste der Anbauplan überwacht, die Milchlieferung an die Molkerei, der Kuhbestand durch Stallbegehungen überprüft werden, jeder Todesfall von Tiere musste gemeldet und vom Bürgermeister besichtigt und in der Viehkartei berichtigt werden.

Da wegen der Schafe auch ein Abgabesoll für Schafwolle bestand, musste auch ein totes Schaf geschoren werden und die Wolle musste abgeliefert werden. Um 1950 wurde Höhenfleckvieh von Thüringen in unseren Kreis gebracht, dort waren die Landwirte nicht so hart geschröpft worden, und die Anlieferung hat auch in Reetzow bewirkt, dass der Rindviehbestand erhöht wurde. Inzwischen hatte sich auch die Schweinezucht erholt. Da die versprochene Abschaffung der Lebensmittelkarten nicht möglich war, wurde das Abgabesoll ständig erhöht, als Folge davon setzte eine Landflucht ein, die auch Reetzow ergriff.

Als diese Republikflucht weiter um sich griff, sagte Walter Ulbricht in einer Rundfunkansprache „lasst die Bauern doch weglaufen, wir haben keinen Schaden davon", damit gab er seine große Dummheit preis. Ein Jahr später, als ganze Dörfer im Westen der DDR durch Sippenflucht entvölkert waren und der Aufstand am 17.Juni 1953 durch Russische Panzer niedergewalzt war, sagte er: „wir haben die Bauern weh getan, aber das soll jetzt anders werden, jeder Bauer kann jetzt ein Schwein schlachten, auch wenn er sein Soll noch nicht erfüllt hat". Um 1955 war die Produktion von Lebensmittel durch den Einsatz von Traktoren soweit gestiegen, dass die Lebensmittelkarten abgeschafft werden konnten.

LPG Gründung - Landwirtschaft

Trotz großer Werbung zur Gründung einer LPG in Reetzow, kam keine zustande. Ein entsprechendes Merkblatt über meine Person, lege ich bei, auch den vom Original abgeschriebenen, von mir aufgestellten Anbauplan lege ich bei. Er diente mit kleinen Veränderungen, viele Jahre als Grundlage für die Sollberechnung. Die Zerrissenheit der Ackerfläche von Reetzow, durch Teilung bei Erbschaft und Teilung bei Kauf hat bewirkt, das kleine und kleinste Parzellen entstanden sind, die den Einsatz von Maschinen nicht lohnten. Trotz der Zerrissenheit und der damit verbundenen Handarbeit, hielten die Landwirte an ihrem Besitz fest und die Gründung einer LPG wurde wegen Eingriff in ihre Eigentumsrechte abgelehnt. Trotz aller Widrigkeiten hatte jeder in Reetzow sein Ein- und Auskommen, was in den reichlich vorhandenen Wiesen begründet war.

Als im März 1960 die Zwangs LPG gebildet wurde, kam ein Lohngefüge in Anwendung das verschiedene Möglichkeiten in sich trug. Die LPG lieferte die vorgeschriebenen Ackerprodukte wie Roggen, Hafer und Kartoffel, die Ackereinbringer hatten das vorgeschriebene tierische Soll, wie Milch, Eier, Rind- und Schweinefleisch und Geflügel zuliefern. Was der LPG an Ernteerträgen übrig blieb, wurde an die Mitglieder als Arbeitslohn verteilt. Diese Erntereste wurden noch einmal geteilt, das heißt 30 % gingen für Bodenanteile und 70 % wurden auf Arbeitstage verrechnet. Mit dieser Verrechnung wurde der Acker abgewertet und die Kleinbetriebe erhielten eine erhebliche Lohnerhöhung auf Kosten der Ackereinbringer. Während der Kleinstbetrieb sein Getreide auf dem Schwarzmarkt für 40 Mark je Zentner verkaufte, musste der größere Betrieb von 15-20 ha sein erhaltenes Getreide für die Erzeugung von bis zu 10 Doppelzentner Schweinefleisch, für Sollpreis verwenden. Der Sollpreis für Schwein war 100 Mark je 50 kg. Für die Erzeugung von 50 kg Schwein waren 500 kg Kartoffel und 150 kg Roggen oder Gerste, 100 kg Milch, Heizmaterial zum Kochen der Kartoffeln und der Kaufpreis von 80 Mark für ein Ferkel von der von der Arbeit des Fütterns, des Ausmistens und vieles mehr, ganz zu schweigen.

Berechnungen haben ergeben, dass der Kleinbesitzer damals in Typ I - 25 Mark pro Tag verdient hat während der Besitzer von um 20 ha, 8 Mark pro Tag hatte. Die Betriebsgrößen dazwischen pegelten sich in der Verdienstvariante ein, wobei die Zahl der Arbeitskräfte ausschlaggebend für den Verkauf von Übersoll Schwein oder Verkauf von Futtergetreide auf dem Schwarzmarkt war. In Reetzow trat um 1965 alter versteckter Hass aus früheren Zeiten zutage, die aus Politik und Wirtschaft von früher war. Durch die Zusammenlegung mit Labömitz, zu einer LPG Typ III wurde eine einheitliche Besoldung aller Mitglieder durchgeführt. Das war im Jahr 1970, zwei Jahre später wurden die KAP gebildet eine Korporation aller Thurbruch Gemeinden, wozu auch Pudagla mit Ückeritz, Garz, Kamminke, Bossin und Dargen angeschlossen wurden. Zur besseren Wirtschaftsweise wurde dieser Komplex in Kap und LPG getrennt, wobei die Kap Bestellung und Ernte, die LPG die Aufzucht, Pflege und Verkauf der Tierbestände wahrzunehmen hatte. Die LPG kaufte die notwendigen Futtermittel von der KAP und bezog ihre Einkäufe aus Verkauf von Milch und Schlachtvieh, während die KAP ihr Geld von der LPG und von der Erfassung für abgeliefertes Erntegut erhielt.

