Hans Erichson "Fundchronik - Streiflichter zur Geschichte der Stadt Damgarten" 2003

Aus Ortschroniken
Zur Navigation springen Zur Suche springen

"Fundchronik - Streiflichter zur Geschichte der Stadt Damgarten" von Hans Erichson (2003)

Vorwort

Die Doppelstadt Ribnitz-Damgarten gibt es erst seit 1950, als man die beiden Städte Ribnitz und Damgarten bei der damals „von oben“ verordneten Verwaltungsreform zusammenschloß. Vorher waren beide Städte eigenständig und jahrhundertelang sogar durch eine Landesgrenze getrennt, die hier entlang der Recknitz verlief. Ribnitz lag auf der mecklenburgischen Seite, Damgarten auf der pommerschen Seite des Flusses. Die beiden Nachbarorte hatten in früheren Zeiten oftmals Streit miteinander, meistens ging es dabei um die Fischerei auf dem Bodden, wo die Ribnitzer die Fischereirechte besaßen. Die Fischerei in der Reck­nitz stand dagegen beiden Städten gemeinsam zu. Wenn dann die Brachsen im Frühjahr die Recknitz hinaufzogen, mußte man wohl oder übel gemeinschaftlich handeln, der Fang wurde nachher geteilt: die Ribnitzer bekamen die Hälfte, die Damgartener und die Pütnitzer je ein Viertel. Auch in den Jugenderinnerungen alter Ribnitzer und Damgartener tauchen heute oft noch die Raufereien zwischen beiden Parteien auf, wenn sich die Ribnitzer und Dam­garten Jungen auf dem zugefrorenen Bodden trafen. Über diese Streitigkeiten zwischen den „weiland zwei feind­lichen Schwestern“, wie Fritz Meier-Scharffenberg es einmal ausdrückte, ist viel in den Chroniken geschrieben worden. Aber auch hier finden wir wieder das oft zitierte Ungleichgewicht zwischen den beiden Städten: Ribnitz hat drei gedruckte Chroniken: die von Tott (1854 herausgegeben), die von Paul Kühl (1933) und die von Karl Krambeer (1938). Damgarten hat keine gedruckte Chronik aufzuweisen.

Aber auch über die Damgartener Geschichte existiert eine Chronik! Dr. Karl Anklam, der von 1913 bis 1919 als Bürger­meister in Damgarten tätig war, hat in den wenigen Jahren seiner Tätigkeit in Damgarten aus den Unterlagen des Stadtarchivs eine Chronik zusammengestellt. Er übergab sie 1916 dem Landesarchiv in Greifswald. Hiervon wurde – wahrscheinlich von Dr. Werner Hacker - mit Schreibmaschine eine Abschrift angefertigt, die vor einigen Jahren ins Stadtarchiv Ribnitz-Damgarten gelangte. Auch das Bernsteinmuseum besitzt einen eingebundenen Durchschlag dieser Abschrift.

Die Damgartener müssen dem Bürgermeister Dr. Anklam sehr dankbar sein, daß er während des 1. Weltkrieges die sehr mühe­volle Arbeit im Archiv auf sich nahm und das dort lagernde Mate­rial zu einer Chronik von Damgarten zusammenstellte, denn 1928 wurde das Damgartener Rathaus ein Raub der Flammen und mit ihm auch das gesamte Material im Stadtarchiv.

Die Stadt Ribnitz-Damgarten ehrte 1999 diesen verdienstvollen Bürgermeister, als sie einer neuen Straße in Damgarten den Namen „Bürgermeister-Anklam-Straße“ gab. Es wäre sicher eine dankenswerte Aufgabe, diese Anklamsche Chronik den traditions­bewußten Damgartenern gedruckt in die Hand zu geben!

In meinem Heimatbuch „Zur Geschichte der Städte Ribnitz und Damgarten“, das 1997 vom Bernsteinmuseum herausgegeben wurde, habe ich über die wechselvolle Geschichte der beiden Städte Ribnitz und Damgarten von der Gründung bis zum Jahre 1950 geschrieben. Die Stadt Ribnitz-Damgarten hat außerdem im Jahre 2000 zum 50jährigen Bestehen der Doppelstadt eine reich illustrierte Darstellung der Entwicklung der Stadt Ribnitz-Damgarten veröffentlicht. Wenn es auch keine gedruckte Chronik von Damgarten gibt, verschiedene Heimatforscher – vor allem Damgartener Lehrer – haben zahlreiche wertvolle Beiträge über die Stadt Damgarten verfaßt. Hier ist vor allem der Kantor Hermann Bendix (1859 – 1935) zu nennen, der zahlreiche Artikel über sein Heimatstädtchen in verschiedenen Büchern und Zeitungen veröffentlichte. In der Festschrift zum gemeinsamen Stadtjubiläum der Stadt Ribnitz-Damgarten im Jahre 1958, als Damgarten 700 und Ribnitz 725 Jahre alt wurde, hat Ernst Garduhn (1890 – 1983) einen umfangreichen Beitrag über die „Geschichte und Wirtschaft der Stadt Damgarten“ geschrieben. Dieser fundierte Artikel ist der beste Beitrag zur Damgartener Geschichte und ersetzt beinahe die noch fehlende Chronik. Auch andere Heimatforscher wie Walter Ewert (1895 – 1975), Erwin Scheel (1895 – 1972) und Werner Hacker (1897 – 1955) lieferten eine Reihe wertvoller Arbeiten zur Geschichte Damgartens. Diese Beiträge sind aber in Büchern oder Zeitungen verstreut, die z. T. kaum noch greifbar sind. Deshalb stellte ich mit dem Computer solche Beiträge über Damgarten zu einer „Fundchronik“ zusammen, in der ich diese meist schon älteren Veröffentlichungen von Damgartener Heimatforschern zusammenfügte und ausdruckte. Es setzt uns in Erstaunen, was alles an interessanten Begebenheiten über Damgarten zum Vorschein kommt.

Hans Erichson Juli 2003

"Streiflichter - zur Geschichte und Örtlichkeit meines Heimatstädtchens" Von Hermann Bendix

1915

Das pommersche Schulkind lernt Damgarten als westlichste Stadt seiner Heimatprovinz kennen. Wenn ihm dazu noch gesagt wird, wie die Karte lehrt, daß es unweit der Mündung der Recknitz in den Ribnitzer See gelegen ist, des uralten Grenzflusses gegen Mecklenburg, so wird dies in der Regel alles sein, was die geogra­phische Belehrung über diesen Punkt der heimatlichen Landschaft mitzuteilen für nötig erachtet. Und mit Recht. Denn Damgarten bietet nichts im besonderen Maße Sehenswertes, auch nichts an Altertümern, die allgemeines Interesse beanspruchen dürften.

Dennoch hat das Städtchen, das schon 1258 durch den Fürsten Jaromar II. von Rügen gegründet ist, seine Geschichte. Und wenn sie im wesentlichen nur Ortsgeschichte ist und nicht Tatsachen nachgewiesen werden können, bei denen Damgarten gleich ande­ren Städten wie Stralsund, Greifswald, Wolgast bei bedeutenden Fragen und Ereignissen der Landesgeschichte aktiv mitgewirkt hätte, so war doch unser Ort und seine Umgebung des öfteren der Schauplatz denkwürdiger Tatsachen oder er ist, wenn auch durch Zufall, mit geschichtlichen Ereignissen verknüpft gewesen. Ein solcher Fall spielte schon 33 Jahre vor der Erhebung Damgartens zur Stadt. Es kann auf denselben nicht eingegangen werden, ohne daß ich ein wenig ausgreife.

Bekanntlich bildete unser heutiger Franzburger Kreis ums Jahr 1200 einen Teil des Fürstentums Rügen, dessen Fürsten 1325 mit dem Sohne Jaromars II. ausstarben, in Seitenlinien aber noch heute fortleben. Seit der Eroberung Rügens durch die Dänen 1168, mit der dem Heidentum dort ein Ende gemacht wurde, standen die rügenschen Fürsten unter dänischer Oberhoheit, waren also den Dänenkönigen zur Heeresfolge verpflichtet. So zog Witzlaf von Rügen, der Vater Jaromars II., mit dem König Waldemar von Dänemark nach Rußland zur Eroberung von Estland. In den folgenden Jahren ging Waldemar an die Unterwerfung von Holstein und Mecklenburg. Leichtes Spiel hatte er mit Schwerin, dessen Graf Heinrich gerade auf einem Kreuzzuge nach dem Heiligen Lande abwesend war. Als dieser zurückkehrte und seine Burg von den Dänen besetzt fand, eilte er nach Dänemark und bat den König um Herausgabe, die dieser verweigerte. Zur Teilnahme an einer Jagd eingeladen, wußte Heinrich durch eine kluge List sich in den Besitz der Person des Königs zu setzen. Als dieser nämlich nach einem kräftigen Zechgelage mit seinen Genossen in einen entsprechend schweren Schlaf verfallen war, drang Heinrich mit seinem Gefolge ins Zelt des Königs, brachte ihn gebunden in ein Boot und ließ sich noch Zeit, die übrigen Schiffe leck zu schlagen. Als die Dänen nach dem Rausch erwachten und die Sachlage über­schauten, war die Verfolgung unmöglich. Heinrich führte den gefangenen König nach Schwerin, wo er ihn im Verließ des Schlosses schmachten ließ. Ein Versuch der Dänen, ihren König zu befreien, mißlang. In einer Schlacht bei Mölln wurden die Anführer, darunter auch Witzlaf von Rügen sogar gefangen genommen. Nun mußte Waldemar seine Eroberungen heraus­geben und auch auf Holstein und Mecklenburg verzichten. Als die Eingekerkerten nach mehrjähriger Gefangenschaft ihre Freiheit wiedererlangten, schenkte Witzlaf der Domkirche zu Ratzeburg, in dessen Nähe der Kampf sich abgespielt hatte, zum Dank gegen Gott, das dicht bei Damgarten gelegene Dorf Pütnitz durch eine zu Tribsees 1225 ausgestellte Urkunde. Bei der Festsetzung der Grenzen der Feldmark von Pütnitz wird auch, urkundlich wohl zum ersten Mal, das „Dorf Damnachore“, das heutige Damgarten, erwähnt. Nach dieser Festsetzung sollte auf einer Strecke der Bach zwischen Pütnitz und Damgarten, des weiteren eine Linie zwischen zwei allein stehenden großen Bäumen, in deren Stamm der Fürst eigenhändig das Zeichen des Kreuzes geschnitten hatte, die Grenze sein. Die Ratzeburger gaben bald - um 1249 - das Dorf Pütnitz dem Rittergeschlecht der Dechows zu Lehen, die bis vor mehr denn 100 Jahren nach Aussterben der männlichen Linie ununterbrochen in dessen Besitz geblieben sind. Das letzte Fräulein von Dechow war mit einem Herrn von Zanthier ver­mählt. Es ist nicht zu verkennen, daß sich die Dechows um Damgarten bemüht haben. Zunächst lag ihnen das kirchliche Leben am Herzen. Eine Kirche fanden sie jedenfalls vor. Sie lag außerhalb des eigentlichen Ortes auf der gleichen Stelle wie heute, dem sog. Tempelberge, und war, wie vielfach in jener ersten christlichen Zeit unseres Heimatlandes, in einfachster Weise aus „übereinandergelegten, in den vier Ecken kreuzweise zusammen gekämmt ganzen Bauhölzern aufgeführt“. Mit einem solchen hölzernen Gebäude waren die Damgartener um so eher fertig geworden, als in nächster Nähe des Ortes Wald vorhanden war. Der Name Damgarten rührt nämlich von dem slawischen Damnagore, d. i. „Eichenberg“ her.

Eigenartig ist der Kirchplatz zu nennen, insofern nämlich, als er einen aufgetragenen Hügel von 110 Metern im Geviert darstellt, der sich in 1 bis 2 Metern Höhe über die angrenzende Bodenfläche erhebt. Bis vor 75 Jahren diente der Platz noch als Begräbnisort, wurde aber später eingeebnet, mit Steigen versehen und mit Gras angesamt. Mit seinen lauschigen Gebüsch- und Baumgruppen ist er heute ein ebenso angenehmer Aufenthalt, wie eine würdige Umrahmung des altehrwürdigen Gotteshauses. Es liegt die Vermutung nahe, daß dieser Platz schon in wendischer Zeit eine zugleich als Tempelburg dienende Kultstätte der Wenden war. Denn die ersten christlichen Priester bauten grundsätzlich die Gotteshäuser an den Stellen, welche bisher durch den Götzen­dienst der Bevölkerung heilig gewesen waren, um eben dem Ort damit die rechte Weihe zu geben und den Sieg des Christentums über die falschen Götter dem Volke recht faßbar vor Augen zu stellen.

Den Aufbau des gemauerten Gotteshauses begannen die Dechower, die später auch für weitere wohltätige Einrichtungen sorgten, jedenfalls um 1250, wie denn der Ursprung des ältesten Teils der Damgartener Kirche auch von fachmännischer Seite in diese Zeit verlegt wurde. Es handelt sich hierbei um den höheren östlichen Teil, während der niedrige westliche, dem Turm also zunächst gelegene, am Ausgang des 15. Jahrhunderts erbaut wurde. Einen Turm erhielt die Kirche erst 1732.

Es ist darüber gestritten worden, ob die Kirche auf Pütnitzer oder Damgartener Grund und Boden liegt. Man kann versucht sein, diese Frage dahin zu beantworten, daß sie ursprünglich weder auf dem einen, noch auf dem anderen Gebiet gelegen war. Die Sache verhält sich so: Das Städtchen mit seinen 600 Einwohnern hatte in früheren Jahrhunderten einen bedeutend geringeren Um­fang. Die Nordseite bezeichnete ein Graben von der sogenannten Bullenwiese in der Flucht der jetzigen Neuen Straße bis zur Kiel­wiese. Ein Stück nörd­lich davon, also außerhalb der Stadt, lag der Tempelberg mit der Kirche. Bei den wenig ausgeprägten und geordneten Besitzverhältnissen jener Zeit war der Tempelberg als alte, allen Ein- und Umwohnern des Ortes gemeinsame Kultus­stätte, jedenfalls weder von dem einen noch von dem anderen Teil als Besitz in Anspruch genommen. Als die Stadt nun in der Richtung nach der Kirche und über diese hinaus sich nach und nach erweiterte, und somit diese mit dem Platz ihre Lage inmitten der Stadt hatte, konnte eine andere Auffassung Raum gewinnen.

Die Dechows aber ließen sich angelegen sein, die Kirche mit auf der Damgartener Feldmark erworbenem Acker reichlich auszu­statten. Weil sie Gründer der Kirche sind, ist das Patronatsrecht bis heute bei Pütnitz verblieben. So sehr der Kirche liegendes Eigentum zu gönnen war, so ging doch der Stadt mit den angedeu­teten Erwerbungen entsprechend Grund und Boden verloren. Dies geschah in späteren Zeiten anscheinend auch durch Verpfän­dungen, die städtischerseits nicht wieder eingelöst wurden. Und wenn wir nun weiter hören, wie von der anderen Seite die Herren von Daskow, die Mörder, sich an Damgarten heranmachten und im Besitz der am Pütnitzer Bach gelegenen Wassermühle waren, so stoßen wir damit auf eine Reihe von Ursachen für die Tatsache, daß Damgarten weder zu erfreulichem wirtschaftlichen Wohl­stande, noch zu einer Bedeutung für den engeren Landesteil gelangen konnte, daß sich somit die besonderen Hoffnungen, die an die Gründung dieser Stadt geknüpft worden waren, nie erfüllen sollten.

Fürst Jaromar II., welcher einen großen Teil vom heutigen Neuvorpommern erobert hatte und mit rastloser Energie die deutsche Kolonisation förderte, glaubte in dem westlichen Winkel einen Punkt gefunden zu haben, wo Fluß und See, guter Acker­boden, Wiese, Weide und Wald anscheinend recht günstige Bedingungen für das Aufblühen einer neugegründeten deutschen Stadt abgeben konnten. Dazu verlieh er ihr das Lübecker und Stralsunder Recht, stattete sie reichlich mit Grundbesitz — auch auf Pütnitz rechnete er — aus, sprach ihr Fischereigerechtigkeit auf dem Fluß und dem Binnensee an der Küste bis nach Barth, Zollfreiheit im ganzen rügenschen Lande sowie Freiheit von allen Abgaben zu. Damit glaubte er das Gedeihen unserer Stadt sichergestellt zu haben.

In Bezug auf die Zusprechung von Landbesitz aber, besonders bezüglich des Dorfes Pütnitz, traten Schwierigkeiten ein. Jedenfalls hatte Jaromar die Absicht, Pütnitz, das einen ansehnlichen Grund­besitz darstellte, von den Dechowern zurückzuerwerben und sie auf andere Weise zu entschädigen. Doch stieß er auf Widerstand. Auffällig ist, daß kein Besitzer von Pütnitz unter den Zeugen der Gründungsurkunde genannt wird. Um ihre Rechte an Pütnitz zu beweisen, überreichten sie noch im Jahre der Gründung durch das Domkapitel zu Ratzeburg dem Fürsten eine Abschrift der Schen­kungsurkunde von 1225 und kauften schließlich 1261 dem Dome zu Ratzeburg das Lehen förmlich ab. So ist Damgarten, entgegen den Wünschen des Gründers, nie in den Besitz von Pütnitz gelangt.

Auch mit der großen Fischereigerechtigkeit hatte es seinen „Haken“. Sie wurde eine Ursache lang andauernden Streites, namentlich mit den Ribnitzern. Damgarten war die Fischerei­gerechtigkeit auf der Recknitz und dem Binnenwasser bis Barth zugesichert, natürlich neben den anderen anwohnenden Ortschaften. Nun glaubt aber die 1271 gegründete Stadt Ribnitz das ausschließliche Recht zum Fischen auf dem Binnensee zu haben. Außerdem hatte sie den Dechowern die von diesen gebaute sogenannte „Hohe Brücke“ über die Recknitz mit den daran sich knüpfenden Befugnissen 1286 abgekauft. Von diesem Kauf leitete sie das Recht her, auf beiden Seiten der Recknitz zu fischen. Da gab es Jahrhunderte hindurch arge Reibereien, die in förmlichen Haß und grobe Tätlichkeiten ausarteten. Als z. B. einmal, es war 1552, eine große Anzahl Ribnitzer nach Damgarten zogen, um einen auf dem dortigen Kirchhof beerdigten Ribnitzer zu „rekla­mieren“ und wieder auszugraben, wurde dies in nicht gerade freundschaftlicher Gesinnung verweigert. Endlich schlichtete ein Schiedsgericht von dänischen und braunschweigischen Gesandten die Streitsache; doch fiel in diesem „Malchiner Grenzvertrag“ von 1591 für die Damgartener nur ein recht bescheidener Bissen ab.

Wenn es schon in den ersten Zeiten mit Damgartens Ent­wicklung nicht vorwärts wollte, so sind dafür unschwer als weitere Ursachen nachzuweisen: die unmittelbare Nähe einer zweiten Stadt, für deren Aufblühen günstigere Bedingungen vorhanden waren, und die Lage an der Grenze gegen Mecklenburg, von woher Überfälle nichts Seltenes waren.

Bildete die Recknitz schon zu Tacitus‘ Zeiten zwischen deut­schen , später zwischen slawischen Völkerschaften die natürliche Grenze, so war damit meist, wenigstens für den Anfang, der Schauplatz blutiger Kämpfe gegeben. Die mannigfachen Streitig­keiten zwischen Rügianern und Mecklenburgern begannen gewöhnlich an der Recknitz bei Damgarten. Ein wichtiger Punkt war dabei der Paß mit der Brücke über den Grenzfluß. Die fürstlichen Kommissarien von Pommern und Mecklenburg trafen nicht selten zu Verhandlungen „mitten auf der Brücke zusam­men“. Deshalb hatte Fürst Jaromar schon zwei Jahre nach der Gründung der Stadt auf der gegen Mecklenburg gelegenen Seite einen festen Turm anlegen lassen. „Es ist sicher“, behauptet ein alter Geschichtsschreiber, „daß sich schon vor Errichtung des Turms daselbst eine Landwehr oder Burg befunden habe“.

Es kam dazu die Lage an einer wichtigen Heerstraße, die einen der 3 Pässe berührten, die seit alter Zeit von Westen her in Pommern hineinführten. Er war gangbarer und wichtiger als der Paß von Tribsees und Demmin, deshalb von Kriegsheeren oft benutzt. Mit kriegerischen Ereignissen, besonders Truppendurch­zügen, ist daher Damgartens Geschichte verknüpft.

Geschützt war der Ort, außer durch den von einer Schanze umgebenen Turm, besonders durch Schanzanlagen auf dem Wiesenterrain schräg vor der Recknitzbrücke. Das morastige Flußtal selbst war ein starkes Hindernis für Angreifer. Um die Stadt lief ein Wassergraben, hinter dem sich ein Zaun von starken Planken erhob. Sie werden erwähnt bei der Schlacht, die 1368 vor Damgarten zwischen pommerschen und mecklenburgischen Herzögen stattfand. Die pommerschen Fürsten lagen in Dam­garten und schickten den Ritter Hermann von Vitze auf Kund­schaft nach Ribnitz. Er trank sich aber fest und wurde gefangen. Die Mecklenburger rückten unbemerkt über die Recknitz und schickten zuerst die Fürsten Johann und Bernhard in den Kampf. Sie wurden aber gefangen. Nun brach aber Herzog Albrecht von Mecklenburg los und „ümmerlings dörch dei Planken“, wie der alte Geschichtsschreiber erzählt. Dabei fiel der Herzog von Barth in seine Hände. Im Frieden von Demmin wurden die Gefangenen ausgetauscht. Der leichtsinnige Ritter Vitze soll aber verbrannt worden sein.

Unter Krieg und Brand hatte der kleine Ort im 16., 17. und 18. Jahrhundert und noch weiter durch die napoleonische Zeit schwer zu leiden. Im 30jährigen Krieg hat Wallenstein seinen Weg über Damgarten genommen, Gustav Adolf am 24. September 1630 Stadt und Schanze eingenommen, 1637 kamen die Kaiserlichen unter Gallas und brachten das tiefste Elend über den Ort. Wegen vollständigen Mangels an Lebensmitteln mußten sie ihn Ende des Jahres wieder verlassen. Dann kamen Schweden unter Banner. Das Ende des Krieges sah Damgarten als Trümmerhaufen mit wenigen noch stehen gebliebenen Hütten und fünf Familien als Rest der Einwohnerschaft. Das Jahr 1675 brachte wieder die Schweden als unliebsame Gäste. Einen Sieg, den die Dänen über sie in diesem Jahre bei Damgarten gewonnen haben, hat Christian V. von Dänemark auf einem Gobelin darstellen lassen, der noch heute im Schloß Rosenburg bei Kopenhagen zu sehen ist. 1711, im Nordi­schen Kriege, gingen 25000 Dänen und 20000 Russen, Polen und Sachsen bei Damgarten über die Recknitz. Im Frühjahr 1712 überfielen die Schweden unter Dücker die Dänen in Damgarten und Ribnitz und vereitelten so den Angriff, welchen die Russen und Sachsen am 18. Juni auf Stralsund machten. Der Siebenjährige Krieg führte Truppen des Alten Fritz über die Paßbrücke. Es wird ferner berichtet, daß Damgarten im Dezember 1758 vom preußi­schen Befehlshaber Grafen Dohna beschossen und am 1. Januar 1759 erobert worden ist. Die interessanteste kriegerische Episode, die sich in der nächsten Umgebung Damgartens abgespielt hat, ist jedenfalls Schills Übergang über die Recknitz im Mai 1809, wenige Tage vor seinem so tragischen Ende. Es war am 24. Mai nachmit­tags, als das Mecklenburger Korps, das von Stralsund herange­zogen war, um Schill den Übergang über die Recknitz zu ver­wehren, nach vergeblichem Widerstand unter Pardonrufen seine Gewehre an der mächtigen alten Eiche zerschlug, die bis 1898 an der Heerstraße stand.

Ein buntes Völkergemisch von mehr denn 60000 Mann fremd­ländischer Truppen bewegte sich 1812 und in den Jahren vorher durch das Städtchen und wurde von seinen Einwohnern mit Bedürfnissen versehen. Darüber berichtet Pastor Piper in einer Urkunde, die auf dem Kirchturm in dem unter dem Hahn befindlichen Knopf gefunden wurde. Wieviel werden die Ein­wohner unseres Städtchens unter den mannigfachen Kriegser­eignissen jener Zeiten zu erdulden gehabt haben!

Aber nicht bloß das war es, was den Ort in seiner Entwicklung zurückhielt. Er wurde dazu mehrmals von verheerenden Bränden heimgesucht, welche die ganze Stadt bis auf wenige Reste in Schutt und Asche legten. So wird aus dem Jahre 1571 von einem solchem Brand berichtet. Und in der Nacht vom 14. bis 15. November 1695 kam durch die Schuld eines schlecht beleumdeten Bürgers ein Feuer auf, das die ganze Stadt, mit Ausnahme von 5 - 6 kleinen „Buhden“ samt allem Besitztum an Hausgerät, Betten, Kleidern, Korn und sonstigen Vorräten vernichtete. Rührend liest sich die Eingabe des Rates an den General-Gouverneur, die den Jammer und die Hilflosigkeit der armen Einwohner schildert, die dazu in den langen Kriegszeiten eine „große Soldatesque“ zu ernähren, Kontributionen und eine Reihe Steuern zu leisten gehabt hätten und nun auf gewisse Zeit um Befreiung von diesen drückenden Lasten und Abgaben, sowie um Lieferung von Bauholz und Befugnis zur Veranstaltung einer „Kollekte“ vorstellig wurden. Es wurde das alles gewährt, und dank dem wiederkehrenden Mute und der Tatkraft der Bürgerschaft erstand das Städtchen, wie ehedem in ähnlichen Fällen, aus Schutt und Asche.

Ruhigere Jahre friedlicher Entwicklung zogen aber erst in seine Mauern ein, als nach den Freiheitskriegen Damgarten mit unserer engeren Heimat Neuvorpommern preußisch wurde. Die wirt­schaftlichen Verhältnisse scheinen sich bald gebessert zu haben. Hatte die Stadt in den Jahren 1806 - 1813 für Truppenverpflegung und ähnliche Leistungen über 14000 Reichstaler aufbringen müssen, so fühlte sie sich im Jahre 1819, als der Verkauf des an die Damgartener Feldmark grenzenden Gutes Plummendorf unter recht günstigen Bedingungen angekündigt war, finanziell bereits so kräftig, daß die Vertretung der Bürgerschaft allen Ernstes den Ankauf des Gutes ins Auge faßte. Doch der Plan fand im Hinblick auf die unzureichende Finanzlage der Stadt nicht die Zustimmung der Regierung.

In den nachfolgenden Jahrzehnten ist ein gewisser Aufschwung unverkennbar. Die Einwohnerzahl, die lange Zeitläufte hindurch 600 - 800 Köpfe betragen hatte, stieg auf 1200, 1600, ja, über 2000. Damgarten hatte ein Kreisgericht, Zoll- und Steuerbeamte in seinen Mauern. Eine Schiffswerft beschäftigte eine ganze Anzahl Zimmerleute, Handwerker und Arbeiter. Öfter standen drei im Bau befindliche Schiffe, darunter immer ein Dreimaster (Bark­schiff) auf dem Stapel. Die Glashütte wies einen flotten Betrieb auf, brachte wie der Schiffbau unserm Erwerbsleben schätzbaren Gewinn. Korn- und Wollhandel, in erster Linie von der rührigen Firma Samuel unterhalten, erzielten einen verhältnismäßig bedeutenden Umsatz. Dazu trat noch ein ansehnlicher Holzhan­del, während Ackerbau und Viehzucht vielen Bürgersfamilien gutes Brot sicherten und ein lebhafter Durchgangsverkehr, zumal im Frühjahr und im Herbst, manchen Gewerbetreibenden erfreuliche Vorteile verschaffte.

Davon ist nun vieles in den letzten 50 Jahren, wenn ich soweit zurückgehen soll, anders geworden. Veränderte Verhältnisse nahmen uns das Gericht und die Beamtenschaft, die schwindende Segel­schiffahrt legte die Schiffswerft lahm, ein gleiches Los traf die Glashütte, und jetzt sind es nur noch Kornhandel, etwas Holzindustrie, von drei Dampfsägewerken unterhalten, und eine Kalkfabrik, welche das einfache Niveau unseres Erwerbslebens in etwas überrage.

Ein schweres Sorgenkind erwuchs in den 80er und 90er Jahren der Stadtverwaltung durch die ehedem erfolgte Abholzung der Damgartener Forst. Sie ist in früheren Zeiten anscheinend nicht am besten bewirtschaftet, hätte aber unbedingt der Stadt erhalten und in richtige Pflege genommen werden müssen. Die drückende Frage wurde schließlich dadurch gelöst, daß man die wüst daliegende Waldfläche an eine Rentenbank verkaufte, die nach Urbarmachung 7 kleinere Rentengutsstellen einrichtete. Die fleißigen und tüchtigen Inhaber dieser Stellen sehen auf dem ertragsfähigen Boden ihr gutes Fortkommen; Damgarten aber hat bei dem zweifelhaften Profit, der für die Stadt bei der Sache herausgekommen ist, das Nachsehen.

Trotz widriger Umstände, mancherlei Enttäuschungen und herber Schicksalsschläge, welche die Einwohner unseres Städt­chens im Laufe der Zeit zu kosten hatten, hat es sich, zumal nach denjenigen des jüngsten Rückgangs, immerdar in gewiß anzuerkennender Verfassung behauptet. Wenn in der Gegenwart — ganz abgesehen von dem Krieg und seinen Wirkungen — die Erwerbsverhältnisse nicht gerade gute, die Steuerlasten nicht geringe sind, so ist trotzdem in den letzten Jahrzehnten von der Verwaltung und der Bürgerschaft das Mögliche getan, nach außen hin einen Schritt vorwärts zu kommen und in verschiedenen Einrichtungen die fortschreitend-bessernde Hand walten zu lassen. Damgarten kann nicht mit sich prahlen, aber es liegt auch kein Grund zum Kleinmut und zur Verzagtheit vor. Man kann nicht gerade von Wohlstand reden, aber auch nicht von notorischer Armut. Noch immer lebt in der Bürgerschaft etwas vom kräftigen Geist der Altvorderen, bei denen gesunder Humor und ein gemütvoller Lokalpatriotismus sich geltend machten, und die nach allen schweren Prüfungen immer wieder mutvoll und mit Vertrauen auf eine bessere Zukunft den Kampf ums Dasein aufnahmen. Der Damgartener hängt treu an der Scholle und an der engsten Heimat, der er auch in der Fremde Anhänglichkeit bewahrt. In Treuen hütet er gewisse Erbgüter der Väter, in denen sich Gemütswerte verkörpern. Wer ihm davon etwas nimmt, reißt ihm ein Stück vom Herzen. Es mag nur an das Vogelschießen, das alte „Nationalfest“ der Damgartener, erinnert sein.

Der Zug der Anhänglichkeit an die Scholle ist hier zu einem guten Teil vielleicht in den natürlichen Verhältnissen der heimat­lichen Landschaft begründet. Sie bietet Abwechslung und ist nicht ohne Reize. Wer still-beschaulichen Naturgenuß liebt, dem kann hier eine anmutige Feldflur mit ihrem Wechsel, Wiese und Weide, Wald und Hain, Bach und Fluß, See und weiterhin das Meer — bei gesunder, frischer Luft — eine Fülle herzerquickender Naturgaben spenden, zu denen noch die weitere Annehmlichkeit kommt, daß die nähere Nachbarschaft zu angenehmen Spaziergängen, die weitere Umgebung zu erfrischenden Wanderungen oder lohnen­den Ausflügen mit Bahn, Gefährt oder Schiff einladet. Will der freundliche Leser noch ein wenig Geduld üben, so mag er mir auf einer flüchtigen Streife folgen:

Damgarten ist auf einer von Süden und Südwesten her vom Recknitztal aufsteigenden Anhöhe gelegen. Ein Gang aus dem Nordende des Städtchens führt uns bald auf einer sauberen, von schönen Baumreihen und dichtem Gebüsch eingehegten Prome­nade zum Stadtpark, vor dessen Eingang seitlich ein einfaches, aus einem granitenen „Findling“ hergerichtetes und mit einem Schmuckplatz umgebenes Kaiser-Wilhelm-Denkmal auffällt. Die städtischen Anlagen, im Volksmund gewöhnlich „Tannen“ genannt, sind sicher ein schönes Fleckchen Erde, um das uns schon mancher Fremde beneidet hat. Als Nadel- und Laubholz­wäldchen in wohlgetroffener Anlage bietet sie mit köstlicher, harzduftender Luft zumal für Erholungs­suchende, Genesende und Ferienkolo­nisten einen nervenstärkenden Aufenthalt. Vom „Tannenhäuschen“, einem einfachen Bretterbau mit Kegelbahn und anheimelndem Innenraum, wo wir uns niederlassen, wird der Blick auf den großen Rasenplatz gelenkt, der, rings von hochwip­feligen Baumgruppen umschlossen, bei festlichen Gelegenheiten der natürliche Sammelpunkt der Menge ist, oder aller derer, die zu wohligem Ruhen oder frohem Tummeln suchen, was ihnen frommt: Sonne oder Schatten.

Auf der gegenüberliegenden Seite des Platzes streckt sich auf eisernem Fußgestell, das ein früherer Gönner der Schützengilde stiftete, die Vogelstange in die Lüfte empor, seit alters her gewis­sermaßen ein Wahrzeichen von Damgarten. Zwei erhöhte Punkte, der eine an der nordöstlichen Ecke der Anlage, der andere ein künstlicher Erdhügel inmitten der neuen Anpflanzungen, gewähren hübsche Aus- und Umblicke. Wer als Naturfreund an einem schönen Sommertage, wenn bereits die Heide blüht, die Tannen an der Nordwestecke verläßt, den Feldpfad zum Steg über den Pütnitzer Bach hinabgeht, und nun, den dunklen Buchenwald zur Linken auf schmalem Steig an wogenden Kornfeldern vorbei nach Norden wandert, wird auf seinem Gange, wie am Ziel, dem malerisch am Binnensee, dem Saaler Bodden, hingestreckten Dörfchen Langendamm erquickende Natureindrücke empfangen.

Mehr noch vielleicht wird dies der empfinden, welcher, zum Städtchen zurückkehrt, von der Heerstraße seine Schritte auf die ins Mecklenburgische hinführende Chaussee lenkt. Diese führt uns in etwa 15 Minuten durch das Recknitztal, das sich nach links in 1 - 1½ km Breite ausdehnt. Leider ist seit Aufführung des Bahn­dammes die Fernsicht ins Tal, die vordem so manchen Fremden überraschte, dem Beschauer benommen. Nach rechts aber schweift der Blick über glatte Wiesenflächen und den blauen Spiegel des Ribnitzer Binnensees und das malerisch daran sich hinziehende Städtchen zum bewaldeten Gegenüber des mecklen­burgischen Festlandes, das bei den Dörfern Körkwitz und Dändorf in die schmale Halbinsel Fischland übergeht.

Auf unserm Spaziergange kommen wir nach einigen Minuten zur Paßbrücke, vor der der preußische Adler die Landesgrenze anzeigt, während auf der anderen Seite die mecklenburgische Wappentafel den Blick auf sich lenkt. Hier ladet das Paßhaus, an dessen Vorderwand die Höhe des Wasserstandes in jener schreck­lichen Sturmflut des Jahres 1872 vermerkt ist, zu erquicklichem Trank ein. Weitere zehn Minuten bringen uns auf wohlgepflegter Kunststraße, die seitlich mit Bürgersteig versehen ist, zur Biegung der Chaussee nach Westen. Da nimmt uns der herrliche Ribnitzer Stadtpark auf, mit angenehmen Ruhesitzen und schönen Ausblicken auf den See und die gegenüberliegenden Ufer, Köppenberg genannt, mit Wald im Hintergrunde. Am Schützen­hause und Schützenplatz, des weiteren an hübschen neuen Landhäusern vorbei, kommen wir nach ½stündigem Spaziergange nach dem selten schmucken, sauberen Städtchen Ribnitz, das, malerisch vom Seeufer aufsteigend, mit dem alten, massigen Rostocker Tor, der Stadt- und Klosterkirche, an die sich die Wohngebäude und lauschigen Höfe des adligen Fräuleinstiftes anschließen, von Fremden gern in Augenschein genommen wird.

"Ein Streifzug durch die Geschichte und Wirtschaft Damgartens" Von Ernst Garduhn

1958

Vom Wendendorf Damechore

Im siebenten Jahrhundert n. d. Z. zogen Slawen aus dem Weichselbogen in unser dünn besiedeltes Land ein, das die meisten Bewohner in den Jahrhunderten vorher verlassen hatten. Der Westen Mecklenburgs war dem Stammverband der Obotriten, der Osten Mecklenburgs und Pommern bis zur Oder dem Stammes­verband der Wilzen oder Liutitzen vorbehalten. Jeder Verband hatte eine ganze Reihe von Stämmen. Rechts der Recknitz wohn­ten die Zirzipaner, links der Recknitz die Kissiner. Im Grenzgebiet bauten die Wenden verschiedene Burgen. Auf der rechten Seite der Recknitz entstanden die Höhenburgen von Pantlitz und Liepen, auf der linken die Höhenburgen von Marlow, Schulenberg, Kucksdorf, Tessin und die Niederungsburgen Kucksdorf und Tessin. Uns Damgartener interessiert besonders die nahe gelegene mittelslawische Höhenburg Pantlitz aus dem 9. Jahrhundert, ein Burgwall mit doppeltem Ringwall. Prof. Dr. Wossidlo schätzte sie als eine bedeutende Grenzburg und als eine wichtige Kultstätte. Die Wenden standen in schweren Kämpfen mit den deutschen und dänischen Eroberern, die Raubkriege führten. König Otto I. schlug 956 die nördlichen Wenden an der Raxa. Ob dieser Fluß unsere Recknitz ist, bleibt noch ungewiß. Heinrich I., der Sachsen­herzog, vernichtete 1160 die Wenden, deren Führer Niklot im heldenmütigen Kampfe fiel. 1168 eroberten Dänen, Sachsen und Pommern auf Rügen den Swantewittempel auf Arkona und die Tempelstätte in Garz; sie brachen dadurch die Macht des wendi­schen Priestertums. Der Fürst von Rügen nahm das Christentum an, unterwarf sich dem König Waldemar und erhielt seine Insel als Lehen aus dänischer Hand. In den nachfolgenden Kriegsjahren bekam er als Lohn für seine Treue das nordwestliche Vorpom­mern, das früher dem Pommernherzog gehörte. So entstand neben Inselrügen das festländische Rügen. Die Fürsten führten auch in den neuen Landesteilen das Christentum ein und riefen deutsche Siedler ins Land. 1231 bauten Zisterzienser Mönche aus Kamp am Rhein das Kloster Neuenkamp bei Richtenberg. Daraus entstand nach der Verweltlichung des Klosters im Jahre 1587 die Stadt Franzburg. Der Landesherr teilte sein Gebiet in Provinzen ein. Eine von ihnen war Saal. Als Barth 1255 mit dem Stadtrecht bewidmet wurde trat als Zeuge der Vogt von Saal, der Advokatus Albertus, auf. Dieser verwaltete als Stellvertreter des rügenschen Fürsten die Provinz Saal, zu der damals auch die wendischen Dörfer Damechore, Pütnitz und Slavita gehörten. Die Vogtei grenzt an die Vogtei Tribsees, und Saal spielte als Vogteihauptort eine große Rolle. Aus der Gründungszeit von Damechore wissen wir nichts. Früher erklärte man den Namen als Damengarten und brachte damit das Wappenbild, als Frau gedeutet, in Verbindung. Andere erläuterten aus Damm und Gard (Festung, Burg), so daß es soviel wie Dammfestung hieß. Das wäre die Festung am Damm nach Ribnitz. Der Greifswalder Professor Schwartz fand die richtige Lösung, daß er den Ortsnamen Damechore auf die slawischen Wörter dam (Eiche) und gora (Berg) zurückführte, was soviel wie Eichenberg bedeutet. Das leuchtet auch ein, wenn man sich die waldreiche, teilweise hüglige Landschaft von damals vorstellt. Wälder in diesem großen Ausmaß waren siedlungs­feindlich. Bei diesem Platz handelt es sich aber um eine besondere Eignung zur Anlage einer Siedlung. Da, wo die steilen Ufer des Recknitztales in das weite, sumpfige, morastige Mündungsgebiet übergingen, erkannte man klar die gute Überquerungsmöglichkeit zum anderen Ufer. Ein unebener Moorweg, bepflanzt mit Weiden, den Lieblingsbäumen der Wenden, ging durch den Sumpf auf die Sandscholle der anderen Seite, wo die Siedlung Rybbenitze sich entwickelte, die zuerst 1210 genannt wird. Die Brückenorte lagen nicht im Sumpftal, das ja auch leicht vom Bodden her über­schwemmt werden konnte, sondern auf dem ansteigenden Land. Der primitive Verkehr von damals benutzte den Paß von Dam­garten, und auch heute noch ist dieser Übergang für die Verkehrs­straße im Küstengebiet von Wismar bis Stralsund lebenswichtig.

Die erste Beurkundung Damgartens stammt aus dem Jahre 1225. Was erfahren wir nun aus dieser Urkunde von Damechore? In diesem Jahre schenkte Witzlaw I. von Rügen an das Domkapitel von Ratzeburg sein Gut Pütnitz mit zollfreiem Heringsfang zu eigenem Gebrauch. (Mecklenburgisches Urkundenbuch Nr. 312.)

Bei der Beschreibung des Dorfes Pütnitz werden auch die Grenzen von Damechore erwähnt. Es handelt sich hier um die Bestätigung von Besitzverhältnissen, um ein reines Rechtsgeschäft, aber wir hören nichts von der Größe des Dorfes und von der Beschäftigung der Bewohner. Das müssen wir uns auf Grund zeitgenössischer Darstellungen und der Bodenfunde ausmalen. Die Wenden waren vor allem Viehzüchter und Fischer. Die Weiden boten dazu gute Gelegenheit, und die Fischersteige führten schnell zur Recknitz und zum Bodden. Die großen Wälder in der Nähe lockten den Jäger und den Bienenwirt. Mit dem hölzernen Haken­pflug bearbeitete man die mageren, sandigen Ackerflächen. Auf den schweren Lehmböden gedieh der Wald. Die Lage an der Heer­straße von Lübeck (gegr. 1143), Rostock (gegr. 1218), Wismar. (gegr. 1229) und Stralsund (gegr. 1234) begünstigte den Handel und Verkehr in Damechore. Auf der langen Wagenfahrt machten die Reisenden hier Station und übernachteten in den Krügen.

Es wird angenommen, daß auf dem künstlich aufgeworfenen Hügel, auf dem jetzt die Kirche steht, einst der wendische Tempel lag. Um den Tempelberg standen die niedrigen, mit Rohr gedeckten Holzhäuser.

Aus dem Wendendorf wurde eine deutsche Stadt

Der Rügenfürst Jaromar II. sah sich wegen der Streitigkeiten mit dem Fürsten von Mecklenburg gezwungen, seine Grenzen an der Recknitz zu sichern. Vögte und Ritter besichtigten das Dorf Damechore, wo ja immer die ersten kriegerischen Zusammenstöße stattfanden. Jaromar lag daran , hier einen festen Platz anzulegen. Aus dem offenen Dorf sollte eine Festung, ein Bollwerk gegen Mecklenburg werden. 1258 bewidmete der Landesherr den Ort mit lübischem Recht. Was die Ritter und Vögte mit den Deutschen besprochen hatten, wurde im selben Jahre in Stralsund beurkundet und zwar in lateinischer Sprache (Pommersches Urkundenbuch II Nr. 661). Das Original ist nicht mehr vorhanden.

Dr. Anklam, der Damgartner Chronist, hat den Text so ins Deutsche übertragen: „Wir Jaromarus, von Gottes Gnaden Fürst zu Rügen, allen welche diese Schrift lesen, sei ewiges Heil. Da das jetzige Geschehen leicht nachträglich im Verlauf der Zeit in Vergessenheit kommen kann, insbesondere was wir gegenwärtig zu Nutz und Frommen unserer Lieben Getreuen freigebig aufwenden, so hielten wir es für angemessen, es in dieser Denkschrift nieder­zulegen. Wir haben also allen Einwohnern vorbesagter Stadt geschenkt, was zwischen Schlichtemöhl und den Grenzen Saals gegen das Meer gelegen ist mit den Äckern beider Ackerhöfe Damgur und Putnitz zu ewigem Besitz; auch den Ackerhof Slavita, welcher nahe an genannter Stadt belegen ist, werden wir uns in jeder Weise bemühen der Stadt zuzulegen. Gedachten Einwohnern unserer Stadt Damgur haben wir auch von der Stadt Damgur bis nach Barth freie Fischerei zugeteilt, obenein legen wir ferner unseren Bürgern in Damgur bei, daß sie alle Jahre in unserer Wiese Pritzenitze ungestört Heu mähen können, wann es ihnen gefällt und wir geben unserer benannten Stadt das gemeine Recht, wie sie es in Lübeck und Stralsund haben und bisher gehabt haben. Gleicher­maßen befreien wir sie dauernd von allen Beden und anderen Pflichten, befreien jedermann auch nur Durchreisende in der Stadt Damgur für 6 Jahre von der Zahlung jeglichen Zolls und lassen ebenso zu, daß jeder Bürger besagter Stadt vom Größeren zum Geringsten für das, was er verkauft oder kauft, im Fürstentum Rügen von der Zollzahlung immer befreit sein soll.

Zeugen dieser Urkunde sind Reinfried von Penitz, Ernst sein Bruder, Dietrich Lange, Luthbertus, Florinus, Dietrich Weiss, Johannes Budde und andere. Daß diese unsere Schenkungen von uns und unseren Nachfolgern ohne Widerspruch und Zweifel fortdauern, bestätigen wir sie mit unserem Siegel. Datum Stralsund Anno 1258.“

Zur großzügigen Schenkung gehörten die Feldmarken von Damgor, Putitz (Pütnitz) und Slavita bis Saal und Hessenburg. Das Land von Pütnitz und Slavita hat Damgarten nie bekommen. Jaromar II. dachte wohl daran, das von seinem Vater 1225 an Ratzeburg verschenkte fürstliche Pütnitz durch Tausch oder Kauf zurückzuerwerben, um es seiner neuen Stadt zu geben. Das Domkapitel wehrte sich aber gegen die Verschenkung seines Pütnitzer Gutes und überreichte durch den Bischof Rudolf von Schwerin die Urkunde Wizlaws I. von 1225. Jaromar fand kein Gehör bei den Domherren, die 1261 das Gut für den sehr hohen Kaufpreis von 200 Mark an den Ritter Ekkehard von Dechow verkauften. Ein gutes Geschäft für die Kirche. Der Domherr Gottschalk von Dechow hatte seinem Bruder den Besitz zuge­schanzt. So begann die Einkreisung der Stadt mit Großgrund­besitz. Die Feudalherren von Pütnitz wurden hartnäckige Gegner von Damgor und machten ihm viel zu schaffen. Slavita (soviel wie wendisches Dorf) lag am Rande eines großen Moores am Saaler Bodden und war der Zufluchtsort der vor den Deutschen aus Damgor geflüchteten Wenden.

Weiter versprach der Fürst der Stadt die Fischereigerechtigkeit auf der Recknitz und auf dem Bodden bis Barth hin. Auch das konnte nicht verwirklicht werden. Ribnitz beanspruchte die Gerechtigkeit für sich. Deswegen entstanden viele Streitigkeiten zwischen den beiden Städten. Dann sollte Damgarten das Recht haben, auf der Wiese von Bresewitz Heu zu werben. Nie hat Damgarten von dort ein Fuder Heu holen können. Zur Hebung von Verkehr und Handel erhielten die Bewohner Zoll- und Abga­benfreiheit. Die Damgartener konnten im ganzen Fürstentum Rügen ein- und verkaufen, ohne Zoll zahlen zu müssen. Durch­reisende brauchten für 6 Jahre keinen Brückenzoll zu entrichten. Diese Maßnahmen förderten das Wachstum und Gedeihen der Stadt.

Wir wissen nicht, woher die deutschen Siedler kamen. Vielleicht stammten sie aus Westfalen, aus Sachsen, aus Holstein oder vom Rhein oder aus Mecklenburg. Die in der Kolonisationszeit entstandenen Dörfer Neuenlübke und Neuenrost bei Damgarten sind auf Lübeck und auf Rostock zurückzuführen. Es ist uns auch nicht bekannt, um welche Zeit die Deutschen siedelten. Der Historiker Otto Fock weist da auf die Urkunde von Tribsees aus dem Jahre 1221 hin, die etwas Licht in das Dunkel bringt. Es handelt sich um die Landschaft Tribsees, in der um die Zeit Deutsche und Wenden wohnen. Das läßt auch Rückschlüsse auf das Recknitzgebiet zu. Die Deutschen mußten damals schon so zahlreich gewesen sein, daß Wizlaw I. und der Bischof von Schwerin über den Zehnten der Deutschen und die Biskopnitza (die Abgabe der Wenden an die Kirche) einen Vertrag abschlossen. Es wurde auch der Fall erwogen, daß bei einer Erhebung der einheimischen Bevölkerung die Deutschen vertrieben und die alten Zustände wieder eingeführt würden. Die wendischen Herrn bemühten sich sehr darum, die Rechte ihrer alten Bewohner gegen die neuen zu schützen.

