Geschichte Stadt und Amt Boizenburg/Elbe in Daten bis 1200

Aus Ortschroniken
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Die Geschichte der Stadt und des Amtes Boitzenburg wurde von Dieter Greve verfasst.

Zeittafel

235000–125000 v.u.Z.
Saaleeiszeit. In deren letztem, dem Warthe-Stadium, entstehen die Grundmoränenplatten nordwestlich Boizenburg (Siedlung bis Rensdorf), sowie um Badekow-Granzin und um Vellahn-Wittenburg)
115000–8000 v.u.Z.
Weichseleiszeit. In deren Frankfurter Stadium entsteht die südliche Endmoräne zwischen dem Schaalsee, dem Dümmer See und dem Schweriner See. Das abfließende Schmelzwasser hinterlässt die Sandergebiete der Griesen Gegend, aber auch entlang des Schaalelaufes, des Boizelaufes, um Kogel bis Valluhn und um Schwanheide.[1]
10000 – 8000 v.u.Z.
Arktische Jäger und Sammler des Spätpaläolihikums (Altsteinzeit)
6000–3000 v.u.Z.
Jäger, Fischer und Sammler des Mesolithikums (mittlere Steinzeit)
3000–1800 v.u.Z.
Ackerbauer und Viehzüchter des Neolithikums (Jungsteinzeit)
1800–600 v.u.Z.
Bronzezeitliche Besiedlung
600 v.u.Z–600 u.Z.
Eisenzeitliche Besiedlung[2]
um 0
Langobarden siedeln in den Ämtern Boizenburg und Wittenburg, im Amt Boizenburg nachgewiesen durch Grabungen bei Wiebendorf 1973/74, im alten Amt Wittenburg u. a. bei Körchow und Hagenow.[3]
6. Jhdt.
Slawische Stämme besiedeln das durch die germanischen Stämme verlassene Land zwischen Oder und Elbe. Das ehemalige langobardische Land besiedeln die Polaben (Elbanwohner), ein Stamm der Stammesgruppe der Abodriten (Obotriten), die zwischen der Kieler Förde und der Warnow siedeln. Die Polaben siedeln von der Elbe bis an die Trave. Deren Zentrum und Heiligtum befindet sich bei Ratzeburg.[4]
789
Der Obotritenfürst Witzan unterstützt den Frankenkönig Karl den Großen im Kampf gegen die Sachsen und erhält von diesem Unterstützung in den Auseinandersetzungen mit den Wilzen (Liutizen).[4]
810
Die Wilzen zerstören die fränkische Burg Hobuoki auf dem Höhbeck bei Gartow.[4]
845
Zerstörung Hamburgs durch die Normannen.[4]
um 850
Der „Bayerische Geograph“ nennt u. a. die Polaben, die zwischen der Trave und der Elbe siedeln.[4]
929
Schlacht bei Lenzen. Der deutsche König Heinrich I. (919- 936) bricht den Widerstand der Wilzen. Er richtet im Slawenland die Marken ein, die Billunger Mark in Obotritien, die Nordmark im Norden des heutigen Brandenburg und die Lausitzer Mark.[5]
948
Erste Bistumsgründungen im slawischen Siedlungsgebiet (Starigard/Oldenburg für Wagrien und das übrige Obotritenland, Havelberg für das wilzische Siedlungsgebiet.[5]
983
Slawenaufstand (Obotriten und Wilzen) gegen die Germanisierung und Christianisierung. Der Aufstand sichert für etwa 150 Jahre die Unabhängigkeit der Obotriten.[5]
1043
Der Obotritenfürst Gottschalk bildet mit dänischer Unterstützung ein selbständiges slawisches Fürstentum, das fast ein Jahrhundert besteht, trotz ständiger innerer Auseinandersetzungen und wechselder äußerer Machtverhältnisse. Gottschalk unterstützt die Christianisierung.[5]
1066