1970 wurden der Bau des Trocknungswerkes und gleichzeitig der Aufbau der Jungvieh und Färsenaufzuchtsställe in Angriff genommen. Für Reetzow war die Inbetriebnahme dieser industriemäßigen Anlagen insofern von Bedeutung, weil eine beachtliche Zahl Arbeitskräfte von Reetzow hier einen Arbeitsplatz fanden. Da durch die Vereinigung mit Labömitz auch alle Viehbestände innerhalb von 2 Jahre nach dort verlagert wurden, gab es in Reetzow fast keine Arbeitsmöglichkeit mehr. Seit Ende des letzten Krieges 1945 gab es Beschwerden wegen der Straßenverhältnisse nach Reetzow. Bis Anfang des Krieges hatte der Arbeitsdienst die Erdarbeiten fertig gestellt und das Steinmaterial war gebrauchsfertig gelagert. 1958 wurde die Straße von Sallenthin nach Reetzow durch die Firma Holz von Heringsdorf fertig gestellt, den Materialtransport übernahm die Gemeinde durch Hand- und Spanndienst kostenlos. Durch diesen Straßenbau war ein jahrelanger Engpass überwunden. 1968 wurde vom Bezirk Rostock, über die Investitionsbank, ein Millionenprojekt zur hohen Nutzbarmachung des Thurbruchs, in Angriff genommen. Neben einer umfassenden Entwässerung des Bruches durch drei Pumpwerke, wurde das Bruch durch ein- und zweispurige Straßen durchbaut. Durch die Hauptstraße wurden Ulrichshorst, Reetzow und Labömitz mit den Straßen der Insel Usedom fest verbunden und auch Gothen erhielt bei dieser Aktion, über Neuwelt, eine feste Straße nach Heringsdorf.

Ab 1975 wurde die Kälberaufzucht Station, 2 Jahre später die Färsenaufzucht in Betrieb gesetzt. Die Bauweise der Färsen- oder Jungrinderaufzuchtstation ist von Nichtswissern entworfen und genehmigt worden.

Arbeitsweise der LPG Reetzow

Durch die Gründung der LPG gingen die Bearbeitung des Ackers und die Ablieferung der Ackerprodukte an die LPG über, während die Ablieferung der Tierprodukte in die Hände der Tierhalter blieb. Die LPG lieferte das Soll für den Acker, also Getreide, Kartoffeln, Gemüse und Stroh. Was nach der Ablieferung an Produkten übrig blieb, wurde an die Mitglieder als Arbeitslohn auf Grund geleisteter Arbeitseinheiten (AE) verteilt. Daneben gab es noch Bodenanteile, die nach Größe der eingebrachten Ackerflächen berechnet wurden.

Am Anfang gab es in Reetzow 40 zu 60, das heißt 60% der zur Verteilung kommenden Produkte wurden auf Arbeitseinheiten zu 40% auf Bodenanteile verrechnet. Da die Kleinbetriebe mit dieser Verrechnung nicht einverstanden und bei der Abstimmung in der Mehrheit waren, wurde ab 1962 mit 30 zu 70 verrechnet. Damit wurde eine Abbewertung der Ackerflächen eingeführt. Diese Umstellung verschaffte den Kleinbetrieben eine erhebliche Lohnerhöhung auf Kosten der Ackereinbringer. Die Ackereinbringer mussten nämlich das Schweinefleischsoll für den eingebrachten Acker abliefern und dazu wurde Getreide und Kartoffeln gebraucht. Durch diese Umstellung erhielt der größere Betrieb für die Sollerfüllung zu wenig Produkte, musste zur Sollerfüllung von seinen Arbeitseinheiten Getreide zur Sollerfüllung nehmen und hatte dadurch ein erhebliches Manko in seinem Lohngefüge. Zum besseren Verständnis dieser Verteilung sei folgendes erklärt, Die größten Betriebe bringen den meisten Acker ein, haben auch das meiste Schweinefleisch auf Soll, also für den billigsten Preis zu bringen. Die Kleinbetriebe mit 1 bis 10 ha Acker hatten ein kleines Soll gegenüber den größeren Betrieb mit 10 bis 15 ha Acker. Durch den Umstand das der Kleinbetrieb meistens mehr Arbeitskräfte zu Arbeit stellen konnte, der Größere jedoch neben Beschäftigung, wie Milch fahren, Viehablieferung, Schmied, Stellmacher und dergleichen hatte, wodurch ihm AE in der Endabrechnung fehlten.

Der größere Betrieb erhielt also weniger Getreide auf die AE als der Kleinere, hatte aber je ha Acker 1 Doppelzentner = 100 kg, Schwein für Sollpreis 100 kg 200 M abzuliefern. Am Ende war das so, dass der Größere 10 Schweine für Soll lieferte und dafür 2500 Mark bekam, während der Kleine 7 Schweine, davon 2 auf Soll für 500 M und 5 auf freie Spitzen, je Schwein für 1000 M gesamt 5500 Mark ablieferten. Das Getreide und die Kartoffeln aus dem gekürzten Bodenanteile konnte das Manko bei den größeren Betrieben nicht aufhalten. Kleinbetriebe die keine Schweine auf freie Spitzen füttern wollten, verkauften ihre Kartoffeln nach Heringsdorf für 20 Mark je 100 kg und Getreide je 100 kg für 80 Mark, an Hausbesitzer die sollfrei waren, letztere machten Mastverträge und erhielten je Schwein 100 Mark Prämie, was die Rentabilität sicherte, zumal die Vertragsschweine 200 und mehr kg wiegen durften und dadurch der Zukauf von Ferkel für je 80 Mark, verringert werden konnte. Für Vertragsschweine wurden 5,30 Mark je kg gezahlt.