Jaromar II. erbaute 1260 einen festen Turm aus Steinen an der Straße nach Ribnitz, wo jetzt die letzten Häuser der Schillstraße liegen. Dieser Turm verfiel im 18. Jahrhundert. Auf dem alten Tempelberg der Wenden errichteten die Siedler die erste christliche Kirche als einfachen Holzbau. Noch im 13. Jahrhundert entstand im Übergangstil der östliche Teil der heutigen Kirche; im 15. Jahr­hundert folgte der westliche Teil in gotischer Bauart. Die Stadt wurde auf dem in das moorige Recknitztal hinein­ragenden Hügel mit zwei Straßen in T‑Form angelegt. Die Schillstraße (früher Heerstraße) führte bis zum Marktplatz; ihre Verlängerung war die Barther Straße. Rechtwinklig auf den Markt stieß die Lange Straße. Drei Tore, das Ribnitzer Tor, das Barther Tor, das Stralsunder Tor, schlossen die Straßen ab. Die kleine Stadt besaß nie eine feste Stadtmauer; auch die größeren Städte hatten zuerst keine Mauern. Die Damgartener Befestigung bestand aus einem Graben mit einem Plankenzaun. Man grub einen tiefen Graben, schichtete die Erde nach der Stadtseite zu einem Wall auf, den man mit starken Planken bewehrte. Der Ortsname ist verschieden geschrieben worden: Damechore, Damgor, Damgur, Damnae Gorae, Damgar, später Damgard, Damgarten.

Kriege, Hungersnot und Pest brachten viel Elend

Schon Ende des 13. Jahrhunderts war es mit der ruhigen Entwicklung Damgartens vorbei. 1286 verkauften die Brüder Hermann und Heinrich von Dechow die Hohe Brücke nebst Zoll und Strom an Ribnitz. Vollständig unklar liegen die Rechtsver­hältnisse bei diesem wichtigen Objekt. Welches Recht hatten die Dechows an der Brücke, und woher hatten sie es bekommen? Darüber meldet keine Urkunde etwas. Für Damgarten war es höchst ärgerlich, daß Brücke und Strom, die ihm nah lagen, an die mecklenburgische Gegnerin für 70 Mark Rostocker Münze ver­kauft wurden. In den folgenden Jahrhunderten gab es Verdruß.

Das Jahr 1295 traf die junge Stadt noch schwerer. Auf dem Kriegszug in das Fürstentum Rügen legte Markgraf Otto die Stadt in Brand und Asche. Von neuem mußten die Bewohner anfangen, ihre Häuser aufzubauen. 1318 wurde ein schweres Jahr für die Bevölkerung; eine Miß­ernte führte zur Hungersnot, daß viele Leute umkamen. Aus der Zeit stammt die Sage vom Kornhändler Pantlitz, der als Wucherer und Ausbeuter die Not des Volkes ausnutzte. Der Dichter Karl Lappe erzählt in seinem „Pommernbuch“ von 1820:

„Zu Damgarten wohnte ein Bürger, Pantlitz geheißen, der durch Kornwucher reich geworden war. Er hatte wieder eine Menge Korns aufgekauft und in Hoffnung theurer Zeiten aufgeschüttet. Aber zu seinem Verdruß gab der liebe Gott im folgenden Jahre reichliches Getreide. Als nun Pantlitz in der Ernte sein eigenes Korn einfahren ließ, saß er oben auf dem Fuder, und sein Knecht, der den Wagen fuhr, war fröhlich und sang. Pantlitz fragte ihn, warum er so fröhlich sänge? Der Knecht antwortete: Es wäre ihm lieb, daß unser Herr Gott gute Zeit gegeben hätte und die armen Leute sich einmal satt essen könnten. So fuhr er munter zu und sang immer lauter. Das verdroß den Wucherer, daß der so sang und daß ein so gut Jahr geworden war; er nahm das Reif, womit der Wesebaum gebunden war, schürzte es sich um den Hals und sprang vom Wagen und erwürgte sich. Und der Knecht wußte es nicht, fuhr lustig weiter und sang. Als er nun an die Stadt kam, fragten ihn die Leute, was er geladen hätte. Er sollte sich doch einmal umsehen. Da merkte er, daß er die Leiche seines Herrn nachschleppte, der sich erhenkt hatte. Also sollte es billig allen Wucherern gehen, sagt Kantzow, die an der Noth ihrer Neben­menschen Freude haben, damit sie nur reich werden.“

Wenn die hohen Herren sich schlugen, ging es dem Volke immer schlecht. Das erfuhr Damgarten, als 1322 Witzlav III. von Rügen mit dem Herzog von Mecklenburg in einen Krieg ver­wickelt wurde. Die Pommern erlitten bei Ribnitz eine so schwere Niederlage, daß es Witzlav vorzog, einen Sonderfrieden auf der Hohen Brücke von Damgarten zu schließen. Verträge solcher Art, wie auch andere Verträge, kamen oft auf dieser Brücke zustande. Über die wirtschaftlichen Verhältnisse Damgartens gibt eine Urkunde aus dem Jahre 1323 eine wertvolle Auskunft. Barold von Mörder, der Besitzer der Daskowschen Güter, verkaufte an Witzlav III. seine Wassermühle am Pütnitzer Bach mit allem Eigentum und aller Freiheit. Dafür zahlte der Fürst 20 Mark gangbarer Pfennige. Er trat ihm auch den Graben nach dem Bodden wie auch den Graben zum Ribnitzer Tor ab mit aller Berechtigung, ihn so breit und tief zu machen, wie ihm dünkte. Daraus geht hervor, daß den Mörders die Wiesen bis zum Bodden gehörten. 65 Jahre nach der Stadtgründung besaß Damgarten noch nicht dieses Stück in seiner nächsten Umgebung. Für fünf Mark slawischer Pfennige hatte der Fürst für seine Stadt die Möglichkeit erhalten, daß Schiffs- und Schutenfahrer ihre Fahrzeuge zum Bodden treideln konnten.

Die Wassermühle behielt der Fürst für sich. Als Wasserstau diente der spätere Karpfenteich, den die älteren Damgartner ja noch kennen. Um mehr Wasser zu bekommen, erlaubten die Dechows dem Fürsten, einen Graben durch die Flur des Dorfes Gottschalksdorf ziehen zu können. Diese zu Pütnitz gehörende deutsche Siedlung ist in späteren Jahren eingegangen und wurde Wüstung.

Als Witzlav III. von Rügen 1325 ohne Erben starb, fiel das Lehen nach der Vereinbarung an Pommern. Dessen Herzog starb schon im nächsten Jahr, und nun beanspruchte Mecklenburg das rügensche Leben. Das führte zu drei Erbfolgekriegen, in denen Damgarten schwer mitgenommen wurde. Im Brudersdorfer Frieden (bei Dargun gelegen) verzichtete Mecklenburg auf Rügen gegen Zahlung einer hohen Summe. Als Pfandbesitz kamen die Lande Barth, Grimmen und Tribsees und damit auch Damgarten an Mecklenburg. Erst am Ende des zweiten Krieges wurde Damgarten 1354 frei. Von 1328 bis 1354 war Damgarten mecklenburgischer Besitz. Im dritten Krieg fand bei Damgarten eine schwere Schlacht statt. Albrecht von Mecklenburg drang „ümmerlings dörch dei Planken“ (durch den Festungszaun), eroberte Damgarten, nahm Herzog Wartislav Vl. und viele Adlige gefangen, die gegen sehr hohes Lösegeld wieder freikamen.

Wie die Stadt im Mittelalter verwaltet wurde

1258 erhielt Damgarten das Lübische Recht, wie es auch in Stralsund und Lübeck angewandt wurde. Man muß es sich aber nicht so vorstellen, daß man das Muster von Stralsund fix und fertig auf die viel kleinere Stadt übertrug. Der Rat der Stadt Damgarten wird Rechtsgewohnheiten und Erfahrungen auf dem Gebiet der Verwaltung von Fall zu Fall von der älteren Stadt übernommen haben. Damgarten war keine Handelsstadt wie Stralsund oder Rostock, hatte nicht Handel und Wandel wie die großen Hansestädte, das unansehnliche Landstädtchen bewohnten meist Ackerbürger. Die Lebensverhältnisse gestalteten sich viel primitiver als in großen Orten, wo das Bürgertum kräftig aufblühte. Selbst von Handwerkern und Zünften kann man in Damgarten während der ersten Jahrhunderte noch nicht sprechen, da die Ackerbürger die handwerklichen Arbeiten selbst besorgten. Der Geschichtsschreiber M. Wehrmann vergleicht die kleinen Städte von damals mit größeren Dorfsiedlungen; aber sie hatten das Gepräge einer Stadt. Die Damgartener Stadtbauern schafften durch ihre Arbeit die tägliche Nahrung herbei. Ackerbau und Viehzucht spielten die Hauptrolle. Auch wer wenig Land besaß, hielt sich eine Kuh und ein Schwein. Allmählich, mit dem Größerwerden des Ortes, entwickelten sich Berufsgruppen wie Schuhmacher, Weber, Schmiede, Maurer; Bäcker und Schlachter folgten. Eine Bürgerschaft, eine commune, eine civitatis bildete sich in Damgarten wie auch in anderen Städten erst ganz allmählich heraus. Die Verwaltung übten der Bürgermeister und zwei Ratsherren aus. Zunächst regierten die Ratsherren und der fürstliche Vogt oder Schultheiß. Die Stelle des gewählten Bürgermeisters kam erst gegen 1300 auf. Der Damgartener Vogt, der unter dem Obervogt von Tribsees stand, hatte vor allem die Gerichtsbarkeit unter sich. Die Brüche (die Strafgelder) fielen dem Fürsten zu, der darin eine wichtige Einnahmequelle sah. In inneren Angelegenheiten bestimmte die Bürgerschaft. Bürgermeister und Ratsherren waren ansässige Bürger mit Besitz, also bei uns Ackerbürger. Ein Patriziat wie in Stralsund konnte sich hier gar nicht entwickeln. Später gab es auch Bürgermeister aus dem Handwerkerstand, wie den Barbier Martin Ruche, der Damgartens Interessen gegen Ribnitz hartnäckig verteidigte. Unser Ort hatte schon vor 1318 ein Stadtbuch, in dem die Käufe, Verkäufe, Verpfändungen u. a. verzeichnet wurden. Von den Bürgern erhob man geringe Abgaben; sie genügten, um die Ausgaben zu decken. Am Grenzzoll verdiente die Stadt nichts; diesen bekam der Landesfürst.

Um Geld in die Landeskasse zu bekommen, bemühten sich die pommerschen Herzöge darum, früher verliehene Zollfreiheiten aufzuheben und schon bestehende Zölle zu erhöhen. Solche Zollerhöhungen für Damgarten bewilligte Kaiser Maximilian I. 1498 dem Herzog Bogislav.

Ein Visitationsabschied aus dem 16. Jahrhundert

Es war im Juni 1570, als der Stadtdiener sehr aufgeregt dem Bürgermeister hohen Besuch meldete. „Ganz hoge Herrschaften sünd in uns Rathus. Sowat hew ick noch nich seihn.“ Es waren die fürstlichen Räte Ulrich von Schwerin, Großhofmeister auf Spante­kow bei Anklam, und Valentin von Eickstedt, Kanzler, Erbgeses­sen zu Damitz bei Kolberg, die im Auftrag des pommerschen Herzogs zu Stettin kamen. Dem Bürgermeister lief eine Gänsehaut über den Rücken, als die Beauftragten ihm mitteilten, daß sie den Rat der Stadt, die Arbeit und das Verhalten der Bürger überprüfen sollten. Die beiden Ratsherren wurden herbeigerufen. Der Käm­merer rechnete die Kasse auf, und der andere Ratsherr legte Akten und Rechnungen vor. Die Prüfenden fragten viel und notierten viel. Alles, was sie beanstandeten und was sie dem Rat für die Verwaltung empfahlen, schrieben sie in einem Prüfungsbefund nieder. Es war ein Schlußprotokoll, das man im umständlichen Kanzleideutsch den Damgartschen Visitationsabschied nannte. Er datiert vom 17. Juni 1570.

Der Damgartsche Visitationsabschied ist als eine der ältesten Verwaltungsordnungen, aber auch als Zeitdokument überhaupt von hervorragender Bedeutung.

Die Einleitung dieses merkwürdigen Schriftstückes gibt dem Bürgermeister und dem Rat Weisung, durch christliche Gebarung und ordentliche Haushaltsführung sich als ordentliche Männer zu ertüchtigen und zu bewähren. Dann folgen einzelne Verwaltungs­vorschriften im lehrhaften Ton der alten Rechts‑ und Behörden­sprache. In erster Reihe betreffen sie die Stadtwirtschaft, welche aus den wilden und verwilderten Sitten des Mittelalters herkom­mend wie vielerorten auch in Damgarten eine völlig mangelhafte und regellose war und vor allem jeder verantwortlichen Gewähr­leistung entbehrte. Nachdrücklichst muß dem Rat eingeschärft werden, ordentlich Rechnung zu führen, statt wie bisher geschehen „in Krug und Stadtkeller übermäßig einzukehren, um der Stadt Einkommen unnützlich zu verbringen und zu versaufen“.

Ein fachkundiger Ratsschreiber soll zur besseren Ordnung der Verhältnisse vielleicht in Gestalt des künftig neu zu bestellenden Zöllners eingesetzt werden. Die Kämmereiverwaltung soll sparsamer sein hinsichtlich der Abholzung des Stadtholzes, irgendwie wesentliche Maßnahmen sollen an die aufsichts­behördliche Genehmigung des Hauptmanns zu Grimmen und Tribsees (Christian Küssow in Müggenwalde) gebunden sein.

Polizeiliche Vorschriften mannigfacher Art folgen, zunächst ordnungspolizeiliche. Sonntags und feiertags während Predigt und Sakrament sollen die Krüge, auch der Stadtkeller, geschlossen sein, und das Vieh soll vor der Predigt zur Weide gebracht sein, so daß dem Gesinde der Kirchgang frei bleibe. Sehr bemerkenswert ist der Satz: „Die Fastnacht soll hiermit gar abgeschaffet sein.“ Während heut der Mummenschanz am Tage vor Aschermittwoch nur noch in Süddeutschland und am Rhein sich lebensfrisch erhält, ist er vordem bis in die Zeit nach der Reformation überall auch in Mittel‑ und Norddeutschland an der Tagesordnung gewesen. Der deutsche genossenschaftliche Geist, der sich in alter Zeit in einem hochentwickelten Gildewesen auswirkte, hatte sich hier in Damgarten vornehmlich in ausschweifenden Trinkgelagen der Handwerkszünfte zu regster Betätigung ausgewachsen, so daß auch hier Einhalt geboten werden mußte.

Ferner sollen Richter und Rat gegen mutwillige Frevler, sonderlich Ehebrecher, Hurer, Totschläger, Diebe, Gotteslästerer fleißige Strenge üben, jedoch dabei „fürsichtiglich procedieren und wo die Sache wichtig oder dermaßen bewandt, daß ihnen zu sprechen bedenklich, sollens des Hauptmanns („Landrats“) Rat mitnehmen oder nach Gelegenheit auf der Parteien Unkosten und Belehrungen an die Greiffswaldische Juristen Facultaet verschicken und nicht nach ihren affecten und unordentlicher Neigung richten, noch mit Gewalt keineswegs verfahren.“

Als Bürger soll vom Rat nur angenommen werden, wer guten Ausweis seines bisherigen Wandels mitbringt oder ‑ wenn er bisher hörig war ‑ nachweist, daß er „mit guter Zeugung und Paßbort“ nicht eigenmächtig von seiner Herrschaft abgegangen sei. Eine Fremdenpolizei wurde damals auch geübt: Der Rat soll auf den reisenden Mann fleißig Aufsicht haben. In den zwei geordneten Herbergen soll dienliche Unterkunft für Geld immer bereit sein. Feuerpolizeilich wird angeordnet, daß „niemand ruchlos oder seltsam und nachlässig oder gefährlich mit Feuer und Licht umginge und wer es doch tue zum Exempel zu bestrafen sei“. Übrigens sei die herzogliche Feuerordnung zu beobachten.

In baupolizeilicher Hinsicht wird die Besserung oder Erneuerung aller baufälligen Häuser angeordnet, „damit die Stadt in gute Besetzung wieder komme“, Wege und Brücken sollen ordentlich hergerichtet werden und bei Verwirkung des Wagens (Zerhauen des Wagens) und sonstiger Strafe von niemand beschädigt werden. Die Jagdübung (Regal) und Schußwaffentragen soll den Bürgern verboten sein. Waldfrevel, insbesondere solche der Bauern, sollen schwerstens gestraft werden.

Wirtschaftspfleglich wird verordnet, daß die Stadtverwaltung sorge, daß die Hakhändler (Krämer) für arme und reisende Leute, auch für andere alles Erforderliche, sonderlich Hering, Dorsch, Butter, Salz, Fleckfisch, Essig, Tran, Schmiere, Licht und dergleichen feilhalten.

Äußerst bemerkenswert sind die in der Stadt Damgarten hier gewesenen Vorkehrungen für das Kriegswesen: „Mit Krieges­rüstungen und Rüstwagen und Wehren sollen sich sowohl einzelne Bürger und Einwohner, als ein Rath fleißig versehen und solches alles in guter Bereitschaft und Ordnung unverderbt halten.“

An andrer Stelle danach heißt es: „Den Einwohnern wird ernstlich auferlegt, den Graben zu erneuern, namentlich nach dem Lande zu Mecklenburg zu bessern und aufzuwerffen, daß sie sich keines unversehnlichen Überlauffens oder Einfalls zu besorgen haben . . . sie sollen auch zwei Falkonette bei dem Gießer zum Greifswald förderlich fertigen lassen und sich an ihren Grenzen durch die Ribnitzer noch sonst keinem Imposs tun lassen.“ Die erwähnten Falkonetts sind kleine Feldschlangen (Viertelfeldschlangen), Geschütze von 5 cm Durchmesser, welche Vollkugeln von 0,5 kg werfen.)

Der Stadtschreiber füllte Bogen auf Bogen nach dem Diktat der Räte. Oft wollte sich sein Gänsekiel sträuben, wenn die Herren zu hart über den Rat der Stadt urteilten, über das Kruglaufen und das Saufen im Stadtkeller. Mit Schwung schrieb er die letzte Zeile

Actum Damgarten, d. 17. Juni 1570.

Die Räte unterschrieben den Abschied, und der Schreiber streute feinen Sand über die Schlußseite. Die Visitation war überstanden. Als die Räte den herzoglichen Reisewagen bestiegen, waren Bürgermeister, Ratsherren, Bauern und Handwerker und viele Kinder versammelt. Der Bürgermeister bat untertänigst um die Gnade und das Wohlwollen des Durchlauchtigen, Hochge­borenen Fürsten Ernst Ludwig für die kleine Stadt. Und dann gings hinaus durch das Stralsunder Tor. Auf den Gesichtern der beiden Reisenden lag viel Zufriedenheit ob der guten Untertanen von Damgarten, die da wußten, was sie der Kirche und dem Landesherrn schuldig waren.

Die Reisekutsche hatte eben den Sandberg von Behrenshagen hinter sich. Da saßen auch schon die Stadtväter mit den Acker­bürgern und den Handwerkern im Stadtkeller, wo der alte Brauch weiter geübt wurde. Der Wirt schenkte an dem Abend seinen besten Rotwein in die Zinnbecher. Je öfter sie gefüllt wurden, desto mutiger sprachen die Geprüften über Großhofmeister und Kanzler und ließen kein gutes Haar an ihnen.

Das Stadtbild von Damgarten auf der Großen Lubinschen Karte von Pommern von 1618

Wer diese sehr seltene Karte kennenlernen will, kann sie im Stralsunder Museum betrachten. Aus jener Zeit besitzt keine andre deutsche Landschaft ein so ausgezeichnetes Kartenwerk. Herzog Philipp II., ein Freund der Künste und Wissenschaften, beauf­tragte den Rostocker Professor der Theologie Lubin mit der Aus­führung. Allerlei Beiwerk schmückt die 2,21 m lange und 1,25 m breite Karte: Stammbäume, Fürstenporträts, Wappen, eine kurze Landesbeschreibung, am äußeren Kartenrand 353 Adelswappen und 49 Stadtbilder. Eine von diesen Ansichten zeigt Damgarten. Der Maler ist unbekannt geblieben; seine Arbeit stammt aus den Jahren 1611‑1617. Die Darstellung muß den tatsächlichen Verhältnissen entsprochen haben; denn sonst hätte sich Lubin, ein guter Kenner von Damgarten, als der Verantwortliche nicht damit einverstanden erklärt. Lubin mußte oft von Rostock ins Pommer­sche zur Landesaufnahme fahren und kam von Ribnitz über die Recknitzbrücke durch die kleine Grenzstadt. So können wir damit rechnen, ein zuverlässiges Dokument aus der Zeit vor 340 Jahren zu besitzen.

Betrachten wir nun einmal das Bild näher. Von der Ribnitzer Seite führt der Damm durch das Wiesental über die Recknitz durch das Ribnitzer Tor in die Schillstraße (Heerstraße) hinein. Zur rechten Hand erhebt sich der Jaromarsturm aus dem Jahre 1260. Die Straße erweitert sich etwas zum Markt, auf dem der Pranger (der Schandpfahl), steht. Geradeaus geht die Barther Straße zum Barther Tor. Vom Markt biegt die Stralsunder Straße ab, die mit dem Stralsunder Tor abschließt. Übertrieben breit ist sie ja gezeichnet. Parallel zur Heerstraße zieht sich die „Achter­straße“ in ihrem westlichen Teil hin. Sie ist schon 1540 im Stadtbuch beurkundet. Am Markt erblickt man das Rathaus, dahinter ‑ schon außerhalb der Stadt ‑ die turmlose Kirche, weiter im Hintergrunde den Mühlenberg mit der Bockmühle, die Vogelstange auf dem Papageienberg, das Hohe Gericht (den Galgen). Auf der linken Seite sehen wir das Schloß Pütnitz, am Graben die Wassermühle.

Zu diesem Bild paßt die Beschreibung, die der Bürgermeister von Damgarten 1696 bei der schwedischcn Landvermessung ein­reichte. „Wenn man von Damgarten nach Saal reist, liegt zur linken Hand der Papageyenberg, wo man von alters nach dem Vogel geschossen hat, weiterhin das Gericht (der Galgen), dahinter der Hoheberg, dann das Kuh Soll, über den Bach führt die Kuh­brücke, dahinter liegt das Damgarter Eichenhöltzgen.“

Dr. Anklam fand im Damgartner Stadtbuch als älteste Erwähnung der Schützenzunft eine Eintragung aus dem Jahre 1562. Es wurde nach dem Vogel, den man überall den „Papagey“ nannte, geschossen. Der Berg, auf dem die Vogelstange aufgestellt war, hieß der „Papageyenberg“, welches Wort später als „Pagion“- oder „Pavillonberg“ auftauchte.

Damgarten erlebte im 17. Jahrhundert seine schwerste Zeit

Nach dem großen Stadtbrande von 1571 erstand Damgarten neu und hatte noch einige ruhige Jahre bis in die erste Zeit des Dreißig­jährigen Krieges hinein. Bogislav XIV., der letzte Pommernherzog, wollte neutral bleiben und sein Land dadurch vor der Kriegsgeißel bewahren. Dieser schwache und kranke Mann, der es liebte, gemächlich sein Bier zu trinken und zu jagen, war kein Mann der Tat, kein Realpolitiker. Da der Kaiser ihn wegen seiner Neutralität lobte, dachte er auch gar nicht daran, ein schlagkräftiges Heer zu organisieren, um seine Neutralität verteidigen zu können. Auf den Landtagen parlierte man über das Verteidigungswerk. Nach Besichtigung der Recknitz‑Grenze entschloß man sich auch dazu, Wälle und Schanzen zu bauen. Stadt- und Amtsbauern und ritter­schaftliche Bauern wurden zu den Pässen von Damgarten und Tribsees bestellt. Die Barther Stadtbauern kamen nicht selbst, sondern schickten Einlieger für diese Arbeit. Stralsund und Greifs­wald richteten sich für die eigene Verteidigung ein. Mit Mühe und Not schickten sie 90 Mann zur Besetzung an den Damgartener Paß. Angeworbene Söldner liefen auseinander, weil sie keinen Sold erhielten. Es war eine große Unordnung. Eine lächerliche kleine Macht von 600 Mann Fußvolk und 150 Reitern hielt Wache an der Grenze. Auf der andern Seite der Recknitz standen 1627 Wallen­steins Heere unter der Führung des märkischen Heerführers von Arnim bereit, unser Land zu besetzen. Wallenstein hatte sich wohl ausgerechnet, daß seine Truppen sein vom Kaiser erkauftes meck­lenburgisches Land in kurzer Zeit aussaugen würden. Warum sollte da nicht Pommern mit Soldaten belegt werden? Weiter spekulierte er darauf, auch Pommern zu erwerben. Aus Furcht vor einem Angriff der Dänen und Schweden vom Meer aus wollte er über die pommerschen Seehäfen verfügen. Kluge Räte warnten Bogislav, im Herbst 1637 nach Franzburg zu einer Besprechung zu reisen. Unter dem starken Druck der Kaiserlichen schloß der Herzog die Kapitulation von Franzburg ab, die so verhängnisvoll für das Land werden mußte. Acht Regi­menter sollten für vier Monate einquartiert werden. Im Laufe der Zeit wurden es zwölf Regimenter Fußvolk und acht Regimenter Reiterei, zusammen 40 000 Mann. Sie blieben drei, an manchen Stellen sogar vier Jahre. Wie dieses Land in gemeiner Weise von einer zügellosen Soldateska ausgepumpt, ausgeraubt und geplün­dert wurde, sagt am besten Herzog Bogislav selbst, der für seine unterdrückten Bewohner eintrat: „Wilde Tiere kann man durch Speisen und Ernähren täglich zähmen und sanftmütiger machen, während dieser Leute Wüten und Toben bei dem gehabten Unterhalt so weit überhand genommen hat, daß sie darüber ihre Ernährer gefressen, verzehret, und zunichte gemacht.“

Sofort nach der Franzburger Kapitulation zogen die Wallen­steinschen von Ribnitz durch Damgarten nach Pommern ein. Ent­sprechend der Truppenzahl kann man damit rechnen, daß die Stadt eine Einquartierung von etwa 300 Mann hatte. Offiziere und Mannschaften kamen in ein neutrales Land, kein feindliches Land. Die Einwohner empfingen sie freundlich, um mit ihnen gut auszu­kommen. Die Offiziere wurden aber immer anspruchsvoller in ihrer Verpflegung, und die gemeinen Soldaten machten es ihnen nach. Wer trank denn von den Einheimischen schon Wein, wer brauchte zu den Speisen feine Würze, wer verschlang solche Mengen Fleisch? Unsere Damgartner waren an eine einfache Lebensweise gewöhnt. Nun mußten sie das letzte Schwein aus dem Stall hergeben und den letzten Schinken aus dem Rauch. Die Pferde fraßen das bißchen Heu und den letzten Hafer auf. Saat­korn war kaum noch vorhanden. 1628 zerstörten die Fremden das Armenhaus St. Jürgen (jetzt Wohnstätte von Senator Weidemann), plünderten die Schätze der Kirche aus. Was ihnen in die Hände fiel, versilberten sie, um Geld für das Spiel auf dem Kalbsfell zu haben. Dazu kam die Pest ins Land, die aber auch ihre Opfer aus den Kreisen der Soldaten holte. Drei Jahre dauerte diese Qual. Und als die Truppen aus dem Lande gingen, nahmen sie die kümmerlichen Reste der Einheimischen mit. „Sie sind mit Gestank aus dem Lande geschieden.“ Das war ein zeitgenössisches Wort.

1630 landete Gustav Adolf von Schweden mit einer starken Streitmacht auf Usedom, säuberte das Land von den Kaiserlichen und organisierte den Angriff auf Mecklenburg. Rechts der Reck­nitz und des Boddens lagen schwedische Regimenter und auf der andern Seite die Wallensteiner. Wie sich die Truppen gegenseitig beraubten, geht aus folgenden Beispielen hervor. Wallensteinsche Kuhdiebe (das waren die Kaiserlichen von Ribnitz) überquerten den Bodden und nahmen den Bauern von Saal und Neuendorf alles Vieh und alle Geräte fort. Schweden aus Barth überfielen ihre Feinde in Marlow und stahlen 400 Haupt Vieh. Schweden raubten aus der Schanze von Wustrow auf dem Fischland 300 Stück Großvieh, die Pferde nicht mit eingerechnet. Was sie eroberten, brauchten sie nicht für die Ernährung des Kriegsvolkes, sondern sie verkauften es spottbillig in Stralsund, um Trink- und Spielgeld in der Hand zu haben.

Gustav Adolf besetzte in der zweiten Septemberhälfte 1630 die Gegend von Damgarten, eroberte den festen Turm, den die Kaiserlichen als Vorfestung besetzt hatten, nahm das Lager auf der andern Recknitzseite und rückte auf Ribnitz vor, das Kroaten hartnäckig verteidigten. Spät am Abend zog der Schwedenkönig in Ribnitz ein. Da er nicht genügend Streitkräfte hier zur Verfügung hatte, ging er nach einigen Wochen nach Stralsund zurück. 1637 waren die Kaiserlichen wieder in unserer Gegend und hausten schlimmer als in den Jahren 1627‑1630. Sie mußten abrücken, weil sich die Truppen nicht mehr aus dem Lande ernähren konnten. Unsere Stadt und mit ihr Pommern wurden wieder von den Schweden besetzt, die in dem Land, das sie schon als ihr Eigentum betrachteten, ebenso schlimm hausten wie die Kaiserlichen. Der Volksmund brachte dies treffend in dem folgenden Spruch zum Ausdruck:

Der Schwede ist kommen, hat alles weggenommen,
Hat alles weggetragen, hat Fenster zerschlagen,
Hat’s Blei ausgegraben, hat Kugeln draus gegossen,
Hat alles verschossen.

Und nun kam es in Münster und Osnabrück zu dem großen Feilschen um das Land. Generale und Räte saßen über der Lubin­schen Karte von Pommern und verhandelten darüber, was Bran­denburg und Schweden bekommen sollten. Schweden erhielt Vorpommern mit Rügen und dazu einen schmalen Streifen rechts der Oder; Brandenburg, das nach dem Erbvertrag schon 1637 nach dem Tode des letzten Pommernherzogs das ganze Pommern beanspruchte, wurde mit Hinterpommern abgespeist. Damgarten war nun offiziell schwedische Stadt. Seine Schwedenzeit begann aber schon 1630. Schweden hatte die Reichsstandschaft erworben, und so verblieb Vorpommern im Verbande des deutschen Reiches. Die Regierung lag aber in den Händen der Schweden.

Die Bindung zu Schweden führte dazu, daß Damgarten auch die Leiden und Lasten der nächsten .Kriege des 17. Jahrhunderts erdulden mußte. Der Kaiserliche Krieg von 1659‑1660 spielte sich auch in unserer Gegend ab. Das Dorf Trinwillershagen wurde ruiniert. Der Kurfürst von Brandenburg als Gegner des Königs Karl X. Gustav von Schweden griff Vorpommern von Mecklen­burg aus an, und da mußte Damgarten als Einfallstor wieder her­halten. Der Kurfürst hatte im Oktober 1659 sein Hauptquartier in Barth. Es folgte dann der Brandenburgisch‑Schwedische Krieg von 1674 bis 1679. Brandenburgische Truppen trieben die bei Fehrbellin geschlagenen Schweden nach Vorpommern zurück, wo diese wie Feinde in ihrer eigenen Provinz wüteten und plünderten. Am 6. Oktober 1675 eroberte der Dänenkönig Christian V. Dam­garten. Diese Kriegshandlung ist auf einem Gobelin dargestellt, der im Schloß Rosenborg in Kopenhagen hängt. Das Jahr 1678 wurde verhängnisvoll. Der brandenburgische Kurfürst belagerte im Herbst Stralsund. Nach tapferer Verteidigung mußte der schwedi­sche Kommandant von Damgarten kurz vor der Einnahme Stralsunds kapitulieren. Von Damgarten blieb ein Schutthaufen übrig. Drei Hüttlein standen noch. Der Rat bat um Hilfe, und die schwedische Regierung unterstützte die Stadt beim Aufbau.

Der Zustand Damgartens nach der schwedischen Landvermessung im Jahre 1696

In den Jahren 1692‑1698 ließ die schwedische Regierung durch ihre Landmesser Vorpommern vermessen. In dieser Zeit entstanden etwa 900 farbige Dorfkarten mit Ausrechnungs­büchern, die sogenannten schwedischen Matrikelkarten. Der Greifswalder Professor Dr. F. Curschmann ließ die Dorf­beschreibungen vom Amt Barth, vom Barther und Stralsunder Distrikt, vom Amt Franzburg aus dem Mittelschwedischen ins Deutsche übertragen, sie erschienen in einem starken Band von 662 Seiten im Verlag Carl Hinstorff Rostock. So ist es jedem Bewohner dieser Gebiete möglich sich über sein Dorf aus der Zeit um 1700 zu orientieren. Die Mittelschule Damgarten besitzt eine farbige Kopie von Damgarten und Plummendorf aus dem Jahre 1696, angefertigt nach dem Original im Geographischen Institut in Greifswald. Die Karten wurden im Maßstab 1:8333,3 gezeichnet. Etwa 117 Kartenblätter, die in dem oben erwähnten Band beschrieben sind, wurden verkleinert und im Maßstab 1:50 000 auf vier Einzelblätter gebracht. Selbstverständlich fielen dabei so manche Einzelheiten fort.

Wir Damgartner lesen auf den Seiten 85‑90 nach, wie es damals in unserer Stadt ausgesehen hat. Bürgermeister und Rat zu Dam­garten bearbeiteten 24 Fragen, die, ausführlich beantwortet, eine aufschlußreiche Stadtbeschreibung ergeben.

Der Landmesser fand einen durch den großen Brand von 1695 stark zerstörten Ort vor. Im letzten Krieg (1674‑1679) wurde Damgarten total verwüstet, „daß kaum drei Hüttlein übrig geblieben sind“.

Nun waren die Einwohner wieder fleißig beim Aufbau ihrer Häuser. Im Orte lebten 44 Bürger und Einwohner, die in der Liste nach vollen, nach halben Erben und nach Büdnern aufgeführt sind. Zur Erklärung für das Wort „Erbe“ ziehen wir die Viehord­nung von 1776 heran, die regelte, wieviel Vieh jeder nach seinem Erbenstand auf die allgemeine Stadtweide treiben durfte. Ein viertel Erbe, das werden die Büdner von 1696 gewesen sein, hatte weniger als 4 Morgen unter Kultur. Demnach würde ein halbes Erbe 8 Morgen und ein volles Erbe 16 Morgen haben. Einer, der ein ganzes Erbe besaß, wird Ackerbürger gewesen sein, wie man die Bauern der Stadt nannte.

Bei der Zahl von 44 Bürgern und Einwohnern handelte es sich nach einem Ausdruck von heute nur um die Haushaltungsvor­stände. Rechnet man auf jede Familie durchschnittlich fünf Personen, hatte das Städtchen etwa 220 Einwohner. Dem Beruf nach gehörten zu den vollen Erben 11 Ackerbürger, 2 Brauer, 2 Bäcker, 1 Schlachter, 1 Gewürzwarenhändler. Zu den halben Erben: 2 Radmacher, 1 Leineweber. Zu den Büdnern: 1 Tischler, 2 Schuster, 2 Zimmerleute, 1 Leineweber, 1 Böttcher, 2 Schneider, 1 Schrnied. 5 hatten ein kleines Ackerwerk, 6 arbeiteten im Tagelohn.

Punkt 4 lautet: „Das Städtlein hat keine Güter, von denen es etwas nehmen kann, auch keine Mittel, Processe zu führen. Daher hat vor dem letzten Kriege (1674‑1679) der seel. Obrist Claus Ulrich von Schwerin auf Pütnitz den Acker um den Mühlberg an sich gezogen und das gesäte Korn der Damgartener zertreten lassen.“

Die Stadt hatte nur wenig eigenes Land, die Kirche besaß dagegen 228 Morgen. Die Bürger nannten nicht ganz 100 Morgen ihr Eigentum. Infolge der schweren Kriegsereignisse mußten der Rat und die Bürger in Notzeiten Acker verpfänden oder verkaufen. Verpfändetes Land konnte aber nicht mehr eingelöst werden. So waren benachbarte Kirchen und Privatpersonen aus Rügen, Stral­sund und Barth Besitzer von Damgartner Land. Der kaltgründige Boden trug selten das 3. und 4. Korn; oft bekam man kaum die Aussaat wieder. Das Vieh wurde auf den Brachen und auf den sehr feuchten Recknitzwiesen geweidet. Oft mußte das Vieh auf fremde Weide gegeben werden, und Heu kauften die Ackerbürger für Pferde und Ochsen von außerhalb.

Im Norden der Feldflur besaß die Stadt einen umfangreichen Wald von 183 Morgen 30 Ruten mit Eichen, Buchen, Haseln, Birken, Quitschen, Ellern und Weiden. Ein Holzwärter beauf­sichtigte das Damgartner Holz; es gab genug Holz- und Wilddiebe. Da die Stadt öfter zerstört worden war, hatte man viel Holz für den Aufbau verbraucht. Um Schulden bezahlen zu können, hatte die Stadt Bäume schlagen lassen. Bei der schlechten Hölzung war kein Hochwild vorhanden; der Krieg hatte das kleine Wild verjagt.

Die Stadt hatte trotz ihrer Lage in der Nähe des Wassers unter den Einwohnern keinen Fischer. Was Jaromar den Damgartenern versprochen, stand geduldig auf dem Papier. Die Ribnitzer bean­spruchten den Ribnitzer See für sich. Nur auf der Recknitz fisch­ten die Bürger der beiden Städte in Gemeinschaft mit Pütnitz Brassen. Kohlgärten und Leinparzellen besaß fast jeder Bürger. Die meisten Bürger behalfen sich wegen ihrer Armut meist ohne Dienstboten. Interessant ist eine Nachricht über das Prahmen von Holz auf der Recknitz bis nach Sülze. Die Saline in Sülze verbrauchte viel Holz für die Salzpfannen. Da die Sülzer Wälder schon stark ausgehauen waren, holte man aus dem herzoglichen Amt Ribnitz seit 1692 Holz herbei.

Alte Urkunden im Damgartener Kirchturmknopf

Die Urkunde von 1723

1723 erhielt die bis dahin turmlose Kirche einen Turm mit kupfernem Wetterhahn, Knopf und Stern. Wie üblich, legte man in den Knopf eine kupferne Dose mit einer Urkunde. 1768 warf ein heftiger Sturm den Wetterhahn mit dem Knopf zur Erde. Im Knopf entdeckte man die Urkunde von 1723, die Dr. Anklam in einem Aktenstück von 1768 fand. Diese Quelle kann uns mancherlei von Damgarten kurz nach dem Nordischen Kriege erzählen.

„Als das arme Land nach den schweren Kriegesläuften, davon es Anno 1711, 1712, 1713 und 1715 von Russischen, Polnischen, Sächsischen und Preußischen Armeen gedränget, eingenommen, überschwemmt, geplündert, verheert und zertheilt worden, endlich was der Theil diesseits der Peene betrifft, durch Gottes Gnade wieder unter Königl. Schwedischer gnädigen Protektion und einigermaßen zur Ruhe gekommen, hat der hochwohlgeborene Herr Obrister Adam Wilhelm von Pfüellen als Patronus der Kirche zu Damgarten aus angebohrener Liebe zu dem Gottes­hause besorget, daß sowohl zur Vergrößerung ‑ mehr aber zur Verstärkung der Kirche und conservation (Erhaltung) der Glocken, so in einem elenden Stuhl sich befunden, dieser Turm, da wohl niemals einer gewesen, erbauet worden. Zu dieser Zeit ist in Damgarten Bürgermeister gewesen Herr Christian Wilhelm Wree, im Raht aber haben gesessen Herr Hans Lübcke und Herr Paul Rockstroh, weil übrige verstorben. Provisores der Kirche sind gewesen von Stadtseiten Herr Christoph Jakobs, Herr Hans Fischer, und von Landseiten Claus Holtz, welche viele Mühe bei diesem Bau gehabt. In der Kirche haben sonst gedienet noch H. Christian Schwartze als Kantor, H. Johann Christoph Fiedler als Organist und Hans Petersen als Küster. Der Baumeister des Turms war der Stadtzimmermeister aus Anklam, namens Hans Jacob Schwartzenhauer, ein Thüringer von Geburt. In diesem Jahr hat das Korn gegolten, wie folgt: der Scheffel Weitzen 30 Lß, der Recken 18 Lß, die Erbsen l6 ß, die Gerste 12 ß und der Haber 8 ß. Im Lande galten allerley Müntze. . . .“) (Lß bedeutet soviel wie Lübscher Schilling und ß Sundischer Schilling. Der Lübsche Schilling war doppelt so viel wert wie der Sundische Schilling.)

Als Patron wurde nicht ein Dechow genannt, sondern ein Vertreter aus dem Geschlecht derer von Pfüellen. 1611 hatten die Dechows Pütnitz verpfändet. Die Damgartener Kirche hatte bis 1723 keinen Turm. Die Glocken, die bis dahin in einem elenden Gestell hingen, wurden im neuen, im Fachwerkstil gebauten Turm untergebracht. Die ältere Glocke stammte aus dem Jahre 1457, die andere aus dem Jahre 1601. Die Provisores waren die Kirchen­vorsteher, vom Rat der Stadt erwählte Männer, meist zwei von der Stadt und zwei vom Lande, die die Kirchenmittel und Grund­stücke verwalteten. Der als Kantor erwähnte H. Ch. Schwartze war lange Zeit Rektor der Stadtschule. Bemerkenswert für die Rangein­stufung der damaligen Zeit war es, daß die Personen vom Pütnit­zer Patron bis zum Damgartener Provisor als Herren bezeichnet werden, die anderen Personen nennt der Pastor nur mit dem Familiennamen.

Bei den im Eingang der Urkunde erwähnten Kriegsjahren, die Damgarten und Ribnitz viel Leid brachten, handelt es sich um solche aus dem Nordischen Krieg, der von 1700 bis 1721 dauerte. Der Damgartener Pastor Martin Cornelius Frantzen trug in das Tauf- und Traubuch, seiner Kirche folgendes ein: „Am 29. August 1711 sind wir leider durch die feindliche Invasion ausgeplündert und verjagt worden, daher etliche Kinder in Mecklenburg getauft und teils begraben worden.“ Es ist nur eine kurze Notiz; aber sie läßt erkennen, welche schweren Wunden dieser Krieg der Stadt geschlagen. Dazu kam noch, daß die Einwohner schlimme Pestjahre hinter sich hatten. Es wird empfohlen, in Kühls Geschichte der Stadt und des Klosters Ribnitz auf den Seiten 403 bis 407 aus dem Tagebuch des Bürgermeisters David Hinrichs über die Jahre von 1711 bis 1715 zu lesen. 30 000 Dänen marschierten über den Paß durch Damgarten auf Stralsund zu. Am 2. November 1712 lag die ganze schwedische Armee vor Damgarten, um die schwerbefestigten Stellungen der Sachsen auf der Ribnitzer Seite zu nehmen. Ein Bericht erzählt sehr ausführlich, wie die Schweden bei Plummen­dorf durch das sumpfige und morastige Recknitztal in dem Feuer der sächsischen Reiter eine Brücke bauten. Die Verbündeten waren aber rechtzeitig geflohen, so daß die schwedische Armee auf dem bequemeren Weg über die Paßbrücke nach Mecklenburg einmarschierte. Im März 1715 zogen Carls XII. Truppen vom Balkan heran, teils über den Paß von Tribsees, teils über den Damgartener Paß auf Stralsund zu.

Die Ribnitzer und Damgartener wohnten an der Hauptheer straße. Das ganze Kriegselend spürten sie besonders hart. Die fremden Soldaten verschleppten die Pest in die Orte; eine zügel­lose Soldateska quartierte sich ein, verproviantierte sich, raubte, plünderte. Dazu vernichtete eine böse Seuche 1713 die Viehbe­stände der Bevölkerung. Ribnitz verlor in dem Jahr 400 Haupt Rindvieh. Das Tagebuch von Hinrichs nennt die Kornpreise aus dem Jahre 1715: „Es galt der Scheffel Rocken 1 Rthlr. 12 Schill., der Garsten 1 Rthlr., der Haber 32 Schill., Erbsen und Bohnen 1 Rthlr.“ Damit vergleiche man die Friedenspreise von 1723 in der Damgartener Urkunde. 1720 erwarb Preußen gegen Zahlung von zwei Millionen Talern Vorpommern bis zur Peene. Das Land nördlich der Peene blieb bei Schweden.

Die Urkunde von 1768

Als in diesem Jahre der abgestürzte Wetterhahn wieder aufge­setzt wurde, legte man in den Knopf eine neue Urkunde, die man 1812 entdeckte. Sie lautet so: „Am 11. August 1768 wurde der vom Sturm herabgeworfene Wetterhahn und der Knopf wieder auf dem Kirchturm befestigt. Der damalige Kirchenpatron war Herr Friedrich von Dechow, Erblehns- und Gerichtsherr auf Pütnitz, Beiershagen, Steinort und Wendorf, und dessen Gemahlin war eine geborene von Pfüel. Der Bürgermeister von Damgarten war Johann Gerresheim, die Ratsherren hießen Range, Giese, Behnke, der Sekretarius Jordan. Der Pastor war M. Joh. Heinrich Lockervitz, der Rektor Passow, der Kantor Georg Krüger, der Küster Gotthilf Kaysel, der Organist Caspar Peters, der Kirchendiener und Totengräber Schult.

Kornpreise sind 1768 gewesen: Waitzen 1 Thl. 16 Groschen, Rocken 32 Groschen, Gerste 24 Groschen, Hafer 20 Groschen. Gangbare Münzen sind nach dem Leipziger Fuß geschlagene Zweygroschenstücken und als Königl. Schwed. Pomm. Landes­münze geprägte Groschen, Schillinge und 3-Pf.-Stücke.“

Pütnitz hatten nun wieder die Dechows. Das Personenregister vom Erblehnsherrn bis zum Totengräber stellt die wichtigsten Amtspersonen von Damgarten vor. Neben dem Bürgermeister amtierten vier Ratsherrn, 1723 nur zwei. Das kam durch den Rezeß von 1736. Danach mußte der jüngste der Ratsherrn Stadt­schreiber sein und mit gerichtlichen Sachen Bescheid wissen, um nicht aus Ribnitz Hilfe holen zu müssen. Dr. Anklam bemerkt dazu. „Vorbildliches Selbstbewußtsein der Väter!“ Passow war der einzige Lehrer an der Stadtschule mit dem Titel Rektor. Es wundert mich, daß der Verfasser der Urkunde nichts von dem Elend schreibt, das durch den Siebenjährigen Krieg über die Stadt kam. In den fünf Jahren nach dem Frieden von Huber­tusburg bauten die Damgartener ihren Ort wieder auf.

In einer kurzen Darstellung will ich zeigen, wie auch durch diesen Krieg friedliche Menschen in schwere Not kamen. Um Pommern zurückzugewinnen, schlossen sich die Schweden den Feinden Preußens an, obwohl sie wenig günstige Aussichten hatten. Sie brachten mit ihrer kümmerlich ausgerüsteten und schlecht verpflegten Armee den Verbündeten nur eine geringe Hilfe. Die Bevölkerung von Vorpommern und Rügen stand gegen dieses Unternehmen, da sie ja die Einquartierungslasten und außerordentlichen Abgaben genügend kannte. Des Volkes Stimme richtete sich gegen diesen Eroberungskrieg. Den König inter­essierte nicht die Mißstimmung, auch nicht der Widerstand der Stände; er machte 16 000 Mann in Vorpommern mobil. Friedrichs II. Truppen sogen Mecklenburg aus, Kriegsgelder, Lieferungen an Vieh, Pferden, Heu, Stroh und Hafer u. a. mußten aufgebracht werden. Preußische Werber suchten Rekruten. Die Ribnitzer Chroniken können uns viel davon erzählen. Auf der Damgartener Seite verstärkten und sicherten Schweden die Grenze. In Krambeer „Stadt Ribnitz in Vergangenheit und Gegenwart“ steht folgender Bericht: „Unser Rat (Ribnitz) meldete denn am 10. Dez. 1758: Zu den bereits in Damgarten unter Befehl des Kapitäns Rathke liegenden 60 Schweden sind am 8. Dez. noch 160 hinzuge­kommen. Auch eine sechspfündige Kanone ist herangeholt. Gestern haben 40 Damgartener Bürger an der alten Schanze, welche 1711 von den Schweden wider die Dänen errichtet wurde, zu arbeiten begonnen, und heute haben über 80 Mann die Arbeit fortgesetzt. Heute hat man auch auf 14 Wagen Dach- und Mauer­steine angefahren, um auf der Schanze ein Wachhaus zu errichten. Da man keine Steine hatte, hat man einem Damgartner Bürger das Haus abgekauft und niedergerissen. Der Damgartener Bürger­meister Gerresheim hat es auch versucht, von Ribnitzer Kauf­leuten Baumaterial zu erwerben.

Doch auch die Preußen ließen von sich hören. Am 28. Dez. 1758 rückten vier Abteilungen „mit der ganzen schweren Artillerie“ in Ribnitz ein und blieben bis zum 1. Januar 1759, und dann kam das ganze Dohnasche Regiment. Alles war bereit, den Übergang über die Recknitz zu erkämpfen. Die schwere Artillerie beschoß die Neue Schanze, den Turm und die Stadt. Die vorsich­tigen Einwohner flohen dem Walde zu. Wer zurückblieb, wartete bange Stunden im Keller ab. Die Bürger waren froh, als die Schwe­den die Flucht ergriffen. Nun hörte die Kanonade der Preußen auf. Generalleutnant von Dohna zog in die stark zerschossene Stadt ein und blieb bis zum 3. Januar. Dann marschierte die Armee über Richtenberg ab. Was die Ribnitzer durchgemacht hatten, erlebten nun auch die Damgartner und die Bewohner von Schwedisch-Pommern. Rücksichtslos wurde requiriert und geplün­dert. Wer sich von den jungen Leuten nicht rechtzeitig verstecken konnte, bekam die preußische Uniform. Dr. Anklam berichtet aus dieser Zeit: „Die Stadtfinanzen (von Damgarten) waren so wenig günstige, daß zweimal in den Jahren 1757/1758 Bürgermeister Gerresheim persönlich der Stadt förmlich ein Darlehen von je 50 Talern auf Schuldschein geben mußte.“

Damgarten im Jahre 1795

Der Berliner Ober‑Konsistorialrat und Probst Johann Friedrich Zöllner bereiste 1795 Pommern, Insel Rügen und einen Teil von Mecklenburg. Am 14. August 1795 fuhr er von Barth über Kenz nach Damgarten. Besonders lobte er die Eichenwälder, die er unterwegs antraf. Wie er über Damgarten urteilte, können wir in seinem Buch „Reise durch Pommern nach der Insel Rügen und einem Teile des Herzogtums Mecklenburg im Jahre 1795“ (erschienen 1797 bei Friedrich Maurer, Berlin) nachlesen.