Aufstand des Liutizenbundes (Liutizen/Lutizen gleichlautend für Wilzen). Gottschalk wird in Lenzen erschlagen. Bischof Burchard II. von Halberstadt zerstört den Tempel in Rethra.[5]
1075
Adam von Bremen beschreibt in seiner „Gesta Hammaburgensis ecclesia pontificum“ (Hamburger Kirchengeschichte) den Grenzverlauf des Limes saxoniae“, der Grenze zwischen dem Obotritenland und Sachsen „Vom Ostufer der Elbe bis zu dem Flüsschen, das die Slawen Mescenreiza nennen. Oben trennt sich der Limes von ihm und verläuft im Delvenauwalde bis an die Delvenau. …“ [6] Diese Beschreibung ist nicht mehr sicher nachzuvollziehen, da es keine archäologischen Befunde zum Limes saxoniae gibt. Insbesondere ist nicht eindeutig beschrieben, wo sich der Ansatzpunkt an der Elbe befindet. Er wird allgemein bei der Ertheneburg bzw. Lauenburg, aber auch bei Boizenburg vermutet. Das Flüsschen Mescenreiza, dessen slawischer Name nach Kühnel in deutscher Übersetzung aus altslawisch mezda für Grenze (Zwischenraum) und reka für Fluss zusammengesetzt ist, vermutet dieser in dem Auegraben zwischen Horst und Lauenburg.[7] Manchmal wird unter diesem Namen aber auch Boizenburg vermutet. Die Beschreibung Adams kann jedoch auch so gedeutet werden, dass die Boize diesen Namen trug und sich weiter oben an der Boize der Limes saxoniae von der Boize trennte und an die Delvenau hinüberwechselte.
1093
Heinrich, der Sohn Gottschalks, festigt seine Macht als Obotritenfürst. Mit dänischer und sächsischer Unterstützung und der der Kirche herrscht er über mehrere Stämme. Er gründet Alt-Lübeck am Schnittpunkt von Wagrien, Polabien und Obotritien.[8]
1129
Nach dem Tod Heinrichs (1127) kommt es zu Erbfolgestreitigkeiten. Knut Laward, ein Däne, erobert Teile Wagriens und des östlichen Mecklenburg, wird „König der Obotriten“.[8]
1131
Nach der Ermordung Knut Lawards durch einen Verwandten erhält Pribislaw, ein Neffe Heinrichs von Alt-Lübeck, Wagrien und Polabien. Obotritien fällt an Niklot (+ 1160).[9]
1142
Heinrich der Löwe wird Herzog von Sachsen.[9]
1142
Gründung der Grafschaft Ratzeburg im ehemaligen Polabenland. Mit der Grafschaft wird Heinrich von Badewide belehnt. Zu der Grafschaft Ratzeburg gehören die Länder Ratzeburg, Mölln, Wittenburg, Gadebusch und Boitin, das spätere Fürstentum Ratzeburg um Schönberg.[10]
1147
Wendenkreuzzug gegen die Obotriten, die Liutizen und das bereits christliche Pommern.[10]
1154
Heinrich der Löwe erhält von Kaiser Friedrich Barbarossa auf dem Hoftag in Goslar das Recht der Bischofsinvestitur in den slawischen Gebieten (MUB 56).[10]
1154
Errichtung des Bistums Ratzeburg durch Heinrich den Löwen. Er setzt Evermod von Cambrai, den Probst des Prämonstratenserstifts Magdeburg als Bischof in Ratzeburg ein. Zu dem Bistum Ratzeburg gehören die polabischen Länder (Burgbezirke) Ratzeburg, Sadelbande (Lauenburg), Gadebusch, Schwerin (1160 getauscht mit dem Land Breesen um Klütz und Dassow), Wittenburg, Boizenburg, Jabel, Darzing (Amt Neuhaus), Waninke (Wehningen-Dömitz).[10]
1158
Lüneburg: Heinrich der Löwe stattet das Bistum Ratzeburg aus. Dabei genannt ist das Dorf Bennin – „in Boyceneburg benin“, das als Tafelgut an den Bischof übergeht.[11]