LPG Mitglieder hatten ihr Soll und kamen an diese Extras nicht heran. Der Mittelbetrieb mit 8 ha Acker und mit 2 Arbeitskräften kam da immer noch zu Recht, der darüber war im Nachteil, der darunter war im Vorteil. Ein Mittelbetrieb mit 6 ha Acker sagte nach drei Jahren LPG, ich habe in diesen drei Jahren 10.000 Mark gespart, das habe ich vorher nie gehabt. Nach drei Jahren später sagte ich ihm, ein Größerer hat vorher 10.000 Mark auf der Bank gehabt und jetzt sind die weg. Was der eine heute mehr bekommt, das bekommt ein anderer weniger. Der Ziegenhalter hat den größten Vorteil durch die LPG. Berechnungen haben seinerzeit ergeben, dass der Größere 8 Mark und der Kleinere 20 Mark pro Tag verdiente. Der täglich verkündete Grundsatz, gleicher Lohn für gleiche Arbeit war eine Lüge. Auf diese Art ging es bis 1970, wo Reetzow mit Labömitz und Benz zu einer LPG Typ III zusammengelegt wurden. Das Gute für mich war, dass alle den gleichen Lohn erhalten haben. Der Betrug zwischen Klein und Groß wurde dadurch aufgehoben.

Ich gab 7 Milchkühe und 2 Stärken, eine davon tragend, in die LPG Typ III. Diese Herde wurde mit 10.300 Mark abgeschätzt. Die Hälfte dieser Summe wurde vor dem 01.07.1990 an mich und andere überwiesen. Vorher am 24.12.1972 wurden ich und meine Frau Rentner. Meine Frau bekam 150 Mark und ich 240 Mark Rente. Nach mehrmaligen Erhöhungen war die Rente meiner Frau 585 Mark und die meinige 765 Mark.


Nach der Wende

Im Dezember 1990 wurde von der Vollversammlung die Auflösung beschlossen. Der Schuldenberg der Thurbruch LPG betrug 14 Millionen Mark. Die Kälber- und Jungviehställe haben 32 Millionen Mark gekostet. Das viel gelobte Trocknungswerk, für 6 Millionen gebaut, hat zuerst die Waffen gestreckt, ob von diesen 38 Millionen Baukosten etwas zurückgezahlt wurde ist unwahrscheinlich. Über das ganze Restvermögen wurde ein Abwickler aus dem „Westen" eingesetzt, der pro Tag 500 Mark Lohn erhalten haben soll. Für eine beträchtliche Zahl von Arbeitern aus Reetzow trat die Arbeitslosigkeit ein, die mit 55 Jahren, auf Frührente gesetzt wurden, bei Jüngeren wurden ABM – Maßnahmen eingeleitet, die zum großen Teil heute noch bestehen. Mit Ende der Thurbruch LPG wurde der gesamte Rind und Schweinebestand veräußert. Da die Molkerei in Bansin von hier und anderen Orten keine Milchanlieferung erreichten, musste auch dieser Betrieb die Türen schließen.

Die gesamten Thurbruchwiesen wurden 1991 nicht gemäht. Als sich 1992 keiner der LPG Nachkommen bereit erklärten, Teile der Wiesen und Felder zu übernehmen, war in der Ostseezeitung zu lesen „Das Thurbruch im Abseits", die Reporterin konnte nicht fassen, das Besitzrechte nicht in Anspruch genommen wurden, das durch die Unterdrückung der kleinbäuerlichen Familienbetriebe seit 1946 Besitzer und Kinder zu Feinden der Planwirtschaft gemacht wurden. Republikflucht war das eine, das sich die Erben der Landwirte mit Grausen von der Landwirtschat abwandten, die Methoden der Erfasser, Madel und Löschke von Kamminke, Brommecker und Staude vom Rat des Kreises Wolgast und die Bürgermeister Schulz von Usedom und Kühn von Ückeritz haben bewirkt, das so genannte Bauerntöchter sich weigerten Landwirtschaftliche Erben zu heiraten und dadurch der Landwirtschaft verloren gingen, das gleiche taten viele männliche Nachkommen und nahmen Abstand vom Lande.

Ab 1992 zeigten sich kleinere Anfänge von Betriebsgründungen, einer von Reetzow hat heute, 1993, 10 Milchkühen, 2 haben je eine Milchkuh für den Eigenbedarf. Die Milch des Anderen wird von hier nach Züssow gebracht, wo die nächste Molkerei ist. Inzwischen hatten sich eine GmbH und ein Holländer, jeder mit einer Fleischkuhherde, ohne Milch, angesiedelt. Innerhalb Reetzow werden z. Z. etwa 10 Rinder zur Fleischerzeugung gehalten, desgleichen werden noch einige Schafe zur Wollgewinnung und Schweine für Hausschlachtung gehalten.

Teich - Geflügel

Die, wegen dem Dorfteich, günstige Wassergeflügelhaltung, ist in den letzten zehn Jahren, wegen dem zunehmenden Kraftverkehr stark eingeschränkt worden. Die Zuchttiere der Abseits vom Teich wohnenden Häusler kannten den Weg von und zum Teich und gingen mit ihrem Nachwuchs um die Mittagszeit über die Straße nach Hause zum Fressen. Entgegenkommende Pferdefuhrwerke wurden ausgewichen, der Kraftverkehr verursachte Verluste bei Gänsen, Hühner und Enten, zumal die zugelassenen Geschwindigkeiten oft überschritten wurden.

Durch die im Jahre 1992 erfolgte Reinigung des Dorfteiches in Reetzow und die fast steilwandige Seitenbefestigung, ist der Ein und Ausstieg für Wassertiere sehr beschwerlich. Für Kinder ist der Teich, durch die Vertiefung, beim Schlittschuhlaufen lebensgefährlich geworden.

Die Schule in Reetzow, um 1818 eingeführt, wo der in der Chronik von Reetzow oft erwähnte Pät Martin, notdürftig Schreiben, Lesen und Rechnen im Selbststudium unter Mithilfe anderer Schüler lernte, erhielt um 1898 ein neues Schulgebäude, welches heute noch in guten Zustand ist. Durch den Verkauf dieses Gebäudes durch den Wohnwirtschaftsverband der Deutschen Demokratischen Republik, ist das Eigentumsrecht der Gemeinde Reetzow nicht erloschen. Im angestrebten Falle, einer Selbstverwaltung von Reetzow wird Benz den Vereinnahmten Verkaufspreis für die Gastwirtschaft von Reetzow von gesamt 19000 Mark an Reetzow zurückzahlen müssen.