Auf Seite 380/381 heißt es: „Dies Damgarten ist ein unan­sehnliches Örtchen. Mitten in der Stadt sieht man noch Häuser mit Strohdächern, ja wohl ohne Schornsteine. Auf den Straßen wächst Gras, obgleich nicht so reichlich wie in ......., wo ein Fremder dem Steuerrath, der über Mangel an Cämmerei‑Einkünften klagte, den Rat gab, die Gemeinhütung auf den Straßen an den Meistbietenden zu verpachten. Schuhmacher und Weber sind die zahlreichsten Handwerksleute. Unter den letzteren sind Dammastweber, die aber bloß auf Bestellung arbeiten. Die Zahl der Häuser beläuft sich auf 123, Einwohner sind im Orte 652; daß der Ackerbau einen hauptsächlichen Nahrungszweig ausmacht, würde man bloß aus der Art, wie die Straßen verunsäubert sind, schließen können.

Als Jaromar II. das ehemalige Dorf Damgor in eine Stadt verwandelte, hatte er die Absicht, eine Gränzvestung gegen Mecklenburg daraus zu machen; und die Nähe des Meerbusens würde ihr Gelegenheit zu einem blühenden Handel geben können. Aber es blieb immer bei der Möglichkeit, etwas aus dem Städtchen zu machen, und nun kann es desto schwerer von seiner Lage Vortheil ziehn, da die Mecklenburger die Herrschaft über das Wasser ausüben. Um Herrn Pastor Collasius zu sehn, werden wir morgen noch ein paar Frühstunden hier zubringen; sonst ist nichts, was uns reizen könnte, hier mehr zu thun, als zu schlafen!“

Der weitgereiste Probst Zöllner fällte ein hartes Urteil über Damgarten, wie es an keiner anderen Stelle seines Buches vor­kommt. Nun noch ein Wort zu den Strohdächern und schorn­steinlosen Häusern von 1795. Der Stadtrezeß von 1736 wies schon darauf hin, die Häuser feuerfest zu machen. Man solle die Stroh­dächer abschaffen und die Scheunen vor die Stadt verlegen. Die Feuerordnung von 1779 (16 Jahre vor Zöllners Besuch) verlangte, daß die feuergefährlichen Strohdächer in Steindächer umzuwan­deln seien und daß alle Häuser, die Schornsteine tragen können, solche erhalten sollen. Dr. Anklam führt dazu aus, daß die neue Polizeiordnung sich nicht so schnell durchsetzen konnte. Es gab in Damgarten noch 1838 vier Wohnhäuser und 1886 13 Scheunen mit Strohdeckung.

Ein Konflikt mit dem schwedischen König und seine Folgen

Gustav Adolf IV. verlangte 1806 die Einrichtung einer schwedisch‑pommerschen Landwehr. Das war ein Befehl, dem keine Beratung mit den Ständen vorausgegangen war; die Stände lehnten die Aufforderung ab. Vergeblich bemühte sich die Regierung zu Stralsund, in dieser Sache zu vermitteln.

Sie wurde kurzerhand aufgelöst. Es folgte die Einführung der schwedischen Staatsverfassung. Damit war eine Änderung der Landeseinteilung verbunden. An Stelle der alten Distrikte traten nun vier Ämter oder „haerade“: Franzburg, Grimmen, Greifswald und Bergen. Damgarten gehörte zum Amt Franzburg. Vom 4. bis 8. August 1806 fand die Huldigung auf dem pommerschen Land­tag in Greifswald statt. Schiffszimmermeister Johann Daniel Dierling leistete den Eid für seine Stadt. Die neuen Maßnahmen konnten sich aber nicht auswirken, da von 1807 bis 1810 die Fran­zosen im Lande bestimmten. Das Amt Franzburg, später Kreis Franzburg und dann Franzburg‑Barth, bestand von 1806 bis 1946.

Da es in Schweden seit jeher keine Leibeigenen gab, fiel mit der Einführung der neuen Verfassung die Leibeigenschaft in Schwedisch‑Pommern fort. Am 4. Juli 1806 erließ Gustav Adolf IV. die Verordnung wegen Aufhebung der Leibeigenschaft in seinen deutschen Staaten. Das Buch von Ernst Moritz Arndt „Versuch einer Geschichte der Leibeigenschaft in Pommern und Rügen“ hatte den König so beeindruckt, daß er die Klagen der vorpommerschen Junker gegen den Anwalt der unterdrückten Bauern ablehnte.

In rücksichtsloser Weise hatten die Feudalherren, die Königlichen Ämter, die Städte und Universitäten ihre Bauern, besonders im 18. Jahrhundert, gelegt, Vorwerke geschaffen und auf Kosten der Bauern ihre Güter vergrößert. Als Beispiel sei das Bauerndorf Saal angeführt. Im Jahre 1769, also 37 Jahre vor der Aufhebung der Leibeigenschaft, wurden die Saaler Kronbauern, die bis dahin nur ein Dienstgeld an das Barther Amt zahlten, Dienstbauern der neu gegründeten Domäne Saal. Ein großes Unrecht machte die Verordnung wieder gut. Für Damgarten wirkte sich des Königs Verfügung über die Aufhebung der Leibeigenschaft nicht aus, da die Bürger frei waren und die Stadt keine Güter mit Gutsuntertänigen besaß. Aber die Bauern und Unfreien auf den umliegenden Gütern atmeten auf. Nach der Statistik von Gade­busch lebten 1783 im Kirchspiel Damgarten‑Land außer 95 freien noch 168 leibeigene Personen.

Aus der Franzosenzeit

Gustav Adolf IV. von Schweden schloß im Jahre 1805 mit Rußland ein Bündnis gegen Napoleon. Dadurch wurde auch Schwedisch‑Pommern 1807 in den Krieg gegen Frankreich ver­wickelt. Wenn in dieser Zeit Damgarten auch nicht zerstört und geplündert wurde, waren die Lasten durch die Einquartierung, die hohen Kriegskontributionen, die Fouragegelder und Marsch­gebühren, die militärischen Lieferungen sehr hart. Die Franzosen trieben ihre Forderungen mit aller Schärfe ein. Bis 1813 hatte die kleine Stadt 7850 Taler an Kriegskontributionen und 14 500 Taler an Kriegsaufwendung zu zahlen, nach dem Geldwert von damals eine sehr hohe Summe.

Im großen und ganzen kam die Bevölkerung mit der Einquartierung leidlich aus. Die Einheimischen ließen sich auch nicht quälen und bedrängen; sie machten den Fremden manchen Schabernack. Kapitän Dade in Wustrow bewirtete die Soldaten und Zöllner mit Grog aus „Köm“, während die jungen Burschen von den Schiffen vor der Küste des Fischlandes Schmuggelwaren abholten. Erwin Scheel erzählt in dem Heimatheft des Kreises Ribnitz‑Damgarten, Nr. 3, folgende Geschichte aus der Franzo­senzeit: „Von einem alten Mütterchen, Ihns Miene wurde sie genannt, ist mündlich überliefert, daß ein Franzose, einen guten Trunk vor ihr fordernd, nicht gerade fürstlich bedient wurde. Sie selbst schilderte den Vorgang so: Ick sedte em dei schöne säude suhre Boddermelk vör, dei kuhm acht Dag olt wier. Do sähr hei tau mi, dat wier wat vör dei Soegen. Herr Weidemann in Dam­garten erzählt von dem Franzosen, der gern gebratenen Aal essen wollte. Er verlangte „Bruzzlie, Bruzzlie.“

Als man 1812 am Kirchturm eine umfangreiche Reparatur vornehmen mußte, wurde auch die vom Sturm verbogene Stange mit Wetterhahn, Knopf und Stern abgenommen. In den Knopf legte Pastor Carl Friedrich Cölestin folgende Urkunde ein. Sie ist eine wichtige zeitgenössische Quelle für die Erlebnisse der Bewohner von 1807 bis 1812: „Patronus ist nebst Sr. Königl. Majestät von Schweden der zukünftige Besitzer von Pütnitz entweder der Herr von Rekrodt oder der Herr Ernst von Zanthier. Eingepfarrte sind die Stadt Damgarten mit etwa 130 Häusern und 800 Einwohnern, die Güter Pütnitz mit der Meyerei, Henningsberg, das das ehemalige Steinort in sich begreift, Wendorf, das Gut Beyershagen Herrn von Usedom gehörig, das adliche Beyershagen und Plummendorf. Die Landgemeinde faßt ungefähr 350 Seelen.

Am 28. Januar 1807 rückten Kaiserl. französische Truppen in Schwedisch‑Pommern zur Belagerung von Stralsund ein, wurden aber am 1. April des Jahres durch den Königl. Generalgouverneur Grafen von Essen wieder über die Grenze geschlagen. Hierauf wurde ein Waffenstillstand geschlossen, der von Gustav Adolf, damaligem König von Schweden, gekündigt, am 13. Juli desselben Jahres einen neuen Einfall der französischen Truppen zur Folge hatte, deren größter Teil nach einem Scharmützel mit schwedi­schen Truppen bei der Paßbrücke durch diese Stadt zog und seine Lebensmittel von den Einwohnern requirierte.

Als die Damgartener die Brücke abbrechen wollten, wurde einer von ihnen erschossen, ein anderer lebensgefährlich verwundet. Die schwedischen Truppen sollen 24 000 Mann stark gewesen sein. Am 24. Mai 1809 rückte der Königl. Preuß. Major von Schill, der ein Freikorps errichtet hatte, nach einem mit mecklenburgischen Truppen, die namens Frankreichs das Land besetzt hatten, gleichfalls bei der Paßbrücke gehabten Scharmützel über Damgarten in Pommern ein, wurde aber am 31. desselben Monats von ihn verfolgenden dänischen und holländischen Truppen aufs Haupt geschlagen, wie die Sage geht, getötet und das Land aufs neue den Franzosen unterworfen.

Der Friedensschluß am 6. Januar 1810 gab Pommern an Schweden zurück. Am Ende des Märzmonats wurde es von fremden Truppen geräumt und am 1. April das Friedensfest unter frohem Jubel der Landeskinder gefeiert. Am 29. Januar 1812 war die beinahe zweijährig glückliche Ruhe Pommerns dahin. Es marschierten aufs neue französische Truppen durch diese Stadt ins Land, um wie es hieß, als Schweden Alliierte auf ihrem Marsch nach Rußland, das sie bekriegen wollten, nur durch dasselbe den Weg zu nehmen, haben es aber noch jetzt, nachdem die schwedischen Truppen entwaffnet und nach Frankreich abgeführt sind, im Besitz, obgleich es fortdauernd eine schwedische Provinz heißt, und eine schwedische Regierung hat. Es trägt zur Zeit, da es die fremden Truppen beköstigen muß, im Friede alle Lasten des Krieges, die den Einwohnern um so drückender sind, je mehr sie in den Unglücksjahren gelitten haben.

Mehr als 60 000 Mann fremder Truppen, Portugiesen, Spanier, Franzosen, Italiener, Holländer, Westfalen, Hessen, Württem­berger, Nassauer, Bayern, Badener, Mecklenburger, Preußen, Polen, Dänen sind mit Ausnahme der Russen (Kosaken) und Schweden, die als Freunde im Lande waren, im Laufe der letzten sechs Jahre durch die Stadt marschiert und zum Teil von der Gemeinde beköstigt worden.

Der Pastor allein hat, abgesehen von Geld und Naturalpräsentationen, während der beiden Landesokkupationen mehr als 200 Offiziere mit ihr Bedienungen in Quartier und Beköstigung gehabt. Der größte Teil der Gemeindemitglieder ist, obgleich die Vorsehung uns, des zweimaligen gewaltsamen Ein­marsches ungeachtet, vor Plünderung bewahrt hat, höchst dürftig und betet um Erlösung. Denn sie sind jetzt Kinder ohne Vater. Gott gebe der Menschheit bald einen allgemeinen dauerhaften Frieden und mache aller bürgerlichen Not ein Ende.“

An dem Befreiungskrieg nahmen 10 Damgartener teil. Schweden und Russen schlugen mit Preußen zusammen den ver­haßten Völkerunterdrücker aus dem Lande. Der Kronprinz Karl Johann von Schweden bekriegte nach der Leipziger Schlacht die Dänen, die 1814 im Frieden von Kiel Norwegen abgeben mußten. Dr. Anklam berichtet, daß dänische Gefangene (7 Offiziere, 32 Unteroffiziere, 2 Ärzte, 574 Gemeine) auf dem Transport durch Damgarten kamen und hier auf Anordnung der Regierung in der Kirche einquartiert wurden.

Auf dem Wiener Kongreß war es für Preußen nicht so ganz einfach, Neuvorpommern und Rügen für sich zu gewinnen. Däne­mark wurde mit dem Herzogtum Lauenburg an der Elbe und mit Geld abgefunden, Schweden erhielt 3 ½ Millionen Taler, außer­dem eine Entschädigung für die an schwedische Offiziere ver­schenkten Domänen. Im Patent vom 1. Oktober 1815 entließ Karl von Schweden seine Untertanen. Im preußischen Besitzergrei­fungspatent vom 19. September 1815 heißt es: „Wir lassen die Preußischen Adler an den Grenzen zur Bezeichnung Unserer Landesherrlichkeit aufrichten, und statt der bisher angehefteten Wappen Unser Königliches Wappen anschlagen.“ Das alte Wappen an der Recknitzbrücke wurde entfernt und dafür das neue aufgestellt. Die Damgartener waren Preußen geworden. Zur Huldigung am 16. November 1815 fuhren die Abgeordneten der Stadt in ihren bescheidenen, eigenen Wagen nach Stralsund. Die Schwedenzeit war vorbei.

Damgarten im Jahre 1858

Vom Jahre 1815 ab entwickelte sich Damgarten langsam unter der preußischen Regierung, die aber nicht so hart und scharf zupackte, wie sie es sonst gewohnt war. Die Bewohner des neuen Landesteiles behielten noch längere Zeit viele von ihren alten Vorrechten; sie waren auch sehr empfindlich, wenn die preußi­schen Beamten nicht den rechten Ton fanden. Damgarten hatte weiter die Gerichtsbarkeit und die städtische Verfassung von einst. Der Zollverein 1834 änderte nichts an der Mecklenburger Grenze, wo weiterhin Zoll erhoben wurde, da Mecklenburg dem Verein nicht beigetreten war. Die Revolution von 1848 verlief in Damgar­ten wie im Franzburger Kreise ruhig, worauf sich die Stralsunder Regierung als königstreues Organ sehr viel einbildete. „Die Stral­sunder Regierung kann daher am 14. April 1848 (Amtsblatt 1848 S. 95) die Erwartung aussprechen, daß in Anbetracht des materiellen Wohlstandes und der ruhigen verständigen Gesinnung der Bewoh­ner des Regierungsbezirks unbeschadet einzelner doch schon vorgekommener tumultuarischer Vorgänge eine tiefere Sorge um Ruhe und Sicherheit sich nicht begründen werde.“ Wer im Kreise den „materiellen Wohlstand“ besaß, war genügend bekannt. Die schmückenden Beiwörter für die Gesinnung der Bewohner gingen Grafen und Rittergutsbesitzer glatt herunter, obwohl sie wußten, daß Tagelöhner, Gutsarbeiter und manche Bauern als Abhängige des Gutsherrn wohl Grund zu revolutionären Taten hatten. Die Machthaber trafen manche Vorbereitungen gegen einen eventuellen Aufstand.

Den Damgartner Bürgermeister Sternberg löste man 1848 durch den Major Harder, also durch einen höheren Militär, ab, ließ die mit Spießen bewaffnete Bürgerwehr exerzieren und postierte auf dem benachbarten Lande Kreisschutzmänner. Eine fliegende Soldatenkolonne quartierte sich auch einmal für einige Tage in Damgarten ein. Dem Franzburger Landrat machte die aufstän­dische Nachbarschaft große Sorge. Er traf diese Anordnungen, „da in dem nahen Mecklenburg völliger Aufruhr herrsche“.

Zehn Jahre waren nach der Revolution verstrichen, und Damgarten feierte sein 600jähriges Bestehen. Ich will nun versuchen, die kleine Stadt im Jahre 1858 mit ihrem Leben und Treiben, ihrer Gesellschaftsordnung, ihrer Wirtschaft zu schildern.

Damgarten war eine kleine Ackerbürgerstadt mit nicht unbe­deutender Industrie. 1893 Menschen wohnten in ihr. Am 24. Februar dieses Jahres füllten sich gegen Abend die Gasthäuser „Hotel Stadt Stralsund“ und „Hotel Stadt Rostock“ mit Bürgern, die nun bei Barther Bier und Richtenberger Korn die Revidierte Gemeindeverfassung der Stadt vom 24. Februar 1858 debattierten. Bürgermeister C. F. Sternberg, die Ratsherren J. P. Jürvitz, Engel, J. J. Niemann und die bürgerschaftlichen Repräsentanten J. Ohr­loff, C. Graning, C. Frahm, J. Külbs, J. Glade, C. Weidemann, F. Giese und L. Jörs hatten sich auf die Lokale verteilt, um die Bürger über die neue Verfassung aufzuklären. Dabei gab es heiße Köpfe. Da ging es um die Frage, in welche von den drei Klassen der einzelne eingeordnet würde. Kaufleute, Brauer und die diesen gleich zu erachtenden Personen gehörten zur ersten Klasse. Brauer Ahrens und Glashüttenbesitzer Staak lehnten sich breitbrüstig zurück und nahmen einen guten Schluck. Das Recht der ersten Klasse hatten nur wenige. Es waren die vornehmen Bürger. Die zweite Klasse folgte mit den Handwerkern, den Ackerbürgern, den Tagelöhnern mit Hausbesitz und solchen Personen, die denselben gleich zu erachten sind. Der Kreis umfaßte schon mehr Leute. Sattlermeister Schock nickte Färbermeister J. L. Jörs und Schuh­machermeister Meffert zu. Die dritte Klasse bildeten Tagelöhner ohne Hausbesitz, verheiratete Gewerbegehilfen und überhaupt alle Personen, welche zu den ersten beiden Klassen, bei denen der selbständige Betrieb des Handels, eines Handwerks oder des Ackerbaus, oder doch eine, diesen Gewerbetreibenden gleich zu achtende bürgerliche Stellung oder Besitz eines Wohnhauses vorausgesetzt wird, nicht angehören.“ Und das waren die meisten Einwohner. Weil sie nur Arbeiter auf der Glashütte, in der Zünd­warenfabrik oder Landarbeiter waren, wurden sie minder einge­schätzt und die Begüterten und die Besitzenden ihnen vorgezogen. Den Segen brachte das Dreiklassenwahlrecht, das bis Ende 1918 bestand. Frauen konnten das Bürgerrecht nicht gewinnen Erwar­ben sie aber Grundstücke, verpflichtete man sie zur Zahlung einer dem Bürgergeld entsprechenden Summe. Königliche Beamte, Militärpersonen, Geistliche und öffentliche Lehrer brauchten nicht Bürger zu werden; besaßen sie Grundstücke, trugen sie die städtischen Steuern und sonstige Lasten. Das bürgerschaftliche Kollegium sollte aus acht Bürgern der ersten beiden Klassen bestehen. Bürger der dritten Klasse und öffentliche Lehrer konn­ten nicht zu Repräsentanten gewählt werden. Bei einer Wahl zum Kollegium wählten nur die Bürger von Klasse eins und zwei. Die Bürger der dritten Klasse durften an der Wahl nicht teilnehmen. Nach dem Beschluß vom 20. April 1870 gehörten zur ersten Klasse die Geistlichen, der Rektor der Stadtschule, königliche Beamte mit einem baren Gehalt von 400 Talern; Lehrer, Küster und Beamte mit weniger als 400 Talern wurden Bürger der zweiten Klasse.

Damgartens gute Verkehrslage an der festen Straße von Stral­sund nach Rostock (seit 1850) und an dem Wasserweg über die Bodden zu den Küstenstädten entwickelte den Handel günstig. Das Getreide der Gutsbesitzer und Bauern verschiffte man am Hafen; der Getreideumsatz war bedeutend. Auf dem Gebiet des Handels mit Getreide und Futtermitteln führten die Samuels. Früher stellten sie auf den Jahrmärkten in Damgarten, Ahrens­hagen, Saal als Manufakturenhändler ihre Verkaufsbude auf und vertrieben Wollsachen, Unterzeug u. a. Sie kauften Felle auf. Die Gebrüder Markus und Immanuel Müller bauten den Speicher gegenüber dem Rathaus.

In dem wichtigen Einkaufsplatz für die Stadt und die umliegen­den Dörfer versorgten 17 Kaufleute die Bevölkerung mit allem, was gebraucht wurde. Die Waren schaffte man auf dem billigen Wasserweg herbei. Außerdem fuhr der Spediteur Vetter jede Woche einmal nach Stralsund. Am Tag vor der Reise belud er seinen Planwagen mit den Stückgütern der Kaufleute. Auf der glatten Straße ging es gut vorwärts; aber mit einer Rast in Karnin brauchte er doch acht Stunden, bis er im Schweriner Hof in Stral­sund ausspannte. Mit Kisten, Kasten und Säcken beladen, trat er die Heimfahrt an und stellte abends in der unbeleuchteten Straße, wie auch die andern Ackerbürger seinen Wagen ab. Passagiere bezahlten für eine Fahrt einen Taler. Die Personen wurden vor allem durch die Post und eine Omnibuslinie befördert.

In dem beliebten Übernachtungsort Damgarten logierten jährlich rund 1000 Leute auf ihrer Reise. Etwa 2000 Handwerks­gesellen registrierte der Schreiber am Stralsunder Tor. Gegenüber vom Deutschen Haus sahen die Durchziehenden an der Herberge die Wahrzeichen der Schlosser und Schmiede und die der Schuster.

Es war zwei Jahre nach dem Krimkrieg, der den Schiffern große Einnahmen gebracht hatte. Wenn nun auch nach dem Kriege die Frachten geringer wurden, hatte Schiffszimmermeister Heinrich Dierling wegen seines guten Rufes genügend Arbeit. Der Werftplatz reichte von der Wäsche des Stadtgrabens bis zur Ribnitzer Chaussee. Drei Schiffe standen meist auf dem Stapel. Zimmergesellen, Takler, Grobschmiede, Blockmacher, Seiler, Nagelschmiede bauten ausgezeichnete Segelschiffe, die im In- und Ausland Anerkennung fanden.

Auf der Triftweide qualmte der mächtige Schornstein der Staakschen Glashütte. Die Frühschicht begann um 3 Uhr morgens, um 12 Uhr kehrten die bleichen, hohlwangigen Glasbläser heim. Um 6 Uhr morgens begannen die andern Glasmacher und waren um 7 Uhr abends fertig. Die Ausbeutung der Werktätigen, die solche schwere und ungesunde Arbeit zu leisten hatten, war besonders schlimm. Frauen packten Flaschen in Kisten, Jugend­liche beluden den schweren Frachtwagen mit Flaschengut für Lübeck. Landleute holten Satten zum Ansetzen der Milch.

Ecke Rudolf-Breitscheid-Straße und Philipp-Müller-Straße stellten Gebrüder Engel Streichhölzer her. Ein Esel trat ein Rad, das die Legemaschine bewegte. Damgartener Streichhölzer wurden gern gekauft. Brauer Ahrens in der Rud.-Breitscheid‑Straße lieferte für die Einwohner Schwachbier, das eimerweise, ein Liter für 4 Pfg., gehandelt wurde. Zu Hause zog man es auf Flaschen. Im alten Brakelhaus brakten die Damgartener ihren Flachs, im Back­ofen dörrten sie ihn. Das Leinen bleichte man auf der städtischen Bleiche am Stadtgraben.

Die Landwirtschaft beschäftigte einen großen Teil der Bevöl­kerung. Wer nicht genug eigenes Land besaß, pachtete Land von der Stadt oder von der Kirche. Heu mußte auf den Recknitzwiesen geworben werden. Die Damgartner Kuhweide erstreckte sich von der heutigen Querstraße bis zum Kuhsoll, nahm auch die Fläche mit ein, auf der jetzt das Krankenhaus und der Grüne Winkel liegen. Abends kam das Vieh zurück und füllte mit seinem Milch­geruch die engen Straßen. Die Ackerbürger legten Wert auf gute Pferde, da sie viele Fuhren zu machen hatten. Aus Mecklenburg und aus dem Schlemminer Wald holten sie Eichen für die Werft; Erzeugnisse der Glashütte gingen nach Rostock, Lübeck, Stral­sund, Stettin; Wolle verfrachteten sie zum Markt nach Berlin und Butter bis Oranienburg. In der Bockmühle auf dem Mühlenberg ließen die Leute ihr Korn mahlen. Die Müllersche Ölmühle vor dem Stralsunder Tor preßte Öl aus. Die Stadtschule lag noch in der Ernst-Thälmann-Straße, die Rektor Bünting, ein Kamerad Fritz Reuters aus der Festungszeit, leitete. Lehrer an seiner Schule war der Vater von Hermann Bendix. Der ehemalige Schiffer Bendix unterrichtete die Kinder von Tempel, die Armen- und Freischulkinder. Zur Küsterschule gingen die Kinder von Pütnitz, Steinort und Beyershagen. Das zersplitterte Schulsystem zeigt so recht die Mängel des damaligen Schulwesens. Für die Armen- und Freischulkinder, für die Arbei­terkinder der Rittergüter und Dörfer reichte die einklassige Schule nach Auffassung des Kultusministeriums, der feudalen Patrone und der geistlichen Schulaufsicht aus.

Die Gutsbesitzer im Kirchspiel Damgarten‑Land hielten ihre Leute dazu an, fleißig zur Kirche zu gehen. Dazu zogen diese in althergebrachter Weise die blauen Röcke mit den blanken Knöp­fen an. In Damgarten hatte man diese Kleidermode schon im Anfang des 19. Jahrhunderts abgeschafft. Doch der konservative Sinn der Landherren war gegen jede Neuerung und jeden Fort­schritt auch in diesen äußeren Dingen. Alles sollte beim alten bleiben. Im „Hotel Stadt Stralsund“ feierten die Damgartener Erntefest. Der kleine Saal füllte sich bald mit stickiger Luft. Um so besser schmeckten Bier und Korn. Der Baßspieler auf der Empore hatte den Griff seines Instruments in ein Loch der niedrigen Decke gestellt; er strich und strich und begleitete zu Geige und Klarinette. Die Paare tanzten den Kegel und schwedische Quadrille. „Hei mit de Fiedel un sei mit de Fläut.“ Und die Kinder wurden nicht müde, dem Spiel der vergnügten Alte zuzusehen.

Damgartens weitere Entwicklung bis 1945

Das wirtschaftliche Leben verschlechterte sich in den letzten Jahrzehnten vor der Jahrhundertwende bedeutend. Im Jahre 1870 wurden die Arbeiter der Engelschen Zündholzfabrik arbeitslos. 1880 hörte die Dierlingsche Werft auf, hölzerne Segelschiffe zu bauen. Wo fast 120 Jahre lang fleißig gezimmert worden war, spielten nun Kinder auf der ehemaligen Arbeitsstätte. Die aufkommenden Großbetriebe überschluckten die kleinen Werke. Der Kleinbetrieb Dierling hatte nicht das Geld, um Eisenschiffe bauen zu lassen. Das Großkapital übernahm den Schiffbau. Die Monopolherren interessierte nicht das Geschick der Werktätigen, die nun auf der Straße lagen, die sich um das Wohl ihrer Familien sorgten. Zimmerleute und Facharbeiter suchten auf den Groß­werften Arbeit, und der ungelernte Arbeiter mußt vielleicht einen krummen Rücken vor den Gutsbesitzern in der Nachbarschaft machen, um bei ihm tagelöhnern zu können. Um 1900 stand es mit der Glashütte sehr schlecht. Das Monopolkapital des deutschen Verbandes der Flaschenfabriken verschlang das kleine, altertümliche Werk im Jahre 1913. Der Tod der Glashütte bedeu­tete wieder Elend und schwere Sorge für ihre einstigen Arbeiter. Für 100 000 Mark wurde die Fabrik abgekauft, und damit hatte der Monopolist seine Schuldigkeit getan. Ein kleiner Konkurrent war vernichtet worden. Durch eine Modernisierung und eine Reorga­nisierung des Betriebes hätte man den Glasmachern die Arbeits­stelle erhalten können. Die Glasbläser, die guten Agitatoren der SPD, zogen zum größten Teil fort und hinterließen eine kleine Ortsgruppe, die sich aber tapfer hielt, wie es der alte Kollenkark oft erzählt.

Jm Jahre 1897 baute Walter Selk den Kalkofen auf, der Rüders­dorfer Kalk zu Kalkstein brannte; ferner stellte man Mauerkalk her. Auch dieser Betrieb hatte keine lange Lebensdauer. Als tech­nisches Denkmal blieb das Haus mit dem Turmaufbau. Die Arbei­ter in den Sägewerken und in der Getreidehandlung von Samuel waren noch gut beschäftigt. Mit der früheren lebhaften Industrie war es vorbei. Die Bevölkerung ging durch die Abwanderung der Facharbeiter so stark zurück, daß die Stadt im Jahre 1900 nur noch 1691 Bewohner hatte. Die Landwirtschaft, ein wesentlicher Erwerbszweig der Klein­stadt, blieb sich in den Jahrzehnten gleich. Als erfreulich ist zu verzeichnen, daß 1899/1900 auf der Fläche des in den 60iger Jahren abgeholzten Stadtwaldes 80 ha Ackerland als Rentengüter aufgeteilt wurden. Zur Abdeckung von Schulden hatte die Stadt leichtsinnigerweise ihre Hölzung geopfert. 1905 tauchte der Plan auf, in Damgarten eine Kartoffelflockenfabrik zu errichten. Doch war es nur eine gute Aussicht auf ein Stück Industrie.

Um 1900 arbeiteten in Damgarten etwa 100 Handwerker aller Art. Die Stadt und die umliegenden Dörfer gaben ihnen reichlich Aufträge, daß es wenigstens diesem Stand gut ging. Dr. Anklam erwähnt aus der Zeit ein Projekt, das uns heute nicht nur brennend interessiert, sondern auch durchgeführt wird. „Das (nicht neue) Projekt der Recknitz‑Trebel‑Kanalisierung kam an widerstreben­den Interessen der Flußanlieger zum Scheitern, und daß es wieder aufleben wird, für unsere Stadt ein sehr erwünschtes Entwick­lungsmoment, ist für die nächste Zeit kaum zu erhoffen.“ Nun, Dr. Anklam wird sich gefreut haben, als die Zeitung ihm meldete, daß wir 1958 mit der Verwirklichung dieses Projektes beginnen. Der erste Weltkrieg brachte mit seinen fast 4 ½ Jahren auch in unsere Kleinstadt viel Elend; manche Mutter weinte um ihren Jungen und manche Frau um ihren Mann, der draußen blieb. 56 Männer fielen oder starben im Lazarett, 7 wurden vermißt. Während Monopolherren und Großkapitalisten schwer am Krieg verdienten, litt das Volk durch die persönlichen Verluste an Menschen; die Inflation nahm ihm Besitz und Vermögen. Besonders die Alten und die Rentner, die sich nicht so schnell in den Schwindel und den Unsinn der Geldentwertung hineindenken konnten, verloren ihre Ersparnisse, Schieber und Schleichhändler boten für landwirtschaftliche Produkte solche Preise, daß der einfache Werktätige das Nachsehen hatte. Der Kapp‑Putsch im März 1920 führte im benachbarten Pütnitz zu einem Zusam­menstoß zwischen Arbeitern, die das Gut nach Waffen durch­suchten, und dem Pütnitzer Gutsbesitzer, der durch einen Schuß einen Arbeiter so schwer verletzte, daß er verblutete. In diesem Zusammenhang interessierte mich beim Durchlesen der Damgartener Zeitung 1920, Nr. 24, vom 24. März 1920, eine Notiz über die einzurichtende Einwohnerwehr. Kreisrat Franz Weiß aus Franzburg sprach zur Einwohnerschaft, und der Reporter meldete: „Ringsum noch Feinde! Aber im Innern ein noch furchtbarerer Feind: der Bolschewismus. Wer diese Gefahr richtig erkennt, kann nicht anders, als im Bunde mit allen Volks­genossen, die noch vaterländisches Empfinden haben, helfen, der uns drohenden Zerrüttung Einhalt zu tun. Dazu sollen die Ein­wohnerwehren helfen. Alle Volksklassen und Kreise sollen sich an ihr beteiligen. Sie steht über den Parteien, ist eine nationale, sozi­ale, in demokratischem Geist getroffene Einrichtung“. Der Magi­strat veröffentlichte am 23. März eine Bekanntmachung über die Pflichten der Einwohnerwehr. In der Nr. 28 vom 7. April bedauert der Magistrat, daß viele Formulare auf die warten, die ihre Beitrittserklärung eintragen sollen. „Und das hat bisher nur ein kleiner Teil der Einwohner getan, die Arbeiterschaft fehlt ganz.“

Die in den 20iger Jahren in den Dörfern entstandenen Neusied­lungen verschafften unseren Handwerkern und Baugeschäften viel Arbeit. Von 1922 bis 1926 wurde aus den Gütern Todenhagen, Ahrenshagen, Tribohm und Prusdorf die Neusiedlung Ahrens­hagen gebildet. Es war das größte Siedlungsobjekt in unserer Umgegend mit 2208 ha und 130 Stellen. Die Fernstraße Rostock‑­Stralsund, die durch das Gebiet führt, brachte die Ahrenshäger als Lieferanten, aber auch als Käufer in unsere Stadt. Es folgten Hermannshagen mit 20 Besitzern auf 387 ha, Tempel mit 22 Wirten auf 325 ha, 1929 Freudenberg mit 30 Siedlern auf 772 ha, 1934/35 Gruel mit 10 Stellen auf 370 ha und Altenwillershagen mit 45 Siedlern auf 675 ha. Notgedrungen mußte der Staat nach dem ersten Weltkrieg an die Aufsiedlung gehen. Doch war es nur halbe Arbeit. Dem Großgrundbesitz verblieb noch die größte Nutzfläche. Der Kreis Franzburg Barth war auch weiterhin die Hochburg der Rittergutsbesitzer in Preußen.

Im Jahre 1928 brannte das alte, 1741 im Fachwerkstil erbaute Rathaus (Giebelhaus) ab. Stadtbaumeister Mähl, ein Damgartener, entwarf den Plan für das neue Haus, das man 1930 einweihte. 1928 wurden Pütnitz und Plummendorf eingemeindet. Von Langen­damm kamen etwa 200 ha an die Stadt. 1936 ersetzte man die alte Paßbrücke aus Holz durch einen Bau aus Beton und Eisen. Von 1935 ab erweiterte sich die Stadt bedeutend. Es entstanden sieben neue Straßen. Den Anlaß dazu bot Hitlers Aufrüstung zum neuen Krieg. In Pütnitz baute man den Seefliegerhorst. Alles spitzte sich auf den Krieg zu, der dann 1939 begann und soviel Unglück und Not über unsere Heimat brachte. Viele Familien trauerten um ihre Männer, Väter, Brüder und Söhne; viele starben in der Nachkriegs­zeit an Seuchen und an Entkräftung. Der Kriegsverbrecher Hitler hatte seinen Krieg durchgeführt, gab sich aber feige einen schnellen Tod. Das Volk mußte den Krieg ausstehen und erlebte das furchtbare Ende. Die Werktätigen waren es aber auch, die unverzagt und mutig an die Arbeit gingen, zerstörte Städte, ruinierte Fabriken und neue Werke aufzubauen.

Ernst Garduhn. 1958.

"Im Recknitztal" Von Ernst Garduhn

1958

Als ich 1945 nach Damgarten kam, erzählte mir ein einheimi­scher Angler: „De Recknitz kümmt ut Meckelborg, un bi Bad Sülze geiht sei üm de Eck. Von dor ut löpt sei immer lingellän­gellängs na Damgorden tau. Un nu fang ick Fisch un hew keen Tid mihr.“

Die Stadt Laage hatte ich für einige Tage als Standquartier gewählt, um von hier aus das Recknitztal zu durchwandern. Mich interessierte besonders das Quellgebiet der Recknitz. Und darüber hatte ich verschiedene Auffassungen gehört und gelesen. Die Beschreibungen der Recknitz in den Lexiken von Brockhaus und Meyer stimmten nicht überein.

So zog ich von Laage aus, um die Quellen kennenzulernen. Durch das breite Tal auf den gegenüberliegenden Ort Kronskamp zu, durch kleine Waldstücke, an den flachen Abhängen vorbei zum Liessower Damm. Das ist einer der wenigen Verbindungswege zwischen den Ufern, und dieser verbindet die Dörfer Levkendorf und Liessow miteinander. Auf der Holzbrücke des Dammes traf ich einen alten Bauern aus Liessow, der sich hier gut auskannte. Und nun begann das Ausfragen. Dem Weißkopf machte es Spaß, von seiner Heimat zu berichten. Er zeigte in die Talrichtung nach Südwesten und sagte: „Dahin fließt der Augraben nach Güstrow zu in die Nebel, und die geht in die Warnow.“ Dann drehte er sich um nach Nordosten und wies auf einen hohen, stark qualmenden Schornstein von Laage: „Und dahin läuft die Recknitz.“ Hier war ich also auf der Wasserscheide zwischen dem Augraben und der Recknitz, auf der Grenze zwischen dem Warnow- und dem Reck­nitzgebiet. Die Recknitz entspringt nicht bei Güstrow, nicht bei dem Dorfe Recknitz. Das Wiesenland zwischen dem Liessower Damm und dem Zehlendorfer Damm zwischen den Dörfern Recknitz und Zehlendorf gehört schon zum Entwässerungsgebiet der Warnow.

Unterhalb von Liessow fließt die Bäk oder der Korleputer Mühlenbach in das Tal. Dieser Quellbach der Recknitz kommt von den Ausläufern der Teterower Heideberger her, etwa 2,5 km südöstlich von Warnkenhagen, wo sich viele kleine Furchen und Rinnen zur Bäk vereinigen. Auf einer Höhe von 13‑13,5 m mündet er in das Tal. Am Fuß der rechtsseitigen, flachen Talhänge, die stellenweise mit blühenden Ginsterbüschen bedeckt sind, wanderte ich nach Laage zurück, überquerte vorher den Pludderbach, der fast 200 Jahre eine Papiermühle antrieb. Von 1692‑1878 arbeiteten an dieser Stelle Papiermacher. Einer der letzten war Daniel Hennings, dessen Konzept- und blaues Umschlagpapier das Wasserzeichen D H Laage trug. Diese alte Industriestätte heißt jetzt noch Henningsmühle. Dicht bei ihr liegt die frühere wen­dische Burg. Laage hieß einmal Lawe, Lawis, Lauena, was soviel wie Brückenort bedeutet. Das erklärt sich daraus, daß der kleine Ort an einer wichtigen Paßstraße zwischen Demmin und Rostock beim Übergang über die Recknitz lag. Aus dem Dorf entstand die deutsche Stadt. Von besonderer Bedeutung für die Wirtschaft Laages ist die Milchzuckerfabrik. Im Mai findet der Pflanzenfreund den Judenberg, wie man ihn früher nannte, ganz übersät von Küchenschelle (Pulsatilla). Das Gebiet steht unter Naturschutz. Von diesem Hügel schaute ich ins Tal nach Nordosten, das nun enger wird und steile Hänge hat. Die angrenzende Hochfläche liegt etwa 40‑50 m hoch.

In vielen Krümmungen durchzieht die Recknitz das Wiesental, das bis Tessin sehr fällt. Tessin auf dem linken Ufer wirkt wie eine Bergstadt auf einem hohen Vorsprung. Zu ihm gehört als Brückenort Vilz, überragt von dem 45 m hohen Blocksberg. Aus dem Tal zieht die Hauptstraße ziemlich steil nach oben an der Kirche vorbei, die die Stadt überschaut. Eine bedeutende Industrieanlage für unsere Landwirtschaft ist die Tessiner Zuckerfabrik. Wie Laage war auch Tessin einmal ein wichtiger Übergangsort für die Handelszüge von Demmin über Dargun nach Rostock. Mein Weg führte von Tessin über Vilz nach Thelkow mit der berühmten Findlingskirche zur Lieper Burg am Steilufer der Recknitz. Die Lieper Burg, die vielleicht auch schon die Germanen benutzten, ist ein slawischer Burgwall, dessen Durchmesser 130 m beträgt. Eine Höhenburg, die bei den Aus­maßen zugleich als Fliehburg diente. Nach Osten fällt sie steil ab; ein hoher, gut erhaltener Wall umrahmt sie. Im Inneren und auf ihrem Wall stehen Buchen. Nicht weit ab von ihr liegt der Burgsee, von dem die Sage erzählt, daß die weiße Burgfrau in der Johannis­nacht an den See geht, um mit einer goldenen Schüssel Wasser zu schöpfen. In der Nähe sind zwei gewaltige Findlinge aufgerichtet, von denen die Inschrift des einen die Wanderer zur pfleglichen Behandlung des Waldes ermahnt. Ich wanderte vom Teufelssee landeinwärts über Liepen mit seinen vorgeschichtlichen Denkmä­lern zur Lieper Klappe. Es ist eine Holzbrücke über die eilig fließende Recknitz. Früher nahm hier ein Wächter den Dammzoll ein. In dem eng gewordenen Tal weidet auf den saftigen Wiesen viel schwarzweißes Rindvieh. In die Talhänge schneiden kurze, aber tiefe Bäche ein, die ein romantisches Bild geben. Längere Bäche sind auf der linken Seite der Reppeliner Bach bei Tessin und bei Ehmkendorf der Kölzower Bach, die beide auf der Dänschen­burger Hochfläche entspringen.

Aus dem Tal stieg ich das rechte Ufer hoch, an der alten, starken Eiche vorbei über Dudendorf zur Kucksdorfer Burg, die sich aus den Recknitzwiesen erhebt. Diese wendische Fliehburg ist etwa 100‑120 m groß, von einem bewachsenen Wall umgeben. Sie konnte einmal in Kriegszeiten viele Menschen aufnehmen. Sie steht wie alle anderen Burgen im Gebiet der Recknitz unter Denk­malschutz. Die Sage raunt, daß die Burgfrau zu Johanni Wasser aus dem Fluß schöpft. Ich ging dann einen schönen Wiesenweg neben der Recknitz auf Bad Sülze zu.

Bei Bad Sülze mündet das Quertal der Recknitz in das mecklenburgische Grenztal, das sich als Längstal von Friedland bis Ribnitz‑Damgarten etwa 110 km erstreckt. Die großen Schmelz­wassermengen strömten in der Eiszeit durch die breite Abfluß­rinne in nordwestlicher Richtung ab. Nur muß man sich vorstellen, daß die Talsohle etwa 10 m tiefer lag. In der Nacheiszeit bildeten sich die gewaltigen Torfmassen im Tal, die heute als Brennmaterial genutzt werden.

Wie die Recknitz bei Bad Sülze ein Flußknie bildet, macht die Trebel ein solches bei Tribsees. Es ist eigenartig, daß die Trebel nicht wie unser Fluß nach Nordwesten fließt, sondern nach Südosten. Eine etwa 2 m hohe Wasserscheide, aufgebaut aus Torfmoosen, trennt die beiden Flußgebiete. Das rund 15 qkm große Torfbecken zwischen Bad Sülze und Tribsees hat einen Schatz für Natur- und Heimatfreunde: Das ist das Mittelmoor der Sülzer oder das Rauhe Moor der Tribseer. Und wer dort das seltene Fettkraut, eine fleischfressende Pflanze, entdeckt, wird sich sehr freuen. Recknitz und Trebel wurden um 1800 durch den Prahmkanal (rund 8,5 km lang) verbunden. Dieser Wasserweg war notwendig für den Transport des Salzes nach Malchin und des Torfes nach Sülze. 1907 ging die Saline ein; aber noch lange wurde der Kanal von Heubooten benutzt. Seit Jahrzehnten verlandet er immer mehr und mehr. Als Salzstadt war Sülze in Mecklenburg bekannt, bis die Tätigkeit der Saline 1907 aufhörte. Als Badestadt hat Sülze aber jetzt noch über Mecklenburg hinaus einen guten Ruf, und ihre Heilmittel, Sole und Moor, sind in ihren Vorräten unerschöpflich. Bei einem großzügigen Ausbau der Heilstätte hat Bad Sülze eine schöne Zukunft.

Der Unterlauf der Recknitz geht von Bad Sülze bis zur Mündung durch das Urstromtal, das bei Sülze über 3 km, bei Pantlitz südlich Damgarten 0,9 km breit ist. Der Länge des Urstromtales von 24 km steht die Lauflänge der Recknitz von 39 km gegenüber. Das verursachen all die Krümmungen und Windungen, die von Bad Sülze bis Marlow begradigt wurden. Die Recknitz ist im ganzen 122,2 km lang und entwässert ein Gebiet von 705 qkm. Von der Quelle am Liessower Damm bis Bad Sülze fällt die Recknitz von 13 bis 13,5 m Höhe bis auf 1,5 m. Der mittlere Wasserstand bei Marlow liegt bei 0,30 m. Von Marlow bis zum Ribnitzer Binnensee fließt die Recknitz auf langem Umweg. An vielen Stellen sind die Wiesen in guter Kultur, geben wertvolles Heu und bieten eine vorzügliche Weide für die Kühe. Andere Plätze sind noch sumpfig und unbrauchbar. Die landwirtschaft­lichen Betriebe, die Anteil an den Wiesen haben, bemühen sich sehr, durch Aufräumen der alten Wassergräben und durch Anlegen neuer Abzugwege die Kultur zu verbessern. Ich wanderte oft von Bad Sülze nach Damgarten, das sind rund 26 km. Diesen Weg muß man zu Fuß machen, um die Schönheiten des Tales und seiner Hänge zu erleben. So ging ich den Wiesensteig von Sülze über den Wöpkendorfer Mühlenbach zur Alten Burg bei Schulen­berg. Fast 20 m hoch steigt der Burgwall am Rande der Niederung empor. Da wendische Scherben im Inneren des Walles gefunden wurden, muß man ihn als slawische Höhenburg bezeichnen. Das nächste Ziel war Marlow, das 40 m über dem Tal liegt. Wie eine thüringische Berg- und Waldstadt mutet dieser Ort mit seinen winkligen Straßen und niedrigen Häusern an. Marlow ist eine bescheidene Kleinstadt, die schon früher ohne Eisenbahn ausge­kommen ist. Gegenüber der Kirche, die bereits aus dem Anfang des 13. Jahrhunderts stammt, liegt gerade über die Straße weg die alte Burg aus der Wendenzeit, einst der Mittelpunkt des Landes Marlow.

Von Marlow aus hatte ich noch eine große Strecke vor mir. Ich überquerte das Tal auf dem Marlow-Camitzer Damm, es ging am Forsthaus Camitz vorbei, durch den schönen, hügeligen Misch­wald auf Gruel zu, am Galgenberg vorbei zum Pantlitzer Burgwall. Hier war einmal eine wendische Höhenburg und Kultstätte. Die bekannte Recknitzsage von der Prinzessin erzählt man sich auch an dieser Stelle. Unvergeßlich bleibt dem Wanderer der Blick auf die weite Niederung mit der Recknitz, die im Sonnenschein auf­leuchtet und dann hinter Buschwerk verschwindet. Früher befuh­ren Salzschiffe von Sülze die Recknitz abwärts, und Schiffe, mit Holz beladen, kamen von Ribnitz zur Sülzer Saline. Dann war der Fluß schiffbar bis Marlow mit einer Fahrtiefe von 1,5 m. Die Fahrzeuge hatten eine Länge bis zu 34 m. Jetzt ruht die Schiffahrt auf der Recknitz. Von Pantlitz pilgerte ich durch das Wäldchen am Abhang, über die Wiesen am Fuß der Hügel, am Daskower Park vorbei, wo die Recknitz ganz dicht bis an den Weg fließt, unterhalb von Plummendorf, am Rande der Damgartener Torfwiesen nach Damgarten. Von Damgarten, dem alten wendischen Ort Damba­gora, führte schon ein uralter Weg durch das Tal nach dem ande­ren Brückenort Ribnitz, dem Fischort. Diese Straße wurde dann eine berühmte Handels- und Kriegsstraße. Wallenstein und Gustav Adolf zogen mit ihren Heeren über den Damgartener Paß. Ferdinand von Schill erkämpfte hier den Übergang über den Fluß. Diese Talstraße ist jetzt noch die bedeutendste des Urstromtales.

Zwei wichtige Brücken schwingen über den Fluß, einmal die Eisenbahnbrücke, die 1887‑1888 erbaut wurde, und dann die neue Recknitzbrücke aus dem Jahre 1936.

Auf dieser Brücke stehe ich oft und schaue auf den Fluß, der in stattlicher Breite und so ruhig und gemächlich dahinfließt, dem Bodden und dem großen Meer zu. Ich denke an die Tage am Liessower Damm, ich denke an all die Wege, die ich in dem langen Tal machte, das so reich an Schönheiten der Natur ist. Wer sie kennenlernen will, muß sie erwandern.

"Streitigkeiten an der Recknitz" Von Kantor Hermann Bendix

Neben den vielen kriegerischen Auseinandersetzungen im Mittelalter und besonders im 17. und 18. Jahrhundert ereigneten sich auch andere Streitigkeiten lokaler Art hier an der Recknitz. Als Besitzer von Pütnitz, einem nur wenige Minuten von Damgarten entfernten Gut, saßen dort seit 1259 die Dechows. Sie bauten die über die Recknitz führende sogenannte Hohe Brücke; die Gebrü­der Heinrich und Hermann von Dechow aber verkauften sie schon 1286 mit Zustimmung des Fürsten Witzlaff II. von Rügen der Stadt Ribnitz, die sie noch heute in Besitz hat, samt „der Brückenlage und der breiten Fahrt über das Wasser zwischen den beiden Städten und mit der Zollgerechtigkeit für alle Zeiten erb- und eigentümlich“ für 70 Mark Rostocker Münze.

Ein Zankapfel zwischen Ribnitz, Damgarten und Pütnitz war lange Zeit hindurch die Fischerei auf dem Ribnitzer See und der Recknitz, auch die Schiffahrt auf derselben brachte Streitigkeiten. 1551 wurden den Dechows das Fischen in der Recknitz untersagt. Kaum waren die Händel unter den Beteiligten beigelegt, als der Rat zu Ribnitz 1552 sich schon wieder veranlaßt sah, gegen das Fischen auf dem Binnensee, das nur den Ribnitzern zukam, ernstliche Verwarnungen zu erlassen. Als sich einige Damgartener daran nicht kehrten, wurden sie ergriffen und nach Ribnitz geführt, darob geriet die Einwohnerschaft des pommerschen Städtchens in Aufruhr. Und als in dem selben Jahr 150 Ribnitzer nach Damgar­ten zogen, um einen auf dem dortigen Kirchhof beerdigten Ribnitzer zu „reklamieren“ und wieder auszugraben, wurde dies von den Damgartenern verweigert.

An der ältesten Königskette der Damgartener Gilde hängt als zweitältestes Kleinod ein silberner Vogel, auf seinem Brustbild stehen die Buchstaben M. R. zu Seiten eines Rasiermessers. Dies Erinne­rungszeichen rührt von dem Barbier und Bürgermeister Martin Ruche her, von dem die mecklenburgischen Jahrbücher Kunde geben. Hier sei nur angeführt, daß seine Vorfahren ums Jahr 1430 in Damgarten auftraten. Er selbst wohnte zuerst in Ribnitz, zog aber dann nach Damgarten und wurde hier 1574 zweiter Bürgermeister. Als solcher vertrat er in den damals mit größter Erbitterung geführten Fischereistreitigkeiten zwischen den beiden Städten energisch die Rechte seiner Stadt, wofür er den vollen Haß der Ribnitzer auf sich zog. Der Stadtvogt daselbst drohte, wenn er ihn „bey der Reckenitz funde, wolle er ihm eyne Kugell in den Kopf schiessen, oder aber, wenn man ihme konnte lebendich bekommen, wollte er ihn seinem herrn hertzog Johann Albrecht zum spektakel gen Schwerin schicken“. 1580 wurde er bei einer Verhandlung in Ribnitz auch tatsächlich gefangen gesetzt, von dem Stadtvogt mit der Waffe bedroht und erst auf Verwen­dung einiger Freunde freigelassen, alles „um der betrübten Reck­nitz willen“, wie er seinem Landesfürsten klagte. Bürgermeister blieb M. Ruche bis 1596.

1591 wurde vom mecklenburgischen Herzog von Güstrow aus ein Vergleich mit Pommern abgeschlossen, von dem jeder der beteiligten Anlieger eine Abschrift erhielt. In diesem „Malchiner Grenzvertrag“ schlichtete ein Schiedsgericht von dänischen und braunschweigischen Gesandten die Streitsache: „Die Fischerei auf dem Binnensee verbleibt ausschließlich den Ribnitzern; dagegen ist sie den Dechows, den Damgartenern und Steinortern verboten, falls die Ribnitzer sie ihnen nicht erlauben. Die Fischerei auf der Recknitz bis Freudenberg gehört den Dechowern, Damgartenern, Steinortern und Ribnitzern gemeinschaftlich. In der Laichzeit sollen beide Parteien sich in das Fischereigebiet teilen. – Soweit die Äcker derer von Mörder auf Daskow an die Recknitz unter Freudenberg stoßen, soll auch ihnen die Fischerei auf dem Fluß gestattet sein.“

Auch wegen der Recknitz-Schiffahrt brachen mancherlei Streitigkeiten aus. So hat Achatius von Mörder auf Daskow sich erlaubt, 1606 zwei Prahmfahrer aus der Tessiner Gegend durch seine Leute anzuhalten, wobei der eine Prahm versank. Das veran­laßte die Sülzer Prahmfahrer, mit „Röhren“ gegen die Mörder zu Felde zu zeihen. Doch floß kein Blut, indem Mecklenburger und Pommern sich dahin einigten, daß die Schiffahrt auf der Recknitz auch für die Meck­lenburger frei sein sollte. Doch Achatius Mörder vergriff sich 1607 abermals an Sülzer Prahmfahrern. Da richtete der mecklenburgische Herzog ein sehr ernstes Schreiben an den pommerschen Herzog. Herzog Philipp erklärte darauf die Schiffahrt auf der Recknitz für beide Teile frei.

1612 ertrank der Bürgermeister von Damgarten in der Recknitz und sein Sohn wurde auf dem Binnensee auf mecklenburgischem Gebiet von Sieverd von Dechow auf Pütnitz erschossen. Da erließ Herzog Joh. Albrecht von Güstrow den Befehl an den Ribnitzer Rat, die Landesgrenze zu beschirmen, und falls die Damgartener oder der Adel sie bedrohen und den Frieden stören sollten, mit Gewalt zu vertreiben, sich aber aller Ungebührlichkeit und Schimpfreden gegen die Herzöge von Pommern zu enthalten.

Daß in früheren Zeiten bei weniger geordneten Rechtsver­hältnissen und einem im ganzen rauheren Sinn zwischen benach­barten Kleinstädten vielfach Reibereien und Feindseligkeiten entstanden, aus Gründen der Ehre, wegen Rechte oder Pflichten oder Eifersüchteleien, kann nicht wunder nehmen. Bei Damgarten und Ribnitz trat dies später öfter noch hervor, eine innere Gegner­schaft lange noch sogar in einer aggressiv-feindlichen Haltung der Jugend. Das spürten wir Damgartener Jungen in den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts, wenn der eine oder der andere von uns nach Ribnitz geschickt wurde; das Gleiche war umgekehrt der Fall. Ja, die Jungen, 30, 40 oder mehr an der Zahl, lieferten sich feindliche Treffen auf der Chaussee Ribnitz-Damgarten, bei denen Stein­würfe und Hiebe mit Knüppeln blutende Köpfe zeitigten, bis diesem gefährlichen Treiben ein für allemal durch den damaligen jungen Hilfspastor Braun ein Ende gesetzt wurde. Eines Sonntags­nachmittags überraschte er auf einem Spaziergange unvorher­gesehen die kämpfenden Parteien. Am nächsten Morgen in der von ihm in der 1. Klasse erteilten Religionsstunde gab es eine geharnischte Strafpredigt. Eine Nachricht an die Ribnitzer Schul­leitung hatte auch auf der Seite die gewünschte Wirkung. Mehr und mehr machte sich zwischen hüben und drüben ein friedliches und freundschaftliches Verhältnis Bahn. Man hörte nicht mehr den Spottvers unserer Jungen, den sie den Ribnitzern so oft entgegengepfiffen hatten: „Rimmitze Dinge‘ fläut’n up’n Finge‘, fläuten up’n Stock – will’n ji woll tau Lock!“ Bei festlichen oder ähnlichen Gelegenheiten kamen oft zahlreiche Besucher von Ribnitz nach Damgarten, so beim Stapellauf von Schiffen, an Markttagen u. a. Anlässen und umgekehrt. Und als 1908 der Rat von Damgarten zur 650jährigen Jubiläumsfeier der Stadt seine Einladung der Nachbarstadt zugehen ließ, kam vom Rat und anderen einflußreichen Männern prompt die gemeinsame telegraphische Antwort: „Wir kommen!“

"Schills Kampf an der Recknitz 1809" - Von Erwin Scheel

1958

Man schrieb das Jahr 1809. In den Herzen aller wahren Patrioten brannte die Schmach: Das Vaterland von Feinden besetzt! Die Freiheit, das höchste Gut, verloren! Für den Major von Schill, Kommandeur eines Husarenregiments in Berlin, den von seinen Landsleuten abgöttisch gefeierten Freischarenführer von Kolberg, waren Beispiel und Tat die Mittel, die Zustände zu ändern. Mit seinem Regiment zog er gen Westen, auf eigene Faust den gerechten Krieg beginnend, gegen den französischen Erobe­rer. Dem Obersten Dörnberg in Hessen wollte er Hilfe bringen, und die Untertanen des „König Lustig“ in Westfalen mußten befreit werden. Vor starken gegnerischen Kräften mußte Schill an der Elbe nach Norden abbiegen. Die Festung Dömitz fiel in seine Hände. In einem Kriegsrat mit seinen Offizieren wurde beschlos­sen, nun über Wismar und Rostock die Stadt Stralsund zu erreichen. Diese ehemalige Festung, die Wallenstein getrotzt hatte, sollte das „nordische Saragossa“ werden, ihre Verteidigung das Fanal zum Freiheitskampf des ganzen Volkes sein. Von hier aus konnte auch mit dem Erzfeind Napoleons, England, Verbindung aufgenommen werden.

Stralsund war noch im Winter von etwa 3000 Franzosen besetzt gewesen, die aber im Laufe des Frühjahrs zum österreichischen Kriegsschauplatz abgezogen wurden. Am 15. März 1809 erschie­nen zu ihrem Ersatz drei Bataillone Mecklenburger Grenadiere — Mecklenburg gehörte seit 1808 dem Rheinbund an — denen sich eine Schwadron polnischer Ulanen, eine kleine Abteilung mecklen­burgische Landhusaren und einige Geschütze zugesellten. Der Befehlshaber dieser Truppe war der französische General und Gouverneur Candras. Prahlerisch versicherte er, als Mitte Mai die Nachricht nach Stralsund gelangte, Schill ziehe ostwärts nach Mecklenburg, mit drei Kompanien guter Infanterie werde er die Schillschen „Räuber“ vernichten. Da das entfestigte Stralsund zur Verteidigung wenig geeignet war, wagte es Candras nicht, sich hier zu behaupten. Er beschloß, dem Feind an der Grenze entgegen­zutreten. Da Schills Weg aber ungewiß war, teilte der General seine Truppe.

Fünf Kompanien schickte er nach Tribsees, den Recknitz­übergang bei Sülze zu sichern, sechs Kompanien sollten als Reser­ve bei Richtenberg und Franzburg in Stellung gehen, und fünf Kompanien wurden beordert, Damgarten und den Paß zu vertei­digen. Am 20. Mai erteilte Candras den Befehl, unverzüglich eine Kompanie Mecklenburger Grenadiere nach dem Paß bei Damgar­ten in Marsch zu setzen, um diesen Punkt, den wichtigsten Übergang über das breite und sumpfige Recknitztal, für die Verteidigung vorzubereiten. Vier weitere Kompanien sollten im Laufe des Tages dorthin folgen. Die Truppe hatte seit dem frühen Morgen vier Stunden bei warmem Wetter tüchtig exerziert, war daher ermüdet und trat um 12 Uhr den Marsch nach dem etwa 45 Kilometer entfernten Damgarten an. Auf sandiger Landstraße und bei strahlender Frühlingssonne war es eine große Leistung, die von ihr verlangt wurde. Eine längere Ruhepause wurde am Behrens­häger Krug eingelegt, um der Truppe die Möglichkeit zum Einkauf von Erfrischungen zu geben. Plötzlich erschien im eleganten Reisewagen der General Candras. Der Führer der Mecklenburger, Hauptmann Edelhorst, wurde mit Vorwürfen überhäuft, daß die Kompanie noch nicht an Ort und Stelle sei. Der Kapitän, der das Französische nur mangelhaft sprach, bat seinen sprachkundigen Leutnant, dem General die Gründe für die Marschpause darzu­legen. Ein altgedienter Grenadier, der in der Nähe stand, rief in seinem urwüchsigen Mecklenburger Platt laut hinein in den Disput der Offiziere: „Du hest dor gaud snacken in dienen Wagen!“ (Du hast dort gut reden in deinem Wagen). Als man dem General auf sein Verlangen diesen Ausspruch wörtlich übersetzte, lachte er und erwiderte in gebrochenem Deutsch: „Du hast recht, bon camerade!“ Sein Zorn war verflogen, und er ließ reichlich Bier an die ermüdete Truppe ausschenken. In der Nacht zum Pfingst­sonntag, dem 21. Mai, rückte das ganze Mecklenburger Kontingent in Damgarten ein und nahm hier Quartier. Die Bewohner waren wenig erbaut von dieser „Pfingstfreude“.

Der General besichtigte am Morgen den Paß und war höchst befriedigt über die guten Verteidigungsmöglichkeiten, ließ sich das Frühstück schmecken und fuhr nach Ausgabe seiner Befehle nach Stralsund zurück. Die Mecklenburger begannen unverzüglich, den Paß für die Verteidigung herzurichten. Ein Offizier und 20 Mann wurden nach Ribnitz in Marsch gesetzt, um alle dort vorhandenen Boote und Fahrzeuge an das pommersche Ufer herüberzuholen. Trotz Widerspruch von Rat und Bürgerschaft wurde der Befehl durch­geführt. Einige Fahrzeuge, rechtzeitig gewarnt, liefen aber den Hafen nicht an, andere entgingen dem Zugriff der Landsleute. Die Bohlen der Recknitzbrücke wurden aufgenommen und vor der Brücke eine Brustwehr aufgeworfen. Eine aus früherer Zeit herrührende Schanze seitlich der Brücke wurde instandgesetzt und mit zwei Kanonen bestückt. Eine Kompanie unter Oberleutnant Tarnow besetzte Daskow, eine andere das Dorf Tempel. Beide erhielten die Weisung, beim ersten Kanonenschuß herbeizueilen. Die übrigen blieben in Damgarten und am Paß. Am Pfingst­dienstag, dem 23. Mai, traf auch noch die Rostocker Garnison, zwei schwache Kompanien, in Damgarten ein. Ihr Führer, der Major von Bülow, wurde nach Richtenberg, ins Hauptquartier des Generals Candras befohlen. Nach Abzug der polnischen Ulanen, die ebenfalls vorübergehend am Paß waren, standen etwa 600 bis 700 Mecklenburger zum Empfang Schills bereit. Den Oberbefehl führte Major von Pressentin. Die Ausrüstung dieser Truppe war höchst mangelhaft. Die Mannschaften, die aus Stralsund gekom­men waren, hatten nur je 20 Patronen, eine Rostocker Kompanie hatte je 12, aus denen das Pulver aber meist ausgefallen war, die andere besaß gar nur zwei je Mann. Von den sechs Geschützen, die nach Damgarten gebracht worden waren, wurden vier kurz vor Beginn des Gefechts nach Stralsund zurückgeführt, da Schieß­bedarf für sie nicht vorhanden war.

Am Mittwoch nach Pfingsten, dem 24. Mai, hatte Schill mit seiner Truppe, die aus drei Schwadronen Husaren, einer Schwa­dron reitenden Jägern und etwa 400 Mann Infanterie mit zwei Geschützen bestand, Ribnitz erreicht. Von der Bevölkerung gewiß über den Empfang durch die Mecklenburger am Paß unterrichtet, erschienen am Nachmittag des gleichen Tages an der „Krüm­mung“ des Dammes nach Damgarten die Spitzen seiner Truppe. Eine Abteilung unter Leutnant Ledebur hatte bereits von Ribnitz aus mit zwei Wagen, die mit Booten beladen waren, den Marsch nach Freudenberg angetreten. Eine Schwadron Husaren war eben­falls von hier aus in weitem Bogen ausholend flußaufwärts in Richtung Marlow vorgestoßen mit der Weisung, den Recknitz­übergang zu gewinnen und dem Gegner die Rückzugstraße nach Tribsees gegebenenfalls zu verlegen. Eine weitere Gruppe war in Ribnitz geblieben, um Boote und Fahrzeuge aufzutreiben, mit denen die Recknitzmündung bei Pütnitz überschritten werden sollte.

Infolge des sonnigen und trockenen Frühlingswetters war das sonst sumpfige Recknitztal ausgetrocknet, und als einziges Hindernis kam nur der eigentliche Flußlauf in Betracht. Das Gefecht begann um 4 ½ Uhr nachmittags mit Artillerie- und Schützenfeuer in der Front. Schills Hauptmacht drang ausschwär­mend und kriechend zu beiden Seiten des Dammes in gerader Richtung auf das Zollhaus an der Paßbrücke vor, erreichte dieses und eröffnete das Feuer auf die vor der Brücke aufgeworfene Brustwehr und die seitlich gelegene Schanze, während von den Mecklenburgern mit ihren Geschützen besonders das Paßhaus unter Feuer genommen wurde. Von den Bewohnern, die auf­gefordert waren, das Haus zu verlassen, waren die Männer nach Ribnitz unterwegs, um ihre Habe in Sicherheit zu bringen. Die Frau und die drei Kinder mußten die Schießerei über sich ergehen lassen. Sie blieben aber am Leben. Nur eins der Kinder wurde durch herabfallende Steine verletzt. Dach und Fachwerk des Hauses wurden durch die einschlagenden Granaten bald zerstört, aber die Grundmauern hielten Stand. Etwa zwei Stunden dauerte der Feuerkampf. Mutige Jäger versuchten, die Brücke auf dem stehenden Gebälk zu überschreiten. Es gelang jedoch nicht. Tot oder verwundet stürzten sie in den Fluß. Der in Ribnitz verbliebenen Abteilung gelang es schließlich, auf Booten, die die Mecklenburger nicht entführt hatten, an der Mündung über die Recknitz zu setzen. Sie fiel von Norden her der Besatzung in Brustwehr und Schanze in den Rücken. Beide Befestigungsanlagen wurden genommen, und die Mecklenburger zogen sich auf die Stadt Damgarten zurück. Inzwischen war es der Abteilung des Leutnants Ledebur gelungen, bei Freudenberg das andere Reck­nitzufer zu gewinnen. Die noch weiter südlich operierende Schillsche Abteilung hatte mit Hilfe einiger anwohnender Bauern an einer ziemlich sumpfigen Stelle ebenfalls das jenseitige Ufer glücklich erreicht. Es bestand nun für sie die Möglichkeit, den zurückgehenden Mecklenburgern die Rückzugstraße nach Tribsees und Stralsund abzuschneiden.

Gegen 7 Uhr abends erreichte die Mecklenburger in Damgarten die Nachricht, daß die Straße nach Tribsees durch feindliche Truppen gesperrt sei. Major von Pressentin befahl daher das Zurückgehen auf der Poststraße nach Stralsund, um schließlich den General Candras in Richtenberg zu erreichen.

An einer alten, mächtigen Eiche, die bis 1898 an der Heer­straße, schräg gegenüber dem Deutschen Haus stand, zerschlugen — nach alter mündlicher Überlieferung — zurückgehende Mecklenburger ihre Gewehre aus Scham und Wut, daß sie gegen deutsche Brüder hatten kämpfen müssen.

Schill selbst ritt, als die Brücke wiederhergestellt war, mit der Nachhut seiner Truppe durch Damgarten. Ein lediges Pferd führte er am Zügel mit. Vor dem Gasthaus in der Schillstraße (früher Heerstraße) erbat er von einer Frau aus dem gegenüberliegenden Hause einen Strick. Nach kurzer Nachtruhe in Karnin erreichte er mit 30 Ulanen und 15 Husaren, „so noch die besten Pferde hatten“ gegen 10 Uhr am nächsten Morgen Stralsund. Durch das Tribseer Tor sprengte er, ohne Widerstand zu finden, auf den Neuen Markt.

Der Rückzug der Mecklenburger auf der Poststraße nach Stralsund wurde bald gestört, da die Schillschen Truppen dichtauf folgten. Das Eintreffen der Daskower und Templer Kompanien hielt diese zunächst in Damgarten zurück. Mit den noch vorhan­denen 20 Patronen je Mann wurde ein lebhaftes Feuer auf die Nachdrängenden eröffnet. Der Rückzug konnte aber fortgesetzt werden. Bald aber stieß die Abtei­lung des Leutnant Ledebur, die bei Freudenberg über die Recknitz gegangen war, auf die zurück­gehenden Mecklenburger. Major von Pressentin gab Befehl, durch Kartätschenfeuer die Straße frei zu machen. Allein beim ersten Schuß gab es eine Katastrophe. „Von dem Knall erschreckt“, so schreibt er später, „wurden die Pferde vor den Kanonen (es waren Bauernpferde) wild, brachen alles kurz und klein, der Munitions­wagen stürzte in den Graben, das andere Kanon warf um, und die Pferde liefen davon. Die Infanterie hatte keine Patronen mehr und war dem heftigsten Feuer der Jäger ausgesetzt. Nun lief alles dem nächsten Holze zu; verschiedene Treulose gingen zum Feinde über und schossen ihren letzten Schuß auf uns ab.“ Die meisten der Fliehenden kamen jedoch nicht weit. Die Sieger schnitten ihnen den Weg ab. „Das nächtliche Gefecht endigte“, so schreibt ein Teilnehmer später in seinen Erinnerungen, „wie wohl wenige endigen. Die Schillschen Jäger rückten zuletzt vor, ohne zu feuern. Sie winkten mit Tschakos und Mützen, zeigten die volle Flasche und riefen: ‚Hurra! Kommt zu uns, brave Deutsche!‘ und dgl. mehr. Einige von uns wandten sich nach der allein noch offenen Seite, andere blieben unschlüssig und verdutzt stehen, wurden umringt und gefangen, und unter diesen zunächst unser Komman­deur. Die Schillianer brachten Branntwein, tranken unseren Soldaten zu, ließen den König von Preußen, bald den Herzog von Mecklenburg hochleben, und sehr schnell schien das ganze nur ein Trupp von einer und derselben Armee zu sein.“ Auch Fritz Reuter hat in seiner „Franzosentid“ Einzelheiten aus diesem Scharmützel dargestellt: „Ein Schillsche Husar nam ‘ne ganze Kaperalschaft lange meckelbörgsche Granedier gefangen. ‚Kinner‘, rep hei ehr tau, ‚sid ji all gefangen?‘ ‑ ‚Ne‘, säd de brave Kapperal, ‚uns hett nüms (keiner) wat seggt.‘ ‑ ‚Na, denn kamt man mit!‘ Un sei gungen mit! ‑ Was dat Feigheit? Was dat Furcht? Wenn ein Stamm in Dütschland dat Tüg dortau hett, up en Slachtfeld tau stahn, denn hett‘t de Mecklenbörger. Ne, das was kein Feigheit, ‑ dat was de Unwill, gegen dat tau striden, wat sei sülwst in den deipsten Harten drogen un wünschten.“ Ob Reuters Begründung dafür, daß sich die Mecklenburger „hundsvöttsch slicht“ geschlagen haben, zutrifft, ist zweifelhaft; denn ein anderer Chronist berichtet: „Kaum die Hälfte bestand aus geborenen Mecklenburgern, die andere Hälfte bildeten Vagabunden aus aller Herren Länder, ein geradezu schreckliches Gesindel, das man eben erst angeworben hatte, um die Landeskinder zu schonen.“

Die Verluste beider Seiten sind sehr unterschiedlich angegeben. In einer Darstellung heißt es: „Schill soll in dem Gefecht bei Damgarten 68 Tote und Verwundete eingebüßt haben. Auch die Mecklenburger wollen gegen 50 Mann verloren haben.“ Eine andere berichtet, daß die blutigen Verluste sehr gering waren. Die 5 Kompanien des 2. Bataillons Schwerin hatten nur 8 Verwundete. Der Gesamtverlust der Mecklenburger wird also nicht viel höher sein, und die Sieger sind wahrscheinlich ebenso billig weggekom­men.“ Wenn man berücksichtigt, daß die mündliche Überlieferung ‑ auch bei den ältesten Einwohnern ‑ nichts von Soldatengräbern aus dieser Zeit zu berichten weiß, und wenn man die überaus mangelhafte Ausrüstung der Mecklenburger in Betracht zieht, muß man wohl der letzten Darstellung zustimmen. Die größte Zahl wurde sicher gefangengenommen. 2 Stabsoffiziere, 7 Hauptleute, 21 Leutnants, mindestens 200 Gemeine, 4 Fahnen und 2 Geschütze fielen Schill in die Hände. Übergelaufen zu Schill waren nur einige 60, die nachher zur Strafe „vier Wochen in umgewandten Röcken“ Dienst tun mußten.

Ins Hauptquartier nach Richtenberg gelangte die Nachricht von der Niederlage an der Paßbrücke am späten Nachmittag. Dem General Candras meldete ein Ordonnanzoffizier: „Mein General, wir sind alle verloren!“ In zwanzig Minuten wurde Richtenberg fluchtartig verlassen und der Rückzug über Anklam nach Stettin aufgenommen. An Widerstand und Unterstützung „seiner Mecklenburger“ dachte Candras nicht. Die prahlerischen Reden von der Vernichtung der „Schillschen Räuber“ waren vergessen. Die in dem nächtlichen Gefecht entkommenen Mecklenburger versuchten, sich auf eigene Faust zu retten. Eine Abteilung mit 14 Offizieren und Kadetten und etwa 100 Mann, die sich zu einem Trupp zusammengefunden hatten, wurde von Schillscher Kavallerie eingeholt und völlig zersprengt. Der Rest, 8 Offiziere und 24 Mann, bog nach Barth ab, das nach Mitternacht erreicht wurde. In zwei offenen Booten setzten sie noch in der Nacht nach Zingst über. Hier wurden die Soldaten entlassen, und über den Darß und das Fischland erreichten sie glücklich ihre Heimat. Die Offiziere begaben sich nach Barhöft, um von dort über Rügen nach Stettin zu entkommen. Durch nach Stralsund geschickte Boten erfuhren sie aber, daß die Insel schon vom Feinde besetzt sei. Sie ließen sich daher am 25. Mai abends 11 Uhr wieder nach dem Zingst übersetzen und fuhren mit einem Wagen am Ostseestrande entlang nach Prerow, wo sie am 26. Mai in den frühen Morgenstunden ankamen. Ihr Plan, sich von der Küste des Darß zu Schiff nach Warnemünde, Lübeck oder Holstein bringen zu lassen, wurde von Schillschen Patrouillen, die durch den Darß streiften, vereitelt. Als sie in Born gerade ein Schiff mieten wollten, wurden sie gefangengenommen und am 26. Mai abends nach Stralsund eingebracht. Fischer hatten einem Schillschen Trupp die Nachricht übermittelt, daß Soldaten „mit großen Federbüschen“ in Richtung Born vorübergefahren seien. Als Gefangene auf Ehrenwort konnten sie in Stralsund frei herumgehen und den heldenhaften Untergang Schills, als am 31. Mai Holländer und Dänen die Stadt nahmen, erleben.

Schill ist nicht an einem tollen Abenteuer zugrunde gegangen; aber die damals in Preußen herrschende Klasse unterstützte nicht den Freiheitskampf. Der mutige Streiter für Freiheit und Recht, Ernst Moritz Arndt, hat Schill am treffendsten gezeichnet:

Ja, als die Wucht von Schanden
Den Nacken Deutschlands bog,
Ist einer aufgestanden,
Der stolz den Degen zog.
Als viele wie Memmen erblichen
Und kuschten feig und still,
Ist dieser nicht ausgewichen:
Sein Name klinget Schill.

"Die älteste Stadtansicht von Damgarten" - Von Hans Erichson

1997

Der kunstsinnige Herzog Philipp II. von Pommern-Stettin beauftragte um 1610 den Rostocker Gelehrten Eilhard Lubin, eine Landkarte von Pommern anzufertigen. Lubin zog mit seinen heute recht primitiv anmutenden Meßgeräten drei Jahre lang durch das Pommernland, um die „Städte, Flecken, Stifte, Dörfer, stehende und fließende Wasser und was dergleichen mehr ist“ aufs genau­este aufzumessen und „alles in eine große zierliche Landtafel zu bringen“, wie es in einem alten Bericht heißt. Der Rostocker Professor war allerdings nur für die Kartierung zuständig. Der Herzog beauftragte weitere Künstler, diese Karte mit Stadtan­sichten, Porträts und Wappen zu verzieren. Dann wurde diese Pommernkarte mit all den künstlerischen Zutaten in Amsterdam in Kupfer gestochen und 1618 veröffentlicht. Die Lubinsche Karte besitzt immerhin eine Größe von 2,21 x 1,25 Meter.

Unter den 49 pommerschen Stadtansichten der Lubinschen Karte finden wir auch eine Ansicht von Damgarten. Diese etwa 8 x 14 cm große ovale Darstellung galt bisher als das älteste Stadtbild von der Stadt an der Recknitz. Jedoch vor gut 30 Jahren fand der Stralsunder Stadtarchivdirektor Herbert Ewe eine Mappe mit insgesamt 20 kolorierten Federzeichnungen, die viele Jahre im Stralsunder Archiv schlummerte. Sie enthielt Stadtansichten 18 vorpommerscher Städte und 2 jenseits der Oder liegender Orte. Es stellte sich heraus, daß diese Zeichnungen fast identisch waren mit den Stadtansichten auf der Lubinschen Karte. Der Künstler, der diese farbigen Städtebilder zeichnete, ist jedoch nicht bekannt. Die Entstehungszeit kann aber aus bestimmten dargestellten Gebäuden recht genau erschlossen werden, es ist die Zeit von 1611 bis 1615. Diese 20 farbigen Stadtansichten veröffentlichte Herbert Ewe 1979 unter dem Titel „Stralsunder Bilderhandschrift. Historische Ansichten vorpommerscher Städte“.

Die Ansicht von Damgarten auf der Lubinschen Karte und die in der „Bilderhandschrift“ stimmen inhaltlich weitgehend überein. Wenn man beide Darstellungen aber genauer betrachtet, erkennt man, daß die Federzeichnungen der Bilderhandschrift exakter sind und verschiedene Einzelheiten genauer darstellten. Daraus kann man folgern, daß die Bilderhandschrift als Vorlage für die Lubinsche Karte diente.

Der unbekannte Künstler, der diese Federzeichnung herstellte, wählte einen fiktiven Standpunkt auf der mecklenburgischen Seite des Recknitztales und konnte so von diesem erhöht angenomme­nen Punkt die ganze Stadt Damgarten ausgezeichnet erfassen.

Wir erkennen im Vordergrund den Damm, der das Recknitztal durchquert. Die Recknitzbrücke ist deutlich als Zugbrücke darge­stellt. Daneben steht auf der mecklenburgischen Seite ein Gebäu­de, das als die Zollstation anzusehen ist. Der Damm führt dann weiter auf das Ribnitzer Tor in Damgarten zu, neben dem sich ein mächtiger Wehrturm auf einer Schanze erhebt. Dieser Turm ist schon im 13. Jahrhundert errichtet und erhielt später den Namen Jaromars-Turm. Er war in den vielen Kriegen oft hart umkämpft. Vom Ribnitzer Tor führte die Heerstraße (die jetzige Schillstraße) bis zum Marktplatz und in Verlängerung darüber hinaus bis zum Barther Tor. Am rechten Bildrand ist das Stralsunder Tor abgebildet, von dem die Stralsunder Straße bis zum Markt führt und rechtwinklig auf die Hauptstraße trifft. Die drei Hauptstraßen bilden gewissermaßen die Form des großen Druckbuchstaben „T“. Das Rathaus lag an der Einmündung der Stralsunder Straße. Einen eigentlichen Marktplatz scheint Damgarten nicht besessen zu haben, vielmehr stellt der verbreiterte Platz vor dem Rathaus den Markt dar. Vor dem Rathaus erhebt sich ein kleines Bauwerk, das wir als den Pranger oder „Kaak“ ansehen dürfen.

Die Federzeichnung des unbekannten Künstlers ist so präzise, daß man versuchen könnte, die Häuser in den einzelnen Straßen auszuzählen. Es herrschen offensichtlich die Giebelhäuser vor, die man wohl als die Geschäftshäuser der Kaufleute und als die Werk­stätten und Wohnhäuser der Handwerker ansprechen kann. Die Gebäude mit den Traufseiten zur Straße werden die Häuser der Ackerbürger sein. Man kann sogar an der unterschiedlichen Farbe der Dächer erkennen, ob die Häuser ein Stein- oder Strohdach besitzen.

Die Kirche liegt nicht im Zentrum der Stadt wie in Ribnitz, sondern steht etwas abseits an der Westseite. Auch sie ist präzise dargestellt: der etwas höhere Ostteil ist schon im 13. Jahrhundert entstanden, der niedrigere Westteil wurde im 15. Jahrhundert hinzugefügt. Im Jahre 1615 besaß die Kirche noch keinen Turm. Auf dem Bild erkennen wir zwar drei Stadttore, aber keine Stadtmauer. Eine Stadtmauer hat die kleine Stadt nie besessen, vielmehr mußten ein breiter Stadtgraben und ein Wall mit einem Plankenzaun die Stadt gegen Angreifer schützen.

An der Westseite der Stadt fällt die Bockmühle sofort ins Auge. Daneben steht der Galgen als Zeichen der städtischen Gerichts­barkeit sowie eine hohe Stange, die sicher zum Vogelschießen benutzt wurde. Das Schießen nach dem „Papagei“ gehörte damals zu den wichtigsten städtischen Lustbarkeiten. Am Pütnitzer Bach dreht sich das Mühlrad der Wassermühle. Auf der anderen Seite des Baches erhebt sich die mächtige Burg der Pütnitzer Herrn von Dechow. Davor segelt auf dem Bodden ein Zweimaster mit vollen Segeln. Wenn es eine reale Darstellung und kein schmückendes Beiwerk des Zeichners ist, erhalten wir hier einen frühen Hinweis auf die Schiffahrt der Boddenstadt. Man glaubt beim Betrachten dieser historischen Stadtansicht die Freude des Malers über seine Arbeit zu spüren. Mit welcher Sorg­falt stellt er solche Einzelheiten wie den Jaromars-Turm, die Zug­brücke über die Recknitz, die Wassermühle und verschiedene andere Details dar! So überlieferte uns der unbekannte Zeichner der Stralsunder Bilderhandschrift ein einzigartiges Dokument über den Zustand der Stadt zu Anfang der 17. Jahrhunderts. Nur wenige Jahre später zog der Dreißigjährige Krieg über unsere Gegend hinweg. Damgarten wurde total verwüstet, so daß am Ende des furchtbaren Krieges nur noch 5 Familien in den Trümmern der Stadt gehaust haben sollen.

"De hoghe Brügg" - Von Hans Erichson

1997

Im Jahre 1286 kaufte die Stadt Ribnitz den Rittern Heinrich und Hermann von Dechow zu Pütnitz die „hoghe Brügg“ an der Recknitz für „70 Mark Rostocker Münze“ ab. Wie allerdings die Dechows in den Besitz der Brücke gelangt sind, verraten uns die alten Urkunden nicht. Es wird auch ein Geheimnis bleiben, warum sie die Brücke nicht an das ihnen näher gelegene Damgarten verkauften; wir wissen aber, daß zwischen den Pütnitzern und Damgartenern kein gutes nachbarschaftliches Verhältnis bestand.

Schon damals besaß die Recknitzbrücke eine besondere Bedeu­tung, denn hier zwischen Ribnitz und Damgarten überquerte schon im Mittelalter die wichtige Handelsstraße entlang der Ostseeküste von Lübeck über Wismar und Rostock die Recknitz. Das eigentliche Verkehrshindernis ist weniger der kleine Fluß, als vielmehr die breite sumpfige Flußniederung. Dieses ein bis zwei Kilometer breite und über 100 Kilometer lange sogenannte Grenz­tal wurde während der letzten Eiszeit durch gewaltige Schmelz­wasserströme geschaffen. In der Nacheiszeit füllte es sich dann mit sechs bis zehn Meter mächtigen Torfschichten. Dieses Grenztal, das sich von der Friedländer Wiese über Demmin und Bad Sülze bis Damgarten erstreckt, hatte früher nur drei Übergänge oder Pässe: zwischen Ribnitz und Damgarten, zwischen Bad Sülze und Triebsees und bei Demmin. Die Marlower Durchquerung ist jüngeren Datums. Von diesen drei Übergängen soll der Recknitz­paß bei Damgarten früher ,,gangbarer“ gewesen sein als die beiden anderen. Dieser Paß besaß aber auch große militärische Bedeu­tung, über ihn ergossen sich in der Vergangenheit die Kriegsheere und brachten Not und Elend über die beiden Städte. Der Reck­nitzpaß war in den vergangenen Jahrhunderten oft hart umkämpft. Darüber hinaus war die Recknitzbrücke aber auch besonderem Wert, weil sie durch den Brückenzoll eine ständige Einnahme­quelle für die Stadt darstellte.

Die sogenannte Stralsunder Bilderhandschrift mit der Darstel­lung der Stadt Damgarten aus dem Jahre 1615 vermittelt uns ein recht genaues Bild von der Recknitzbrücke. Der Zeichner stellt sie uns als Zugbrücke mit einem hohen Gerüst, als „hoghe Brügg“, dar. Eine solche hölzerne Brücke war fast ein Wunderwerk der Technik, die sowohl dem Frachtverkehr auf der Straße als auch dem Schiffsverkehr auf der Recknitz genügen konnte.

In den vergangenen Jahrhunderten spielte die Recknitz als billige Wasserstraße eine gewisse Rolle. So transportierten die Gutsbesitzer aus dem Raum Sülze und Tessin ihr Korn mit Prähmen auf der Recknitz nach Dierhagen, wo es dann von den Fischländern weiter nach Lübeck verschifft wurde. Auch von der Saline in Sülze wurde noch im vorigen Jahrhundert das Salz über die Recknitz, den Bodden und die Ostsee verfrachtet. Wenn also ein solcher großer Kahn kam, wurde die Brücke hochgezogen und das Schiff konnte passieren. Auf der Darstellung Damgartens in der Stralsunder Bilderhandschrift erkennt man neben der Recknitzbrücke das Zollhaus. Die Recknitz war bekanntlich die Grenze zwischen Mecklenburg und Pommern, und bei Einfuhr von Waren nach Mecklenburg wurde Zoll erhoben. Um den Brückenzoll gab es oft Streitigkeiten. So schlichtete 1481 der Herzog Magnus II. (1487 - 1503) den Streit zwischen Ribnitz und Rostock wegen des Zolls an der Recknitz. 1486 bestätigte Herzog Balthasar den von der Stadt Ribnitz seit 200 Jahren erhobenen Brückenzoll. Herzog Albrecht VII. bestätigte wiederum 1546 die Errichtung des neuen Landzolls, der noch bis ins 19. Jahrhundert bestand. Noch um 1880 wurde für Vieh, welches von Preußen über die Brücke kam, ein Brückenzoll erhoben. Als dann 1890 die Eisenbahnstrecke Rostock-Stralsund eröffnet wurde, brachte der seit 500 Jahren erhobene Zoll kaum noch Erträge und wurde aufgehoben.

Der Recknitzpaß war bei den Kämpfen zwischen den mecklen­burgischen und pommerschen Fürsten das Einfallstor in das andere Land. Das war auch im Jahre 1322 so, als es zwischen Witzlaw III. von Rügen und dem mecklenburgischen Fürsten Heinrich II. hier an der Recknitz zum Kampf kam. Der Rügener erlitt eine schwere Niederlage und schloß einen Sonderfrieden ab. Die Friedensverhandlungen fanden auf der hohen Brücke statt, und dort ließ der Mecklenburger die Gefangenen gegen ein Lösegeld wieder frei. Auch diente die Recknitzbrücke wiederholt als Verhandlungsort, man traf sich in der Mitte der Brücke und konnte sich gegebenenfalls ungehindert zurückziehen. Auch in späteren Jahren fanden hier mitten auf der Recknitzbrücke wiederholt Verhandlungen zwischen den Mecklenburgern und Pommern statt.

Wir sehen also, die hohe Brücke war ein geschichtsträchtiger Ort. Wenn die Recknitzbrücke erzählen könnte, dann würde sie von den Kaufleuten berichten, die mit ihren Planwagen über die Brücke polterten, von den Wallensteinern und Schweden und von dem Major Ferdinand von Schill, der hier 1809 in einem kühnen Handstreich den Übergang über die Recknitz erkämpfte. Wir könnten aber auch von dem schlimmen Hochwasser hören, als im November 1872 das Wasser 2,80 Meter über normal stand und das Paßgehöft eingeschlossen hatte. An dem alten Paßgehöft war noch die Flutmarke dieses Hochwassers angebracht.

Mit dem ansteigenden Verkehr nach dem ersten Weltkrieg genügte die hölzerne Recknitzbrücke nicht mehr den Anforde­rungen. Sie wurde 1935 abgebrochen und durch eine neue Brücke aus Beton und Stahl ersetzt. Wegen der Schiffahrt auf der Recknitz war sie als Hubbrücke konstruiert, so daß bei Annäherung eines Lastkahns der Mittelteil der Brücke hochgehoben werden konnte und so die Durchfahrt freigab. Weil nach dem 2. Weltkrieg die Recknitz als Verkehrsweg völlig bedeutungslos wurde, entfernte man um 1970 das hinderliche Hubgerüst.

Nur 60 Jahre lang hielt diese Brücke aus Stahl und Beton dem starken Verkehr auf der Transitstrecke stand, dann mußte sie in den 90er Jahren abermals erneuert werden. Mit dem Neubau der Brücke verschwand auch das historische Zollhaus.

1950 rückte die Recknitzbrücke noch einmal in das politische Rampenlicht. Am 5. Juli 1950 reichten sich die Ribnitzer und Damgartener Stadtverordneten auf der Recknitzbrücke die Hände und vollzogen so den Zusammenschluß der jahrhundertelang durch eine Landesgrenze getrennten Städte Ribnitz und Damgarten. Es war beileibe keine Liebesheirat, aber seit nun bald 50 Jahren hat sich dieser Bund bewährt und gefestigt.

Bei der Kreisgebietsreform im Jahre 1993 wurde die vielfach geforderte Errichtung der alten Grenze an der Recknitz zurückge­wiesen, so daß die Doppelstadt Ribnitz-Damgarten bestehen blieb.

An der 1995 erbauten neuen Recknitzbrücke grüßt jetzt auf der einen Seite der mecklenburgische Stierkopf und auf der anderen der pommersche Greif die Vorüberfahrenden.

"Der große Brand von Damgarten 1695" - Von Walter Ewert

Im Taufregister der Kirche zu Damgarten finden wir unter dem 14. November 1695 folgenden kurzen Nachtrag: „In der folgenden Nacht ist Leyder Damgarten in schleuniges Feuer aufgegangen.“ Hinter diesen wenigen Wörtern verbirgt sich das größte Unglück, das Damgarten in seiner 700jährigen Geschichte getroffen hat. Der Bericht darüber soll mit den eigenen Worten unserer Vorväter wiedergegeben werden. Sie wandten sich mit der Bitte um Hilfe an die Regierung und schrieben:

„Ew. Hochgräfl. Exellenz müssen wir elende und höchst bekümmerte Damgartener leider vortragen, wie es geschehen, daß vom 14. auf den 15. dieses annoch laufenden Monats zu Mitter­nacht zwischen 12 und 1 Uhr in unsers Bürgers Jochim Bistorffs Hause ein Feuer aus dem Darren offen entstanden, welches binnen anderthalb Stunden dermaßen um sich gefressen, daß dadurch 26 der besten Häuser nebst drei Scheunen bis auf den Grund in die Asche geleget, so daß die Einwohner nichts denn nur ihren Leib gerettet haben. Es ist allbekannt, wie unser Städtlein durch die letzten Kriegsfälle zugerichtet worden und nur 4 Häuser bestehen geblieben sind. Allein es betrifft dieses Unglück noch bei weitem jenes, zumal unser Städtlein, worüber sich der gütigste Gott und Ew. hochgeborne Exzellenz erbarmen wollen, in 5 bis 6 kleinen und etwa in Zeit von zweien Jahren auferbauten Häuser­chen von Buden bestehet, worin sich einige des Ratskollegium und der Bürgerschaft aufhalten; die übrigen aber liegen auf den Brand­stätten fast unter dem blauen Himmel und erbetteln ein Stück Brot in den um und herum liegenden Dörfern. Mit kurzem: es ist bei uns der Jammer so groß, daß er allhie mit der Feder nicht genug­sam beschrieben werden kann. Indessen aber und da es wohl nicht anders wird sein können, denn daß man nur einen Mut wieder fassen und der Zuversicht leben müsse, daß der gütigste Gott und die hohe Landesobrigkeit uns zu einem Wiederaufbau helfen werden, also haben wir in sothaner Mitteilung Ew. Hochgeb. pp. untertänigst gehorsamst anflehen wollen, weil in der Stadthölzung kein Bauholz mehr vorhanden ist, es geruhen dieselbe gnädig, uns zureichliches Bauholz in den Königlichen Heiden anweisen zu lassen, worauf wir Hoffnung haben wollen, daß unsere hier bevor aus Mecklenburg und andern Orten zu uns gekommen und jetzt wieder vor der Hand dahin geflüchteten Mitbürger sich wiederum anfinden werden; warum wir bitten, daß diejenigen, so da zu bauen beschließen, einhalts einer zehnjährigen Freiheit von Steuern sich zu erfreuen haben sollten.

Wenn wir nun auch ganz unbemittelte und nicht anders denn für miserable Leute anzusehen sein, so müssen wir noch ferner bitten, uns nicht allein mit etwaiger Beisteuer in unsrer höchsten Not und zur Beförderung unsers Bauens zu unterstützen, sondern auch an alle Städte im Lande eine Vorschrift zur Kollekte zu erteilen, wie wir denn auch nicht zweifeln, es werde nicht allein die hiesige Soldateska uns abgenommen, sondcrn wir auch von nun an von allen Kriegssteueren, besonders wegen der Reiterverpflegung und des noch übriggebliebenen und künftigen Zolls und Magazinkorns befreiet werden.

Damgarten, den 26. November 1695

Darauf wurde den Abgebrannten zehnjährige Steuerfreiheit zugebilligt und im Saaler und Templer Wald Bauholz angewiesen. Ferner durfte eine Kollekte im Lande veranstaltet werden.

Doch die Sache war damit für die Damgartener noch nicht erledigt. In der Bürgerschaft hatte eine große Erregung gegen Bistorp Platz ergriffen. In einem Bericht an die Regierung beklagte sich dieser bitter über das Verhalten seiner Mitbürger. Nachdem er kurz die Ursache des Feuers, das durch Achtlosigkeit eines Dienst­mädchens entstanden sei, angegeben hat, schreibt er weiter: „Als ich nun wieder zu bauen gesonnen, so erzeigen sich meine Nach­barn und Mitbürger dergestalt widrig wider mich, daß sie nicht allein meinen Namen in der von Ew. Exzellenz erteilten Erlaubnis auf sechs zwölfter Holz für die Person ausgestrichen und mir das Bauen verbieten wollen, sondern haben mir von den Kollekten­geldern auch nicht das geringste zugekehrt, zu geschweigen, daß sie mir meine wenigen daselbst liegenden Äcker wegzunehmen drohen.“ In einem Gegenbericht gibt der Rat eine drastische Schilderung des Jochim Bistorp, die aber sicher übertrieben ist. „Wir berichten ganz gehorsamst, daß dieser Jochim Bistorp sich nicht allein je und allerwege bei uns sogar als ein ungehorsamer Bürger erwiesen, daß wenn er vielfach liederliche Händel und Streitigkeiten angefangen und deshalb auf angestellte Klagen vorgefordert worden, er niemals oder selten erschienen. Wir müssen also voll bekennen, daß wir dieses verdrießlichen Men­schen, von welchem leicht ein oder ander ein böses Beispiel nehmen kann, ledig sein möchten. Am allermeisten ist deshalb unsre abgebrandte Bürgerschaft bemühet, als welche darob überaus erbittert, daß sie durch seine Ruchlosigkeit in das äußerste Elend gesetzt worden sein und sagen derselben nicht wenige, daß, daferne er bei uns bleiben sollte, sie von dannen ziehen wollen, weil sie voll versichert sein, daß er von seinem Vollsaufen und ruchlosen Haushalten nicht lassen und also dergleichen Brand­schaden durch ihn noch mehr entstehen werde, in anbetracht, daß bei den mehrmaligen Besichtigungen der Feuerstellen es über alle Maßen gefährlich in seinem Hause befunden, indem sein Feuer und die Darre nicht höher als eine Elle von seinem Strohdach gestanden, und da ihm solches zu ändern anbefohlen, hat er nicht allein nicht gehorcht, sondern vielmehr uns mit groben Worten angefahren. Hiezu kommt noch, daß wie zuletzt und zwar zum dritten Mal die Feuersbrunst zur Nachtzeit zwischen 12 und 1 Uhr in seinem Hause entstanden, er dieselbe über eine halbe Stunde verhehlte und sich bei seinen Nachbarn nicht gemeldet, weil er voll gewußt hat, was ihm öfter seines gefährlichen Feuers halber vorgeworfen worden, daher denn auch der abgebrannten Bürger Verbitterung so groß gegen ihn ist, daß wir fast ein Unglück daraus befürchten müssen.“

Obwohl die Regierung befahl, Bistorp nicht anders als die übrigen Bürger zu behandeln und ihn an allen Vergünstigungen teilnehmen zu lassen, gab ihm der Rat zur Antwort, wenn er auch noch zehn Verordnungen von der Regierung erwirkte, sollte er doch keine Kol­lektengelder genießen. Bistorp fing zwar an zu bauen, aber der Groll seiner Mitbürger war doch wohl zu groß, als daß sie ihm behilflich gewesen wären; denn am 21. Nov. 1699, also vier Jahre später, klagte er der Regierung, „daß das Haus noch ganz nackend und offen, weil weder Tür noch Fenstcr drinnen, nur eine kleine Stube, worin ich mit meiner Frau und Kindern. Ew. Exzellenz in tiefster Demut hiermit anflehen müssen, einem hiesigen Rat bei namhafter Strafe hart zu befehlen, daß sie mich die erteilte Erlaubnis, als auf jeden Bürger ein zwölfter Holz und von den Kollektengeldern 22 Taler, so ein jeder Bürger bekommen, unverweigerlich sollen genießen lassen.“ Anscheinend ist Jochim Bistorp später doch ausgewandert; denn sein Name wird nicht wieder genannt.