Verkauf von Lebensmitteln

Die Kolonialwaren Versorgung in Reetzow wurde von zwei Verkaufsstellen seit mehr als 100 Jahren getätigt. Um 1955 wurde eine Verkaufsstelle vom Konsum übernommen, und bis zur genannten Vereinigung betrieben und dann geschlossen. Eine der beiden Verkäuferinnen, hat daraufhin für sich Privat, eine Verkaufsstelle eingerichtet, was für Reetzow ein großer Vorteil ist, denn die andere Verkaufsstelle ist wegen Alter eingegangen und die Einwohner von Reetzow hätten über Land einkaufen müssen.

Mit der Tanzmöglichkeit für die Bewohner von Reetzow und Umgegend ist es seit Verfall des Gasthofes vorbei. Durch die widersinnige Vereinigung mit Benz hat der damalige Bürgermeister Kollhoff aus Konkurrenzgründen den Reetzower Gasthof verkauft und ist dafür verantwortlich das unsere Tanzstätte verfallen ist, sein Ausspruch, wenn die Gaststätte in Benz fertig ist kommt ihr nach Benz, dann braucht Reetzow keine Gaststätte. Durch den Verkauf der Baustelle des alten Gasthofes ist es Reetzow unmöglich im Zentrum des Dorfes jemals eine Gaststätte zu errichten. Die jeweiligen Gemeindevertreter müssen sich sagen lassen, dass sie ohne Überlegung und Weitblick die Interessen der Einwohner von Reetzow mit Füßen getreten haben.

Ich gebrauche die Worte des Alten Fritz, der im Siebenjährigen Krieg, als ihm Vorpommern genommen wurde, gesagt hat „Möge dereinst aus meinen Gebeinen der Rächer entstehen".

Spiele

Von den einst so beliebten Spielen der Dorfjungen, ist nichts übrig geblieben. Das Tröller spielen ist eingegangen als die Dorfstraße 1927 gepflastert wurde, der Tröller, die Holzscheibe, braucht zum Laufen einen glatten Sandweg. Das Kuselong Spiel hat sich länger gehalten, eine runde Holzkugel 10 -12 cm Durchmesser wurde in der Mitte des Spielfeldes in eine Vertiefung gelegt, in diese Mulde stippte jeder Spieler seinen Schlagstock und beim Rundgang wurde gesungen, rühr um rühr um dei Grütt brennd an, die klock schielt ein twei drei und so bis 12 und dann stippte jeder Spieler seinen Schläger in eines der in 4 m Entfernung um das Zentrum rund herum angebrachten Löcher, entsprechend der Spielerzahl. Fehlte ein Loch und wer kein Loch erwischte, der musste die Kugel treiben, und versuchen die Kugel in ein Loch zu bringen oder bei dem Gerangel den eigenen Schläger in einem im Moment freies Loch zu halten. Im Streitfall zwischen zwei Spielern, was oft vorkam, wird der Schläger mit der Spitze auf die Fußspitze gestellt und mit Beinschwung der Schläger weggeschleudert, wer seinen Schläger am weitesten weg brachte war Sieger.

Dieses Spiel hat immer viel Spaß gemacht, auch wenn mal die Kugel beim Gastwirt Lahs durch das Fenster in die Stube flog, er hat nicht geschimpft, denn die Spieler waren meistens Kinder seiner Kunden. Dann war da noch das Rasenschneiden, aber das würde zu weit führen. Reetzow hatte seit 1900 einen Schützenverein, der mit der Machtergreifung wie überall, als Gegner betrachtet wurde. Die wertvolle Fahne ist ein Opfer des Feuers im Mai geworden. Nun etwas das für die Ortschronik wichtig ist.

Einwohner

Die Gemeinde hatte am 01.01.1930, 252 Einwohner, am 01.01.1993, 182 Einwohner. Am 01.01.1930 waren 60 Wohnungen vorhanden, am 01.01.1945 waren 59 Wohnungen vorhanden. Am 04.05.1945 wurden durch Kriegseinwirkung 21 Wohnungen vernichtet. Am 01.01.1993 waren in Reetzow 56 Wohnungen von 182 Einwohner bewohnt, + 3.

Die seit früher, üblichen Großfamilien, z. T. durch Armut entstanden, habe n sich in den letzten fünfzig Jahren aufgelöst und geteilt, so das bei gleichem Wohnraum heute in Reetzow bedeutend weniger Einwohner als früher leben. Durch die Trockenlegung des Gothensees war der Wasserstand in den Wiesen von Reetzow sehr niedrig und dadurch wurden ergiebige Heuernten eingebracht, auch der Acker, weil wegen des Kartoffelanbaus sämtlicher Stalldung auf das Feld gebracht wurde, brachte recht hohe Getreideernten. Da hierfür die Scheunen, wegen Einlagerung, zu klein waren, musste der überschüssige Teil sofort gedroschen werden.