"Verkehrsleben einst und jetzt" - Von Dr. K. Anklam

1958

Damgarten liegt an einer alten Hauptverkehrsstraße von Stralsund nach Hamburg und Magdeburg. Von alters her ist die Fürsorge für Wegebau und Unterhaltung eine wichtige und wohl in acht genommene öffentliche Angelegenheit. Schon in den ältesten Regierungserlassen und Edikten finden sich über die Wegeunterhaltung, die Schneeräumung zur Erhaltung der Durchfahrt im Winter, über die Besserung der Brücken usw. eingehende Anordnungen. Es seien erwähnt der Brief Kaiser Maximilians aus Innsbruck von 1498, der zur besseren Wahrneh­mung gerade dieser Angelegenheit eine Erhöhung der Zölle in Damgarten und Wolgast vorsieht. Es sei erinnert an weitere Wege­besserungsvorschriften in dem Landtagsabschied des Herzogs Phillipp Julius von 1614, an Wegebesserungsordnungen von 1662, 1670, 1688 und an die Polizeiordnung der schwedischen Regierung insbesondere, welche 1672 und erneuert 1681 anordnet, daß von den nachgeordneten Behörden darauf gehalten werden müsse, daß bequeme Gasthäuser mit reinlichen Lagern vorhanden sein müßten allerort, wo der Verkehr auf den Landstraßen solches erfordere.

Immerhin war es mit den alten Reiseverhältnissen nur äußerst einfach bestellt. Die Wege waren einfache Landwege. Chausseen hat es bis 1816 in Pommern keine und hier sogar erst wesentlich später gegeben: Die Stralsunder Chaussee wurde 1846, die nach Ravenhorst zum Anschluß an die Barth-Franzburger Chaussee erst 1869 gebaut. Auch die alten Gasthausverhältnisse boten nicht die Annehmlichkeiten, die heut selbst ein bescheidener Landgasthof gewährt. Die alten Giebelgasthöfe in unserer Stadt sind selbst noch in gewissem Sinnen Zeugen einer anspruchsloseren Vergangenheit. Die Verkehrsmittel waren seltene, vielfach geringwertige, und das Reisen zu Fuß nicht allein des Preises wegen vorzuziehen, wenn man genügend Zeit und gute Füße hatte. Die schon erwähnte Fahrordnung von 1681 verfügt, daß die trotz aller Warnung noch immer vorkommenden schmalgebauten Wagen, in denen der Reisende in Gefahr sei, umzukippen, an den Stadttoren anzuhal­ten und zu zerschlagen seien! Daß nach selbiger Verordnung ein tüchtiger Wagenmeister in der Stadt zu halten ist, weist auch darauf hin, daß öfters in diesen alten Zeiten schon „Pannen“ vorkamen.

Schon im 18. Jahrhundert fuhren königlich schwedische Postwagen von Stralsund nach Hamburg. Stralsund war Postdirek­tion, unter der Postexpeditionen, unter anderem auch in Damgar­ten, standen. Die Postverwalter waren damals noch Leute aus der Stadt, es sei nur des Ende des 17. Jahrhunderts wirkenden Kauf­manns und späteren Ratsherrn und Bürgermeister Wree gedacht.

Neben dem ordentlichen Postwagen gab es für die wohlhaben­den Leute Extraposten, die an jeder Station sogleich mit frischen Pferden abgefertigt wurden. Oder man konnte, wenn man ganz wohl begütert war, mit einem Reisewagen reisen, was viele Einzel­kosten, wie Pferdegeld, Schmiergeld usw. verursachte. Immerhin war es bei den damaligen wenigen Reisegelegenheiten keine sonderliche Repräsentation, wenn noch 1815 die Deputation der Stadt, um an der Huldigung der nunmehrigen preußischen Regierung in Stralsund teilzunehmen, im eigenen Wagen fuhr.

Der Postwagen guten Andenkens war ein großes gelbes Coupee, in welchem 6 Personen gedrängt Platz hatten. An das Wagenabteil war hinten ein geräumiger vierkantiger Kasten für Gepäck angebaut. Wer mitfuhr, löste in der Postexpedition (lange Jahrzehnte neben dem Rathaus am Markt) ein numeriertes Billett für seinen Platz. Die Postexpedition auf der Strecke Stralsund-Rostock war in Ribnitz, ein großer Gasthof mit Posthalterei auch in Löbnitz, wo die Strecke nach Barth und Anschlußverkehr abging. Der Wagen fuhr in mäßigem Trott und namentlich der Nerven­mensch von heute, der in „flottgehendem Bummelzug“ nur ungeduldig der Erreichung des Ziels harrt, wird sich leicht vorstellen können, wie eine Reise von acht Stunden nach Stralsund oder nach Rostock nur wirklich zu den Lustbarkeiten gehörte, wenn sehr angenehme Reisegesellschaft einem Zeit und Leid vergessen machte. Die Federung der Wagen ist auch erst eine Erfindung verhältnismäßig jungen Datums, aber auch nachdem sie gemacht war, war man weidlich gerüttelt und geschüttelt, wenn man von 11 Uhr vormittags bis abends 7 Uhr von Damgarten nach Stralsund durchgefahren war. Leib und Seele kamen erst bei erwünschter Erquickung am Reiseziel wieder allmählich zusammen! Mit eigenartigen Empfindungen blättert man heut in den alten Provinzialkalendern und läßt aus diesem Kursbuch der Vergan­genheit das alte Verkehrsgetriebe in seiner gemütlichen beschei­denen Form wieder aus vergilbten Blättern an den Tag kommen. Im Anhang dieser Provinzialkalender für Neuvorpommern und Rügen finden sich die Nachrichten „Abgang und Ankunft sämt­licher Posten“ zusammengestellt. Noch 1840 finden wir zwischen Stralsund und Damgarten wöchentlich nur zwei Fahrposten: 1-2 Uhr nachts kommt der Postwagen nach Rostock, 10 - 12 Uhr abends der nach Stralsund hier durch. An einigen Tagen müssen, wie wir aus anderen Vermerken dabei erfahren, Postsachen von Stralsund nach Damgarten über Tribsees gehen. 1845 finden wir täglich Posten nach beiden Städten und eine weitere Abendpost an zwei Tagen nach Rostock, 1856 täglich zwei Posten in beiden Richtungen, um 3 ¼ Uhr nachmittags und 9 ¾ Uhr abends nach Stralsund, um 2 Uhr nachmittags und um 1 Uhr nachts nach Rostock. Der Fahrpreis zwischen Damgarten und Stralsund war ein Taler, zwischen Damgarten und Rostock ein wenig billiger. Nachts waren die Fahrten um einige Groschen teurer, weil die Gebühr von 2 Laternen hinzukam und außerdem wegen der Unsicherheit der Landstraße nachts noch ein mit Gewehr bewaffneter Begleiter mitkam. Bei Löbnitz namentlich, wo es wegen der Räuber des Barther Stadtwaldes nicht geheuer war, fuhr man mit besonderer Achtsamkeit. Das Räuberwesen hat sich trotz aller Vorkehrungen der Landesfürsten bis in das vorige Jahr­hundert gehalten, so daß noch Leute unserer Zeit sich der alten Geschichten wohl erinnern.

Neben der Post gab es in den letzten Jahrzehnten dieser alten Herrlichkeit für den gemeinen und sparsamen Mann den Omni­bus. Der fuhr auch zweimal täglich in beiden Richtungen und war ein Unternehmen des alten Henck, Vorfahr des jetzigen Inhabers der „Stadt Stralsund“, der seinerzeit den jetzt Pastowschen Gast­hof besaß. An jene Zeit gemahnt noch das Schützenschild des alten Henck, auf welchem der Omnibus, ein Kastenwagen mit je einigen Fenstern an jeder Seite, abgebildet ist. War viel Verkehr, so stellte der alte Henck, welcher sicherlich ein rühriger Mann war, die Beichaise (eine Droschke). Wenn viel Päckereien waren, so stellte Herr Henck einen Gepäckwagen. Den Frachtverkehr nach Stralsund besorgte, soweit neben dem damals in hohem Schwange stehenden Schiffsverkehr das nötig war, Vetter, dessen Nachfahr dem gleichen Gewerbe noch anhängt. Dies geschah um die Mitte des vorigen Jahrhunderts einmal wöchentlich. Das alte Postfuhr­wesen kam gelegentlich auch noch in anderer Gestalt durch die Stadt Damgarten. So bestand lange Zeit zwischen Tribsees und hier eine Kariolpost, das war ein kleines Wägelchen, auf dem 1 - 2 Personen Platz hatten.

Wer über Geld verfügte, sagten wir oben, reiste wohl mit Extra­post. Auf dem leichten Extrapostwagen, den vier Pferde zogen, hatten 1-3 Personen Platz. Der Postillion blies diesen Passagieren auch ein besonderes Signal, und es war immer ein besonderes Ereignis, dieses Signal vom Damgartener Markt zu vernehmen. Für den alten guten Postwagen war es übrigens nicht nur auf den Landstraßen nicht immer ohne Mühen, sondern selbst in der Stadt Damgarten konnte ihm dies und das begegnen. War er nachts durch’s Stralsunder Zolltor beim früheren Senator Frahmschen Haus in der Langen Straße glücklich herein, so karambolierte er wohl mit den Wagen, welche schon 1847 z. B. aktenmäßig heut fortlebenden Mißbrauch getreu die Bürger nachts auf den Straßen abstellten. Als 1856 die Straßenbeleuchtung mit 16 Petroleum­lampen (heute 42 Gaslampen) aufkam, mußte über deren Schluß­zeit um ½ 11 Uhr noch die eine Lampe an der Heerstraße bis nachts 1 Uhr auf den Postwagen warten. Erst wenn dieser nach kurzer Pause nach Ribnitz zur Posthalterei weitergefahren war, ging auch sie zur Ruhe.

Die gegen heute wesentlich selteneren Verbindungen mit der Post waren auch die Ursache, daß das Gasthofwesen damals glücklichere Tage hier hatte. Wer Geschäfte in der Stadt hatte, kam gewiß am gleichen Tage nicht wieder fort, und für die langsamen Reisen der Vergangenheit war auf der Strecke die Stadt Damgarten immer schon ein Ruhepunkt. So ist es erklärlich, daß 1867 hier 2134 Fremde im Jahr logierten. Die Erbauung der Stralsund-Rostocker Eisenbahn wandelte dies alles wesentlich. Insgesamt passierte nach einer, Mitte des vorigen Jahrhunderts zur Vorbe­reitung des Bahnbaues gemachten Statistik jährlich etwa 10000 - 12000 Reisende die Stadt, was nichts bedeutet gegen die Tatsache, daß heute die Station Damgarten Staatsbahnhof jährlich über 40000 Fahrkarten verkauft, wobei die mit den Zügen vorüber­fahrenden Reisenden nicht einbegriffen werden, auch ein Zeichen der wanderfrohen und regsamen heutigen Zeit.

Das Bahnprojekt hat bis zu seiner Reife eine Entwicklung von 50 Jahren durchgemacht, ehe es endlich 1889 zur Vollendung kam. Zur Staatsbahn hatte man keine Lust, da man sich um die Renta­bilität wie bei vielen früheren Bahnbauten keine Gewißheit glaubte verschaffen zu können. Endlich dachte man mit einer Pferdebahn die heute so wichtige Strecke abtun zu können. Dann erwog man, indem man mit Barth und Damgarten nicht eben viel im Sinne hatte, direkt von Stralsund über Richtenberg und Marlow nach Rostock zu bauen. Nach langem Wägen folgte schließlich die Tat. Zum letzten Male blies der Postillion auf blumengeschmücktem Wagen auf dem Damgartener Markt 1889 „Muß i denn, muß i denn zum Städtele hinaus?“ und die alte Zeit entschwand. Als der Eisenbahnzug mit ruhiger Gewichtigkeit einfuhr, da war noch manchem Damgartener, der in gemütlicher Zeit eben nicht einmal nach Stralsund oder Rostock gekommen war, eine Eisenbahn noch eine Merkwürdigkeit, die man wohl erst anschauen mußte. Heut ist das vergessen. Seit 1898 besitzen wir eine zweite Eisenbahnver­bindung und einen zweiten Bahnhof, den Hafenbahnhof, der nach Barth und Stralsund führenden Kleinbahn. Ja, nicht allein verges­sen ist die alte Zeit. Neue großzügige Pläne sind entstanden auf jenen bescheidenen mühsamen Anfängen, von denen wir eben erzählten. Die Stralsunder-Rostocker Nebenbahn sieht ihrer Vollendung zur Hauptstrecke entgegen, die, während diese Zeilen geschrieben werden, zu einem guten Teil schon fertiggebaut ist. Eine alte Bestimmung vollendend, wird sie wieder eine Hauptver­kehrsstrecke, sie soll führen von Schweden durch Stralsund nach dem Rheinland. Damgarten wird dadurch unmittelbar nur wenig Nutzen haben, die Vergrößerung des Bahnhofes, daß er den Anforderungen des mit größten technischen Mitteln arbeitenden Hauptbahnverkehrs genügen kann. Aber Damgarten wird nicht am Wege liegen und den Verkehrsstrom an seinen Häuserreihen schweigend vorübergehen lassen, es wird lauschen, es wird lauschen, was die Zeit bringt, und es wird seinen Platz wahren im schneller fließenden neuen Leben. Dazu Glück auf!

"Vom Damgartner Schulwesen" - Von Ernst Garduhn

1958

Als 1570 fürstliche Räte die Stadt Damgarten visitierten, er­mahnten sie den Rat der Stadt an seine Pflicht, die Kinder fleißig im „cathechismo“ unterrichten zu lassen. Damgartens Küster­schule war eine Einrichtung der Kirche. Damit sind die Aufgaben der damaligen Schule klar gestellt, den Schülern den Kathechis­mus, Gesangsverse, Bibelsprüche einzuprägen. Die Stadtschule gründete 1698 Pastor Steiner, da der Küsterschullehrer einen sehr mangel­haften Unterricht erteilte. Bei der schlechten Finanzlage nach dem großen Stadtbrand von 1695 konnte der Rat ein eigenes Schulhaus nicht bauen. Durch Kollekten in den schwedisch-vorpommerschen Synoden kamen etwa 200 Taler zusammen, von denen aber nur 50 Taler für ein primitives Schulhaus in der Langen Straße ausgegeben wurden. Den Rest nahm der Rat an sich, tat aber später nur wenig für die Schule.

In der einklassigen Stadtschule spielte auch der Religionsunter­richt die Hauptrolle. Als weitere Unterrichtsfächer gab es Buch­stabieren, Lesen und Schreiben. Wer mehr lernen wollte, wurde in Latein und später in Französisch eingeführt. Als erster Lehrer an der Stadtschule wirkte Andreas Constantinus Crampsius aus Barth, der auch das Kantorat der Kirche mitverwaltete. Da er als Theolo­giestudent eine gute Allgemeinbildung besaß, konnte er auch als Notar arbeiten. Es war sehr bedauerlich, daß dieser Mann wegen seines schlechten Charakters nicht das Vertrauen der Eltern hatte. Aus den Streitschriften ergibt sich für uns ein interessantes Zeit­bild. Der Postmeister und Hakhändler Christian Wree, später Bürgermeister, sandte an die schwedische Regierung eine Ankla­geschrift, die Crampsius schwer belastete. Es heißt darin: „C., der als Vagabund sich hier eingebettelt habe und vom Rat aus Mitleid zum Schulmeister gemacht sei, habe unter dem Deckmantel des Notariats sattsam erweislich, sein tückisches Gemüt hier ausge­wirkt – durch Fluch, Verleumdung gegen jedermann, Herrschsucht gegenüber Prediger und Obrigkeit, Starrsinn und Untreue. Er ist oft toll und voll, macht Schulden besonders für Branntwein, unterschlägt vom Bürgermeister Rönney ihm anvertrautes Geld, läuft unter dem Hauptgottesdienst zum Krug („Hoppens Haus“), seinen Verdienst versäuft er, statt die Seinen zu versorgen, schnei­det meisterlich auf und lügt vielfältig, lästert Gott in Reden, die die einfältigen Leute verderben.“ C. behauptete, daß man auf ihn geschossen hätte und zeigt als Beweis seinen durchlöcherten Hut vor, den er selbst mit einem Pfriemen durchbohrt hatte.

C. mußte sich verantworten und nannte Wree einen Pasquillen­macher. „Er habe in der Walpurgisnacht unter einer Egde und den Hexen vorgefiedelt, so daß in Damgarten niemand habe logieren wollen und die Bürger ihm das Haus stürmen wollen. Die Pasquil­len seien vom Henker beim Kaak (Pranger auf dem Markt) ver­brannt worden. So ein Mann dürfe ihn, Crampsius, nicht verleum­den.“ Crampsius mußte als „untaugliches Subjekt“ seinen Dienst aufgeben, und seine Nachfolger wurden mit der dürftigen Besol­dung von 17 Gulden nicht fertig und wechselten. Der Schulbesuch war sehr unregelmäßig. Die Kinder lagen meist auf der Straße, und die Eltern hielten sie nicht zum Besuch der Schule an. Die Damgartener urteilten sehr ungünstig über den Rektor, der den Kindern in fünf Jahren nicht das Buchstabieren beibringen konnte. Das förderte die Entstehung von Privatschulen, deren Schul­meister nicht vorgebildet waren. Vom Schneider Marquardt sprach man sehr gut, da die Kinder bei ihm lernten und Disziplin halten konnten. Sein Mittel war die lose Hand. „Wenn er böse ist, erweget er nicht, was ihm in die Hand kommt.“

Ein früherer Handlungsgehilfe Monsieur Gregorius Friedrich Harder wurde 1749 Schulrektor mit 24 Talern Gehalt und Schul­geld. Die „Fiblitschen“ (Fibelleser) zahlten wöchentlich 1 Schilling, die das Rechnen und Schreiben lernten 2 Schillinge, jedes Kind brachte im Winter 12 Schilling Holzgeld mit. Der Rektor hatte freie Wohnung. Sehr traurig waren die Verhältnisse in der Land­schule. „In der Landschule ist Sommers leider kein Unterricht, die Eltern brauchen die Kinder zum Viehhüten. Wenn die Herrschaft ihren Frohnsbauern helfen wollte, könnten die Kinder abkömm­lich gemacht werden.“ Der Gutsherr von Pütnitz war aber nicht einsichtig genug, das zu tun, was ihm Pastor Collasius empfahl. Statt die Kinder in ihrer Bildung zu fördern, nutzte er ihre Arbeitskraft aus. 1803 hatte die Damgartener Stadtschule immer noch einen einzigen Lehrer mit 50 – 60 Kindern, an der Küsterschule unter­richtete ein Schneider, und ein Kaufmann Dedelow aus Ribnitz führte eine Privatschule.

Auf dem platten Lande herrschten geradezu jämmerliche Zustände in der Bildung der Jugend. Notdürftig lernten einige Kinder das Lesen bei alten Frauen. Sie wurden gezwungen, den Kathechismus herzuplappern. Im ganzen gesehen, war das Schulwesen in der Schwedenzeit sehr kläglich.

1815 kam Damgarten mit Neuvorpommern und Rügen unter die preußische Regierung. Die Grundsätze der Pädagogik des berühmten Pestalozzi durchsetzten ihr Schulwesen schon stark. Das Neue fand aber nicht so schnell Eingang, da es an Geld fehlte. Sehr vernünftig war der Vorschlag, die Küsterschule als einklassige Schule aufzugeben. Küster- und Stadtschule sollten zu einem Schulsystem verschmolzen werden, so daß die bisherige Küster­schule die niederen Klassen und die Stadtschule die oberen Klas­sen umfassen sollte. Doch es blieb alles beim Alten. Privatschulen unter Polizeisekretär Hartmann und Schuster Rosche bestanden weiter. Allmählich griff die Regierung ein. Seit 1820 wurden die Privatschulen durch den Staat beaufsichtigt. Die Schulhalter muß­ten eine Erlaubnis für den Unterricht haben. Lehrerfortbildungskurse wurden eingerichtet. Die Gründung des Schulverbandes Pütnitz brachten Pütnitz, Steinort, Plummendorf, Beyershagen unter einen Hut. Die Templer Kinder unterrichtete ein Schiffer Bendix, der auch die Armen- und Freischule über­nahm. 1859 machte man aus der Küsterschule eine einklassige Landschule. Die Stadtschule hatte 1860 186 Knaben und 100 Mädchen. Da an dieser Schule nur vorgebildete Kräfte unter­richteten, ging es aufwärts. 1864 weihte man das neue Schulge­bäude auf dem Katerberg ein (jetzt Grundschule I) Privatschulen gab es immer noch nebenbei. Seit 1888 interessierte sich die Handwerkerinnung für die Schulung der Lehrlinge. Seit 1891 ist diese Einrichtung städtische Fortbildungsschule geworden.

Vom Schulwesen um die Jahrhundertwende erzählte mir Kollege Scheel, der jetzt an der Damgartener Mittelschule unterrichtet. Von 1901 – 1908 besuchte er die Stadtschule, an der tüchtige Rektoren und Lehrer Unterricht erteilten. Mit 5 Jahren kam er in die Kükenschule, früher Predigerwitwenhaus, jetzt Rudolf-Breitscheid-Straße Nr. ... . Da wurde nicht gespielt, gebastelt oder im Sinne eines heutigen Kindergartens gearbeitet, sondern die Kinder lernten vor Schuleintritt Lesen und Rechnen. Die benachbarten Besitzerfamilien schickten ihre Kinder auch in diese Schule. Die Landschule bestand als einklassige Schule und hatte ihr Gebäude neben Stellmacher Dinse. Es war noch genau so wie vor 100 Jahren. Für Arbeiterkinder genügte eine einklassige Schule. Ein typisches Beispiel. Hoch zu Roß hielt vor der Schule der Inspektor des Gutes Pütnitz, rief den alten Lehrer Lüdtke heraus und befahl: „Uphürn! Wi möten hüt inführn!“ Die Schule wurde geschlossen; der Gutsherr brauchte die Kinder auf dem Felde.

"Etwas aus der Strafjustiz früherer Tage" - Von Hermann Bendix

In der Gründungsurkunde der Stadt Damgarten, die Fürst Jaromar von Rügen 1258 hatte ausfertigen lassen, heißt es: „...und geben unserer gedachten Stadt das gemeine Recht, das die zu Lübeck und die in Stralsund jetzt haben, derselben gleich, ohne alle Behindernis und Beeinträchtigung zu ewigen Zeiten frei zu üben.“

So hatten auch die kleinen Städte ihre Gerichtsbarkeit, und zum Zeichen, daß die strafende Gerechtigkeit innerhalb ihrer Mauern ihres Amtes zu walten wußte und der rächende Arm für todes­würdige Verbrechen jederzeit sich zu erheben bereit war, sah man innerhalb der Stadt Schandpfahl und Pranger, außerhalb aber den gefürchteten Galgen. Die Galgen wurden in nächster Nähe der Stadt auf einem höher gelegenen Punkte errichtet. Sie bestanden meist aus zwei aufrecht stehenden Pfosten mit einem Querbalken darüber, bisweilen auch aus drei Pfosten oder nur einem, in dem am oberen Ende ein Querholz rechtwinklig eingelassen war. Galgen, welche mit einer kreisförmigen Untermauerung versehen waren, hießen Hochgericht. Längst sind bei unseren Städten die Galgen verschwunden, aber noch heute ist bei vielen der Galgen­berg als bestimmte Örtlichkeit, innerhalb oder außerhalb derselben vertreten.

Auch Damgarten hatte seinen Galgen. Auf einem Amtszimmer des Rathauses hängt eine alte Karte von Pommern, die der Rostocker Professor Lubinius vor etwa 300 Jahren anfertigte. Sie ist eine sehr fleißige Arbeit. Außer einer Beschreibung des Landes­teils in lateinischer Sprache zeigt sie in der Umrandung die Wap­pen der pommerschen Geschlechter und die Ansichten der pom­merschen Städte, dazu auf einer Fläche für die Ostsee die Abbil­dungen sämtlicher Landesfürsten mit ihren Frauen. Auf dem Stadtbild von Damgarten sieht man nördlich des Ortes die Vogel­stange und dahinter den Galgen. Daß diese bildliche Darstellung richtig ist, geht aus einem Bericht des Rates an die Regierung von Jahre 1696 hervor: „Wenn man aus D. nach der Sahl (Dorf Saal) reiset, liegt zur linken handt der papageyenberg, auf welchem man vor alters nach dem Vogel geschossen, weiter bishin daß gerichte, hinter dem gerichte der hohe berg, darnach das Kuh Soll.“ Letzterer ist ein kleiner Teich auf der Weide, der den Kühen im Sommer zur Tränke dient. Auf der Stelle, wo früher der Galgen stand, wurden noch vor 50 Jahren die Kadaver verendeter Pferde eingescharrt.

Im Jahre 1777 fand die Errichtung eines neuen Galgens statt, da der alte verfallen war. Darüber berichtet ein Ratsprotokoll vom 29., 30. und 31. Oktober genannten Jahres. An Hand desselben will ich erzählen, wie diese Tatsache durch eine feierliche Handlung vorbereitet und der neue Galgen seiner Bestimmung übergeben wurde. Nachdem drei für diesen Zweck im Walde („Damgartener Holz“) ausgewählte Bäume, die mit je 4 Talern berechnet wurden, gefällt und „von den Einwohnern in Hofedienst“ nach der „Gerichtsstätte“ gefahren waren, begab sich eine Vertretung der Stadtgemeinde in feierlichem Zuge an Ort und Stell. Musik durfte dabei nicht fehlen.

Der Zug setzte sich folgendermaßen in Bewegung: Voran gingen die beiden Musikanten Berlin und Paul Berhöft, „die ihre Violinen meisterhaft strichen“, und denen die drei zu der frag­lichen Arbeit gedungenen Zimmerleute folgten. Diesen schlossen sich die beiden Holzbürger, einige junge Bürger, die Älterleute der Gewerke, die Kollegien der Achtmänner und Viertelsmänner und endlich der Magistrat, dem der Ratsdiener Wiese, mit seinem Hut unter dem Arm, eherbietigst folgt, an. Angekommen, wurde von dem Zuge, dem sich noch eine große Anzahl jüngerer und älterer Leute zugesellt hatte, ein Kreis um das Holz, auf dem eine neue Axt und ein Paar neue englische Handschuhe lagen, geschlossen und in diesem hielt der Bürgermeister Johann Adolf Gerresheim folgende Ansprache:

„Wir haben hier heute einen Akt zu verrichten, dem viele von uns Anwesenden noch nicht mögen beigewohnt haben. Dieser Akt besteht in der Errichtung einer Justiz, die den guten Einwohnern zur Sicherheit ihres Vermögens, den gottlosen aber zu ihrer Bestra­fung dient, denen, die auf frevelhaften Wege ihrer Bosheit fortwandeln und an keine Rückkehr zum Guten denken wollen. E. E. Rat (Ein Ehrsamer Rat) hat sich entschließen müssen, weil der alte Galgen Alters halber verfallen ist, einen neuen anfertigen zu lassen, der zu diesem Male, wenn er erst fertig sein wird, zur Offizierung eines Namens daran dienen soll. Der Magistrat wünscht, daß es bei seinem Bewenden haben möge, und daß es durch die heilsame Justiz nie zur Wirklichkeit komme, daß ein Mensch daran aufgehängt werde, damit wir kein derartiges trauriges Schicksal erleben mögen. Ein Jeder, wenn dieser Galgen aufgerichtet sein wird, betrachte, spiegele sich darin und bedenke, was für eine harte Strafe auf lasterhafte, grobe Verbrechen bestimmt sind und verabscheue dergleichen Taten und Hand­lungen. Fürchtet Gott und ehret den König mit seinen heiligen, angeordneten Gesetzen, damit ihr zu keinen Zeiten der Obrigkeit in die Hände fallet, denn sie trägt ihr Schwert nicht umsonst, sondern ist eine Rächerin über den, der Böses tut“

Nach beendigter Rede trat der Bürgermeister an das Holz, zog die ledernen Handschuhe an und nahm die Axt, mit der er drei Hiebe in das Holz verrichtete. Ebenso machten es die Ratsherren Bange, Giese und Hoppe. Die Handschuhe und die Axt fielen dem Zimmermeister zu, der nunmehr mit seinen Gesellen unverweilt an die Arbeit ging, während die übrigen Personen in dem vorigen Aufzuge in die Stadt zurückkehrten. Hier ging nun erst die rechte Freude an, indem eine auf dem Rathause zugerichtete Mahlzeit gemeinschaftlich verzehrt und am Abend ein Tanzvergnügen angestellt wurde.

Nachdem das Holz am 2. Tage bearbeitet war, erfolgte am 3. Tage durch 20 Personen die Errichtung des Galgens, wobei wieder die Musik spielte. Mit Musik ging es dann nach dem Rathaus zurück, wo auch diesmal Erfrischungen nicht fehlten.

Auch die Rechnung für den Galgen ist dem Protokoll beigefügt. Sie lautet:

3 Bäume a 4 Reichsthaler . . . . 12 Rchsth. –
den Galgen zu behauen . . . . . . 5 Rchsth.
Die neue Axtt . . . . . . . . . .1 Rchsth. 12 Schillinge
Englische Handschuhe . . . . . . . . . . . .16 Schillinge
An die Musikanten . . . . . . . . 4 Rchsth.
Erfrischung für den Rat . . . . . 2 Rchsth.
Bürger und Zimmerleute verzehrt . 12 Rchsth. 12 Schillinge
Summe . . . . . . . . . . . . . .36 Rchsth. 40 Schillinge

Ob der Galgen jemals „seinen Mann gestanden“ hat, wird in den späteren Akten nicht berichtet. Weniger feierlich war die Wegreißung des Galgens im Jahre 1807. Einige französische Soldaten der damaligen Besatzung hatten sich auf der Weide ein Feuer gemacht, an dem sie ihr Mittag kochten, und da es ihnen an trockenem Holz mangelte, wurde kurzerhand die „Justiz“ zu Brennholz verwendet.

"Vogelschießen in Damgarten" - Von Walter Ewert

1958

„Vagelscheiten“, das war früher ein Zauberwort für alle Dam­gartener, für die ansässigen sowohl wie für die auswärtigen, die, wenn es die Verhältnisse irgend zuließen, in die Heimat eilten, um an diesem Feste, das etwa eine ganze Woche dauerte, teilzuneh­men. Aber auch für den Fernstehenden bot es einen gewissen Reiz, da es nicht wie vielerorts ein Scheibenschießen, sondern buchstäblich ein Vogelschießen war, wie es nur noch selten vorkam. Am Ende des freien Platzes in den städtischen Tannen erhob sich die etwa 30 m hohe Vogelstange. Schon am Sonnabend abend vor dem eigentlichen Fest wurde die Vogelstange mit Flaschenzug und Rollen herabgelassen, so daß der obere Teil in einer Gabel ruhte. Der folgende Sonntag war mit Böllerschüssen und Musik ausgefüllt, denn jeder Schützenbruder erhielt sein Ständchen, und am Abend folgte der Zapfenstreich. Am Montag darauf wurde nach dem Ausmarsch der Schützengilde der Vogel auf der Stange befestigt. Er wog etwa 45 – 50 Kilo und bestand aus Eichenholz. Mit Vorliebe wählte man dazu recht knorriges und bunt verwach­senes Holz, das nicht so leicht spaltete. Auf dem Kopf trug der Vogel eine vergoldete Krone, im Schnabel einen Brief mit Wid­mung. Der Hals war bekränzt. Die Länge von der Schwanzspitze bis zum Brief betrug 1,20 m, die Flügelspannweite 1,50 m. Der Rumpf war in der Mitte durchbohrt, damit der Vogel auf die Eisenstange gesteckt werden konnte, an der eine scheibenartige Verdickung das Herabgleiten des Vogels verhütete. Ebenso wurde durch Bolzen verhindert, daß eine Kugel später der Rest empor­heben könnte.

Langsam und majestätisch erhob sich der grüne Vogel unter Musikklängen in die Luft. Böllerschüsse kündigten an, daß er seinen höchsten Punkt erreicht hatte. Dann begann ein lebhaftes Schießen, das sich mit Unterbrechungen bis Dienstag nachmittag fortsetzte. Geschossen wurde mit der Armbrust, in die eiserne Bolzen eingeführt wurden. Ein Stück nach dem andern fiel, der Brief, die Krone, die Flügel. Kahl und zerrissen schwebte zuletzt nur noch der Rumpf des einst so stolzen Vogels dort oben. Jeder schaute gespannt zu ihm hinauf, wie lange er wohl noch seinen Sitz behaupten würde. Es knallt Schuß auf Schuß. Das Stück dreht sich etwas. Noch ein Schuß! Da – er neigt sich nach vorne, und unter den Hochrufen der Menge fällt der Rest herab. Böllerschüsse tragen die Kunde in die nächste Umgebung, daß die Damgartener Schützengilde einen neuen König erhalten hat. Nun begann für die Vogelstange eine Zeit der Einsamkeit. Ein ganzes Jahr mußte sie warten, bis sie einen neuen Vogel in die Lüfte tragen konnte. Im Jahre 1939 geschah es zum letzten Mal.

Die Wurzeln dieses Schützenfestes reichen tief in die Vergan­genheit hinein. Ihre Entstehung beruht in der Verpflichtung der Städte, dem Landesherrn bei Ausbruch eines Krieges Bewaffnete zu stellen. So mußte Damgarten für einen solchen Fall nach der Musterrolle von 1523 zehn Mann Fußvolk entsenden. Außerdem sahen sich die Bürger in einem Krieg oft gezwungen, ihren Ort selbst zu verteidigen oder schwache Truppenteile zu unterstützen. Daher war es schon ratsam, wenn wenigstens ein Teil von ihnen das Waffenhandwerk verstand. In Damgarten wurde die Schützen­gilde wahrscheinlich im 16. Jahrhundert gegründet. Das älteste Königsschild stammt aus dem Jahre 1561 und wurde von Balzer von York gestiftet. Ein ähnliches Alter hat auch der silberne Vogel an der Schilderkette. Während des 30jährigen Krieges und ein halbes Jahrhundert danach ruhten die Schützenfeste. Im Jahre 1691 bat die Bürgerschaft von Damgarten unter Beifügung der Statuten die Königlich Schwedische Regierung um die Erlaubnis, in den folgenden Jahren wieder Schützenfeste feiern zu dürfen, was auch genehmigt wurde. Der Brand von 1695 und der Nordi­sche Krieg ließen wieder eine lange Pause entstehen, bis der Rat der Stadt 1728 folgendes bekanntgab: „Zu wissen, daß wir aus Stadt-Obbrigkeitlicher Obliegenheit sind bewogen worden, dahin zu sorgen, die da eine geraume Zeit hero durch die höchst schäd­lichen vielen Kriegsrecidires, Brand und andere schwere Unglücks­fälle, die Damgarten vor hundert und mehreren Jahren betroffen. Da hiesiges Ortes zu dero Zeit alles ist totaliter ruiniret worden, die gehabten Regalien und Privilegien, womit Damgarten laut der Fundation de anno 1258 hero ist begnadigt worden, und nach­gehends von Fürsten zu Fürsten, von König zu König confirmiret.

Hierunter bestehet das Regal des Königsschießens nach dem Vogel, so damahlen der Stadt allergnädigst concediret und seit Anno 1611 hero zum beweiß der annoch vorhandene Silberne Vogel und daran hangende Schilder ein sattgesahmes gezeugnis geben, wegen der friedensseufzenden Zeiten, armseligen und unvermögenden Zustandes, ein solches zu exerciren nicht hat bey behalten bleiben, sondern bis auf itzige Zeit darnieder gelegen und ein Vieles im abnehmen gekommen. Nun mehro aber, da wir Gott zu danken, den Edlen Frieden und Ruhestand alhier wieder bekommen haben, wodurch hiesige Stadt hat an Bürgerschafft vermehret, und noch weiter anwächst, so befinden wir uns dem­nach gemüßigt in dem Stande zu sein das habende Recht des Königs Schießens und eine Neue Schützen Zunft wiederumb auffzurichten und in vorigen Stand zu bringen, und obwohl nicht sogleich nach der alten Gewohnheit des Vogels Abschießen es möchte können veranstaltet werden, So soll für der Hand, mit Einwilligung derer die sich mit in hiesiger Schützen Zunft begeben die anstalt gemacht werden nach Scheiben zu schießen und dabey sich auffzuführen wie unser benachbarten die zu Barth und Triebsees es zu halten. Uhrkundt gegeben in Sitzenden Raht zu Damgarten den 15. Juni 1728 von Bürgermeister und Raht hierselbst.“

Am Anfang des 19. Jahrhunderts wurde die Damgartener Schützengilde nochmals erneuert. Im Jahre 1801 „erschienen die Bürger Riemer David Schock und Schuster Christopher Meyer als Deputierte der hiesigen Schützen-Gesellschaft und trugen gezie­mend an: Es hätte die Schützen-Gesellschaft sich dahin verein­baret und wünschen mit Genehmigung des Magistrats und der Repräsentanten der Bürgerschaft nach alter hiesiger Gewohnheit und Gerechtsamen wieder den Vogel abschießen zu können, und daß der Magistrat und die Repräsentanten der Bürgerschaft das erforderliche Holz zu der Stange gratis bewilligen. Ferner ersuchen sie im Namen der ganzen Schützenkompanie um diejenigen 12 Thaler des sogenannten Gildel­andes Heuer (Pachtertrag des Gildelandes) als eine jährliche Beihülfe der Kosten, insonderheit darum weil von alters her diese Heuer dazu sey verwandt worden, auch bäten sie um die Aushändigung des silbernen Vogels mit Kette und Schildern und um Ausfertigung einer Ordnung oder Rolle.“

Da der Schützengilde alles gewährt wurde, konnte das Fest wieder in alter Weise gefeiert werden. Nur ganz geringe Unterbrechungen traten noch ein, bis 1939 der letzte Vogel abgeschossen wurde.

"Damgartener Vogelschießen 1913" - Bericht im „Damgartener Wochenblatt“ vom 13.7.1913

Das Schützenfest war früher in vielen Städten das wichtigste Volksfest des ganzen Jahres. In den meisten Städten wurde mit Büchsen nach der Scheibe geschossen, und wer die höchste Ringzahl erreichte, war Schützenkönig. Die Damgartener blieben dagegen dem Vogelschießen treu. Es gibt nur wenige Orte in Deutschland, wo der Brauch, mit der Armbrust nach dem Vogel - oder wie man früher sagte - nach dem „Papagei“ zu schießen, sich bis in unsere Zeit erhalten hat.

Das Damgartener Vogelschießen fand meistens im Juli auf dem großen freien Platz bei den „Tannen“ statt. Dort wurde eine über 20 Meter hohe Stange aufgestellt, deren Spitze ein großer Vogel zierte. Seine Länge betrug etwa einen Meter, die Flügelspanne etwa 1,30 bis 1,50 m. Der Vogel wurde aus festem Eichenholz herge­stellt und wog etwa 40 - 50 kg. Mit Vorliebe wählte man recht knorriges Eichenholz, das nicht so leicht splitterte. Den Kopf des Vogels zierte eine Krone, sein Hals war umkränzt, und im Schna­bel trug er einen Brief. Der besondere Reiz des Damgartener Vogelschießens bestand nun darin, mit der Armbrust den Vogel herunterzuschießen. Die Vogelschützen traten der Reihe nach mit ihrer Armbrust heran und zielten auf den hoch oben in der Luft schwebenden Vogel. Die Armbrust war mit etwa 20 cm langen Metallbolzen geladen. Wenn sie trafen, fiel ein Stück nach dem anderen vom Vogel herunter, zuerst meist der Brief oder die Krone, dann die Flügel. Zuletzt befand sich nur noch der Rumpf des arg zerzausten Vogels auf der Stange. Stück für Stück wurde heruntergeschossen, bis schließlich der letzte Rest unter großem Beifall herabstürzte. Der glückliche Schütze, der den letzten Schuß tat, war Vogelkönig. Er hatte dann die Ehre, die Schützenbrüder zum Festschmaus einzuladen. Er durfte aber auch ein Königs­schild mit seinem Namen an die Schützenkette heften. Eine Miniaturausgabe des Vogelschießens gab es auf dem Kinderfest der Damgartener Stadtschule. Die Schüler der älteren Jahrgänge schossen genau wie die Alten mit der Armbrust nach dem Vogel. Die Vogelstange war aber nicht so hoch. Der Vogel war auch etwas kleiner und bestand aus weicherem Tannenholz. Der Rumpf war ausgehöhlt und mit Bonbons gefüllt. Wie das Vogelschießen im Jahre 1913 ausgetragen wurde, erfahren wir aus einem Bericht im „Damgartener Wochenblatt“.

Am Pfingstsonntag, dem 13. Juli, verkündeten am Nachmittag um 3 Uhr Böllerschüsse den Beginn der Festwoche. Vor dem Rathaus versammelten sich die Schützenbrüder, nun ging es mit Musik zuerst zum Haus des Schützenkönigs des Vorjahres und dann durch die ganze Stadt. Abends wurde zum Zapfenstreich geblasen. Am anderen Morgen weckten Trompeten die Schützen. Von 7 Uhr an versammelten sich die Schützenkompanie, der Magistrat und die Behörden am Rathaus. Um 7.30 Uhr brach man auf zum Frühstück bei Gastwirt Carl Benz, Musik voran, dann die Schüt­zenfahnen, die Behörden und der ganze frohe Zug der Schützen­bruderschaft. Die große Tafel in dem geschmückten Saal bot köstliche Stärkung für alle. Der Bürgermeister Dr. Anklam eröffnete den Festmorgen mit einem Hoch auf den Kaiser, ihm folgte der Schützendirektor Sanitätsrat Dr. Reeker mit einem Gedenkwort und einem Hoch für den Schützenkönig Max Giese. Nun folgte Ansprache auf Ansprache. Altermann Bendix toastete auf die Königin, Senator Frahm feierte den alten Schützenkönig, dieser die Schützenkompanie. Altermann Bendix ließ den Magi­strat hochleben, und bei jedem Hoch wurde das Glas gehoben und ein kräftiger Schluck getan. Kantor Bendix feierte in erhebenden Worten das Wahrzeichen der Stadt, die Vogelstange. Er wagte den Vergleich, daß sie den Damgartener, der von fernher zur Heimat zurückkehrt, grüße wie die goldene Lanzenspitze der Athene den Griechenschiffer, der heimkehrend sich dem Hafen Pyräus nähert. Allmählich war es Zeit zum Aufbruch, gegen 9.30 Uhr begann der Ummarsch durch die festlich mit Girlanden, Maien und Fahnen geschmückte Stadt. Gegen 10.30 Uhr war man auf dem Festplatz. Die Fahnen wurden aufgestellt, und der Vogel in grünem Gewan­de mit goldener Krone und dem Brief im Schnabel stieg mit der Stange in die Höhe.

Nach der Mittagspause riefen die Böller zum Beginn des Schießens. Den ersten Schuß tat im Namen Seiner Majestät des Kaisers der Bürgermeister, ihm folgte der König, der Direktor, die Alterleute, die Schaffer, die Offiziere und dann die Schützen­brüder, so wie es in der alten Rolle der Gilde vorgesehen war. Während die jeweils nicht Beteiligten in den Zelten von Benz, Hacker, Henck und Lützow sich mit köstlicher Bowle immer von neuem stärkten, fiel Schuß auf Schuß. Den Brief schoß Kaufmann Thenke, Kranz und Kreuz Altermann Bendix, einen Flügel Dampfmühlenbesitzer Spehr, den anderen Kaufmann Staak.

Nach Beendigung des ersten Schießens sammelte sich alles zum Gelage in den Zelten. Nachmittags um 5 begann das Schießen wieder. Bis abends um 11 dauerte das Treiben auf dem Festplatz, dann erfolgte der Einmarsch nach altem Brauch. Am Rathaus wurde die Parole ausgegeben: „Morgen nachmittag um zwei!“

Am Dienstagnachmittag marschierten die Schützen wieder nach den Tannen und es entwickelte sich alles wieder wie am Tag zuvor. Stück um Stück verminderte sich der Vogel, bis gegen 7 Uhr das letzte Stück fiel. Kaufmann Gustav Streckert war der Glückliche, jubelnd wurde er ins Zelt getragen.

Um 1/2 9 Uhr wurde der „Kreis“ gebildet. Inmitten des nur den Schützen und geladenen Gästen zugänglichen Platzes standen auf langer Tafel die vom König gespendeten Bowlen. Die Böller ver­kündeten den Anbruch der weihevollsten Stunde des Festes: Der König wurde gekrönt. Der Bürgermeister Dr. Anklam überreichte dem neuen König Gustrav Streckert den königlichen Zierat. Dann folgte ein begeistert aufgenommenes Hoch auf den neuen König, und ähnlich wie zu Beginn der Feier so mancher Toast. Schließlich marschierte man dann heim. Am Mittwochmorgen zechte man weiter bei Carl Benz. Am Abend war der große Schützenball im gleichen Lokal.

Am Donnerstag fand das Schützenfest für die jungen Leute statt. Am Freitag feierte die Stadtschule ihr Kinderfest mit dem Kinder-Königsschuß, einem getreuen Abbild des großen Vogelschießens. Am Sonnabend feierte die Landschule. In den Tannen fand am Sonntagnachmittag ein Preisschießen statt. Und am Sonntagabend fand die Festwoche mit einem Ball bei Benz ihren Abschluß.

"Vagelscheiten 1928" - Von Dr. Werner Hacker

Wenn’t Sommer is un Frühjohr was,
So hett Fritz Reuter sung’n,
Denn dreb’n s ehr Gössel int Gräune Gras
Dei Ollen un de Jungen.
Doch wenn in Bläut de Roggen steiht
Un frisch int Gräun de Dann’n,
Denn sehnt min Hart sick vuller Freud
Hen nah uns pommersch Land’n.
Wenn Trämsen blag un Raden rot
Bläuhn twischen Rogg un Weiten,
Denn giwt ‘ne Stadt dor is det god
Un Damgorden det sei heiten.
Dor smücken in den’n Julimond
De Straten denn Girlanden,
un öwerall, wo’n Schütz wahnt,
Dor blasen Musikanten.
Un freuen deiht sick Grot un Lütt.
Un Fahnen lustig weihen.
Un manches Hus is herrlich smückt
mit Dannengäun un Maien.
un frögst du einen: „Wat’s hier denn los?“
Un wußt du dat giern weiten,
Denn seggt hei up so’n dumme Frag:
„Minsch hier is Vagelscheiten.“
All Sünnabend Abend geiht dat los,
Denn ward dat Fest tausnäden,
Dor sühst du manchen dull in’t Fett
Un hürst ok manchen räden.
Un wenn dei Klock up twölwen geiht
Un Gläs leer un Fatten -
Denn geiht dat mit Tschingbumdada
Rin dörch de stillen Straten.
Hen geiht dat dörch de Bortherstrat
Bi’n Markt swenkt alles tau Linken,
Un bi Korl Benz gliek linker Hand
Süht man en Licht noch winken!
Dor ward denn nu ut vuller Kraft
Versapen Geld un Sorgen.
Un blasen möt denn Wilhelm Wulf
Bet an den frühen Morgen.
Un „Bräuding Prost“ un „Stöt mal an“
Lat uns noch einen nähmen.
„Ein Prosit der Gemütlichkeit“
Hüt könn’n wie uns dat tähmen.
So hürt man manchen raupen froh
Dormang väl lustig Lider -
Dat Fiek het schräb’n ut Hagenow
Un den so ümmer wieder -
Un Sünndag hett manch Schützenfru
Tau rögen Fäut un Händ’n.
De witten Handschen warden wascht
Hier is ‘nen Slips tau wend’n,
Hier is ‘ne Bul in’n Schapoklap
Hier will de Büx nich sitten,
Hier sünd de Motten in den’n Frack,
Sorg giwt dat grot un lütten.
Un Hptm. Möllermeister Spehr
Kriegt Frack un Epoletten her,
Halt sick den Dägen ut dat Schapp
Un böst sick den’n Dremaster aw.
De Schaffer hemm’n dat ok noch hilt
Wiel se so väl noch schaffen süllt.
Un is de Sünndag denn tau Enn’n
Leggt Mudding in den Schot de Händ’n
Un kickt ehr’n Mann piel in’t Gesicht -
„Mann, scheit di bloß tau’n König nich,
Du weißt, dat kost ‘nen Packen Geld,
Wenn so’n Stück Holt ut’n Häben föllt.
Dor brukst du bloß den’n Kopmann fragen,
De ward di gliek de Wohrheit sagen
Dat kost di mehr as Slips un Kragen!
Du möst di bät’n up’t Lurn legg’n,
Hür du up mi, lat di dat segg’n.
Dat segg ick di! - schüttst du nich bang
Den’n letzten Knurrn von de Stang -
Denn spälst du König ganz allein -
Mi kriegst du buten nich to seihn.“ -
„Ih, Mudder“, seggt ehr Mann,
„Wat kam’n di för Gedanken an?
Wat kümmt denn di bloß in de Quer?
Wur kam’n di son’n Läuschen her.“--
„Nu, denn is gaud“, seggt sei geswinn.
Un ruhig slapen beid denn in. - - -
Den’n annern Morg’n vör Dau un Dag,
As noch de Dak in’e Grünn’n lag,
Erklüng ein wunderschönes Lied.
Dat geiht dörch Hart un dörch Gemüt.
Dat klingt so säut, dat kling so schön
Hen äwer Wischen, Holt un Höhn -
Dei Melodie ein jeder kennt
Un de Reveille - so ward se nennt! -
Dor kloppt dat Hart vor Oewerswung -
De öllsten Schützen warden jung -
Un lang’n na Frack un witte West.
„Hurra, - hüt is jo Schützenfest!“
Un Schützenfest, dat is ok hüt.
Uns Hergott ut’n Häben süht
Up uns heraf mit sanften Maud.
Blau is de Häb’n, he meint dat gaud -
Grön is dat Holt, dat Hart is froh.
Un dorüm, Bräuder, mein ick so.
Ein jeder nähm sin Glas tau Hand
un füll dat sick bett an den’n Rand
un raup ut vuller Kähl mit mi:
„Hoch lew dei Schützenkumpanie.
Hoch lew uns leiwes Pommernland.
Hoch Damgorn an den’n Recknitzstrand.“

Werner Hacker. In: Damgartener Zeitung 8.8.1928

"Wat bi so’n Stapellop passierte" - Hermann Bendix

1919

Dat wir doch nett, dat nülich dese Zeitung uns Kun’n geef von’n Schipp, dat 1869 up unsre Werft bugt is un noch existiert. Ick glöw, dese Notiz hebb’n wie all giern lesen. Sei rührt von’n Damgornschen Börgersöhn her, dei sick in ‘ne grode Stadt uphölt un dese Naricht ut’n ganz besondres Bauk rutlesen künn. Wi will’n em Dank weiten, dat hei sick dese Mäuh makt hett un uns ‘n Blick in ‘n schöne, goldne Vergangenheit hett daun laten. Dese Blick weckt bi dei Ölleren von uns köstliche Erinnerung’n an dei frohe Jugend. Wenn dese Vergangenheit för uns uck nich mit Divans un Sessels, mit Kragens un Manschetten un ‘ne fine Lebenshollung utstaffiert wier, so wier sei dorför gaud börgerlich. Dat fählt an nix. Sei hadden all gaut tau eten un tau drinken, un kleden künn’s sick uk. Arbeit un Brot wier, Handel un Wandel bläuh’n, un dei Humor wier ‘ne säute Taugaw tau’t Lewen.