Fauna und. Flora des Thurbruchs

Vögel

Ich, Schreiber dieser Zeilen, habe den Weg in die Thur oft dreimal machen müssen, zwei Mal mit Kühen und einmal als Mittagträger. Oft war ich, in den zehn Jahren, wo ich Kühe gehütet habe, allein mit meinen Tieren dort. Als Uhr hatte ich eingesteckte Stäbe, die die Zeit durch die Sonnenstrahlen anzeigten. Lange Weile habe ich nie gehabt, denn es gab viel zusehen und noch mehr zu hören. Der auffälligste Vogel war wohl der Kuckuck, ein Taubengroßer, dunkelblauer mit feinen hellen Streifen versehener, aber Menschenscheuer Vogel, der beim plötzlichen Anblick eines Menschen laute Schreckenslaute von sich gibt. Er ruft von morgens bis abends und bleibt nicht lange auf eine Stelle. Als nächster wäre die Himmelsziege zu nennen, seit uralten Zeiten hier im Thurbruch als Sommervogel ansässig, liebte er nasse Sumpfwiesen, über der er wahrscheinlich zur Unterhaltung der brütenden Partnerin, seine geräuschvollen Flüge zeigte. Der graue stargroße mit langen Flügeln versehene Vogel stieg am späten Nachmittag hoch in die Luft und stürzte sich dann im schrägen Sturzflug bis fast auf den Erdboden um dann gleich wieder möglichst steil in die Luft zu steigen. Bei jedem Absturz entstand durch die Flügelbewegung ein dauerndes akkurates Ziegengemecker, welches dem Vogel seinen Namen gegeben hat. Ein junges hochbeiniges Tier mit Schwimmflossen zwischen den Zehen habe ich ganz in Nähe betrachten können, ich glaube das sei eine junge Himmelsziege gewesen, auf platt wurde sie Jahrhunderte lang Hoewenzicke genannt. Mit der Trockenlegung des Bruches sind die Himmelsziegen verschwunden, schade, sie gehörten zum Thurbruch. Geblieben ist der Kiebitz, er liebt trockenes Gelände und verteidigen gemeinsam ihre in einer flachen Mulde liegenden Eier gegen Krähen, Elstern und Habichte, bei Verlust, legten sie schnell wieder. Die Kiebitze fliegen bei Nacht und schlagen mit den Flügeln immer zugleich und wenn ein großer Schwarm fliegt, hört sich das in der Luft wie buff buff buff an. Eine Freundin mit der ich abends spazieren ging, sagte erschreckt, was ist das? Ein Schwarm Kiebitze, woher weißt du das? ich bin zwischen Kiebitze aufgewachsen. Bei meiner Küchenfischerei auf dem Gothensee kam ich mit dem Boot dicht an der Möwensiedlung vorbei, diese greifen sofort den Menschen an, indem sie ihren Kot von oben nach ihnen verspritzen, gefährlich für den Menschen sind die dazwischen lebenden Seeschwalben, schwarze, gute Flieger, so groß wie die Himmelsziegen und die stoßen von oben auf den Kopf des Menschen, ich bin häufig mit dem Bootshaken die eine oder andere beim Anflug erschlagen. Ein Standvogel war die Rohrdommel, ich habe keine gesehen, nur gehört, ein Entengroßer, guter Flugvogel lebt im Sommer im Rohr, steckt seinen langen Schnabel ins Wasser und bläst Luft hinein, dadurch entsteht ein weit hörbarer rollender Ton, der nur der Rohrdommel eigen ist. Den Rohrspatz wollen wir nicht übersehen, ein sehr fleißiger Sänger, der sein Nest zwischen 4 Rohrhalmen so fest verwebt das kein Sturm es lösen kann. In Sturm und Regen singt dieser Vogel auf einem sich bewegenden Rohrhalm mit dem Sturm um die Wette. Ein paar Kraniche waren auch ständig im Bruch, morgens und abends lassen sie ihre Trompeten Töne erschallen. Die Moorschnepfen oder Kramsvögel oder Regenvögel genannt, weil sie bei Regenwetter tüchtig pfeifen. Jäger sagen, das sind die geschmackvollsten Vögel. Die auffälligsten Singvögel im Bruch waren, die stark vertretenen Nachtigallen, verschiedene Meisenarten, Goldammer, Buchfink, Diestelfink auch Stieglitz genannt und der beste Sänger, wenn auch nur grau mit roter Brust, der Hänfling, der im Bauer gehalten, in vielen Wohnungen, anzutreffen war. Eine Tragödie diesbezüglich muss hier erwähnt werden. Ein Torfstecher, der ein Vogelfänger war, hatte in einem Birkenbaum ein Hempflingsnest mit Jungen entdeckt, hatte das Nest in einen Vogelbauer gesetzt und an der Stelle am Baum befestigt. Die Eltern fütterten die Jungen noch lange zur üblichen Zeit. Der Vogelfänger kann den Bauer mit den Jungen eines Tages mitnehmen. Eines Tages rief er aufgeregt nach seinem Kollegen. Was war geschehen? Eine Kreuzotter war im Vogelbauer, hatte die jungen Vögel gefressen und war so dick dass sie den Bauer nicht verlassen konnte. Die Otter wurde getötet wie jede andere, die sich sehen ließ. Der Vogelfänger war Michael Lahs, meines Vaters Onkel. Die Singvögel in und um Reetzow sind wie je und eh, die Lerche, die in der Luft steht und trillert, die blauen und gelben Grasmücken, der Gartenrotschwanz, der wie die Grasmücken gerne in Mauerritzen brüten. Der Zaunkönig, die Speck- und Blaumeise, Zeisige, Bachstelze und die frechen Sperlinge und Stare, die viel Schaden bei Erdbeeren, Kirschen und dergleichen anrichten.

Wildtiere

Die Gemarkung Reetzow umfasst 500 ha, Acker, Wiesen, Wald und Sumpfgebiet, das in Nordost von dem Staatsforst, im Osten vom Gothensee begrenzt wird. Innerhalb des Thurbruches ist Hoch- und Niederwald in erheblichen Flächen vorhanden. Auf dem Ackergelände sind vielmals größere und kleinere ungenutzte Ackerflächen, die mit Ginster, Schleedorn und Niederwald bewachsen sind. Außerdem ist der mehr als 3 km, lange Uferstreifen des Gothensees, der mit Schilf, Weidenbüsche und Erlengebüsch bewachsen ist, ein sehr gutes Schutzgebiet für Wildtiere aller Art. Aus diesem Grunde war Reetzow seit je her ein beliebtes Jagdgebiet. An jagdbarem Wild war vorhanden durchziehende Hirsche, die häufig morgens beim Äsen angetroffen wurden, Rehe sind nach allen Seiten hin reichlich vorhanden, Hasen bis 1960 stark vertreten, sind seitdem sehr knapp geworden. Man sagt, die Hasen vertagen die Großflächenwirtschaft und die schweren Maschinen nicht. Wilde Kaninchen hatten an mehreren Plätzen eine zahlreiche Gesellschaft erreicht und sind nach dem Krieg ausgerottet worden. Weshalb eine Neubesiedlung der guten Stammplätze bis her nicht erfolgte, ist ein Rätsel. Seit uralten Zeiten war um Reetzow herum ein sehr starker Besatz an Rebhühner. Die vielen kleinen, durch Vererbung und Aufteilung entstandenen, Jokerstücke, die alle unterschiedliche Frucht trugen, war das Gelände wo die Rebhennen ihre Kükenherde vor Habicht, Krähen, Elster, Bussard und Fuchs verbergen konnten und wenn notwendig in ein anderes Fruchtfeld verweilen konnten. Bis zuletzt blieben noch Kartoffeln, Rüben und die oft als Zweitfrucht angebauten Lupinen, die meistens bis Weihnachten stehen blieben. Neben diesen Feldfrüchten, waren noch die erwähnten Dorn- und Ginsterflächen, die allesamt ausreichend Schutz für Flugwild boten. Dann waren ständig Fasanen um Reetzow herum ansässig. Zur Zeit der Torfstecherei, krähte am späten Nachmittag ständig der Hahn und schlug sich dabei kräftig die Flügel. Bei genauem hinsehen konnte man seinen roten Kopf zwischen den weißen fast Hühnereier großen runden wolligen Blumen vom Streugras erkennen. Er hielt sich meistens in dem mit dichten Weiden- und Birkenwuchsbestandene Niederung auf. Eine Fasanenhenne mit jungen habe ich einmal in einen Rübenschlag getroffen, die Henne flog weg und die Küken konnte ich in der Hand nehmen und besehen. Bei der Rübenernte traf ich diesen Schwof wieder, es waren wohl 10 Stück. Am gesamten Seeufer hielten sich ständig Fasanen auf. Bei Futternot im Winter kamen die Fasanen auf die Höfe und fraßen mit den Hühnern.

Vor 20 Jahren hatte ich einen Haufen Astholz den Sommer über hinter der Scheune liegen, beim Aufarbeiten vor Weihnachten, fand ich unter dem sperrig liegenden Holz ein Nest mit ausgefressenen Eiern und einen Haufen Fasanenfedern, die Fasanenhenne hatte dort gebrütet und war vom Marder auf gespürt und gefressen worden. Schade, ihre Hoffnung auf Schutz in menschlicher Nähe war nicht erfüllt worden. Die großen Märzenten ziehen im Herbst in eisfreie Gewässer, nach Italien, Griechenland und an die Adriaküste, im zeitigen Frühjahr kommen sie zurück und beginnen umgehend mit der Brut, nach 8 Wochen sind die Jungen flugfähig und dann beginnt ein ständiger Flugverkehr zwischen Gothen und Kachliner See, wobei ein guter Schütze manche Ente abschießen kann. Diese Märzenten sind fast ausgerottet, nur noch sehr wenige gibt es im Gothensee. Die Ursache der Ausrottung ist bekannt. Dort wo diese Enten überwintern gibt es keine Schonzeit, dort hat sich in den letzten 50 Jahren die Gewohnheit eingebürgert, diese Enten an der Küste abzuschießen und auf dem Markt zu verkaufen. Auf einem Markt in Süditalien wurden bei einer Kontrolle mehrere Hundert Eisenten aus Europa gezählt. Die dortigen Jäger verdienten hiermit ihr Geld. Die kleineren Krickenten beginnen im Mai ihre Brut und das an unmöglichen Plätzen, einmal am See wo es angebracht ist, dann an einem abgelegenen Graben und dann auf einem Acker weit vom Wasser entfernt. Die Frage, wie bringt die Ente ihre Jungen ins Wasser ist geklärt. Die Mutter trägt die Jungen auf ihren Rücken bis ins Wasser, dass auf der Reise ab und an eines verloren geht dürfte schon vorkommen. Die Wildgänse brüten 4 Wochen im Wasser, das Gelege besteht aus 3 -9 Eier, wie ich sie gefunden habe: Wenn man ihr die Eier bis auf 2 wegnimmt brütet die Gans weiter. Die Aufzucht der Wildgössel ist leicht, gewiegelte Brennnessel und Butterblumenblätter werden gerne angenommen und ein warmer Korb bei Nacht ist angebracht.

Die Krickenten dagegen, sind sehr empfindlich, einmal sitzen sie fest auf ihrem Nest, lassen sich fast auf den Kopf treten bevor sie auffliegen, im Gegensatz zur Wildgans die bei 20 m Entfernung mit Geschrei ihr Nest verlässt und dadurch ihr Gelege verrät, selbst mit frisch gewaschenen Händen darf man kein Ei berühren, sonst verlassen die Krickenten ihr Nest. Dagegen sind die Schwäne recht unempfindlich. Von 8 Eiern kann man 6 wegnehmen und dafür 10 Gänse Eier zum Ausbrüten in ihr Nest legen. Sie brüten dann lustig weiter. Gänse-Eier haben eine Brutzeit von 30 Tage und Schwäne 45 Tage. Zur Hasenknappheit ist folgendes zu sagen, durch die Großraum Wirtschaft ist die Versorgung und die Unterschlupfmöglichkeit der Junghasen eingeschränkt und viele Jungtiere werden ein Opfer der Raubvögel, junge Tiere werden auch bei der Beackerung durch die schweren Eggen vernichtet, die Verwendung großer Mengen Herbizide führten ebenfalls zum Tode von Jung und Alt.

Jagdverein Swinemünde

Der Jagdverein von Swinemünde, der viele Jahre das Jagdgebiet von Reetzow gepachtet hatte, veranstaltete alljährlich eine Treibjagd auf Hasen, wobei da bis zu 30 - 50 Hasen, erlegt wurden. Ab Mitte August war der Abschuss von Rebhühner erlaubt, wer einen guten Vorstehhund hatte war im Vorteil, denn der Hund zeigte durch Stehen bleiben und Schwanzwackeln an, das vor ihm im Kartoffel- oder Rübenfeld ein Volk Rebhühner oder was selten vorkam ein Volk Fasanen war. Der Jäger der bis dahin nur den Hund beobachten musste, konnte sich nun auf das Schießen vorbereiten und wenn das Volk hochstieg kam er zum Schuss. Übung macht den Meister und mancher hatte eine beachtliche Zahl an Rebhühner tagsüber erlegt. Während andere mit ein oder zwei zufrieden sein mussten. Auf der Gemarkung Reetzow waren meistens 10 Völker mit je 15 Stück vertreten. Wenn die Völker tagsüber durch die Bejagung getrennt wurden, fand abends in der Dämmerung die Wiedervereinigung durch weithin hörbare Pfeiftöne statt. Im Schneewinter 78-79 sind die letzten Rebhühner durch Jäger abgeschossen worden, die sich in ein Dornengestrüpp dicht am Dorf versteckt hielten. Seit dem ertönte kein Pfeifton der Rebhühner in Reetzow mehr, ein Zeichen dass keine mehr hier sind. Durch den steilwandigen Grabenbau im Thurbruch um 1934 durch den Arbeitsdienst sind viele junge Fasanen, Rebhühner, Hasen und sogar junge Rehe in den Gräben ertrunken, inzwischen ist durch überwachsen der Gräben die Gefahr für das Wild auf ein Minimum gesunken.