Vel drög in uns’ lütt Stadt dei Schäpsbu dortau bi. Vele Arbei­ters un Handwerkers hadden dorvon Arbeit un Verdeinst. Dat ganze gew Leben in ‘ne Baud. Oft stün’n drei Schäp up’n Stapel, dat grötste in dei Midd von dei Bustäd. Dor hadd uk dei Dreimast­schoner „Graf Behr-Negendank“ stahn. Ick seih em noch klor un dütlich in’n Stadtgraben ligg’n, as hei aflopen wier — ‘t sünd nu grad föftig Johr her — quer fört Bollwark mit den’n Achterspeigel nah Maaß hentau. Wat wier’t för’n stattlich Schipp, ‘n Meisterstück von uns’n ollen Bumeister Dürling, fast un sicher bugt. Vörn an dei Näs set’ ‘ne hübsche Figur, dei wie Jungens bewunnern deden, ‘t wier nömlich ‘n witten Iesbor, dei Pranken an dei Schullern geleggt un up dei Bost dat Wappen von Graf Behr. Un wat wier dat för ‘n Festdag, as dat Schipp von’n Stapel lep! Wat wier’n dor för Minschen up dei Bustäd! Vele Frömde wier’n kamen, dit Schauspill to seihn un den’n Kaptein Kindörp tau gratuliern. Na, dat Aflopen von so’n Kasten von’n Stapel makt äwer uk würklich vel Spaß. Wat wier’n ‘s all vörher upgeregt un gespannt, wo glatt hei woll runner kem. Up dei Siet an’n Bollwark, wo hüt dei Kahns utladen warden, stün’n am meisten Minschen, geputzte Damen un Herrn ut Rimnitz un annerwegend her mit blanke Schau un fine Strümp. Dei wiern nu ganz in den’n Anblick von dat Schipp un wat dorbi vörgüng versunken un ahnten nich, wat för ‘ne lütt kolle Aewerraschung ehr bie dat Schippaflopen to deil würd. Wi Jungens äwer wüsten dat. Wi stün’n barft twischen dei Taukiekers, un’t keddelte uns all in Vörut. Dei Hosen kün’n wi uns in’n Moment hochtreggen. Wenn nu dei Kasten hochkielt wier un hei up dat insmerte frische Lager leg, dei beiden inseipten Löpers tau de Siet, denn würd ein Stütt nah dei anner wegnahmen, bet hei tauletzt an jeder Siet blot noch ein Stütt hebben ded. Nu kem dei grote Moment: Dei Bumeister gew ‘n Teiken, un miehre Timmerlüüd bombardierten den Kiel achter mit grote Hamers: ‘n Knacken un Dampen - hei löst sick!

„Nu, Jungs, lat’t em lopen in Gott’s Namen“, rep dei Bumeister. Hurra! äwer Hurra! un stolz un gravitätisch reiste dei Herr tau Paul (Pfuhl, Wasser). Uns oll Stadtgraben, dei vörher so träg un still dorlegen hadd, as wull hei seggen: Ik kümmer mi üm dei ganze Welt nich, lat’t mi in Freden! Dei würd nu höll’schen upstürt. As wenn so’n Undiert em up’n Pelz sprüng’, so schmet sick dat Schipp mit sine breide Bost un sin’n Nacken un bohrt sik in dat Water rin. Dei Stadtgrab’n, dei sik in sine Angst tau beiden Sieden hoch upbömte, nehm nu links un rechts Reißaus un lep unner mächtig Schümen un Brusen in hohe Flauten äwer dei Äuwers up’t Land rup. Dese Sturzsee’n äwer hadden dei Tauschauers nich vörutseihn. Dat gew nu ein Gekriesch un Gejuch, — wo stöwten sei ut’nanner! Dei dülste Dusch — von unnen — äwer kregen sei, as Graf Behr sin’n Stüz in’t Water ringliden let. Hei sackt ‘ne orig Portschon dal, un dei Stadtgraben kreg en’n grötsten Krampf. Wie Jungs äwer stün’n mit dei hochtreckten Büxen un dei barften Bein ruhig up uns’ Stell un hoegten uns äwer den’n Schreck von dei annern. Doch dei Schos würd den’n Stadtgraben gliek wedder led. Hei rep dei Utrieters taurög un füg’t sick in sien Schicksal, up sien’n Rüng’n dat niege stolze Schipp tau drägen. Vele Herrschaften stegen nahsten up ’ne Ledder up dat stolze Schipp herup un keken sick’t an. Wi Jungs swenzelierten uk hen und her un wier’n girn rupwäst, wagten dat äwer noch nich; ‘n poor Dag’ vörher hadden wedder wek von uns wegen allerhand Swabenstreich’ von dei Timmerlüd ‘nen ganz gehürigen Denkzettel kregen. Dei Bengels makten dat äwer uk oft tau brun. Den’n ganzen Dag drew sick dat Takel up dei Bustäd herum un veräuwt allerhand Hallunkenstreich, bet ‘n Timmermann so ‘n gadlich Handspak to hollen kreg, ore ein’n von dei dicken eiken Spön, dei sei von dei Stämm afhaun deden un middags un abens unner Arm nah Hus drögen. Wo fohrten denn dei Slüngels ut’nanner un kröpen achter dei Hölder un luerten, ob dei Ogen­blick günstig was, wedder hervörtaukamen un dat Wesen up ‘ne anner Stell tau drieben. Am meisten Angst öwer hadden’s vör dat teert En’n. Dat treckte niederträchtig hen. Ick möt äwer bikenn’n, dat ick mi dormit nich recht awgäwen hew. Ick güng giern na dei Bustäd, wenn ick dor mäglichst allein wier.

"Aufstellung über die auf der Dierlingschen Werft in Damgarten von 1810 bis 1880 gebauten Segelschiffe" - Von Hans Griese

1959

Die Schiffbauerfamilie Dierling

betrieb von 1764 bis 1880 in Damgarten eine sehr bekannte Segelschiffswerft:

Nicolaus Dierling: 1764 - 1826
Johann Daniel Dierling: 1827 - 1849
Heinrich Dierling: 1836 - 1880
Nicolaus Dierling (1764 bis 1826)

1. Galeasse ST. JOHANNES,

1810 erbaut von Dierling, N., Schiffer Rieck, J.H.,

Größe 92 Lasten, Reeder Struck, J., & S., Barth 2. Slup-Galeasse Die VENUS

1810 erbaut von Dierling, N., Schiffer Steinorth, P.C.,

Größe 78 Lasten, Reeder Lönnies, J.S., Barth 3. Brigg MINERVA, 1815 erbaut von Dierling, N., Schiffer Segebarth, P.H., Größe 75 Lasten, Reeder Struck, J., & S., Barth

Johann Daniel Dierling 1827 bis 1849

4. Galeasse JUNO, 1826 erbaut von Dierling, J.D., Schiffer Kraeft, M.J., Größe 105 Lasten, Reeder Fäcks, E.M., Barth, Verbleib: 1850 auf See verloren, Fahrtdauer 24 Jahre

5. Brigg PALAMEDES, 1833 erbaut von Dierling, J.D., Schiffer Niemann, R., Niemann, N., Größe 101 Lasten, Reeder Brockelmann, C.H., Rostock, Verbleib: 1850 bei Sealskerry Nlt. Ronalscha gestrandet, Fahrtdauer 17 Jahre 6. Galeasse THETIS, 1834 erbaut von Dierling, J.D., Schiffer Zeplien, H.Th, Verbleib (mit diesem Schiff flüchtete Richard Wagner),

7. Brigantine JUPITER, 1835 erbaut von Dierling, J.D., Schiffer Kraeft, P.C., Größe 135 Lasten, Reeder Struck, J., & S.,Barth

8. Brigg FRIEDRICH, 1836 erbaut von Dierling, J.D., Schiffer Voß, Hr.N., Voß, P., Zeplien, J., Größe 100 Lasten, Reeder Koch, C.F., Rostock, Verbleib: 1862 bei Farsund verloren, Fahrtdauer 26 Jahre

9. Brigg AGNES, 1838 erbaut von Dierling, J.D., Schiffer Permin, G.H., Holtz, F., Größe 231 Reg.-T., Länge 82 Fuß/ 25,01 m, Breite 25,5 Fuß/ 7,78 m, Tiefe 12,5 Fuß/ 3,81 m, Reeder Beselin, R.V., Rostock, Verbleib: 1885 in der Nordsee verschollen, Fahrtdauer 47 Jahre

10. Galeasse EMILIE, 1838 erbaut von Dierling, J.D., Schiffer Bradhering, C.H.,

11. Brigg MARTIN, 1839 erbaut von Dierling, J.D., Schiffer Koop, W., Westphal, P., Größe 236 Reg.-T., Länge 81,9 Fuß/ 24,98 m, Breite 24,9 Fuß/ 7,59 m, Tiefe 12,7 Fuß/ 3,87 m, Reeder Burchard, L., & S., Rostock, Verbleib: 1886 in Rostock abgewrackt, Fahrtdauer 47 J.

12. Brigantine MARTIN FRIEDRICH, 1840 erbaut von Dierling, J.D., Schiffer Kraeft, J.C., Größe 179 Lasten, Reeder Beug, J.C., Barth, Verbleib: 1853 nach Gotenburg verkauft, Fahrtdauer 13 Jahre

13. Dreimastschoner RUGIA, 1840 erbaut von Dierling, J.D., Schiffer Alwardt, J.H.F., Größe 230 Reg.-T., Länge 102,5 Fuß/ 31,26 m, Breite 24,6 Fuß/ 7,5 m, Tiefe 12,9 Fuß/ 3,93 m, Reeder Prieß, H.W., Stralsund

14. Galeasse ELISE, 1844 erbaut von Dierling, J.D., Schiffer Winterberg, C., Schwert­feger, F.,Größe 38 Reg.-T., Länge 55,7 Fuß/ 16,99 m, Breite 15,1 Fuß/ 4,61 m, Tiefe 6,8 Fuß/ 2,07 m, Reeder Schultz, H., Rügenwalde, Verbleib 1889 nach Dänemark verkauft, Fahrtdauer 45 Jahre

15. Schaluppe CAROLINA MARIE, 1845 erbaut von Dierling, J.D., Schiffer Ruge, J., Größe 34 Reg.-T., Länge 49,9 Fuß/ 15,22 m, Breite 16,4 Fuß/ 5 m, Tiefe 6,7 Fuß/ 2,04 m, Reeder Schiffer in Lietzow/Rügen


Heinrich Dierling 1836 bis 1880

16. Galeasse HANS, 1827 erbaut von Dierling, H., (?), Schiffer Niemann, P., Pieplow, H., Heiden, C.,Dethloff, J., Grösse 171 Reg.-T., Länge 81,9 Fuß/ 24,98 m, Breite 24,5 Fuß/ 7,47 m, Tiefe 12,8 Fuß/ 3,9 m, Reeder Koch, C.F. & Sohn, Rostock, Verbleib: 1879 nach Ostfriesland verkauft, Fahrtdauer über 52 Jahre

17. Brigg JEAN PAUL, 1839 erbaut von Dierling, H., Schiffer Buuck, J.F., Größe 227 Reg.-T., Länge 92,9 Fuß/ 28,33 m, Breite 25,3 Fuß/ 7,72 m, Tiefe 14,2 Fuß/ 4,33 m, Reeder Schiffer in Barth, Verbleib: 1880 bei Rositten zerschellt, Fahrtdauer 41 Jahre

18. Galeasse PAULINE, 1840 erbaut von Dierling, H., Schiffer Maas, Größe 76 Lasten, Reeder Michels, Joh., jun., Verbleib: 1855 bei Dahme gestrandet, Fahrtdauer 15 Jahre

19. Bark URANIA, 1841 erbaut von Dierling, H., Schiffer Ebert, H., Größe 115 Lasten, Reeder Weyland, F.W., Rostock, Verbleib: 1844 nach Barth verkauft

20. Jacht COLUMBIA, 1844 erbaut von Dierling, H., Schiffer Koos, F., Größe 30 Reg.-T., Länge 48,6 Fuß/ 14,82 m, Breite 15,3 Fuß/ 4,67 m, Tiefe 6,5 Fuß/ 1,98 m, Reeder Schiffer in Seedorf/Rügen

21. Dänische Schaluppe SOEBLOMSTEN, 1845 erbaut von Dierling, H., Schiffer Nielsen, L., Holm, P.E.J., Größe 52 Reg.-T., Länge 54,8 Fuß/ 16,71 m, Breite 17,7 Fuß/ 5,4 m, Tiefe 7,9 Fuß/ 2,41 m, Reeder Thaae, D.C.F., Copenhagen


22. Brigg KOENIG ERNST AUGUST, 1847 erbaut von Dierling, H., Schiffer Plath, J., Größe 234 Reg.-T., Länge 97,4 Fuß/ 29,71 m, Breite 25,8 Fuß/ 7,87 m, Tiefe 14,3 Fuß/ 4,36 m, Reeder Kahl, C., Stralsund

23. Bark FRIEDRICH & LOUISE, 1849 erbaut von Dierling, H., Schiffer Bradhering, J.P., Bradhering, P.N., Ohle, E., Größe 293 Reg.-T., Länge 98,3 Fuß/ 29,98 m, Breite 26,8 Fuß/ 8,17 m, Tiefe 13,2 Fuß/ 4,03 m, Reeder Koch, C.F. & Sohn, Rostock, Verbleib: 1886 in Danzig abgewrackt, Fahrtdauer 37 Jahre. Journal im Bernsteinmuseum.

24. Schaluppe HEINRICH Albert, 1849 erbaut von Dierling, H., Schiffer Schulz, J., Größe 29 Reg.-T., Länge 46,4 Fuß/ 14,15 m, Breite 15,7 Fuß/ 4,79 m, Tiefe 6,4 Fuß/ 1,95 m, Reeder Schiffer in Neuwarp

25. Schaluppe ANNA, 1850 erbaut von Dierling, H., Schiffer Kähler, J., Größe 43 Reg.-T., Länge 53,8 Fuß/ 16,41 m, Breite 17,7 Fuß/ 5,4 m, Tiefe 7,4 Fuß/ 2,26 m, Reeder Schiffer in Stralsund

26. Schaluppe ANNA MARIE (später LISETTE), 1850 erbaut von Dierling, H., Schiffer Godemann, H., Bischoff, H.,Kraeft, G.,Größe 35 Reg.-T., Länge 52,5 Fuß/ 16,01 m, Breite 16,1 Fuß/ 4,91 m, Tiefe 7,9 Fuß/2,41 m, Reeder Schiffer Kraeft in Zingst, Verbleib: 1890 unweit Moen gesunken, Fahrtdauer 40 J. 27. Brigg MATHILDE HELENE, 1850 erbaut von Dierling, H., Schiffer Voß, J., Voß, P., Größe 125 Lasten, Reeder Koch, C.F. & Sohn, Rostock, Verbleib: 1863 zwischen New York und Sligo verschollen, Fahrtdauer 13 Jahre

28. Dänischer Schoner BERTHA, 1852 erbaut von Dierling, H., Schiffer Christiansen,N., Größe 117 Reg.-T., Länge 84,8 Fuß/ 25,86 m, Breite 18,7 Fuß/ 5,7 m, Tiefe 9,8 Fuß/ 2,99 m, Reeder Schiffer in Horsens

29. Brigg EMMA KREY, 1852 erbaut von Dierling, H., Schiffer Niemann, R., Parow, J.C., Berg, W., Größe 132 Lasten, Reeder Brockelmann, C.H., Rostock, Verbleib 1872 bei Wexfort gesunken, Fahrtdauer 20 Jahre


30. Brigg LOUISE OTTO-WARBELOW, 1852 erbaut von Dierling, H., Schiffer Bradhering, F. Peipke, E.M., Größe 247 Reg.-T., Länge 102,2 Fuß/ 31,17 m, Breite 26,5 Fuß/ 8,08 m, Tiefe 14,5 Fuß/ 4,42 m, Reeder Brockelmann, C.H., Rostock. Verbleib: 1889 n Schweden verkauft, Fahrtdauer 37 Jahre

31. Brigg PAUL JONES, 1852 erbaut von Dierling, H., Schiffer Langhinrichs, H., Langhinrichs, H.C., Größe 303 Reg.-T., Länge 105,2 Fuß/ 32,09 m, Breite 27,7 Fuß/ 8,45 m, Tiefe 16 Fuß/ 4,88 m, Reeder Beckmann & Co., Rostock, Verbleib 1909 als Hulk nach Bremerhaven verkauft, Fahrtdauer 57 Jahre

32. Schoner CITO, 1853 erbaut von Dierling, H., Schiffer Ahrens, C.H., Größe 102 Reg.-T., Länge 73,1 Fuß/ 22,3 m, Breite 21,1 Fuß/ 6,44 m, Tiefe 10,3 Fuß/ 3,14 m, Reeder Böttcher, F., Stralsund

33. Brigg ALEXANDER (später GUSTAV), 1854 erbaut von Dierling, H., Schiffer Zeplien, P., Zeplien, P.J., Größe 143 Lasten, Reeder Koch, C.F. & Sohn, Rostock, Verbleib 1874 bei Bilbao gestrandet, Fahrtdauer 20 Jahre

34. Brigg ACHILLES, 1855 erbaut von Dierling, H., Schiffer Parow, J.A., Hilgendorff, A., Größe 159 Reg.-T., Länge 86,8 Fuß/ 26,47 m, Breite 28,7 Fuß/ 8,75 m, Tiefe 12,6 Fuß/ 3,84 m, Reeder Parow, J.H., Greifswald

35. Brigg BALANCE, 1855 erbaut von Dierling, H., Schiffer Voß, A.W., Voß, R., Krugmann, P.H., Frädland, C., Größe 193 Reg.-T., Länge 90,4 Fuß/27,57 m, Breite 24,3 Fuß/ 7,41 m, Tiefe 13,6 Fuß/ 4,15 m, Reeder Janentzky, J.Chr., Rostock, Verbleib: 1880 auf Sylt gestrandet, Fahrtdauer 25 Jahre

36. Brigg FRANZ & ELISE (später HELENE), 1855 erbaut von Dierling, H., Schiffer Bergmann, A., Stadtländer, Chr., Jahnke, J.Pr., Größe 89 Lasten, Verbleib: 1894 nach Kollision in der Nordsee gesunken, Fahrtdauer 39 Jahre

37. Schoner CONDOR, 1856 erbaut von Dierling, H., Schiffer Käding, J.G., Größe 102 Lasten, Reeder Rodbertus, J.N., Barth, Verbleib: 1871 verloren, Fahrtdauer 15 Jahre


38. Schoner EMMY, 1856 erbaut von Dierling, H., Schiffer Staben, P., Gallas, J.C., Grahl, H., Kienow, F., Größe 47 Lasten, Reeder Burchard, Ed., Rostock, Verbleib: 1874 von Shields nach Kopenhagen verschollen, Fahrtdauer 18 Jahre

39. Bark JOHANN DANIEL, 1856 erbaut von Dierling, H., Schiffer Bradhering, H.D., Niemann, H.D., Größe 351 Reg.-T., Länge 113,2 Fuß/ 34,53 m, Breite 27,8 Fuß/ 8,48 m, Tiefe 17,1 Fuß/ 5,22 m, Reeder Koch, C.F. & Sohn, Rostock, ab 1881 Lichenheim & Pinkus, Ribnitz, Verbleib 1894 im engl. Kanal gesunken, Fahrtdauer 38 Jahre (Schiffsjournal im Bernsteinmuseum Ribnitz-Damgarten)

40. Brigg LESSING, 1856 erbaut von Dierling, H., Schiffer Vick, A., Größe 142 Lasten, Reeder Ahrens, C., Rostock, Verbleib: 1862 bei Cap Spartel gestrandet, Fahrtdauer 6 Jahre

41. Bark NORDSTERN, 1856 erbaut von Dierling, H., Schiffer Galle, D., Galle, J.C.,Haesert, J., Größe 323 Reg.-T., Länge 112,8 Fuß/ 34,4 m, Breite 27,6 Fuß/ 8,42 m, Tiefe 16,1 Fuß/ 4,91 m, Reeder Burchard, L., & S., Rostock, Verbleib 1895 in Cuxhafen kondemniert und verkauft, Fahrtdauer 39 Jahre

42. Schaluppe ROBERT, 1856 erbaut von Dierling, H., Schiffer Scheel, J.F., Ueckermünde, Chr., Größe 26 Reg.-T., Reeder Schiffer, Verbleib: 1886 nach Eckensund verkauft, Fahrtdauer 30 Jahre

42. Schoner FLORA, 1857 erbaut von Dierling, H., Schiffer Bohn, J., Größe 149 Reg.-T., Länge 81,5 Fuß/ 24,86 m, Breite 19,5 Fuß/ 5,95 m, Tiefe 11,8 Fuß/ 3,6 m, Reeder Siebe, C., Stralsund

43. Bark MARIA (später PETER KRAEFT), 1857 erbaut von Dierling, H., Schiffer Gröndt, Busch, C., Bruhn, Größe 336 Reg.-T., Länge 112,6 Fuß/ 34,34 m, Breite 27,2 Fuß/ 8,3 m, Tiefe 19,4 Fuß/ 5,92 m, Reeder Sarnow, W.A., Barth

44. Schoner MATHILDE, 1857 erbaut von Dierling, H., Schiffer Buuck, H., Größe 67 Reg.-T., Länge 63 Fuß/ 19,22 m, Breite 19,5 Fuß/ 5,95 m, Tiefe 8,6 Fuß/ 2,62 m, Reeder Schiffer in Wieck/Rügen


45. Schoner DER PFEIL, 1857 erbaut von Dierling, H., Schiffer Lemke, A., Größe 74 Lasten, Reeder Rodbertus, J.N., Barth, Verbleib: 1867 bei Lemvig gescheitert, Fahrtdauer 10 Jahre

46. Brigg RICHARD, 1857 erbaut von Dierling, H., Schiffer Möller, J., Krohn, F., Burmeister, A., Größe 291 Reg.-T., Länge 104 Fuß/ 31,72 m, Breite 26 Fuß/ 7,93 m, Tiefe 16,9 Fuß/ 5,15 m, Reeder Brockelmann,C.H., Rostock, Verbleib 1889 nach Schweden verkauft, Fahrtdauer 32 Jahre

47. Schoner ANNA (später VORWAERTS), 1858 erbaut von Dierling, H., Schiffer Diederich, J., Größe 139 Reg.-T., Länge 82,5 Fuß/ 25,16 m, Breite 22,1 Fuß/ 6,74 m, Tiefe 12,4 Fuß/ 3,78 m, Reeder Böttcher, F., Stralsund, Verbleib: 1891 nach Schweden verkauft, Fahrtdauer 33 Jahre

48. Schoner MARIE, 1858 erbaut von Dierling, H., Schiffer Backofen, F., Größe 50 Lasten, Reeder Ohrloff, E.W., Barth

49. Schoner DIE TUGEND, 1858 erbaut von Dierling, H., Schiffer Gyps, J.C., Größe 57 Lasten, Reeder Sarnow, W.A., Barth, Verbleib: 1866 verschollen, Fahrtdauer 8 Jahre

49. Bark Carl FRIEDRICH, 1860 erbaut von Dierling, H., Schiffer Koch, A., Größe 460 Reg.-T., Länge 130,6 Fuß/ 39,83 m, Breite 30,3 Fuß/ 9,24 m, Tiefe 17,6 Fuß/ 5,37 m, Reeder Sarnow, W.A., Barth

50. Brigg OSCAR HEINRICH (später Friedrich Wilhelm), 1860 erbaut von Dierling, H., Schiffer Rothbart, J.H., Größe 236 Reg.-T., Länge 105,4 Fuß/ 32,15 m, Breite 26,3 Fuß/ 8,02 m, Tiefe 13,4 Fuß/ 4,09 m, Reeder Fleischer, F.W., Stralsund

51. Gaffelschoner VORWAERTS, 1860 erbaut von Dierling, H., Schiffer Brüdigam, J., Größe 45 Reg.-T., Länge 57,2 Fuß/ 17,45 m, Breite 19,2 Fuß/ 5,86 m, Tiefe 7,2 Fuß/ 2,2 m, Reeder Schiffer in Neuendorf

52. Brigg ACTIV, 1861 erbaut von Dierling, H., Schiffer Spiegelberg, J.G., Größe 317 Reg.-T., Länge 19,8 Fuß/ 6,04 m, Breite 25,5 Fuß/ 7,78 m, Tiefe 16,3 Fuß/ 4,97 m, Reeder Rodbertus, J.N., Barth

53. Dänischer Schoner HERMINE, 1861 erbaut von Dierling, H., Schiffer Havild, F., Größe 44 Reg.-T., Länge 54 Fuß/ 16,47 m, Breite 16 Fuß/ 4,88 m, Tiefe 8,9 Fuß/ 2,71 m, Reeder Schiffer in Nexö

53. Schaluppe FRIEDERIKE, 1862 erbaut von Dierling, H., Schiffer Ludwig, G.F., Größe 33 Reg.-T., Länge 49,1 Fuß/ 14,98 m, Breite 16,6 Fuß/ 5,06 m, Tiefe 6,6 Fuß/ 2,01 m,

54. Schonergaleasse THERESE, 1862 erbaut von Dierling, H., Schiffer Tredup, F., Größe 42 Reg.-T., Länge 61,2 Fuß/ 18,67 m, Breite 16,1 Fuß/ 4,91 m, Tiefe 6,6 Fuß/ 2,01 m, Reeder Schiffer in Michaelsdorf

55. Schonerbark ANNA & META, 1863 erbaut von Dierling, H., Schiffer Kohrt, C., Wilken, J., Strelow, G., Pahl, H., Abshagen, Größe 248 Reg.-T., Länge 112,2 Fuß/ 34,22 m, Breite 26,5 Fuß/ 8,08 m, Tiefe 13,5 Fuß/ 4,12 m,Reeder Lange, W., Rostock, Verbleib: 1901 nach Schweden verkauft, Fahrtdauer 38 Jahre

56. Brigg J.F. HEYDTMANN, 1863 erbaut von Dierling, H., Schiffer Beyer, F., Beyer, C., Jörk, P., Größe 248 Reg.-T., Länge 105 Fuß/ 32,03 m, Breite 26,5 Fuß/ 8,08 m, Tiefe 14,1 Fuß/ 4,3 m, Reeder Schultze, F., Rostock, Verbleib 1891 nach Schweden verkauft, Fahrtdauer 28 Jahre

57. Bark SUPERIA, 1864 erbaut von Dierling, H., Schiffer Fründt, H.D., Größe 346 Reg.-T., Länge 113 Fuß/ 34,47 m, Breite 27,8 Fuß/ 8,48 m, Tiefe 16,2 Fuß/ 4,94 m, Reeder Siebe, C., Stralsund

58. Brigg CLARA, 1865 erbaut von Dierling, H., Schiffer Rothbart, H.F., Größe 232 Reg.-T., Länge 98,4 Fuß/ 30,01 m, Breite 26,1 Fuß/ 7,96 m, Tiefe 14 Fuß/ 4,27 m, Reeder Gebr. Samuel, Damgarten

59. Bark PAUL, 1865 erbaut von Dierling, H., Schiffer Klatt, A., Größe 379 Reg.-T., Länge 123,5 Fuß/ 37,67 m, Breite 27,8 Fuß/ 8,48 m, Tiefe 15,4 Fuß/ 4,7 m, Reeder Pfeiffer, O., Stralsund

60. Schoner CHRISTOPH, 1866 erbaut von Dierling, H., Schiffer Nadelbaum, J., Größe 61 Reg.-T., Länge 61,3 Fuß/ 18,7 m, Breite 18,4 Fuß/ 5,61 m, Tiefe 8,4 Fuß/ 2,56 m, Reeder Schiffer in Breege/Rügen

61. Spanische Schonerbrigg EMMANUEL, 1866 erbaut von Dierling, H., Schiffer Garcia, B., Größe 143 Reg.-T., Länge 80,5 Fuß/ 24,55 m, Breite 21 Fuß/ 6,41 m, Tiefe 12 Fuß/ 3,66 m, Reeder Pelegri, A., & Pedros, Denia

62. Schoner FRIEDRICH II., 1867 erbaut von Dierling, H., Schiffer Abshagen, F., Größe 129 Reg.-T., Länge 78,6 Fuß/ 23,97 m, Breite 21,2 Fuß/ 6,47 m, Tiefe 11,5 Fuß/ 3,51 m, Reeder Pfeiffer, O., Stralsund

63. Bark VICTORIA, 1867 erbaut von Dierling, H., Schiffer Jungmann, P., Plessentin, F., Größe 396 Reg.-T., Länge 120,7 Fuß/ 36,81 m, Breite 26,5 Fuß/ 8,08 m, Tiefe 17,8 Fuß/ 5,43 m, Reeder Crull, F., Rostock, Verbleib: 1893 in Havanna kondemniert, Fahrtdauer 26 Jahre

63. Schoner MARTHA, 1868 erbaut von Dierling, H., Schiffer Krenzien, J., Größe 60 Reg.-T., Länge 58,4 Fuß/ 17,81 m, Breite 17,4 Fuß/ 5,31 m, Tiefe 8,2 Fuß/ 2,5 m, Reeder Schiffer in Damgarten

66. Dreimastschoner GRAF BEHR - NEGENDANK (später BJOERN), 1869 erbaut von Dierling, H., Schiffer Kindorff, O., Schmidt, C., Größe 303 Reg.-T., Länge 120,6 Fuß/ 36,78 m, Breite 27,3 Fuß/ 8,33 m, Tiefe 15,2 Fuß/ 4,64 m, Reeder Gebr. Samuel, Damgarten, Verbleib: 1888 nach Kalmar (Schweden) verkauft, Fahrtdauer über 50 Jahre. Über diese Bark hat Bendix 1919 einen Erinnerungs­bericht geschrieben. Siehe Bendix: „Wat bi so’n Stapelloop passierte.“

67. Bark LORENZ HANSEN, 1872 erbaut von Dierling, H., Schiffer Dillwitz, H., Größe 397 Reg.-T., Länge 118,7 Fuß/ 36,2 m, Breite 28,8 Fuß/ 8,78 m, Tiefe 17,3 Fuß/ 5,28 m, Reeder Maack, W., Rostock, Verbleib: 1895 im Atlantik gesunken, Fahrtdauer 23 Jahre


68. Bark FALKE, 1873 erbaut von Dierling, H., Schiffer Scharmberg, P.C., Siebert, H., Größe 315 Reg.-T., Länge 113,2 Fuß/ 34,53 m, Breite 27,2 Fuß/ 8,3 m, Tiefe 15,4 Fuß/ 4,7 m, Reeder Siebe, Stralsund

69. Bark ANNA PRECHT, 1874 erbaut von Dierling, H., Schiffer Möller, J.W., Voß, Hr., Waack, Fr., Größe 429 Reg.-T., Länge 127,7 Fuß/ 38,95 m, Breite 29,5 Fuß/ 9 m, Tiefe 18,1 Fuß/ 5,52 m, Reeder Beselin, R.V., Rostock, Verbleib 1897 nach Finnland verkauft, Fahrtdauer 23 J.

70. Bark ANNA VON KLEIN, 1874 erbaut von Dierling, H., Schiffer Schwemer, A., Götz, Hr., Größe 351 Reg.-T., Länge 117,2 Fuß/ 35,75 m, Breite 27,5 Fuß/ 8,39 m, Tiefe 16,1 Fuß/ 4,91 m, Reeder Maack, W., Rostock, Verbleib 1888 nach Norwegen verkauft, Fahrtdauer 14 Jahre

71. Gaffelschoner MARIE, 1875 erbaut von Dierling, H., Schiffer Beyer, C., Größe 84 Reg.-T., Länge 71,7 Fuß/ 21,87 m, Breite 17,5 Fuß/ 5,34 m, Tiefe 8,9 Fuß/ 2,71 m, Reeder Lange, W., Rostock, Verbleib: 1879 bei Beachy Hd. gesunken, Fahrtdauer 4 Jahre

72. Schaluppe ADELE, 1876 erbaut von Dierling, H., Schiffer Scheel, R., Größe 32 Reg.-T., Länge 49,7 Fuß/ 15,16 m, Breite 16,1 Fuß/ 4,91 m, Tiefe 6,8 Fuß/ 2,07 m, Reeder Schiffer in Damgarten, Verbleib 1904 bei Högby gestrandet, Fahrtdauer 28 Jahre

73. Brigg HULDA, 1876 erbaut von Dierling, H., Schiffer Klickow, A., Größe 180 Reg.-T., Länge 94,8 Fuß/ 28,91 m, Breite 21,3 Fuß/ 6,5 m, Tiefe 11,6 Fuß/ 3,54 m, Reeder Böttcher, F., Stralsund

74. Schoner JULIE KNITSCHKY, 1877 erbaut von Dierling, H., Schiffer Witt, F., Jordan, J.W., Größe 113 Reg.-T., Länge 83 Fuß/ 25,32 m, Breite 20,2 Fuß/ 6,16 m, Tiefe 10,3 Fuß/ 3,14 m, Reeder Schultze, F., Rostock, Verbleib 1880 leck in Antigua eingelaufen und nach New York verkauft, Fahrtdauer 3 Jahre

75. Bark CARDINAL, 1879 erbaut von Dierling, H., Schiffer Zaage, J., Größe 358 Reg.-T., Länge 114,2 Fuß/ 34,83 m, Breite 25,3 Fuß/ 7,72 m, Tiefe 15,9 Fuß/ 4,85 m, Reeder Beug, C.A., Stralsund

Diese Schiffsliste mit den auf der Dierlingschen Werft in Damgarten von 1810 bis 1880 gebauten Segelschiffen stellte Hans Griese, ein Kapitänssohn aus Ribnitz, in mühevoller Arbeit zusammen. Sie ist noch nicht veröffentlicht worden. Das Manuskript befindet sich im Bernsteinmuseum Ribnitz-Damgarten. Bearbeitet Hans Erichson

"Von Damgarten über alle Meere" - Von Hans Erichson

1997

Im Bernsteinmuseum Ribnitz-Damgarten wird das Schiffsjournal des Fischländer Schiffers H. D. Bradhering aufbewahrt, das er in der Zeit von 1853 bis 1865 führte. Solche originalen Doku­mente sind besonders aussagekräftig für die regionale Geschichts­forschung. Dieses Schiffsjournal ist allerdings kein Tagebuch, in das der Kapitän seine Erlebnisse eintrug, sondern es enthält viele hundert Standortberechnungen und Wetterbeobachtungen, nur gelegentlich werden andere Mitteilungen eingeflochten.

Das Schiffsjournal beginnt am 27. Mai 1853, als H. D. Bradhering mit seiner Bark „Friedrich und Louise“ nach Rochefort (Frankreich) segelte. Dieses Schiff ist laut Hans Grieses Schiffsliste 1849 von H. Dierling in Damgarten für den Wustrower Schiffer H. D. Bradhering erbaut worden. Die Bark besaß eine Größe von 293 Reg.-Tonnen und war gekupfert. Bradhering segelte auf dieser Reise von Rochefort nach Danzig, danach ging die Reise nach Bristol und von dort nach Montevideo (Uruguay), das er am 18. März 1854 erreichte. Im Juli 1854 trat er die Rückreise von Rio de Janeiro über den Atlantik an und kam am 18. Oktober in Marseille (Frankreich) an.

Danach finden sich für ein halbes Jahr keine Eintragungen im Logbuch. Es ist kaum anzunehmen, daß Bradhering 6 Monate untätig in dem Mittelhafen lag. Ich vermute vielmehr, daß Bradhering mit seiner „Friedrich und Louise“ ins Schwarze Meer fuhr! Dort kämpften während des Krimkrieges (1853 – 1856) Rußland und die Türkei um die Vorherrschaft im Schwarzen Meer. In diese Kämpfe griffen auch die Franzosen und Engländer auf Seiten der Türkei mit ein. Sie belagerten die Festung Sewastopol. Es liegt nahe, daß Bradhering mit seinem Schiff während des Krimkrieges von Marseille aus Fahrten für die Franzosen und Engländer unternommen hat. Es ist aber auch nicht ausge­schlossen, daß er sogar als Blockadebrecher Material oder Lebensmittel für die in Sewastopol eingeschlossenen Russen transportiert hat! Viele Fischländer Schiffe haben während des Krimkrieges hohe Gewinne eingefahren! Erst am 7. April 1855 finden wir im Logbuch die nächste Eintragung, als er von Marseille nach Hamburg segelte. Dann verkaufte Bradhering seine Bark „Friedrich und Louise“ an den Schiffer P. N. Bradhering und ließ sich bei Heinrich Dierling in Damgarten eine größere Bark bauen, vermutlich von dem Geld, das er im Krimkrieg verdient hat! Diese neue Bark, die den Namen „Johann Daniel“ (vermutlich nach dem Schiffsbaumeister Johann Daniel Dierling) erhielt, lief am 1. September 1856 bei H. Dierling glücklich vom Stapel. Große Schwierigkeiten entstanden aber beim Transport des 351 Reg.-T. großen Schiffes von Damgarten durch die flachen Boddenge­wässer zum offenen Fahrwasser bei Stralsund. Bekanntlich ist das Fahrwasser durch den Bodden wegen dessen geringer Tiefe sehr schwierig. Deshalb leichterte man die größeren Schiffe, die in Ribnitz und Damgarten gebaut wurden. Man legte vier offene Jachten an beiden Seiten längsseits des Schiffsrumpfes, ließ diese voll Wasser laufen, befestigte die Leichter mit starken Trossen am Schiff und pumpte dann die Leichter leer. Dadurch erhielt der Schiffsrumpf einen Auftrieb von einigen Dezimetern. Auf diese Weise wurde auch die „Johann Daniel“ geleichtert. Den ersten Teil des Weges durch den Saaler Bodden legte man unter Segeln zurück. Dann geriet sie auf Grund und fror vorübergehend ein, weil der Winter hereinbrach. Mit sechs Leichtern wurde sie wieder flottgemacht, aber am Nadelstrom saß sie wieder auf einer Untiefe fest, eine Durchfahrt mußte ausgebaggert werden, ehe die Weiterfahrt gelang. Hinter Zingst brachen einige Jachten los, so daß das Schiff erneut geleichtert werden mußte. Später wurden die kleinen Leichter durch größere Prahme ersetzt. Die letzte Strecke bis zum offenen Fahrwasser schleppte ein Dampfboot die „Johann Daniel“. Erst am 3. Juni 1857, also nach zehnmonatiger Fahrt, erreichte sie endlich Stralsund. Der Transport der „Johann Daniel“ war sicher ein besonders schwieriger Fall, gewöhnlich verlief die Fahrt von Damgarten zum offenen Fahrwasser etwas einfacher.

Nachdem die Ausrüstung des Schiffes hier in Stralsund abge­schlossen war, konnte die Bark dann am 1. Juli 1857 ihre erste Reise antreten. Diese ging zuerst nach Danzig und dann nach Cardiff (England). Dann segelte Bradhering nach Barcelona (5.11.1857), Konstantinopel (1.2.1858), Taganrog (17.4.58) und dann zurück nach England. Von dort segelte die „Johann Daniel“ nach St. Thomas (Kleine Antillen). Diese Fahrt über den Atlantik dauert 49 Tage. Von St. Thomas ging es weiter nach Belize (Hon­duras), dann in 67 Tagen wieder über den Atlantik nach Ports­mouth (17.7.59), weiter nach Newcastle und Kopenhagen und wieder in die Heimat. Diese erste Fahrt der „Johann Daniel“ dauerte vom 1.7.1857 bis Ende September 1859, also über zwei Jahre. Aber der Aufenthalt in der Heimat kann nicht lange gedauert haben, denn Ende November segelte Bradhering bereits von Danzig nach England. Die nächste große Reise begann Ende Januar 1860 und führte von Swansea (England) mit Kohlen nach Caldera (Chile). Am 17. Februar 1860 segelten sie in der Höhe der Cap Verdischen Inseln, am 8. März östlich von Bahia und am 27. April rundeten sie das gefürchtete Kap Horn. Bradhering bemerkt in seinem Logbuch: „Strenge Brise und stürmischer NNO-Wind, dick mit Schnee. Vom 2. bis 10. Mai Sturm, viel gekreuzt, kamen kaum vorwärts.“ Am 29.5. waren sie vor Valparaiso, und am 17. Juni erreichten sie Caldera. Im Juli segelte Bradhering nach Callao (Peru), um Salpeter zu holen. Am 5. Oktober 1860 lichteten sie die Anker auf der Reede von Callao mit dem Ziel Queenstown in Irland. Am 15. November passierten sie wiederum Kap Horn bei stürmischen Westwinden, den Äquator querten sie am 2. Januar 1861, und am 23. Februar kamen sie nach einer 139tägigen Reise in Queenstown (Irland) an. Dann liefen sie den schottischen Hafen Tayport an, um nach Rostock zu segeln. Am 30. April 1861 ankerten sie nach 18 Mona­ten wieder auf der Warnemünder Reede!

Im Jahre 1861 verzeichnet das Logbuch folgenden Kurs: Rostock - Gefle (Schweden) - Dundee (Schottland) - Rostock. Für das Jahr 1862 fehlen die Eintragungen. Im Jahre 1863 unternahm Bradhering eine Reise von London nach Rangoon (Burma), die Hinfahrt dauerte vom 3. Januar 1863 bis zum 7. Juni. In gestoche­ner Schrift trug H. D. Bradhering seine Berechnungen ein. Manch­mal fügte er auch einmal einen „Wetterbericht“ ein: „Bis 4 Uhr heftiger Wind mit Regen, hohe See, wobei zunehmender NO-Schwall zu bemerken war. Nahmen Gr. Bramstenge und Klüver­baum ein und schoren mehrere Gördings rund um das große Marssegel, befestigten auch die festgemachten Segel noch mehr und nahmen ein Segel über die Boote, um das Vollschlagen der­selben zu verhindern. Bis abends 8 Uhr dito Sturm von SOzS mit anhaltendem Regen und Blitzen im NW, liefen für beide dicht­gerefften Marssegel. Von 8 bis 10 Uhr fiel das Barometer 16/00. Rasender Wind, Böen und Regen, sehr hohe See von SOzS, das Schiff lenzte jedoch ganz gut. 10 Uhr klarte es vorn etwas auf, standen fertig, um die Mars-Segel zu geien, es wurde aber plötzlich flau, der Wind ging nach SW, W und NNW und still. 12 Uhr frische Brise von NW. See von allen Gegenden. Legten das Schiff über Nord am Winde, setzten die Schoten von Gaffelsegeln und machten Vormarssegel fest. 12 ½ machten alles bis auf die Schot vom Barksegel fest. Es wehte fürchterlich bis 2 Uhr von NW bis Nord, Seewasser u. Regen machten, daß man nichts sehen konnte. Das Schiff blieb halb am Wind liegen und wrakte sehr, drehten das Ruder in mittschiffs fest. See von allen Seiten. Nach 2 Uhr bis Mittag heftiger Sturm und Regen, sehr schlimme See von allen Gegenden.“

Die Rückreise von Rangoon nach London dauerte vom 23. Juli bis 15. Dezember 1863. Ob Bradhering mit seiner Besatzung vor der nächsten großen Reise noch kurz in der Heimat weilte, geht nicht aus dem Logbuch hervor. Am 6. April 1864 segelte die „Johann Daniel“ von London nach Karatschi (Indien) und von dort nach Colombo (Ceylon). Die Rückreise von Colombo nach London dauerte vom 3. 11. 1864 bis 24. 3. 1865, also 141 Tage.

Der Fischländer Kapitän H. D. Bradhering fuhr noch viele Jahre glücklich mit seiner Bark. 1881 setzte er sich zur Ruhe und übergab das Schiff an den Schiffer H. D. Niemann. Nach einer Reisezeit von 38 Jahren sank die Bark „Johann Daniel“ im Jahre 1894 bei einem schweren Sturm auf der Fahrt von Plymouth nach Bristol.

"Damgartener Rangen vor 50 Jahren" - Von Erwin Scheel

1958

Muntere Kinderscharen haben sich zu allen Zeiten in den Straßen unserer Vaterstadt getummelt. Schau nur hinaus auf die Gassen und Plätze! Heute ist das Ballspiel Trumpf! Der große Lederball ist das begehrteste Spielzeug unserer modernen Jugend geworden. Auf jedem freien Platz, in jeder stillen Straßenecke donnern flinke Kinderfüße gegen das Leder, und tiefe Freude strahlt aus Kinderaugen, wenn ein Schuß durch das improvisierte Tor geht. Neben dem Ballspiel ist das Fahrrad ein beliebtes Sport­gerät geworden. Schon die Nichtschulpflichtigen meistern den kleineren Vetter, den Roller. Jedes größere Kind ist im Besitz eines Zweirades.

Vor 50 Jahren sah es in dieser Beziehung noch ganz anders aus. Keines von den genannten Sportgeräten war bekannt. Damals waren es in erster Linie Wasser und Wald, Wiese und Moor, die die Damgartener Rangen in ihren Bann zogen. Welche Sportmög­lichkeiten bot allein der gute, alte Stadtgraben, der damals noch bis zum „Kran“ schiffbar war! Im Sommer lockte er zum Baden. Jede freie Stunde war man im Wasser. Die Kleinen badeten „im Kölk“, dicht unterhalb der Pütnitzer Brücke. Größere hatten „im Mittel­stück“, etwas stromabwärts, ihre Badestelle. Die guten Schwimmer wählten das tiefere Wasser „beim Kran“. Mit einem Kopfsprung ging es vom hohen Bollwerk oder vom großen Stein, dem Gegen­gewicht des Krans, in das nasse Element. Die Methode des Erlernens war einfach, aber zweckmäßig. Überall war das Wasser so tief, daß man nicht darin stehen konnte. Man kletterte hinein, hielt sich an einem herabhängenden Grasbüschel fest und gewöhn­te sich an das Liegen im Wasser und an das Bewegen der Beine. War man darin sicher, ließ man das Büschel für kurze Zeit los und schlug mit den Händen. Da merkte man schnell, daß das Wasser den Körper trug, man wurde dreister. Man stieß sich vom Ufer ein kurzes Stück ab und krabbelte, indem Arme und Beine das Wasser schlugen, wieder heran. Bald hatte man heraus, wie ein Hund zu schwimmen, und konnte die erste große Fahrt zum gegenüberlie­genden Ufer wagen. War man sicher in dieser Schwimmart, ging man dazu über, die Schwimmbewegungen eines Frosches, einer „Schottpork“, nachzuahmen, und dann war es in verhältnismäßig kurzer Zeit geschafft! Nur noch am Kran ging es ins Wasser. Mitunter wurden auch zwei aufgeblasene Schweinsblasen oder Binsenbündel, die durch eine kurze Schnur verbunden waren, als Schwimmhilfe benutzt. War man eben heraus aus dem Wasser, so kam wohl oft ein neuer Trupp herangezogen. Selbstverständlich badete man noch einmal mit. Bis in den September hinein dauerte dieser Betrieb. Jeder Junge wurde im Laufe eines Sommers ein perfekter Schwimmer. Badehosen und Tücher zum Trocknen waren verpönt. Im nächsten Jahre stieg man wohl beim „Kamel“ ins Wasser und schwamm ein Stück die Recknitz hinauf oder hinab. Als später die Badeanstalt gebaut wurde, wurden die alten Badestellen von den kleinen Kindern weiter benutzt. Erwachsene und Jugendliche, vor allen Dingen aber das weibliche Geschlecht, suchten dort zu verschiedenen Zeiten Kühlung in den klaren Fluten der Recknitz.

Im Frühjahr und Herbst wurde geangelt. Man diente dabei von der Pieke ab. Ein Zwirnsfaden von Mutters Garnrolle, eine zweimal rechtwinklig gebogene Stecknadel und eine Federpose vom Huhn oder von der Gans bildeten die erste Angel, die an einer Weiden- oder Haselrute befestigt war. „Wiedinge“ waren fast ausschließlich die Beute, die man schockweise innerhalb kurzer Zeit damit aufs Land befördern konnte. Die Katzen lebten damals gute Tage, denn für den eigenen Genuß waren die Stinte zu klein. Wenn der Plötz laichte, wurden Fische gegriffen. Man legte sich am Ufer auf den Bauch, tauchte den rechten Arm ins Wasser und warf die Tiere, von denen es unter dem Ufer wimmelte, im Bogen heraus. Sie waren dort so zahlreich versammelt, daß leicht Netze und Körbe gefüllt werden konnten. Es muß so um das Jahr 1907/1908 herum gewesen sein, da war für alle Angler große Zeit. Karpfen, die als Brut im Binnensee ausgesetzt worden waren, zogen sich in die Recknitz und den Graben hinein. Sie bissen vorzüglich auf gekochte Kartoffeln und Semmelkrumen, die angefeuchtet und zu Kügelchen geformt wurden. Ein paar Tropfen Anis gaben ihnen die richtige Würze. Zu Hunderten wurden die schmackhaften Fische gefangen, die meistens drei oder mehr Pfund schwer waren. Im eigenen Haushalt war die Beute oft gar nicht sofort zu verwerten. In Regentonnen und Fleischkübeln wurde sie längere Zeit am Leben erhalten. Ich kann mich erinnern, daß ein biederer Damgartener Handwerker, der Schuhmacher­meister Polchow, in diesem Karpfenjahr mehrere Zentner mit der Handangel aus dem Graben zog. Die Arbeit in den Werkstätten ruhte zum großen Teil, Meister und Gesellen angelten. Am Graben konnte man leicht jeden Gesuchten finden. Wenn in späteren Jahren noch dann und wann riesige Exemplare von 20 und mehr Pfund von Sportanglern heimgebracht wurden, so waren es die letzten Überlebenden dieser Karpfenzeit.

An schönen Tagen im März und April wurden Hechte gesto­chen oder geschnürt. Weit hinauf in den Pütnitzer Bach - bis nach Tempel - zog dann dieser Fisch zu seinen Laichplätzen. Steif wie ein Stock stand er in der Strömung. Geübte Kinderaugen erkann­ten ihn aber sicher. Eine Drahtschlinge, an einem Stock befestigt, wurde ihm - weit geöffnet - über den Kopf gezogen. Ein Ruck an der Stange, die Schlinge zog sich zu, und der Fisch wurde in großem Bogen auf das Ufer geworfen. Auf ähnliche Weise wurde mit dem Hechteisen das Tier kunstgerecht harpuniert. Bei diesem Sport mußte man sehr vorsichtig zu Werke gehen, denn er war verboten. Gendarm und Fischmeister waren dann oft unterwegs, und ihnen durfte man nicht in die Hände fallen. Strafmandate waren bei den Eltern auch damals nicht beliebt. Einmal entdeckten wir Jungen dicht am Ufer des Kolkes einen großen Hecht, der wohl 10 Pfund schwer war. Da wir kein Fanggerät zur Hand hatten, riefen wir den Sohn des Pütnitzer Stellmachers herbei. Er kam mit der vierzinkigen Mistgabel und erbeutete damit den kostbaren Braten, mit dem er freudestrahlend abzog. Wir sahen ihm mit langen Gesichtern nach, denn er war älter und stärker als wir. Später kamen die Brachsen in den Graben gezogen. Mit dem Hechteisen wurde auch davon manches Tier erbeutet. Ein besonderes Vergnügen war es für uns Kinder, wenn die beiden Berliner Jagdpächter mit der Flinte am Graben erschienen und die langsam dicht unter der Oberfläche dahinziehenden Fische schossen. Mit Stangen und Stöcken durften wir Kinder sie dann ans Ufer ziehen.

Ein Fest für die Damgartener Jungen war das Einfahren eines Schiffes in den Hafen. Manchmal kam sogar der Regierungs­dampfer, der noch mit zwei großen Schaufelrädern angetrieben wurde. Wie ein Lauffeuer ging die Nachricht durch die Stadt, alles war bald vollzählig am Bollwerk versammelt. Jachten, Galeassen und Kähne kamen häufiger, um Kalksteine, Guano oder Mauer­steine zu bringen oder Holz und Getreide zu laden. Für uns Jungen bot sich manche Gelegenheit, kleine Hilfsdienste zu leisten. Man konnte den Hafenmeister benachrichtigen, beim Ziehen des Schiffes zum Liegeplatz helfen, die herübergeworfenen Leinen an den Pollern befestigen. Wir machten so etwas mit großem Vergnü­gen, denn der Schiffer konnte es uns dann schlecht abschlagen, wenn wir später darum baten, uns für eine halbe oder gar für eine ganze Stunde das Beiboot zu borgen. Boote waren damals sehr begehrt, denn in ganz Damgarten gab es nur ein Fischerboot, und das war unausleihbar, weil es dauernd gebraucht wurde. Mit geliehenem Boot ruderten wir hinaus auf den Binnensee, pflückten am Ufer der Recknitz weiße Seerosen oder holten Binsen zur Her­stellung einer Schwimmhilfe. So eine Bootsfahrt gab auch die Gelegenheit, mit der Darre (einem an einer langen Schnur befestig­ten Blinker mit Angelhaken) einen Hecht zu erwischen. Mit den Schiffsjungen waren wir gewöhnlich schnell bekannt, und gern lauschten wir, wenn sie uns Seemannsgarn spannen. Manchmal war es sicher gewaltig knotig, aber wir Kinder nahmen es damals noch für Wahrheit.

Als in früheren Jahren drei Sägewerke in Damgarten in Betrieb waren, lagen im Graben fast dauernd Flöße, die durch einen Dampfer vom Darß hergeholt wurden. Unterhalb des Hafens und des Krans wurden die Kiefern aus dem Wasser geschleppt und mit Loren oder Fuhrwerken in die Sägemühlen befördert. Welche sportliche Betäti­gung boten die Flöße den Damgartener Jungen! Oft bedeckten die Stämme den Graben in seiner ganzen Breite. Man konnte dann so schön hinüberlaufen und von einem Ufer zum anderen gelangen. Freilich, die schwachen Hölzer tauchten dabei unter, und andere gerieten ins Rollen, aber die flinken Jungenfüße fühlten bald die schwachen Stellen heraus und gewannen sicher das andere Ufer. Manches unfreiwillige Bad mußte dabei in Kauf genommen werden, und eine Tracht Prügel war dann zu Hause immer fällig. Einzelne Stämme waren auch sehr schön als primitive Wasserfahrzeuge zu verwenden. Man setzte sich rittlings hinauf, hielt die Balance mit den ins Wasser hinabbaumelnden Beinen, und mit einem Stück Brett, das als Ruder diente, paddelte man den Graben hinab. Ein alter Sack diente manchmal bei gutem Wind als Segel. Die Sägewerksbesitzer sahen es natürlich nicht gerne, wenn die Stämme auf diese Weise in Unordnung gebracht wurden. Man schiffte bei ihrem Erschei­nen an die Wiesenseite und entwich in Richtung Pütnitz. Schwere Unglücksfälle bei diesem Sport sind in meiner Erinnerung nicht verzeichnet. Im Winter überschwemmten meistens die Wiesen zu beiden Seiten des Grabens und der Recknitz, dann gab es eine herrliche Eisbahn. Die Schlittschuhe wurden untergeschnallt (meistens waren es noch flache Holländer mit langen, gebogenen Spitzen), und es ging auf Entdeckungsfahrt, das Recknitztal hinauf. Sehr beliebt waren die niedrigen Piekschlitten, die heute nur noch sehr selten zu sehen sind. Man stand auf den Kappen des hinten ausgerundeten Schlittens und stieß ihn mit der Pieke, einer Stange mit einer Eisenspitze, vorwärts. Bei günstigem Wind wurde auch mit ihnen gesegelt, aber nur vor dem Winde waren diese „Segel­schlitten“ zu gebrauchen, denn die Schienen waren nicht scharf, und als Steuer diente nur die Pieke. Auf den Bodden traute man sich nicht gern allein hinaus. Dort beherrschten die Ribnitzer Jungen das Feld. Es kam oft zu Schlägereien mit ihnen. Auf der flachen Wiese wurde ein Pfahl durch das Eis in den Grund geschlagen. An einer langen Leine wurde daran vorn und hinten ein Schlitten befestigt, der Schwungschlitten, der durch Schieben in rasende, kreisförmige Bewegung gesetzt wurde. Man mußte auf dem Bauch auf dem Schlitten liegen, um sich darauf halten zu können, wenn er mit großer Geschwindigkeit im Kreise herum­flog. Freilich, man gab nicht gern seinen Schlitten dazu her, denn meistens ging er dabei zu Bruch. Die Mädchen ließen sich in hochgebauten Schiebeschlitten über die blanke Eisfläche dahinfahren.

Am langen Sonntagnachmittag zog der Wald die Damgartener Jugend in seinen Bann. Gleich nach dem Mittagessen wurde auf­gebrochen. Unterwegs machte man die ersten Studien im Rauchen. Eine Schachtel Zigaretten, Marke Siegfried, die zu 20 Stück mit oder ohne Mundstück 10 Pfennig kostete, wurde mitgenommen. Jeder hatte einen oder zwei Pfennig dazu beigesteuert. Nickel­stücke zu 5 oder gar 10 Pfennig waren damals für uns Kinder schon ein kleines Vermögen. In der Kieskuhle hinter den Tannen wurden die Glimmstengel angebrannt, wenn die Luft rein war. Es war noch kein Genuß, aber man fühlte sich erwachsen, wenn sie im Winde schnell verdampften. Zu Ostern wurden im Saaler Wald Schlüsselblumen gepflückt. Mit einem geheimen Grauen schlichen wir an dem Wasserloch vorbei, in dem „Brumshagensch“ während des Tages sitzen sollte. Später kam der Waldmeister an die Reihe, der, überall in den Stuben aufgehängt, seinen köstlichen Duft verbreitete. Vertrocknet lieferte er auch den ersten Tabak für die aus Holunder und aus einem Rohrhalm selbstgefertigte Pfeife. Pfingsten blühten die Maiglöckchen. Auch für Verwandte wurden davon Sträuße mitgebracht. Man erlöste manchmal 2 Pfennig dafür, für die man beim Kaufmann schon eine ganze Tüte mit Bonbons erstehen konnte. Stets wurden Haselstöcke geschnitten, für die immer Verwendung vorhanden war als Peitschenstöcke, Angelruten oder Flitzbogenbügel. Im Saaler und Templer Wald war man ungestört, der Förster nutzte seine Sonntagsruhe. Im Pütnitzer Busch mußte man dagegen vorsichtig und leise sein. Gewöhnlich war der Förster in die „Stemmbek“ beordert, um allen Unfug der Damgartener zu verhindern; aber auch der „gnädige Herr“ durchfuhr in der Kutsche oft das Revier. Er hatte eine gewaltige Stimme, und wir gaben gern Fersengeld, wenn seine Nähe bemerkt wurde.

In den Sommerferien wurden Himbeeren gepflückt, und im Herbst reiften die Haselnüsse. Für den Weihnachtsteller holte man sie selbst aus dem Wald. Im zeitigen Frühjahr wurde dem Moor ein Besuch abgestattet. Zu Tausenden brüteten damals dort die Kiebitze. Es gehörte sich, daß ein Damgartener Junge wenigstens ein Gericht ihrer wohlschmeckenden Eier auf den häuslichen Tisch lieferte. Bis zum 1. April war das Sammeln der Kiebitzeier sogar gesetzlich erlaubt. Ganz genau wurde freilich nicht auf das Einhalten der Frist geachtet. Kam der Frühling verspätet, waren die Eier auch im April noch nicht bebrütet. Das Moor wurde zu dieser Zeit im Sommer als Kuhweide genutzt. „Dei Bullenwisch“ war die ortsübliche Bezeichnung. Es war noch nicht durch Gräben entwässert und keine ebene Wiesenfläche wie heute. Man mußte von „Bülten“ zu „Bülten“ balancieren und die tiefen Riegen überspringen. Ohne nasse Füße kam man selten von so einer Expedition zurück. Später zog man barfuß los. Es wurden „Aale“ geholt. So wurden die zarten Herzblätter des Kalmus, die als Rohgemüse gut schmeckten, genannt. Mit einem großen Bündel dieser Pflanzen zogen dann die Jungen durch die Straßen, um sie an bequemere Genossen zu verkaufen. „Aal, Aal up un dahl, teigen gifft vörn Knop“, so schallte es überall aus singenden Jungen­kehlen. Mutters Knopfschachteln mußten um diese Zeit gut ver­wahrt werden, sonst waren sie besonders von den Mädchen, die diese Tour nicht gerne selbst wagten, ausgeplündert. Auch Schnupftabak wurde bei dieser Gelegenheit mitgebracht. Aus den zerriebenen Samenständen einer Hahnenfußart wurde er herge­stellt und auf ähnliche Weise an den Mann gebracht. Ein Fest gab es für die Damgartener Jugend jedesmal, wenn es hieß: „Dei Apen un Born kamen!“ Am Stadteingang wurden sie schon von den Jungen erwartet, und in hellen Haufen ging es hinterher. Es waren meistens kleine Zigeunertrupps, die mit ausländischen Tieren, etwa einem Kamel, einem Braunbären und einigen Affen, durch Städte und Dörfer zogen. Unter den Klängen eines Tamburins erhob sich Meister Petz auf die Hinterbeine und tanzte unbeholfen im Kreise herum. Zum Gaudium aller Gassenbuben ertönte manchmal sein wütendes Brummen, wenn ihm die Prozedur zu lange dauerte; aber ein Ruck des Führers am Ring in der Nase ließ ihn bald einsehen, daß offene Auflehnung umsonst sei. Die Zigeuner­mädchen sammelten unterdessen in einem alten Hut die Pfennige, die ihnen von den Erwachsenen aus den Fenstern gereicht wurden. Ein Affe, angezogen mit bunten Flittern, thronte auf dem Dudel­kasten, der die Marschmusik für diesen ungewöhnlichen Umzug lieferte. Vor dem Pastorhause machte sich eins dieser flinken Tiere einmal selbständig. Im Nu saß es auf den Pflaumenbäumen im Garten, die besonders große und schöne Früchte trugen. Eine nach der anderen warf er in großem Bogen auf die Straße. Wir Jungen griffen eilig danach und kamen auf diese Weise in den Besitz der Leckerbissen, die wir sonst nur sehnsüchtig aus der Ferne betrachten durften. Der Pastor, der herauskam, machte gute Miene zum bösen Spiel, und darum war unsere Freude ungetrübt beim Verzehren seiner Früchte. Für 10 Pfennig kaufte die reifere weibliche Jugend einen Glücksbrief, den ein kleiner Wellensittich mit dem Schnabel aus einem Kasten zog, der unter seinem Käfig befestigt war. Unter Kichern und Lachen wurden die vielen guten Voraussagen für das Leben studiert und manchmal wohl auch geglaubt. Würdevoll trappte das Kamel hinterher, dessen abson­derliche Gestalt unsere Blicke immer wieder gefangennahm. Ein ganz Verwegener durfte wohl auch einmal ein kurzes Stück auf seinem wenig zum Sitzen eingerichteten Rücken reiten. Noch am Abend schlichen wir um den Lagerplatz auf der „Drift“, um dem Bären, der an einem Baum festgekettet war, einen Leckerbissen zu bringen. Kamen Zigeuner mit Wohnwagen in die Stadt, wurden sie vom Stadtpolizisten mit Pickelbaube und Säbel an ihren Lagerplatz beim Mühlenberg geleitet. Für eine Nacht wurde gewöhnlich die Erlaubnis zum Aufenthalt im Stadtgebiet erteilt. Auch das waren Festtage für die Jugend! Die Erwachsenen waren besorgt um die Hühner, die in der Gegend frei herumliefen; sie auf die Höfe zu treiben, war die erste Aufgabe. Die Zigeunerfrauen verstreuten sich bald in die umliegenden Häuser, um aus den Linien der Hand wahr­zusagen und dabei zu betteln, während die Männer am Lagerfeuer kauerten und auf die Mahlzeit warteten, die die Mädchen zusam­menbringen mußten. Auch ein Pferdehandel mit Damgartener Ackerbürgern kam dann und wann wohl zustande. Im Gebüsch des naheliegenden Landkirchhofes suchten die Zigeunerjungen indessen nach Igeln.

Am nächsten Morgen kamen Polizist und Gendarm auf die Drift, um die Wagenkolonne bis an den Paß zu geleiten, wo sie auf mecklenburgisches Gebiet abgeschoben wurde. Die Jugend gab bis dahin das Geleit und zog traurig zurück, weil ein außergewöhn­liches Ereignis so schnell vorbeigerauscht war.

Der Ruf „Dei Schnellöper is hier“ klang gewöhnlich einmal in jedem Jahr durch die Straßen der Vaterstadt. Gar schnell fand sich dann alles zusammen. Ein wunderlich aufgeputzter Mann, - oft nicht mehr in jungen Jahren - hatte seinen Einzug gehalten. Auffallend rot und grün leuchtete das kurze Wams, das er trug. Auf dem Kopf wippte ein mit langen, bunten Federn verziertes Barett. Kniehosen nur bedeckten die Oberschenkel, die haarigen Unterläufe endeten barfuß in leichten Sandalen. Ein mit kleinen Glöckchen besetztes Band umschlang Arme und Beine, und ein liebliches Klingen war bei ihrer Bewegung hörbar. Waren genügend Zuschauer an die Fenster oder auf Straße geeilt, dann sauste er 100 Meter die Straße entlang. In langsamem Rückmarsch an den Häuserzeilen sammelte er in seinem Hut die Pfennige, die ihm als Anerkennung für die gute Leistung im Laufen gereicht wurden. Wir Jungen bewunderten ihn gebührend, und nach seinem Fortgang sauste oft ein kleiner, ähnlich aufgeputzter Schnelläufer durch die Straßen, ohne freilich Gebühren dafür zu fordern.

"All’s bedenken, denn geiht di nix scheif." - Von Erwin Scheel

1958

Wat ick juch hüt vertell’n will, is all vör länger as hunnert Johr passiert. Dohn gewt bannig väl will’ Swien in dei Damgornsche Gegend. Up’n Steinurt, wur mien oll Ururgroßvadder dohn Förster wier, hemm’s eins ein hadd, dat wier höger as ehr grot Speigelkommod’, dei in dei Wahnstuw stünn. Mien Mudder hett mi dat sülben vertellt, as ick noch so’n halfwossen’n Jung wier, un dei wüßt dat von ehr oll Urgroßmauder. För den‘n Urgroßvadder wier dat gor nich so licht, mit so’n Diere farig tau war’n. Dohn gewt noch nich so’ne niemodschen Flinten, wur’n einfach hinner ‘n poor Patronen rinstäken un denn ein nah ‘n anner afballern künn’. Sei harrn dohn noch Vörrerladers. Jerer Förster harr ‘n Pulverbüdel un Bliekugels un Talglappens bi sick. Von baben wür ‘ne Potschon Pulwer in denn’ Lopp rinnschürrt, denn wür ‘n Talglappen up dei Mündung leggt, ‘ne Bliekugel rupsed’t un mit’n Ladstock wür dei denn in denn’ Loop rinschaben, bett sei fast up dat Pulwer set. Mit’n Zündhaut, dei unner denn’ Hahn leggt wür, künn’s denn’ Schuß denn losballern. Dat Laden durte ümmer ‘ne grood Tied, un man künn’t blot mak’n, wenn’ Tied un Wiel dortau harr.

Dat wier eins gegen Abend in dei Schummerstun’n, as mien Urgroßvadder up denn’ Weg nah Hus dörch denn’ Quitschen­busch güng. Ick weit nich miehr gnau, wat hei grar in’n Kopp harr, öwer an dei will’n Swien hett hei nich dacht. Donn brök’t mit einmal gegen em, un stünn nich dit grote swadde Diert up dördig Schritt mirr’n up’n Weg grar vör em? Na, hei wier’n düchtig’n Jäger un dacht bi sick, du kümmst mi grad geläg’n, ick heff ‘ne richtige Swinskugel in mien’n Loop! Hei güng in dei Knei, leggt an un sette em dei Kugel mirrn up’t Blatt. Wurt nu von kamen is, weit ick nich miehr ganz genau, ob dor grar ‘n groden Brümmer dörch dei Kugelbahn flagen is, dei dei Kugel aflenkt hett, orrer ob sei ‘n Twieg, dei ‘n bäten dalhüng, striept harr, jedenfalls harr dei Kugel ‘n bäten wiet nah hinnen drapen; dat Swien brök zworst tausam’n, öwer gliek wiert werrer hoch, un as’t donn miene’n Urgroßvadder gewohr wür, fohrt dat Diert up em dal. Wat süll hei maken? Rupp up dei nächste Grän, dat wier dei einzigste Reddung! Tau’n Laden harr hei jo kein Tied! Hei harr kum dei Beinen von dei Ierd, as dat Undiert ok all unner denn’ Bohm stünn’. Dei Büss har hei nich mit rupkrägen. Dat Swien fohrte gliek up dei tau un smet’s in’n groten Bagen mit sienen Rüssel bettau. Öwer taufräden wier’t dohn noch ganz un gor nich, hei würr denn’ Ollen gewohr, dei fix höger kladdern ded in siene Grän. Dat wier nu man ‘n swacken Bohm, un as dat Swien nu anfüng, unner an’n Stamm tau wäulen un ein Wördel nah dei anner mit sien groden Haugers ut dei Ierd ret, wür Urgroßvadder doch ‘n bäten schakich tau Maud. Hei söcht in dei Taschen, ob hei nix fünn, wur hei sick mit helpen künn. Dorbie föhl em noch dei Pulwersack an dei Ierd. Dat oll Swien fohrt gliek up tau un slök em öwer. Womäglich hett hei dacht, dit wier all dat ierste Stück, wat von Urgroßvadder von baben kem. As dei Oll dit gewohr würr, dohn harr hei einen ganz klauk’n Gedanken. In’n stillen grient hei richtig ‘n bäten, denn nu wüßt hei, dat dit noch nich sien Letzt wier. Hei söög dei Piep, dei hei glücklicherwies in denn’ Mund behollen harr, ‘n poormal düchtig an, dat ok orrich Glaut dorin wier un smet’s dat Swien dichting vör dat Mul. Dat fohrt natürlich ok up tau un slöks rin! As dei Piep in’n Buk von dat Swien woll’n bäten dicht an denn’ Pulwersack tau ligg’n kem, kemt grar so, as dei Oll sick dat uträkent harr! Dat gef einen gewaldigen Knall. Unner dei Grän stünn’ dicken griesen Damp, un as dei sick vertagen harr, wier ‘t Swien nich miehr tau seihn, dat wier in dusend Fetzen in dei Luft flagen! Urgroßvadder steeg von sienen Bohm, söcht sick sien Büss werrer ut dei Maar, wur’s grar rinflagen wier, un as hei sick upricht, bammelt ein von dei Schinkens grar öwer em; in ‘ne Twäl von ‘ne Bäuk harr hei sick fastsedt. Denn’ nehm hei natürlich mit nah Hus. Uns Urgroßmudder hett spärer ümmer vertellt, dat dei ehr so gaud smeckt hett, as nie in’n Läben ‘n Braden von’ willes Swien.

"Erinnerungen eines alten Damgarteners" - Von Otto Weidemann

1958

1. Von der Dierlingschen Werft

Das letzte Schiff, das Dierling gebaut hat, war eine Bark für den Kapitän Schwemmer, der in dem Hause wohnte, in dem heute der Tischlerrneister Stoll seinen Betrieb hat. Das Schiff war sehr groß. Der Hintersteven ragte über den Zaun auf die Chaussee hinaus. Wenn die dicken eichenen Planken aus der Dampfkiste kamen, wurden sie mit Gesang hochgezogen auf die Rüstung. Als der Schiffskörper fertig war, wurden alle Fugen mit Werg abgedichtet. Beim Ablaufen des Schiffes liefen die Wellen des Grabens weit über das Bollwerk und die Pütnitzer Wiesen. Zum Auftakeln kamen sechs bis acht Takler aus Rostock, für die meine Mutter in unserem Hause in der Wasserstraße das Mittagessen kochte. Der alte Püllmann, ein gebürtiger Hannoveraner, war gelernter Blockmacher; er lieferte die Blockarbeiten. Die Schmiedearbeiten fertigte Karlsberg, der in der Heerstraße neben dem Deutschen Haus wohnte. Es gab zwei Nagelschmiede zu dieser Zeit in Damgarten: Poritz wohnte in dem kleinen Häuschen neben Werner, und Hagen hatte seinen Betrieb in dem Hause des Uhr­machers Winter. Seiler, die das Taugut lieferten, waren Schlüter und Reichmuth, beide wohnhaft in der Langen Straße. Die Werkstatt, in der die Schiffsboote gebaut wurden, lag an der Bendixschen Seite vor der Straße zum Graben. Der alte Engelquist war noch einer der Bootsbauer.

Mit dem Neubau zusammen lag noch ein Schoner des Schiffers Krenzin auf der Schlipp. Diese Schlippvorrichtung lag weiter nörd­lich, dem heutigen Holmschen Hause zu.

Von vier Jachten getragen, wurde das Schiff nach Fertigstellung bis Barhöft gebracht und dort zu Wasser gelassen. Nach Ablieferung dieses Schiffes hat Dierling für russische Rechnung noch mehrere große Leichter (Prähme) aus Fichtenholz der Behrenshäger Forst gebaut. Um 1880 gab Dierling die Werft auf.

Später hat Dierling den Holzhandel fortgesetzt. Aus den umlie­genden Wäldern, sogar aus Freienholz bei Sanitz in Mecklenburg, kaufte er starke Eichen. Die längsten Stammeichen wurden schon im Busch vierkant bewaldrechtet. Die Zimmerleute, die für diese Arbeit eingesetzt wurden, rüsteten sich für 14 Tage aus und wohnten zu dieser Zeit gewöhnlich in Forkenbeck. Die Raven­horster Waldung hat seinerzeit die meisten Eichen geliefert. Die Eichen, die hier zu Plankons bearbeitet waren, wurden in Kähnen nach Stettin gebracht und von dort auf dem Seewege nach Eng­land verfrachtet. Das Einladen in die Kähne im Damgartener Hafen war nicht so einfach. Es war ein großer Kran am Bollwerk aufgebaut. Die zu verladenden Eichen wurden ins Wasser gekantet und von dort aus mit Flaschenzügen am Ladebaum des Krans hochgezogen. Nun wurde der Kahn untergeschoben und die Eiche in den Laderaum hinabgelassen. Bei dieser Arbeit ist einmal der Baum des Krans gebrochen. Es wurden Leute verletzt, Zimmer­mann Ebert aus der Hinterstraße starb an den Verletzungen. Als 1892 die Kleinbahn am Hafen über den Werftplatz fuhr, waren Kontor, Dampfkiste, Schuppen und Einfriedigung schon ver­schwunden.

2. Verkehrswesen in früherer Zeit

Das war eine beschwerliche Sache, wenn man früher verreisen mußte! Bevor die Chaussee von Stralsund nach Rostock fertig­gestellt war, gab es noch keine regelmäßigen Verbindungen in unserer Ecke. Ich habe von meinem Vater gehört, daß die Reisen­den, wenn sich eine genügende Zahl zusammengefunden hatte, auf Leiterwagen, an deren Seiten Bretter als Sitzbänke befestigt waren, befördert wurden.

Seit 1850 ist die Chaussee nach Stralsund fertiggestellt. Von da ab fuhr regelmäßig die Postkutsche. Sie bot Platz für sechs Per­sonen. Posthaltereien waren in Ribnitz und Redebas. Hier wurden die Pferde gewechselt. In Damgarten hielt sie am Markt. Das Posthaus war das Haus neben dem Rathaus. Konnten nicht alle Reisenden Platz finden, stellte die Hencksche Wirtschaft einen kleinen Wagen als Beipost. Der Fahrpreis nach Stralsund betrug für Hin‑ und Rückfahrt je 4,20 Mark. Abends fuhr man aus Damgarten ab. Am nächsten Abend konnte man zurückkehren. Kam die Post in die Stadt, blies der Postillon. Ein besonders guter Bläser war der „Schwager“, der von Marlow nach Ribnitz fuhr. Über das breite Recknitztal hinweg, das der Bahndamm noch nicht durchquerte, waren die Klänge seines Hornes bei gutem Wetter in Damgarten zu hören.

Neben der Postverbindung wurde für den Personenverkehr eine Omnibuslinie von Damgarten nach Stralsund und Rostock unter­halten. Fuhrunternehmer war der alte Wilhelm Henck, der im Peschlowschen Hause wohnte. Sein Schwager Heinz, der nebenan das Lindbergsche Grundstück besaß, fuhr nach Stralsund, Hencks Söhne nach Rostock. Besonders beansprucht wurde diese Verbin­dung, wenn die Seeleute im Frühjahr und Herbst die Winterhäfen ihrer Schiffe oder die Heimat erreichen mußten: Ihre schweren Seesäcke und ‑kisten wurden auf dem Verdeck des Omnibusses verstaut. Ein Frachtverkehr zwischen den beiden größeren Nachbar­städten wurde von der Firma Vetter eingerichtet. In großen, klobigen Planwagen wurden die Kaufmannswaren für die Damgartener Geschäfte herbeigeholt. Als 1888 die Eisenbahn fertig wurde, gingen diese Unternehmen ein. Die Bahn übernahm die Beförderung der Post und des Frachtgutes. Für die Bewohner unseres Heimatstädtchens wurde das Reisen leichter.

3. Handwerkerleben um die Jahrhundertwende

Hineingeboren in einen solchen Handwerksbetrieb, den mein Großvater im Jahre 1815 in der Wasserstraße in Damgarten einge­richtet hatte, übernahm ich ihn nach vorausgegangener Lehrlings‑ und Gesellenzeit im Jahre 1894 als Stellmachermeister. In der geräumigen Werkstatt standen drei Hobelbänke und drei Hau­blöcke, an denen alle Arbeiten mit der Hand verrichtet wurden. An Maschinen gab es nur eine Drehbank zum Abdrehen der Rad­naben. Da sie ein sehr großes Schwungrad hatte, konnte sie nur von einem kräftigen Gesellen gedreht werden. Hauptsächlich wurden schwere Räder für die klobigen Ackerwagen der umliegen­den Güter, von denen zehn bis zwölf immer zur Kundschaft gehörten, angefertigt. Beil, Zugmesser und Handsäge waren die Hauptwerkzeuge. Die Felgen schnitt man mit der größeren Faustsäge und der Schweifsäge aus drei‑ bis vierzölligen Planken, die im vorigen Jahrhundert noch stets mit der Brettsäge aus den Stämmen ‑ natürlich auch mit der Hand ‑ gewonnen wurden. Die Speichen spaltete man aus Eichenkloben, behaute sie mit dem Beil und glättete sie mit Schropp‑ und Putzhobel. Die Speichenlöcher mußten mit dem Löffelbohrer gebohrt werden, der mit dem Brust­blatt auf das Holz gedrückt und abwechselnd nach rechts und links gedreht wurde. Schneckenbohrer erleichterten diese Arbeit in späteren Jahren sehr. Die Nabenlöcher stemmte man aus. Auf dem Radstock setzte der Geselle alles zusammen. Zuletzt hobelte man den äußeren Rad­kranz mit dem Krummhobel glatt. Ein Geselle hatte sechs volle Tage nötig, um auf diese Weise einen Satz Räder fertigzustellen. Er kostete je nach Stärke 36 bis 48 Mark. Ein Karrenrad wurde für 4 Mark angefertigt, eine komplette Scheiden­karre hatte einen Preis von 13,50 Mark. Die Stellmacherarbeiten für einen vollständigen 2½-zölligen Ackerwagen einschließlich Holzlieferung brachten ganze 75 Mark. Ein vierzölliger Wagen kostete 90 Mark. Ein Geselle verdiente bei voller Verpflegung und Wohnung im Hause des Meisters wöchentlich 5 bis 6 Mark. Bei den niedrigen Preisen war auch der Verdienst des Meisters gering. Ein Festmeter Buchenholz mußte mit etwa 20 Mark bezahlt werden. Eichenholz kostete 25 bis 40 Mark.

Um wenigstens rentabel zu arbeiten, betrieb man nebenbei eine kleine Landwirtschaft. Von der Stadt oder der Kirche war Pacht­land zu haben. Zwei bis drei Kühe und einige Schweine wurden gehalten. Die erforderlichen Feldarbeiten machten Meister, Gesellen und Lehrlinge. Die Arbeitszeit dauerte von 6 Uhr morgens bis 7 Uhr abends. Danach mußte noch die Werkstatt aufgeräumt werden, und um 8 Uhr gab es Nachtkost, die gewöhnlich aus Bratkartoffeln und Milchsuppe bestand. Da die Nahrungsmittel im eigenen Landwirtschaftsbetrieb gewonnen wurden, waren sie billiger, und es konnte eine gute Verpflegung gereicht werden. Sie war aber auch erforderlich, da von jedem täglich schwere körperliche Arbeit zu leisten war. Gewöhnlich wurden ein bis zwei Lehrlinge und ein Geselle beschäftigt.

4. Die Glashütte in Damgarten

Ein bedeutender Industriebetrieb für unser Heimatstädtchen war für die Dauer langer Jahre die Glashütte, die zwischen dem Nordausgang der Stadt und „den Tannen“ lag. In meiner Jugend war Elfeldt der Besitzer. Für ein paar Jahre übernahmen dann die Gebrüder Samuel den Betrieb. Dann erwarb sie der Kaufmann Josephi. Inmitten lag die Hütte, ein großer, viereckiger Bau, der mit einem Wellblechdach überwölbt war. In großen, runden, feuer­festen Tonhäfen von etwa einem Meter Durchmesser wurde die Glasmasse geschmolzen. Als Feuerungsmaterial diente Steinkohle. Den zwischen den Schlacken anfallenden Koks bekam die Beleg­schaft als Heizmaterial für ihre Öfen.

Zwölf Stunden dauerte es, bis die Glasschmelze fertig war, und in acht bis zehn Stunden war sie verbraucht, und der Hafen mußte neu beschickt werden. Der Hauptbestandteil der Glasmasse, reiner Sand, wurde von einem Sandberg südlich der Hessenburger Brücke mit eigenen Gespannen angefahren. Die entstandene Grube ist heute mit Weidengestrüpp bewachsen und dadurch deutlich kenntlich.

Die Schmelzhäfen wurden im „Häbenhaus“, das heute noch an der Saaler Chaussee liegt und als Wohnhaus dient, aus Schamotte­masse hergestellt und auf schiefer Ebene, der heutigen Treppe, vom ersten Stock heruntergelassen und mit Loren zum Ofen gebracht. Häfenbäcker waren Karl Hacker und Albert Zeitz. Ellipsenförmig, in einem weiten Rund, standen die Häfen im Ofen über der Feuerung. Nach oben hin waren sie überdeckt, und nur durch eine kleine Öffnung konnten die vor jedem Loch wirkenden beiden Glasbläser mit ihren etwa meterlangen Pfeifen die zähflüs­sige Glasmasse erreichen. An etwa 15 Häfen waren in guten Zeiten wohl 30 Glasbläser am Werk.

Von den Familien Staak, Hacker, Gundlach, Beinlich, Brauer waren Väter und Söhne als „Glaspuster“ tätig. Ihre Wohnungen lagen in unmittelbarer Nähe der Hütte. Nachkommen dieser Familien leben noch heute in Damgarten. Oft habe ich zugeschaut, wie Flaschen hergestellt wurden: Der Glasbläser tauchte durch die kleine Öffnung seine Pfeife in die Schmelzmasse. Ein kleiner Klumpen blieb daran hängen. Durch Hin‑ und Herschwingen und Blasen wurde er bald zu einer länglichen, hohlen Glasblase. Hatte sie die ungefähre Größe, wurde mit dem Fuß eine eiserne Flaschenform auseinander­gedrückt, die Glasblase hineingetan und die Form durch Abneh­men des Fußes wieder geschlossen. Durch kräftiges Blasen in die Pfeife bekam die Glasblase die genaue Gestalt der Flaschenform. Immer noch an der Pfeife sitzend, wurde sie aus der Form heraus­genommen; sie war inzwischen soweit erkaltet, daß sie das Aus­sehen fertigen Glases hatte. Mit einem Stück Eisen, das in Wasser getaucht wurde, fuhr der Glasbläser um den Hals. Ein kleiner Ruck an der Pfeife ließ sie auf die Schaufel des Abträgers, der bereitstehen mußte, fallen. Er beförderte sie in den Kühlofen. Fünf Flaschen konnten gleichzeitig auf dieser Schaufel trans­portiert werden. Nach langsamem Abkühlen im Kühlofen wanderten die fertigen Flaschen auf den Stapelplatz, der mit einem hohen Zaun umgeben war. Bier- und Selterflaschen, die auch hergestellt wurden, bekamen in einem angegliederten Neben­betrieb den Patentverschluß. Auch Glashäfen und Milchsatten wurden gefertigt. Zierlich gewundene, oben mit Kugeln und Spitze versehene Glasstäbe, die als Blumenstäbe für Topfpflanzen verwendet wurden, sah man damals in jedem Fenster der Ein­wohner. Große Glaskugeln dienten als Zierrat in den Gärten.

Die Erzeugnisse des Werkes wurden anfangs mit Pferdefuhr­werken nach Rostock, Schwerin, Güstrow und Wismar gebracht. Josephi ließ später den Graben vom Hafen bis fast zur Pütnitzer Brücke ausbaggern. Ein Kran wurde gebaut und ein Schienen­strang zur Glashütte gelegt. Seit dieser Zeit wurden Rohstoffe und Fertigwaren in erster Linie auf Kähnen verfrachtet.

5. Damgartener Töpfereibetriebe

Die heutige Wasserstraße in Damgarten, Hinterstraße hieß sie in früheren Jahren, war eine Straße der Handwerker. Ein Schuh­macher wohnte am Südende. Fischer Berlin, von dem in der Vater­stadt das geflügelte Wort umlief: „Lustig is Johann Berlin, Rock un West sünd Plambeck‘n sien“, war der Nachbar. Daran reihten sich die Lohgerberei Abel und die Stellmacherei Weidemann. Die Töpferei Schultz, die Böttcherei Spoerck und die Tischlerei Liefländer schlossen die Reihe ab. Gegenüber lag noch die Schlosserei Berlin.

Bedeutend für die damalige Zeit waren die Töpfereien. Die Vorfahren der hier noch heute ansässigen Töpfermeister, Schultz, Niemann und Häseler, saßen in meiner Kindheit schon mehr als hundert Jahre in der Vaterstadt. Alle drei hatten eigene Brennöfen und versorgten nicht nur die städtische Bevölkerung, sondern auch die der weiteren Umgebung mit dem nötigen Geschirr. Angefertigt wurden Töpfe, Teller, Schalen, Kannen und Krüge aus Ton, da Porzellan für die durchweg wenig bemittelte Bevölkerung viel zu teuer war. Auch Ofenkacheln wurden in großer Menge hergestellt. Nicht nur die Heimatstadt, sondern auch die weitere Umgebung wurde damit versorgt. Manch Prerower oder Zingster Segelschiffs­kapitän ließ sich seinen Kachelofen von einem Damgartener Handwerksmeister setzen. Die Reise dorthin war schwieriger als heutzutage. Bis Neuendorf‑Heide wanderte man zu Fuß. Ein Fährmann setzte nach dem Darß über, und dann ging es wieder zu Fuß zum Arbeitsort. Die Kacheln wurden mit einer Jacht, die gelegentlich Damgarten anlief, mitgegeben oder mit einem Segel­boot geholt. Der Töpfermeister Schultz war unser Nachbar, von seinem Betrieb will ich erzählen, da ich ihn am genauesten kenne. Der alte Meister Schultz, der Großvater des heutigen Töpfer­meisters Schultz, war in meiner Jugendzeit der Besitzer des Betriebes. Er war schon krank an Bleivergiftung, einer Berufs­krankheit, hervorgerufen durch den Umgang mit der bleihaltigen Glasur. Zwei erwachsene Söhne, Julius und Fritz, hatten bei ihm das Handwerk erlernt, und arbeiteten im Betrieb. Die ganze Familie umfaßte acht Kinder. Drei davon wurden Töpfer, einer Lehrer, einer Seemann, der später als Steuermann auf großer Fahrt fuhr. Zwei Mädchen heirateten in andere Handwerksbetriebe hinein, das dritte war Schneiderin. Der dritte Töpfersohn, Otto Schultz, erlernte bei den beiden älteren Brüdern das Handwerk, ging auf Wanderschaft und wurde bei Plön in Holstein seßhaft, wo er eine gutgehende Töpferei unterhielt.

Der Betrieb hatte zwei heizbare Werkstuben. In der ersten standen zwei Töpferscheiben, auf denen Schalen, Töpfe und Krüge angefertigt wurden. In der zweiten Stube wurden die Ofenkacheln hergestellt. Hinter beiden Räumen lag der große Brennofen, in dem man fünf‑ bis sechsmal im Jahr die angefertigten Sachen brannte.

Gelber Ton wurde aus Saal, blauer Ton aus Lüdershagen heran­geschafft. Beide Sorten wurden streng voneinander getrennt gehalten, weil aus dem blauen Ton nur weiße Kacheln hergestellt wurden. In einem großen Kübel weichte man den Ton zunächst auf und rührte ihn ganz dünn. Das erforderliche Wasser mußte aus dem Stadtgraben heraufgetragen werden. Durch ein feines Sieb floß die Masse darauf in die Tongruben. Die große war für den gelben, die kleinere für den blauen Ton bestimmt. Etwa 40 cm hoch stand die Schlämme in den Gruben. Der Ton setzte sich am Grunde, und das Wasser verdunstete allmählich. War die Masse einigermaßen fest geworden, wurde sie mit dem Spaten überkreuz in 40 x 40 cm breite Blöcke gestochen, die bis zur weiteren Verarbeitung in die Keller unter der Werkstatt wanderten. Der am Tag zu verarbeitende Ton wurde am Morgen aus dem Keller heraufgeholt, zu einer Pyramide aufgesetzt, von der mit einem Zugmesser dünne Streifen abgeschabt wurden, die man bearbei­tete, bis er mit den Händen formbar war. Der Töpfer setzte sich hinter die Scheibe, die er mit den Füßen in drehende Bewegung brachte, warf ein faustgroßes Stück weichgemachten Ton auf die Scheibe, und mit den Fingern und eventuell kleinen Formhölzern hatte das Stück in kurzer Zeit die Form des gewünschten Gegen­standes angenommen. Mit einem Draht, der an beiden Enden kurze Griffhölzchen trug, wurde er von der Scheibe abgeschnitten und auf ein vor der Töpferscheibe liegendes Brett gestellt. War das Brett voll von gefertigten Töpfen, wurde es auf ein Regal zum Trocknen gelegt.

Die Glasierung erfolgte durch Eintauchen des Gegenstandes oder bei großen Stücken durch Übergießen mit Glasurflüssigkeit. Jetzt wanderte alles in den Brennofen, dessen Öffnung nach Füllung zugemauert wurde. Etwa 7 Meter fein gespaltene Kiefern­kloben waren zur Heizung erforderlich. Ein Brand dauerte wohl 33 bis 37 Stunden. Nach allmählicher Abkühlung wurden die fertigen Sachen auf dem Hausboden gelagert. Gebrannte Kacheln wanderten auf den großen Boden des Brennhauses. Der Verkauf des fertigen Tongeschirrs oblag der Hausfrau, die immer die Geldtasche untergeschnallt unter der Schürze trug. Besonders viel wurden tönerne Milchsatten benötigt ‑ das Stück kostete 8 Pfennig ‑, in denen damals die Milch zur Entrahmung aufgegossen wurde, weil es Zentrifugen noch nicht gab. Im Herbst und im Frühjahr waren Markttage in der Stadt. Auf ihnen deckte sich besonders die Landbevölkerung mit dem Tongeschirr ein. Die Sachen wurden durch das Tarnowsche Grundstück, heute Bäcker Weu, getragen und vor den Hause zum Verkauf ausgestellt. Der Platz war besonders günstig, denn da an diesem Tag Schankgerechtigkeit für dieses Grundstück erteil wurde, herrschte hier großer Betrieb. Alles labt sich nach den langen, ermüdenden Wegen am heißen Grog. Die Firma Schultz bezog daneben auch noch fertiges Stettiner Tongeschirr, das einen besonders guten Ruf hatte. Mit einer Jacht gelangte so eine Ladung in den Damgartener Hafen. Vom Schiff aus wurden die Sachen in ein Boot gepackt, das bis an das Schultzsche Grundstück gerudert wurde. Alle Kinder der „Achterstraat“ halfen dann fleißig, die Gegenstände den Garten hinauf an den Lagerplatz zu tragen. In alten Damgartener Haus­haltungen kann man noch heute Damgartener Töpferwaren im Gebrauch sehen. Auch die glasierten Verblendsteine an Tür- und Fenstereinfassungen der Pantlitzer Kirche wurden im Brennofen des Schultzschen Betriebes gebrannt. Für die Nachwelt sind einzelne Stücke dem Stralsunder Museum übereignet worden.

Das Damgartener Rathaus eingeäschert Bericht im „Stadt- und Landboten“ vom 12./13. April 1928

Das altehrwürdige Rathaus in Damgarten ist gestern abend zum größten Teil ein Raub der Flammen geworden. Kurz nach 8 Uhr sahen Passanten aus einem kleinen Fenster an dem nördlichen Giebel im Oberstock Flammen herausschlagen, die mit rasender Schnelligkeit weiterfraßen, zumal sie indem mächtigen Balkenwerk reichlich Nahrung fanden. Die heranrückenden Wehren von Damgarten und Pütnitz gingen dem Flammenmeer sofort mit aller Energie zu Leibe. Mit mächtigen Krach stürzte der oberste Teil des Rathauses mit der Glocke, die noch zur neunten Stunde ihren Dienst verrichtet hatte, nach unten.

Gegen 9.20 Uhr traf auch die Ribnitzer Motorspritze ein. Ihrem Eingreifen ist es in erster Linie zu verdanken, daß die Nachbar­gebäude (Geheimrat Dr. Reeker und Bäckermeister Griese) erhalten blieben. Bei dem Grundstück des ersteren hatte bei Ein­treffen der Ribnitzer Wehr der Dachstuhl bereits Feuer gefangen. Bei ihrer Ankunft konnte sie sofort an die bereits gelegte Schlauch­leitung angeschraubt werden. Da der Motor am Bollwerk am Hafen aufgestellt war und gut arbeitete, so konnte im Verein mit den beiden anderen Handspritzen reichlich Wasser gegeben werden, so daß ein Teil des Erdgeschosses und des ersten Stockes stehen blieb. Der Brand schien gegen 11 Uhr stark abgeflaut zu sein. Wie unser Berichterstatter meldet, kam das Feuer gegen 3 Uhr nachts erneut auf, so daß auch die Aktenkammer in Flammen aufging. Dabei wurden auch die wertvollen Akten und Urkunden des Stadtarchivs vernichtet. Heute morgen gleicht das alte Rathaus einem Trümmerhaufen.

Die Entstehungsursache soll in einem beschädigten Schornstein über der Dienstwohnung des Polizeiwachtmeisters zu suchen sein. Darüber gehen jedoch die Meinungen sehr auseinander. Kurz­schluß liegt nicht vor. Da die elektrischen Lampen während des Feuers noch brannten.

Damgarten ist nun seines altehrwürdigen Rathauses beraubt. Das kann und wird manchen eingesessenen Bürger und Heimatfreund mit Schmerz und Wehmut erfüllen.

Das vorherige Damgartener Rathaus war im Jahre 1695 eben­falls ein Opfer einer schrecklichen Brandkatastrophe geworden, bei der Damgarten bis auf wenige Häuser eingeäschert wurde. Fehlende Geldmittel waren die Ursache, daß die Stadt sich über 40 Jahre ohne Rathaus behelfen mußte.

Erst 1741 konnte ein neues Rathaus gebaut werden, das fast 200 Jahre unseren Altvordern als Sammelpunkt diente. Es war ein schlichtes Fachwerkhaus, das von einem kleinen Holzturm gekrönt war. Vor einigen Jahren wurde die Fassade des Rathauses stilge­recht hergerichtet und zog mit seinem charakteristischen Fachwerk und dem großen Zifferblatt der Rathausuhr das Auge so manches Fremden, der Sinn für die Zeichen der Vergangenheit hatte, auf sich. Es hat in seinen schlichten Räumen mancherlei an ernsten und frohen Anlässen gesehen. Sogar die Tanzvergnügungen der Schützengilde wurden hier abgehalten. Nun liegt es in Schutt und Asche. Seine eigene Glocke hat ihm das Sterben geläutet.

"Die Einweihung des neuen Rathauses in Damgarten" - Kantor Hermann Bendix

Am gestrigen Sonntag, dem 30. Juni1930, stand unser Städtchen unter einem besonderen Zeichen. Ist nicht für jede Stadt, ob groß oder klein, die Schaffung eines neuen Rathauses, das den Mittel- und Sammelpunkt der bürgerlichen Gemeinde bildet, ein Gegen­stand allgemeinen Interesses und die Weihefeier für dieses Haus ein denkwürdiges Ereignis? Jahrhunderte soll es überdauern, einer Generation nach der anderen soll es dienen, Bürger und Bürgerin­nen gehen in ihm täglich ein und aus, und ein gut Teil der Geschicke des Ortes liegt in seinen Mauern beschlossen. Wie seine beiden Vorgänger ist das neue Rathaus aus Unglück und Not geboren. Bei dem großen Brande 1695 ging auch das damalige Rathaus in Flammen auf. 46 Jahre dauerte es, bis die verarmten Einwohner daran gehen konnten, ein neues aufzu­richten. Die erste „Session“ des Kollegiums war 1741. Es erhielt später ein Hintergebäude mit Wohnung des Polizeidieners und Gefangenenzellen. Dieses ehrwürdige Haus verfiel dem Feuer am Abend des 10. und in der Nacht des 11. April 1928. Die Vor­schläge von einzelnen Seiten, ein der Stadt gehörige Haus oder das Geheimrat Dr. Reeker’sche Haus (nach etwaigen Kauf) zum Rathaus auszubauen, sind glücklicherweise nicht Wirklichkeit geworden; dagegen hat sich zuletzt bei erfreulicher Einigung die Parole: „Auf altem Platz, und zwar mit Turm“ durchgesetzt.