Torfstechen

Mit Beginn des ersten Weltkrieges 1914 kam das Torfstechen wieder in Mode, denn der Staatsforst lies nicht mehr genügend Brennholz schlagen. Wenn Ende Mai warmes Wetter einsetzte, dann ging es los und dann bis Johanni wo dann die Heuernte begann. Jeden Tag gingen den auch die Mittagsträger vom Dorf in die Thur um ihre Torfstecher das Essen zu bringen. Sehr beliebt zu Mittag waren Fische, gebratene Flundern, Dorsch, Hering, Zander und Barsch, Salzkartoffel und darüber gleich etwas Soße, im zweiten Topf war eine Mehlmilchsuppe oder eine Birnen- oder Backpflaumensuppe mit Weizenmehlklöße. Den Fisch brachten die Fischerfrauen, die in Sallenthin und Bansin wohnten. Morgens, nach dem Netze pflücken kam der Fisch in Kiepen auf die Dörfer. Andernfalls gab es oft gebratene Speckscheiben zu Kartoffeln, auch gebratene Eier und Geflügel, Kartoffelpuffer, Eierkuchen und manches andere, nur kein Pökelfleisch wegen dem hohen Salzgehalt, das den Durst erzeugte. Vor Jahrhunderten wurde der Torf gegraben, sei t 150 Jahre werden Mauerstein große Torfstücke geschnitten und über Kreuz zum Trocknen aufgesetzt. Durch Brikettkauf wurde das Torf machen unnötig. Mit Anfang des Krieges, wo unser Lehrer eingezogen wurde und der Pastor von Benz nur montags vormittags Schulunterricht hielt, hatten die Dorfjungen Zeit im Thurbruch Kühe zu hüten. Bis 8 Jungen waren wir oft zusammen, jeder hatte 2 Kühe, einer hatte 5 Kühe, das war dann eine stattliche Herde, denn alles ging lose i durcheinander. Solange Torfstecher am Werk waren, mussten wir, wegen der angrenzenden Mähwiesen, aufpassen, waren diese nicht mehr da, gingen wir andere Wege und die Kühe gingen dahin fressen wo sie nicht sollten und manchen Krach machten später die Besitzer wegen der abgefressenen Wiesen. Viel Arbeit machte es wenn Kühe zwischen den aufgesetzten Torfstapel gerieten und wir das Umgestoßene wieder aufsetzen mussten. Wenn bei der Viehzählung( eine Kuh fehlte und in einer Torfkuhle lag, wurde sie mit Stricke raus gezogen. Die Stricke dafür wurden um die Hörner gewickelt.

Swinemünde

Am 24. Juli 1924 feierte das Ostseebad Swinemünde sein 100 jähriges Bestehen. Im Juli 1824 sei die Frau eines Ministers mit zwei Kinder, einem Kindermädchen, eine Köchin, mit Kremserwagen bespannt mit zwei Pferden und Kutscher mit Begleitperson, von Berlin kommend, in Swinemünde angekommen. Da die Reise nur 6 Tage dauerte, in vorbestellte Quartiere gut übernachtet wurde, wurde als Werbung für die nächste Saison groß heraus gestellt. Da die Familie in Swinemünde gut untergebracht war, der eigene Wagen den Transport der Familie über den weiten Weg von der Stadt zum Strand übernahm, wurde auch durch die Gastfamilie der Aufenthalt und der Erholungswert an der Ostsee lobend erwähnt. Die Folge war, dass sich die Zahl der Badegäste sehr langsam, aber sicher erhöhte, obwohl es Jahre gab, wo kein Badegast kam. Immerhin hatte sich Swinemünde langsam an Strandgäste gewöhnt, denn Geld wurde überall gebraucht. Eine Sache muss in diesem Zusammenhang erwähnt werden.

Seit dem Molenbau, um 1770, wurde der Hafen Swinemünde mehr und mehr von Segelschiffen angelaufen, die wegen dem flachen Haff in Swinemünde oder schon auf Reede geleichtert wurden. Die umgeladenen Güter wurden mit flach gehenden Kähnen nach Stettin gebracht. Bei den langen und harten Wintern der damaligen Zeit, lag eine dicke Eisschicht bis Mitte April auf der Swine und Oderhaff und die in Swinemünde lagernden Schiffsgüter wurden dann mit Pferdeschlitten nach Stettin transportiert. Swinemünder Fuhrleute hatten sich im Laufe der Jahre auf diesen gewinnbringenden Transport eingestellt und wenn kein Schiffsgut vorhanden war, dann wurden Mauersteine von Ückermünde geholt, in den sechziger Jahren war man schon dabei, hotelähnliche Unterkünfte für Badegäste zu bauen. In eisfreier Zeit, wurden Mauersteine mit Lastkähne von Ückermünde nach Swinemünde gebracht. Die Lastkähne waren nicht nur in Swinemünde sondern auch in Anklam, Ückermünde und Stettin beheimatet. Eine Swinemünder Schlittenkolonne, ist einmal im späten Frühjahr, auf dem Rückweg von Stettin bei Caseburg nicht mehr an Land gekommen und mussten zurück bis Stepenitz, wo sie an Land kamen, von dort sind sie nach Swinemünde geritten. Wegen Schneemangel wurden die Schlitten per Boote nach Swinemünde zurück gebracht.