"Das neue Rathaus"

Architekt Mähl-Damgarten hat das Verdienst, in ökonomischer Ausnutzung der Raumverhältnisse einen Bauplan entworfen zu haben, der in praktischer und ästhetischer Hinsicht außerordent­lich gefallen kann, Architekt Hans Ebert als Baumeister hat einen Bau geschaffen, der nach Sorgfalt und Dauerhaftigkeit Gutes ver­spricht. Auch die übrigen Arbeiten des Handwerks und der Tech­nik dürften durchaus befriedigen. Dazu nehmen sich die Gesamt­kosten von ungefähr 58000 Mark als in guten Grenzen gehalten.

Die Länge des Hauses stellt sich auf 12,40 m, die Tiefe des Hauptblockes auf 10,21 m, der auf der Nordseite des Grund­stückes plazierte Flügel mißt 12,50 mal 4,50 m. Die Fassade mit den dunkelroten Klinkern, deren variierende Tönung belebend wirkt, nimmt sich schmuck aus. Der Mittelteil mit den 3 großen Bogen­fenstern im Obergeschoß springt wirksam vor. Dort führt aus dem Sitzungssaal der schmiedeeisengearbeitete Balkon ins Freie, an dessen Vorderseite die in Kupfer getrieben Wappentafel, die 1908 die Familie von Zanthier schenkte, angebracht ist. In Höhe des Balkons sieht man zu beiden Seiten, in den zurücksprin­gende Wandstücken eingelassen, zwei stilisierte Terrakotten. Der Aufsatz über dem Mittelteil mit einem Gesims zeigt zur Seite des leuchtenden Zifferblattes der Uhr vier Miniaturfenster.

Der Eingang des Hauses mit schön wirkender eicherner Tür liegt rechtsseitig. Der hallenartige Eingangsflur mit Stufenabsätzen wirkt gut und mündet nach links in den zum Hintergebäude und zu den Büroräumlichkeiten führenden Mittelflur. Man kommt zunächst in den sehr praktisch eingerichteten Kassenraum mit Neben- und Tresorraum, weiter zum Bürgermeisterzimmer. Nach der Hoffseite liegen die Kanzlei und das Büro für den Kanzlei­vorstand. Auf dem Flur nach dem Hinterhause passiert man das Treppenhaus mit bequem steig­baren Stufen, geschwungenen Lehnen und wirksam einfallendem Oberlicht. An zwei Aktenkam­mern vorbei gelangt man zu einem weiten Büroraum, der bereits an das Arbeitsamt vermietet ist. Vom Hof führt eine Tür zu dem Vorraum, an dem zwei Zellen liegen, am Ende des Flügels eine Treppe zu der Wohnung des Hausmeisters, die durch den Flur mit dem Obergeschoß des Hauses in Verbindung steht. Nach hinten liegt hier ein Verhandlungszimmer und Wartezimmer. Nach vorn der schön wirkende Sitzungssaal mit durch Balustrade getrenntem Zuhörerraum, auf der anderen Seite ist ein Beratungszimmer. Das Ganze des Baues wirkt sehr günstig nach der ästhetischen wie praktischen Seite und repräsentiert den Charakter des Hauses in erfreulicher Form.

Die Einweihung des neuen Rathauses An den Kirchgang schloß sich um 11 Uhr der Weiheakt an. Eine große Menschenmenge hatte sich dazu eingefunden. Die Kollegien und die geladenen Gäste nahmen unmittelbar am Rathaus Aufstellung. Der Gemischte Chor unter Kantor Bendix Leitung sowie die Musikkapelle postierte sich seitlich vor dem Griese’schen Hause. Machtvoll drangen die Klänge des Beethovenschen Hymnus „Die Himmel rühmen des Ewigen Ehre“ unter Bläserbegleitung in die Weite – eine außerordentlich passende Introduktion. Herr Architekt Mähl nimmt das Wort. Er führt aus, wie es zum Bau gekommen und wie glücklich er fortge­schritten und vollendet sei. Er übergibt unter den besten Wün­schen dem Bürgermeister der Stadt den Schlüssel zum Hause. Jetzt steigt die Rede des Bürgermeisters Kühl. Nach seinem „Das walte Gott!“ preist der Chor die Güte Gottes: „Laßt uns mit Danken vor sein Antlitz kommen und unserm Gott mit Psalmen jauchzen!“ Dann nimmt Herr Meerwald das Wort. Er gibt seiner und des Kollegiums Befriedigung über das Zustandekommen des Werkes Ausdruck. Dr. Haußmann beglückwünscht die Stadt zu ihrem schönen Neubau, er hofft, daß sich daran eine Aera einträchtiger Arbeit der Stadtvertreter knüpfe und erörtert die Möglichkeit einer gesteigerten Wohlfahrt mit Seitenblicken auf die konkurrierende Nachbarstadt. Dann besteigt Kantor und Stadtverordneter Bendix das Podium und gibt seiner unwandelbaren Liebe und Treue zur Heimat in dichterischer Form Ausdruck:

Willkommen, hohe Herren, willkommen! Ihr werten Gäst‘,
die ihr geeilt zu diesem seltenen Weihefest.
Geweiht wird heute dieses schöne Haus,
das neu erstanden nach Nacht und Graus.
Mit Wehmut schaut des Bürgers heimattreuer Blick
auf jene gluterhellte Schicksalsnacht zurück,
die uns ein Erbgut, unser Rathaus hat geraubt,
das Väterhand mit schweren Herzen einst erbaut.
Nie wird sein teures Bild dem inn’ren Auge sich entzieh’n,
Mag Jahr um Jahr im Wechsel des Gescheh‘ns entflieh’n.
Denn altersgeheiligt und ehrfurchtgebietend – so standst du da,
und dientest der Stadt – ein Geschlecht nach dem andern es sah.
Mit Ernst uns Würde die Väter da saßen auf ihrem Sitz,
des Wortwechsels Eifer und Schärf‘ bracht‘ oft auch Hitz!
Beschlossen wurde nach ernstem Beraten zum Wohle der Stadt,
und was jeder als Bestes fürs Ganze erwogen hatt‘!
Auch Frohsinn schwang’s Szepter beim Fest wohl einmal,
und lustig wirbelte der Tanz da oben im Rathaussaal.
Doch wenn die Glock‘ über den Häuptern verkündet‘ der Mitternachts Stund‘,
da löste sich der Geselligkeit Kreis, der Zecher frohe Rund‘!
Jahrzehnte vergingen. Nur ernsten Zwecken diente das ehrwürd’geHaus,
dann kam sein Schicksal, sein Ende in Glut und Graus.
Im Wüten der Flammen – treu kündet die Glocke noch einmal die Stund‘,
dann kracht‘ das Gebälk: kopfüber in die Lohe sie stürzt mit röchelndem Mund.
So sank das Alte. Ein Weh durchzuckte das Herz.
Löst nicht so jähes Ende die Wehmut und den Schmerz?
Nun kam die Zeit, wo klagend man fragt oft,
Was soll werden? Doch der Bürger das Beste erhofft.
Wohl schwand das Chaos der Brandstätt. Doch Monate ein leerer Platz.
Und Diesteln und Unkraut darauf. „Was? Mit dem Bau hat’s wohl kein Hatz?“
So urteilt in Unruh manch Bürgerin und dacht nicht daran,
daß in solchen Sachen Überlegen, Erwägen stets ehret den Mann.
Und es kam der große Tag mit Einigung und Beschluß:
„Auf altem Platz! Und zwar ‚mit Turm‘, das Haus errichtet werden muß!“
Nun galt’s: Im Geist ersteh’n zu lassen das ernste Werk.
„Gott geb‘ dem Meister Licht und rechte Stärk!“
Von unsers heim’schen Künstlers kund’ger Hand
Entwurf und Zeichnung bald entstand.
Und nach dem ersten Bild ein zweites, drittes ward herausgebracht, so ward den Vätern unsrer Stadt die Wahl doch ziemlich schwer gemacht.
Als dann auch Rat und Urteil kam von höh’rer Stell‘,
da lösten letzte Zweifel sich, der Plan war klar und hell.
Der Meister des Baues mit jugendlich-frischer Kraft
greift’s an, bald wurde am Werk tüchtig geschafft.
Die Hände, sie regten sich tapfer und formten mit Geschick,
kein Unfall hemmte den Fortschritt und trübte das Glück.
Und mit des Frühlings lauen Tagen vollendet stand das Haus,
Gott geb‘ dazu sein Amen. Seiner Hut sei’s anvertraut jahrein, jahraus.

So bist geworden du, du liebes neues Rathaus: so morgenfrisch, so hoffnungsfreudig stehst du da – eine Zierde der Stadt, mit schmucker Fassade, wohl gelungen Innenräumen, dem Ausschau haltenden Türmchen auf der First, als einer schlichten Krone, aus der zu voller und halber Stunde des hallenden Glöckleins freund­licher Klang dem horchenden Ohr die Zeit kündet.

Werde, wozu du bestimmt bist: eine Stätte treuer Arbeit im Dienste der Gemeinde, eine Behausung der Wahrheit, des Rechts und der Gerechtigkeit.

Schaffe Segen, wirke Gutes zur Erhaltung, zum geordneten Bestand und – wenn es sein kann – zum Wachstum des Gemein­wesens, und zur Befriedigung und zur Freude des einzelnen Bürgers! In deinen Mauern herrsche der Geist des Friedens, der Einigkeit, der Einmütigkeit!

Ein Lied des Chores beschloß den Weiheakt. Nun besichtigten die Gäste die Innenräume des Hauses. Ein Festessen im Deutschen Haus vereinigte wohl an 70 Gäste.

Die Begrüßungsansprache des Bürgermeisters Kühl beim Festessen war ein Widerhall des Dreiklanges der Freude, des Dankes und der guten Wünsche. Dr. Anklam-Aurich (früher Bürgermeister in Damgarten) fand warme Worte über die ehemaligen freundlichen Beziehungen zu guten Menschen in der Atmosphäre unserer Kleinstadt. Sein Hoch galt der lieben Stadt Damgarten. Kantor Bendix würdigte die Verdienste des Architekten Mähl um den Bau, Senator Weidemann zollte dem Baumeister Architekten H. Ebert und seinen Werkleuten hohe Anerkennung. Herr von Zanthier gab den Wünschen der Kirche in ihren Beziehungen zur Stadtgemeinde herzlichen Ausdruck. Bürgermeister Dr. Scheller-Franzburg wünschte unter Betonung der Lebensrechte der kleinen Städte ein freundliches nachbarliches Verhältnis zwischen ihnen, darin mündete auch die Rede des Bürgermeisters Dr. Düffert-Ribnitz.

Bei Tisch brachte Kantor Bendix auch dem Festmarsch zu Gehör, den er zu dem Weihetage komponiert hatte. Der Komponist wirkte dabei am Klavier mit. Man jubelte ihm zu. Nach 4 Uhr löste sich die Tafel auf, nachdem Dr. Hausmann noch sehr liebe Worte an die Teilnehmer und unser Städtchen unter Dank, Anerkennung und guten Wünschen gerichtet hatte.

"Beiderseits der Recknitz" Von Karl Krambeer, Rektor i.R.

1933

Als die Herausgeber des Heimatbuches für den Kreis Franzburg-Barth den Entschluß faßten, auch dem angrenzenden Mecklenburg ein Plätzchen einzuräumen, haben sie löblich gehan­delt. Denn wenn man auch einen ganz kleinen Raum unseres Vaterlandes für sich betrachtet und beschreiben kann, so wird die Schilderung doch viel lebendiger, mindestens lebenswahrer sein, wenn die Landschaft nicht nur als Einzelwesen in ihrem Für­sichsein, sondern auch nach ihrer vielfachen Beziehung zu den Nachbargebieten dargestellt wird.

Somit freue ich mich denn, daß die Franzburger und Damgar­tener in ihrem Werbeheft auch den Ribnitzern einen Stuhl ange­boten haben. Ich setze mich und will zunächst versuchen, ein wenig über die Beziehungen zwischen Ribnitz und dem pom­merschen Nachbarkreis zu plaudern. Sodann will ich die Haupt­sehenswürdigkeiten in der Hoffnung schildern, daß derjenige, der irgend einen Ort im Kreis aufsucht, Lust bekommt, sich auch einmal in Ribnitz umzusehen. Dasselbe Boddenwasser, das an einen großen Teil des Kreises flutet, spült auch an unsern Ribnitzer Strand. Dieselbe Recknitz, die nördlich von Sülze einen Teil des Kreises umsäumt, grenzt auch an unsere Gemarkung. Und wie vielfache Beziehungen eröffnen sich einem, wenn man in die Geschichte zurückblickt! Auf der großen Handels- und Heerstraße, die von Rostock über Ribnitz nach Stralsund führt, zogen die Kaufmanns- und Planwagen der Hanseaten, zogen die Postkutschen vom 16. bis zum 19. Jahrhundert, zogen die Kriegs­völker der Russen, Dänen, Schweden, Holländer, Franzosen usw. Dieselben rohen Kriegshorden, die den Ribnitzer Bürger peinigten und plagten, drangsalierten auch den Bauer und Bürger des Franz­burger Kreises.. Derselbe Gustav Adolf, der mit seinen Mannen durch Pommern marschierte, ging auch mit seinem königlichen Fuße durch unsere Stadt, nachdem er sie am 27. September 1630 vom Passe von Damgarten her mit stürmender Hand genommen hatte. Derselbe Schill, der mit seinen Getreuen flüchtend durch Ribnitz eilte, jagt ruhelos durchs Barther Land.

Doch wurde nicht nur die gemeinsame Not gemeinsam durchgekostet und überstanden; oft genug standen sich auch Pommern und Mecklenburger feindlich gegenüber und schlugen sich gegenseitig die Köpfe blutig. Der mecklenburgische Heinrich der Löwe nahm sich den Pommernherzog Witzlaw gründlich vor und schlug ihn nach allen Regeln der Kunst. Aber auch dieser und jener pommersche Ritter, u. a. der Herr von Daskow und der von Pütnitz, zeigte den Mecklenburgern mehr als einmal, daß er das Dreinhauen ausgezeichnet verstand. Daß in diesen kriegerischen Zeiten, daß bei all den Durchzügen und Kämpfen die Recknitz­brücke am Grenzpaß eine hervorragende Rolle spielte, ist selbst­verständlich. Dort hat manche böse Auseinandersetzung statt­gefunden. Wenn von Pommern her eine Viehseuche drohte, wenn von Polen her die Pest oder Pocken im Anmarsch waren, sperrten die Ribnitzer die Paßbrücke. Wenn aber den Pommern oder Schweden in Mecklenburg irgend etwas verdächtig vorkam, machten sie’s natürlich ebenso.

Daß die Grenze von Dieben, Mördern, Hexen, Schmugglern, kurz den Leuten, die irgend etwas auf dem Kerbholz hatten, wegen der Entweichens nach irgend einer Seite stets hoch willkommen war, liegt auf der Hand. Unter Umständen war die Nähe der Grenze sogar den Behörden erwünscht. Der Ribnitzer Rat freute sich, wenn er von einem kniffligen Rechtsfall, der ihm viel Kopf­zerbrechen machte, durch die Flucht des mutmaßlichen Täters befreit wurde. Er freute sich aber auch, wenn er einen Vagabunden oder ein lästiges Bettelweib durch Abschub über die Grenze loswerden konnte; und ging dies nicht bei der Paßbrücke wegen der Wachsamkeit der Gegenseite, so mußte es an einer anderen Stelle der Recknitz, nötigenfalls auch über den Bodden hin, versucht werden.

Wie man sieht, galt es für die Grenzler hüben und drüben, stets auf der Hut zu sein. Das war aber nicht zum letzten auch wegen des wirtschaftlichen Wettbewerbs erforderlich. Wie eifrig wachte z. B. der Ribnitzer Schuhmacher darüber, daß kein Damgartener Schuhe und Stiefel auf den Ribnitzer Markt brachte. Wie aufmerk­sam stand er zu den Zeiten der Damgartener oder Barther Märkte am Paß und zeigte alle Mecklenburger an, die sich vom Ausland mit Schuhzeug versorgten. Dies dürfte genügen, um die Beziehun­gen zwischen Ribnitz und dem preußischen Nachbarkreis zu kennzeichnen.

Damgartener Chronisten

"Unser Kantor Hermann Bendix" von Walter Ewert

1958

Kantor Bendix ist eng mit der Geschichte Damgartens ver­knüpft und ist weit über die Grenzen des Ortes hinaus bekannt geworden. Hermann Bendix wurde am 22. April 1859 als Sohn des Kantors und Lehrers Gustav Bendix in Damgarten geboren. Schon dessen Vater Christian, anfangs Seefahrer, war hier im Schuldienst tätig gewesen. Bei dem Knaben Hermann zeigten sich früh musika­lische Anlagen. Noch in seinen Mannesjahren erinnerte er sich daran, wie er als Kind andächtig den Klängen der Drehorgel lauschte, die als ein italienisches Fabrikat in vorzüglicher Aus­führung zuweilen ihre Töne erklingen ließ. Und der Vater versäumte nicht, ihn auf kleine Tonschönheiten dieses Instruments aufmerksam zu machen. Seine erste Schulausbildung erhielt er am Ort; durch französischen und lateinischen Privatunterricht wurde sie noch erweitert. So vorbereitet, stand er vor der Entscheidung: höhere Schule in Stralsund oder Lehrerseminar in Franzburg. Auf Anraten des Pfarrers und des Rektors ließ der Vater seinen Sohn die Lehrerlaufbahn einschlagen. Und das war gut so; vielleicht wäre er sonst der Kirchenmusik und seiner Vaterstadt verloren­gegangen. Er schloß seine Ausbildung mit sehr guten Zeugnissen ab, in denen die musikalischen Fächer selbstverständlich an der Spitze standen. Dann wirkte Bendix zunächst in Zingst als junger Lehrer und Kirchenmusiker. Doch Ausruhen und Rasten waren seinem lebhaften Wesen fremd. Unter Anleitung des Musik­direktors Dornheckter in Stralsund entwickelte er in fleißiger Arbeit seine musikalischen Fähigkeiten und bereitete sich auf den Besuch des Akademischen Instituts für Kirchen- und Schulmusik in Berlin vor, um sich dort zum Musiklehrer an höheren Schulen sowie zum Chorleiter und Organisten an größeren Kirchen ausbilden zu lassen. In entgegenkommender Weise gewährte ihm seine Gemeinde den Urlaub dazu. In einem zweijährigen Studium erwarb sich Hermann Bendix glänzende Zeugnisse, die ihm einen weiteren Wirkungskreis hätten erschließen können. Doch seine fast übergroße Heimatliebe trieb ihn zurück nach Zingst, von wo er 1887 nach Damgarten übersiedelte, um das Schul- und Kirchen­amt des Vaters zu übernehmen. Und die Heimat hat ihn festge­halten bis zum letzten Atemzuge, trotzdem sich ihm mehrere Male ein größerer Wirkungskreis bot. In Damgarten war er geboren und aufgewachsen, dort hat er den größten Teil seines Lebens zuge­bracht, dort schloß er am 1. Juli 1935 die Augen.

Es ist schwer, der Nachwelt ein umfassendes Bild einer vielseitigen Persönlichkeit zu geben, wie es Kantor Bendix war. Viel, sehr viel wäre zu sagen, und doch bliebe immer etwas fehlen. Als treuer Sohn seiner Heimat beschäftigte er sich mit deren Geschichte. Manche Darstellung in Prosa und Reimform floß aus seiner Feder; viele gute Ratschläge hat er als Mitglied der städti­schen Körperschaften, Magistrat und Bürgerschaftliches Kollegi­um, gegeben. Gern gab er Schilderungen und Erlebnisse aus seiner Kindheit in Damgarten weiter an Ohren, die es hören wollten. Noch viele lebende Damgartener haben vor ihm auf der Schulbank gesessen und erhielten durch seine kurze und knappe Lehrweise Richtlinien und Ausrüstung für das Leben. Doch in den Gesang­stunden schwang sich zuweilen sein Geist über die graue Schul­stube hinaus und erging sich in einem Geigenspiel, das selbst arge Schwätzer verstummen ließ. Und wahrlich, in der Musik lag seine Stärke. Neben seiner Tätigkeit als Kirchenmusiker und Chordiri­gent in Damgarten leitete er 30 Jahre einen gemischten Chor im benachbarten Ribnitz, mit dem er in zahlreichen Veranstaltungen auch größere Chorwerke aufführte. Sein Idealismus überwand die Schwierigkeiten des Weges und des Wetters, um die Chorproben abzuhalten. Dem städtischen Orchester in Barth war Bendix ein gewissenhafter Lehrer in der Theorie der Musik. Bekannt und geschätzt war er in weiten Kreisen als Orgelsolist. Aber nicht nur in der Wiedergabe musikalischer Werke, sondern auch als Selbschaffender hat Hermann Bendix wertvolle Leistungen vollbracht. Vom einfachen volkstümlichen Liede über Chorlied und Motette bis zum vielgliedrigen Chorwerk, vom leichten Orgelpräludium bis zum kunstvoll durchgeführten Cantusfirmus-Vorspiel, vom gefälligen, aber auch gehaltvollen Unterhaltungs­stück für Klavier oder andere Instrumente bis zur Sonate hinauf hat er auf fast allen Gebieten der weltlichen und geistlichen Musik Werte geschaffen, die auch außerhalb seines Wirkungskreises weitgehende Beachtung gefunden haben. Darüber hinaus betätigte sich Bendix als Mann der Feder durch Mitarbeit an musikalischen Zeitschriften und Fachbüchern, wie er auch durch Vorträge vielen Tagungen das Gepräge gab. Sein scharfer Verstand erkannte in allen Fragen sofort das Wesentliche, und seine Sprachgewandtheit gab ihm die Möglichkeit, seine Gedanken kurz und klar auszudrücken.Es ist selbstverständlich, daß solch ein Schaffen nicht verbor­gen bleiben konnte. Daher stand Bendix mit vielen führenden Männern und Einrichtungen des Musiklebens, besonders der Kirchen- und Schulmusik, in Verbindung. So mancher Rat wurde von ihm eingeholt, aber auch manche Anerkennung und Ehrung wurde ihm zuteil. In seiner Bescheidenheit schwieg er darüber, und so ist seine wahre Bedeutung wohl vielen seiner Mitbürger unbekannt geblieben. Darum sei es an dieser Stelle noch einmal gesagt: Hermann Bendix war mehr als nur der Lehrer und Kantor in Damgarten.

Als Organist hatte er sich die Liebe seiner Gemeinde erworben. Ob die Gemeinde geahnt hat, daß dort oben auf der Orgelbank ein Mann saß, dessen Können weit über dem Durchschnitt lag? Jedenfalls hat es der Mann hinter der Orgel, der Bälgetreter, gespürt, wenn er meinte: „Hei künn jo ne ganz anner Orgel regieren.“ Meistens entsprang das kunstvolle Präludium der eigenen Phantasie. Den Schluß bildete manchmal ein Spiel, das einen Knaben zwang, sich neben der Orgel zu verbergen und es bis zum Schluß zu hören. Und als er nach einigen Tagen die schüchterne Frage an Bendix richtete, was für ein Stück das gewesen sei, erhielt er zur Antwort: „Das hat dir also gefallen. Es war von einem großen Komponisten: Johann Sebastian Bach.“ Und damit hatte Bendix den Anhaltspunkt gefunden, in selbstloser Weise den Knaben in die Kirchenmusik einzuführen. Dafür sei ihm übers Grab hinaus Dank gesagt. Das, meine lieben Damgar­tener, war unser Kantor Hermann Bendix!


"Dr. Anklam, der Chronist von Damgarten" von Ernst Garduhn

1958

Die Verfasser der meisten Beiträge zur Geschichte Damgartens zollen Dr. Anklam reichen Dank für seine umfassende Chronik, die er auf Grund der Quellen des Stadt- und Kirchenarchivs und der gedruckten Quellen verfaßte. Uns wäre es heute nicht möglich gewesen, Stadtbücher, städtische Rechnungen und Akten zu bearbeiten, da dieses wichtige Material beim Rathausbrand 1928 ein Raub der Flammen wurde. Hätte Dr. Anklam damals nicht so zäh und unermüdlich geforscht, wären wir heute nicht in der Lage gewesen, unsere Arbeiten vorzulegen.

Schon 1908 plante der Magistrat, zur 650‑Jahrfeier eine Chronik herauszubringen. Der Berliner Rektor Ludwig Behrens, ein gebo­rener Damgartener, hatte auch schon umfangreiche Archivstudien getrieben. Der Plan ging leider nicht in Erfüllung. Aus dem 18. Jahrhundert haben wir eine anerkennenswerte Arbeit über Damgarten bis zum Jahr 1325 von Prof. Schwartz; aus dem 19. Jahrhundert besitzen wir eine kurze, knappe Darstellung von Dr. Kratz. Der Damgartener Rektor Gloeden (1888‑1894) schrieb speziell über die Entwicklung der Stadtschule. Weitere heimat­kundliche Beiträge liegen von Hermann Bendix, Theodor Böttner und Walter Ewert vor. Erst Dr. Anklam gelang der große Wurf.

Von 1913‑1919 wirkte er als Bürgermeister von Damgarten und hatte als Verwaltungsbeamter gerade in den Kriegsjahren viel zu leisten. Es gehörte schon eine große Liebe zur kleinen Stadt und ein starker Wille dazu, um Jahre hindurch die Quellenarbeiten durchzuführen. Die Chronik wurde 1916 abgeschlossen und mit Maschine geschrieben. Uns ist bekannt, daß die Universitätsbib­liothek in Greifswald, das Stadtarchiv in Stralsund und die Grund­schule I in Damgarten je ein Exemplar besitzen.

Doch lassen wir nun Dr. Anklam selbst über seine Arbeit sprechen. „Bei der vorliegenden Aufzeichnung ist der Zweck ursprünglich gewesen, zu der von dem Verfasser durchgeführten Neuordnung des Archivs das Aufgefundene festzustellen und für später eine Führung zu geben. Es ergab sich von selbst dabei, daß vorhandene Vorarbeit aufgenommen und gesammelt und mit Nächsterreichbarem aus den hiesigen Akten (Archivreisen waren zur Zeit nicht möglich) und der wichtigsten Literatur durchzu­arbeiten begonnen wurde. Das bei dem anfänglich aussichtslosen Bemühen zuströmende Material, welches bei aller Kleinheit der Verhältnisse zu den vielseitigsten Studien unwillkürlich Gelegen­heit bietet, hat den zuerst gesteckten Rahmen schließlich beträcht­lich erweitert. Für den vielseitig beanspruchten Verfasser, der aus seinen Nachforschungen in dieser Materie eine Lebensaufgabe auch für eine gewisse Zeit nicht machen kann, zeigt sich rechtzeitig noch die Gefahr, an Klippen zu stranden, um die auch der Vor­arbeiter nicht herumkommen konnte. So stellte ich mir mein Thema in gebotener Beschränkung schließlich so. Die Aufzeich­nung soll die Hauptthemen der Stadtgeschichtsforschung unter Heranziehung der hier vorhandenen Akten und Urkunden sowie der wesentlichsten Literatur so weit formulieren, daß eine Grund­lage der Damgartener Stadtgeschichte vorerst sichergestellt wird, die im Stadtarchiv erhalten bleibt und die bei künftiger Gelegen­heit (vielleicht) im Auszug gedruckt, als handliche „Chronik“ Liebe zur Sache und Anregung zu weiterbringender Geschichtserkundung wecken kann.“Am 24. September 1919 ehrten die Damgartener ihren Dr. Anklam, der einem Ruf als Bürgermeister nach Rügenwalde folgte, in einer schlichten Abschiedsfeier. Die Redner hoben hervor, daß Dr. Anklam in sechsjähriger treuer, hingebender und selbstloser Wirksamkeit stets für das innere und äußere, für das leibliche und geistige Wohl der Stadtgemeinde sorgte.

Wir Damgartener Heimatkundler von 1958 sind dem Chronisten zu großem Dank verpflichtet, daß er für unsere Arbeit eine so wertvolle Grundlage schuf. Wir wünschen Dr. Anklam, der jetzt als Pensionär in Hildesheim wohnt, für seinen Lebensabend alles Gute.


"Ernst Garduhn - Regionalhistoriker,Buchhändler und Humanist" - von Lothar Lück

1994

Jedem, der sich ernsthaft mit Natur und Geschichte des Kreises Ribnitz-Damgarten beschäftigt, sollte sein Name vertraut sein. Ernst Garduhn hat in den 38 Jahren seines Wirkens in unserem Kreis als Ornithologe, Naturschützer, Denkmalpfleger und Regionalhistoriker ‑ obwohl Autodidakt ‑ bis ins hohe Alter hinein eine Arbeit geleistet, die die ungeteilte Zustimmung und Achtung der Fachleute fand und heute noch findet. Ernst Garduhn wurde am 2. Oktober 1890 in dem Städtchen Gravenstein in Nordschleswig (heute Dänemark) als viertes Kind des Gendarmeriewachtmeisters Friedrich Garduhn und dessen Ehefrau Klara, geborene Hoge, geboren. 1897 wurde der Vater in das pommersche Pyritz versetzt, wo Ernst Garduhn die Stadt­schule und anschließend Präparandenanstalt und Lehrerseminar besuchte. In Groß‑Stepenitz, einem Dorf am rechten Ufer des Oderhaffs, erhielt er 1910 seine erste Lehrerstelle.

Die Liebe zur Tier‑ und Pflanzenwelt entwickelte sich schon im Kindesalter:„Das Interesse an der Natur wurde in Gravenstein schon früh durch den Förster Teuchert geweckt, dessen Uhu ich mit Mäusen und Ratten fütterte. Solide Kenntnisse der Pflanzen und Tiere verdanke ich dem Biologielehrer Zahnow in Pyritz, der vom Frühjahr bis zum Winter hinein mit uns Wald und Feld durchwanderte.“

Der Umgang mit Förstern der waldreichen Landschaften um Groß‑Stepenitz förderte die Liebe zur Natur und zur Heimat. So beschäftigte sich Ernst Garduhn auch mit der Geschichte von Stepenitz und des Kreises Cammin, sammelte Flurnamen und ergrub auf dem Gallberg bei Stepenitz slawische Scherben. Als Ergebnis dieser nebenberuflichen Forschertätigkeit erschienen bald Aufsätze in heimatkundlichen Zeitschriften und Kreis­kalendern. Die Orts‑ und Flurnamen des Kreises Cammin, etwa 2500 Namen, die Ernst Garduhn von 1910 bis 1920 sammelte, bildeten den Grundstock für die Sammlung Kreis Cammin in der pommerschen Flurnamensammlung von Prof. Dr. Holsten.

Am ersten Weltkrieg nahm Ernst Garduhn 1914 als Unter­offizier teil, wurde aber bereits in den ersten Kriegswochen in Frankreich schwer verwundet. Als ihn die Ärzte Ende 1915 aus dem Lazarett entließen, war er für den Kriegseinsatz nicht mehr tauglich. Er kam als Lehrer nach Torgelow und Ostern 1916 nach Stettin (heute: Sczceczin), wo er nach einer Weiterbildung ab 1919 als Mittelschullehrer für Englisch und Französisch an der Arndt‑Schule tätig war.

1921 vermählte sich Ernst Garduhn mit Margarete Saunier, die Mitinhaberin der Verlagsbuchhandlung Leon Saunier in Stettin war. Der Verlag der 1826 gegründeten Buchhandlung förderte das heimatkundlich‑wissenschaftliche Schrifttum Pommerns. 1923 übernahm Ernst Garduhn die Geschäftsleitung.

Schon bald hatte er Anschluß an das wissenschaftliche Leben der Pommerschen Naturforschenden Gesellschaft gefunden und arbeitete im Ausschuß für Natur- und Vogelschutz des Bundes Heimatschutz mit. Er nahm an vogelkundlichen Forscherfahrten in das östliche Hinterpommern teil, die das Ziel hatten, das ornithologisch wenig erschlossene Gebiet zu untersuchen. Bedeutsam war die Freundschaft mit dem bekannten Stettiner Ornithologen Paul Robien (1882-1945), den Ernst Garduhn auf vielen mehrwöchigen Exkursionen begleitete und über dessen Wanderungen er später schrieb:

„Robien hatte uns dazu erzogen, unabhängig vom Gasthaus und vom Kaufmann aus dem Rucksack zu leben. Am Lagerfeuer war unsere Schlafstätte.“

Ernst Garduhn war stets ein Mensch, den Rechtschaffenheit, Toleranz und Warmherzigkeit auszeichneten. In dieser aufrechten Haltung ließ er sich auch nicht in den Jahren der Nazidiktatur beirren. Der befreundete Schriftsteller E. Welk (1884 ‑ 1966) schrieb 1946 über Ernst Garduhn:

„Die Ideen der Humanität und Demokratie hatten sein Weltbild geformt, als grundehrlicher, aufrechter Mann lebte er ihnen auch nach. Sein soziales Bekenntnis bewies er als Leiter des Unternehmens, das als die größte pommersche Buchhandlung 110 Menschen beschäftigte. Wegen seines Verhaltens und der nach Nazigesetzen nicht einwandfreien Abstammung seiner beiden Mitarbeiter wurden ihm erhebliche geschäftliche Schwierigkeiten bereitet, die ihn nicht veranlaßten, den Machthabern Konzessionen zu machen.“

In einem Bau-Bataillon erlebte Ernst Garduhn die letzten Monate des zweiten Weltkrieges. Am 2. Mai 1945 geriet er bei Rostock in sowjetische Kriegsgefangenschaft und kam in das KZ Ravensbrück bei Neubrandenburg, das als Kriegsgefangenenlager diente. „Es sind die schwersten und härtesten Tage meines Lebens gewesen.“ Als er nach 93 Tagen entlassen wurde, fand er seine Frau (geborene Schmeer), die mit den Kindern zu Verwandten nach Damgarten geflüchtet war, nicht mehr unter den Lebenden. Stettin war polnisch geworden, und so wurde die kleine Stadt Damgarten seine neue Heimat. „So bin ich in dem kleinen Damgarten geblieben. Es ist bescheiden und beschaulich. Der Saaler Wald liegt nicht zu weit ab, und die See ist schnell zu erreichen.“

Der Versuch, den Buchhandel, wozu auch der Bahnhofsbuch­handel gehörte, wieder aufzubauen, scheiterte 1950 endgültig an Schikanen und Willkürmaßnahmen des neuen, sozialistischen Staates. Ernst Garduhn begann als Referent für den Kulturbund zu arbeiten. „Ich übernahm heimatkundliche Lichtbildervorträge und kam 1951 und 1952 durch ganz Mecklenburg. Ich besuchte die kleinen Gruppen und kleinen Dörfer. Dazu machte ich viele Wanderungen zu Fuß. Aber dabei sieht man und lernt man am meisten. ... Die Vorarbeiten zu den erwähnten Vorträgen und vor allem die Wanderungen führten mich gründlich in die Natur und Geschichte des Landes ein. Die Heimatkunde wurde mein Hauptarbeitsgebiet.“

Angeregt durch den Verleger Ernst Wähmann (1904 ‑ 1987), begann Ernst Garduhn ein Buch über die mecklenburgisch‑­vorpommersche Ostseeküste zu schreiben, die er als „Strand­läufer“ auf vielen Wanderungen genau kennengelernt hatte und die er so besonders liebte. 1960 war das Manuskript fertig. Es erzählt von der vielfältigen Tier- und Vogelwelt zwischen Ahlbeck und Boltenhagen und von der Geschichte dieser Region und ihren Menschen. Es sollte Freunden der Ostseeküste Berater und Wegweiser sein.

„Im leichten Frühjahrswind, unter glühender Sommersonne, im Herbstwind und im klirrenden Frost wanderte ich durch das Küstenland. Was ich unterwegs sah und erlebte, habe ich hier niedergeschrieben.“ Zum Druck durch den Petermänken-Verlag Schwerin kam es aber nicht mehr, da der Verlag 1964 seine Tätigkeit einstellte. Ab 1952 durfte Ernst Garduhn wieder den Lehrerberuf ausüben. Er war ein geachteter Lehrer, weil er seinen Beruf liebte und weil er das, was er seine Schüler lehrte, mit Überzeugung vertrat. Sein Biologieunterricht „am Objekt“ erzog die Schüler an der Damgartener Schule zur Naturverbundenheit und Heimatliebe.

Zur Unterstützung des Heimatkundeunterrichts gab das Pädagogische Kreiskabinett von 1955 bis 1959 sechs Heimathefte des Kreises Ribnitz‑Damgarten heraus, die Ernst Garduhn als Vorsitzender der Fachkommission Heimatkunde redigierte und in denen er auch eigene Beiträge zu Natur und Geschichte des Kreisgebietes veröffentlichte. 1952 schrieb er für den vom Verlag Das Neue Berlin herausgegebenen Bildband „Ostseebilder“ des Malers Karl Straitl ein einführendes Vorwort.

Nachdem Ernst Garduhn 1960 aus Altersgründen aus dem Schuldienst ausgeschieden war, blieb die Heimatforschung sein Betätigungsfeld. Von 1962 - 1964 leitete er das Heimatmuseum in Ribnitz. Die von ihm aufgebaute Bernsteinabteilung war der Grundstein für das heutige, weithin bekannte Bernsteinmuseum. Von 1956 bis 1980 führte er als Pilzsachverständiger in seinem Hause im Damgartener Grünen Winkel Nr. 21 Pilzberatungen durch, an deren Gründlichkeit sich noch heute manch ein Pilzfreund erinnern wird.

Humorvoll schrieb er über seine „Lehrzeit“ als Pilzsammler: „Von 1946 bis 1951 erhielt ich eine gründliche Ausbildung bei einem Pilzfreund in Dierhagen. Er lebte vom Verkauf der Pilze, und als sein jüngerer Begleiter trug ich nach 4 – 5 stündigem Sammeln den schweren Rucksack nach Hause; aber ich lernte bei ihm viel.“ Seit 1954 war Ernst Garduhn als Naturschutzhelfer aktiv und erforschte die Umgebung Damgartens, die Landschaft um den Saaler Bodden und das vogelreiche Urstromtal der Recknitz. Ein umfangreicher Schriftwechsel mit Wissenschaftlern ließ ihn noch im hohen Alter regen Anteil an den Problemen des Natur‑ und Vogelschutzes nehmen. Junge Ornithologen, die seinen Rat suchten, erhielten durch ihn fundierte Anleitung und bereitwillige Unterstützung.

Neben seinem Engagement als Ornithologe und Naturschützer arbeitete er an der Erforschung der Geschichte des Kreises Ribnitz‑Damgarten. Unzählige Beiträge in Tageszeitungen liegen dazu von ihm vor. Er wirkte an Ortsfestschriften (Saal 1956, Ribnitz‑Damgarten 1958, Dierhagen 1961, Bad Sülze 1962), an Wanderheften und dem „Wanderatlas Fischland‑Darß“ mit. Im „Reisehandbuch Ostseeküste“ (VEB F. A. Brockhaus Verlag Leipzig) trat er als Mitautor auf, für den „Reiseführer Deutsche Demokratische Republik“ (VEB Tourist Verlag Berlin/Leipzig bearbeitete er den Küstenabschnitt von Wismar bis Barth.

In der Festschrift zur 700/725-Jahr-Feier von Ribnitz‑Dam­garten im Jahre 1958, die unter der Redaktion von Ernst Garduhn, Erwin Scheel und Richard Suhr entstand, veröffentlichte er unter anderem seinen umfangreichen Beitrag „Ein Streifzug durch die Geschichte und Wirtschaft Damgartens“. Dieser Beitrag enthält nicht neue geschichtliche Erkenntnisse. Die Damgartener Stadtge­schichte ist hier in ihren wichtigsten Grundzügen wiedergegeben und liegt in diesem Umfang erstmals gedruckt vor.

Etwa ab 1960 begann er mit dem Sammeln von Flurnamen des Kreises Ribnitz-Damgarten und versuchte auch, sie zu deuten. Er hatte erkannt, daß mit der Umgestaltung der landwirtschaftlichen Nutzflächen und den damit verbundenen Geländeveränderungen auch die alten Bezeichnungen für Feldstücke, Wiesen und Wald­abschnitte verschwinden werden. Ihren geschichtlichen Aussage­wert wollte er erhalten und nachfolgenden Generationen nutzbar machen. Etwa 5000 Flurnamen hat er zusammengetragen und karteimäßig erfaßt. Seine Flurnamenkartei wurde vom Ribnitzer Bernsteinmuseum übernommen.

Ernst Garduhns ehrenamtliche Mitarbeit beim Museum für Ur‑ und Frühgeschichte Schwerin begann bereits in den Nachkriegs­jahren. Als Kreisdenkmalpfleger baute er in Ribnitz‑Damgarten die Bodendenkmalpflege auf. Das Ribnitzer Heimatmuseum verfügte damals über eine große Sammlung ur‑ und frühgeschichtlichen Materials, das von Ernst Garduhn und seinem Mitarbeiterstab im Kreisgebiet bei Ausgrabungen und Flurbegehungen geborgen wurde. Auch im Institut für Denkmalpflege Schwerin schätzte man seine gründliche Arbeit als Vertrauensmann unseres Kreises. Die Kartei der Baudenkmäler des Kreises Ribnitz‑Damgarten, die er in den Jahren 1971/72 erarbeitete, umfaßt 270 Objekte.

Seine Forschungsarbeit zur Geschichte der Dörfer am Ostufer des Saaler und Bodstedter Boddens sind leider nur Fragmente geblieben.

Schwere familiäre Schicksalsschläge haben das Leben von Ernst Garduhn begleitet. Seinen Lebensmut hat er dennoch nie verloren, so schwer ihn das auch alles traf. Das unermüdliche Wirken für die heimatkundliche Forschung hat daran sicher wesentlichen Anteil und half, über all das Schwere hinwegzukommen. Am 12. Oktober 1983 starb Ernst Garduhn. Denen, die ihn kannten, ist er als warmherziger, hilfsbereiter und bescheidener Mensch in Erinnerung geblieben, der mit erstaunlicher Energie und Rastlosigkeit für die Heimatforschung gewirkt hat.

Autorenverzeichnis

Anklam, Dr. Karl, 1883 – 1961. 1913 – 1919 Bürgermeister in Damgarten. Stellte 1916 eine Chronik von Damgarten zusammen

Bendix, Hermann, 1859 – 1935. Lehrer und Kantor in Damgarten. Verfasste eine Reihe von heimatkundlichen Arbeiten über Damgarten.

Erichson, Hans, geb. 1926. Lehrer und Museumsdirektor. Veröffentlichte heimatkundliche Beiträge über Ribnitz und Damgarten.

Ewert, Walter, 1895 – 1975. Geb. 1895 in Damgarten, später Lehrer in Gützkow, Heimatforscher und Archivpfleger. Veröffentlichte Beiträge über Damgarten

Garduhn, Ernst, 1890 - 1983 Buchhändler und Verleger in Stettin. Lehrer in Damgarten. Heimatforscher. Denkmalpfleger. Archäologe. Pilzberater. Chronist von Damgarten

Griese, Hans, 1875 – 1965 Ribnitzer Kapitänssohn, forschte auf dem Gebiet der Segel­schiffahrt. Stellte eine Liste mit hier gebauten Segelschiffen zusammen

Hacker, Dr. Werner, 1897 – 1955. Aufgewachsen in Damgarten, Lehrer und Schriftsteller. Bearbeitete die Chronik von Dr. Anklam und ergänzte sie durch Postkarten und Fotos

Krambeer, Karl, 1867 – 1951. Rektor und Chronist der Stadt Ribnitz.

Lück, Lothar, Freund von Ernst Garduhn, beschäftigte sich mit der Damgartener Geschichte

Scheel, Walter. 1895 – 1972. Lehrer in Damgarten, verfaßte zahlreiche heimatkundliche Arbeiten

Weidemann, Otto, 1866 – 1961. Senator, Stellmachermeister, schrieb seine Erinnerunge auf. Quellenverzeichnis

Bendix, Hermann, Streiflichter zur Geschichte und Örtlichkeit meines Heimatstädtchens. In: Meinhold, Theodor: Heimatbüchlein für Barth und den Kreis Franzburg. Stettin 1915. Seite 78 – 94

Garduhn, Ernst, Streifzug durch die Geschichte und Wirtschaft Damgartens. In: Festschrift zum Stadtjubiläum 1958. Seite 20-43.

Garduhn, Ernst, Im Recknitztal. In: Heimathaft des Kreises Ribnitz-Damgarten. Nr. 1. S. 35 – 38.

Bendix, Hermann, Streitigkeiten an der Recknitz.

Scheel, Erwin, Schills Kampf an der Recknitz. In: Festschrift 1958. Seite 46-50.

Erichson, Hans, Die älteste Stadtansicht von Damgarten. In: Erichson, Hans, Zur Geschichte der Städte Ribnitz und Damgarten. 1997. Seite 67 – 69.

Erichson, Hans, De hoghe Brügg. In: Ostsee-Zeitung vom 11.3.1997

Ewert, Walter, Der große Brand von 1695.

Anklam, Karl, Verkehrsleben einst und jetzt. Manuskript für die Festschrift 1958. Im Nachlaß von Ernst Garduhn. (Stimmt weitgehend mit dem entsprechenden Text in der von Dr. Anklam 1916 verfaßten Chronik von Damgarten überein.)

Garduhn, Ernst, Vom Damgartener Schulwesen. Manuskript für die Festschrift 1958, unveröffentlicht, in Garduhns Nachlaß.

Bendix, Hermann, Etwas von der Strafjustiz.

Ewert, Walter, Vogelschießen in Damgarten. In: Festschrift 1958. Seite 50-51. Damgartener Wochenblatt: Vogelschießen 1913. Zeitung vom 13.7.1913.

Hacker, Werner, Vogelschießen 1928. In: Damgartener Zeitung vom 8.8.1928.

Bendix, Hermann, Wat bi so’n Stapelloop passierte. In: Damgartener Zeitung. Jahrgang 1919 Nr. 26, 27, 28. Griese, Hans, Aufstellung der auf der Dierlingschen Werft in Damgarten gebauten Segelschiffe. 1959. Manuskript, im Nachlass von Hans Griese, der im Bernsteinmuseum Ribnitz-Damgarten bewahrt wird.

Erichson, Hans, Von Damgarten über alle Meere. In: Erichson, Hans, Zur Geschichte der Städte Ribnitz und Damgarten. Seite 165 – 167.

Scheel, Erwin, Damgartener Rangen. In: Festschrift 1958. Seite 58 - 62.

Scheel, Erwin, All’s bedenken. Im Nachlaß von Ernst Garduhn. Unveröffentlichter Beitrag für die Festschrift 1958. Weidemann, Otto, Erinnerungen eines alten Damgarteners. In: Festschrift 1958. Seite 62-66. Stadt- u. Landbote: Damgartener Rathaus eingeäschert. Vom 12./13.4.1928.

Bendix, Hermann, Einweihung des neuen Rathauses. Zeitungsbericht vom 30. Juni 1930.

Krambeer, Karl, Beiderseits der Recknitz. In: Der Kreis Franzburg-Barth. 1933. Seite 131 – 133. Ewert, Walter, Hermann Bendix. Ein Wort zu seinem Gedächtnis. In: Festschrift 1958. S. 56-57.

Garduhn, Ernst, Dr. jur. Anklam, der Chronist von Damgarten. In: Festschrift 1958. Seite 57-58.

Lück, Lothar, Ernst Garduhn. Regionalhistoriker Buchhändler Humanist. In: Jahrbuch 1994 des Heimatverbandes im Landkreis Ribnitz-Damgarten. 1994. Seite 20 – 25.

Inhaltsverzeichnis

Bendix, Hermann, Streiflichter zur Geschichte
und Örtlichkeit meines Heimatstädtchens. 7
Garduhn, Ernst, Streifzug durch die Geschichte und
Wirtschaft Damgartens. 21
Garduhn, Ernst, Im Recknitztal. 61
Bendix, Hermann, Streitigkeiten an der Recknitz. 67
Scheel, .Erwin, Schills Kampf an der Recknitz. 71
Erichson, Hans, Die älteste Stadtansicht von Damgarten. 79
Erichson, Hans, De hohge Brügg. 82
Ewert, Walter, Der große Brand von 1695. 86
Anklam, Karl, Verkehrsleben einst und jetzt. 90
Garduhn, Ernst, Vom Damgartner Schulwesen. 96
Bendix, Hermann, Etwas von der Strafjustiz. 100
Ewert, Walter, Vogelschießen in Damgarten 104
Damgartener Wochenblatt, Vogelschießen 1913. 108
Hacker, Werner,Vogelschießen 1928. 111
Bendix, Hermann, Wat bi so’n Stapelloop passierte. 114
Griese, Hans, Aufstellung über die auf der Dierlingschen
Werft in Damgarten gebauten Segelschiffe 118
Erichson, Hans, Von Damgarten über alle Meere. 128
Scheel, Erwin, Damgartener Rangen 137
Scheel, Erwin, All’s bedenken. 141
Weidemann, Otto, Erinnerungen an das alte Damgarten 143
Stadt- und Landbote: Damgartener Rathaus eingeäschert. 152
Bendix, Hermann, Einweihung des neuen Rathauses 154
Krambeer, Karl, Beiderseits der Recknitz. 160
Ewert, Walter, Kantor Bendix. 163
Garduhn, Ernst, Dr. Anklam, Damgartens Chronist 166
Lück, Lothar, Ernst Garduhn 168
Autorenverzeichnis 175
Quellenverzeichnis 177
Inhaltsverzeichnis 179