Diese Transportsituationen änderten sich schlagartig als Swinemünde 1876 Eisenbahnanschluss erhielt. Den meisten Vorteil hatte der sich nun entwickelnde Badebetrieb. In Scharren kamen die Badegäste mit der Eisenbahn, doch die Unterbringung war vorerst mangelhaft, doch der herrliche Badestrand von Swinemünde entschuldigte alles solange bis entsprechende Villen und Hotels in Strandnähe errichtet waren. Arbeiter und angehende Handwerker kamen von Kamminke, Garz, Zirchow, Ulrichshorst, Korswandt und Ahlbeck. Alle Arbeiter waren Fußgänger und gingen nach zehnstündiger Arbeit nach Hause. Die Maurer verdienten für 10 Stunden 3 Mark, den höchsten Lohn. Durch Streik wurde erreicht, dass ab 1.1.1900, die Maurer für 8 Stunden 3 M an Lohn erhielten, andere Berufe wurden angeglichen. Dieser Lohnsatz blieb bis zum ersten Weltkrieg. Da das Strandviertel von Swinemünde sich zu einer kleinen Stadt entwickelte, teilten sich Stadtverwaltung und Badeverwaltung die Arbeit in zwei Bereiche.

Die stürmische Entwicklung der Stadt Swinemünde, beruhte auf mehrfache Gründe. Stadtrecht wurde um 1750 verliehen, um die Schifffahrt wegen der starken Zollerhebung durch Schweden bei Kröslin (Peenestrom) nach Swinemünde zu verlegen. Siehe Molenbau. Der Hafen hatte inzwischen einen beachtlichen Umschlag erreicht, die Vertiefung des Hafens, der Fahrrinne nach Stettin und dem Bau des Kaiser–Kanals bei Caseburg war begonnen worden. Seit etwa 50 Jahren war ein Ari.- Btl. in der Stadt stationiert. Wohnungen in der Stadt und am Strand wurden errichtet, mehrere Maurermeister beschäftigten eine beachtliche Zahl Bauarbeiter, Schifffahrtsamt, Hafenbauamt und Lotsen-Amt wurden gebaut und eingerichtet. Geschäfte aller Art wurden eingerichtet. Der Jude Jacobi, hatte vor Jahren schon ein Bankgeschäft eröffnet und erfreute sich großer Beliebtheit, er gab Kredit an Kunden ohne Rückendeckung, lieferte das Baumaterial und stellte oft die Baustelle zur Verfügung. Das alles ging für einen niedrigen Zinssatz, sein Grundsatz, großer Umsatz, kleiner Nutzen. Sein Ausspruch, ein guter Jud kauft und verkauft was ihm kommt unter die Hand. Seine Auslagen wurden als Hypothek eingetragen und wenn Zinsen und Amortisation entrichtet wurden, war ein Arbeiter eines Tages Hausbesitzer.


Historisches - Hausbau

Das Dorf Reetzow, inmitten der Insel Usedom, zwischen Bergen und Wiesen gelegen, ist ein Tausendjähriges Wendendorf. Die Wenden, das beweisen Gräber und Funde, haben noch mit den Germanen zusammen gelebt bevor diese das Land verlassen haben. Bekanntlich haben diese bei der vom siebenten bis Ende neunten Jahrhundert stattgefundenen Germanischen Volkerwanderung, den bis dahin bewohnten Lebensraum verlassen und sind in südliche Länder ausgewandert. Die Wenden errichteten ihre Unterkünfte immer am Wasser, denn sie lebten von Fischfang, Jagd und Ackerbau. Wenn am See gebaut wurde, auch deshalb, weil als Dachbedeckung Rohr verwendet wurde, das nur am Binnensee wächst. Die Wohnhäuser und Ställe wurden aus Holzfachwerk errichtet. Durch Verzapfung der Balken entstand ein Fachwerkbau, der durch Holzstangen (Kleimstaken) ergänzt und durch ein mit Stroh und Lehm vermischte Masse, durch mit Staken und mit Stroh Geflechten gefüllt wurden.

In derselben Weise wurden die Zimmerdecken der Wohnhäuser hergestellt, indem die Deckenbalken an den Seiten eingekerbt wurden, worin dann die breiteren und stärkeren Riegel mit 5 cm Abstand eingeschoben wurden, die dann ebenfalls mit Langstroh und Lehm vermischten, so genannten Zöpfen, aus geflochten wurden. Diese so entstandenen Wände und Decken, wurden mit einer Lehmschicht überzogen und glatt gestrichen. Diese so genannten Fachwerkhäuser waren, wenn sie ausgetrocknet und mit einem Rohrdach eingedeckt waren, sehr wärmehaltig und gewährten den Bewohnern auch in den harten Wintern der früheren Jahrhunderte ausreichend Schutz und Wärme.

Das Rohrdach hatte, auch heute noch, eine weitere gute Eigenschaft, es verlieh dem Gebäude im Sommer eine wohltuende Kühle, was man den heutigen Baustoffen nicht nachsagen kann. Dass ein gutes Rohrdach bis 80 Jahre alt und immer noch Regendicht sein kann, wenn es in der Schattenseite liegt, ist ein weiterer Vorteil, der nicht zu übersehen ist. Eine gewisse Feuergefährlichkeit besteht da, wo Gebäude dicht zusammen stehen, weil das Feuer dann überspringt. In jüngster Zeit, wo Motorspritzen überall zur Verfügung stehen, ist es vorgekommen, dass ein schon brennendes Rohrdach gelöscht wurde.

Als im letzten Jahrhundert die Hauswände durch Mauerwerk ersetzt wurden, ergab sich der Zustand, das bei Feuer nur das Dach abbrannte, während der Unterbau mit den darin befindlichen Dingen wie Möbel und der gleichen unversehrt blieben. Der so genannte Windelboden (Stubendecke) bietet dem Feuer keine Angriffsfläche, weil die obere Fläche mit Lehm überzogen ist. Wer heute ein Haus baut, sollte diese so genannte Windelbodendecke einbauen, kein Dämmmaterial kommt diese Wärmehaltung annähernd gleich und spart enorme Mengen Heizungsmaterial, denn durch die Decken entweicht die Größte Menge der Zimmerwärme.