Diese Urkunde, die wahrscheinlich in verunechteter Form vorliegt, stellt die erste Erwähnung des Dorfes Bennin und des Landes Boizenburg dar. In diesem Jahr hat es zumindest bereits die Burg Boizenburg gegeben, die dem Burgbezirk/Land den Namen gegeben hat. Mit Sicherheit ist die Existenz eines Suburbiums, einer Dienstsiedlung unmittelbar neben der Burg, anzunehmen. Dieses wird wahrscheinlich noch nicht eine städtische Siedlung dargestellt haben. Möglicherweise werden sich im Suburbium, der Wiek-Siedlung, einige Handwerker und auch Bauern angesiedelt haben, die der Versorgung der Burgbewohner mit Lebensmitteln und Dienstleistungen gedient haben. Vermutlich wird dieses Suburbium sich in Altendorf und am Bollenberg befunden haben.

1160
Die Sachsen und die Dänen besiegen bei Werle in der Nähe Bützows die Obotriten. Niklot kommt durch eine List zu Tode. Heinrich der Löwe verlegt das Bistum Mecklenburg nach Schwerin und gründet bald danach die Stadt Schwerin. Er setzt Gunzelin von Hagen als Statthalter über das Obotritenland ein, der als Hausmacht die Länder Schwerin und Ilow erhält. [12]
1164
Die Sachsen besiegen mit ihren Bündnispartnern aus Holstein, Dithmarschen und Friesland die Obotriten bei Verchen. [13]
1167
Heinrich der Löwe belehnt Niklots Sohn Pribislaw mit dem Obotritenland (ohne die spätere Grafschaft Schwerin) und Gunzelin von Hagen mit der Grafschaft Schwerin.[14]
1167
Lüneburg:“ Heinrich, Herzog von Baiern und Sachsen, bestimmt die Grenzen des Bisthums Ratzeburg“ (Regestentext). Als Zeuge wird Meinricus Comes de Buzeborch (Meinrich, Graf von Boizenburg) genannt.[15]
1169
Artlenburg 1169: Heinrich, Herzog von Baiern und Sachsen, befreit die den drei Bisthümern im Wendenland zugelegten Hufen von der Bede und dem Herzogszinse und bestimmt die Abgaben der Wenden (Regestentext).[16] Zeuge ist Meinricus de Buzeburg. 1170 und 1171 wird Meinricus ebenfalls als Zeuge in Urkunden aufgeführt.[17]
1171
Heinrich der Löwe befreit einige Dörfer im Bistum Ratzeburg, u. a. Bennin, von der Heerfolge, dem Markding und dem Burgwerk.[18]
1180
/81Heinrich der Löwe gibt das Land Boizenburg an den Grafen Gunzelin von Schwerin. Die tatsächliche Übernahme kann jedoch erst 1227 erfolgen.[19]
1188
Ein Wirad von Boizenburg wird als Erbauer der alten Hamburger Neustadt im Nikolaiviertel im Auftrage des holsteinischen Grafen Adolf III. von Schauenburg erwähnt. Sein Name Wirad deutet auf eine mögliche slawische Abkunft hin. Ein Vertreter dieser Familie, Jordan von Boizenburg, ist als Hamburger Ratsnotar zwischen 1236 und 1269 nachweisbar. [20] Möglicherweise war die Familie von Boizenburg das erste Kastellangeschlecht der Boizenburg. Jugler führt weitere Träger des Namens von Boizenburg an: 1262 und 1287 Eghardus von Boycenburch (Vater Otto, Mutter Ermegard), 1309 in zwei Urkunden Heinrich und Otto von Boizenburg. Sie hatten Zehnte in villa Orle. Heinrich war noch 1342 Canonicus in Verden und Archidiakon in Modestorp (d.i. St. Johannes in Lünburg). Otto war Pleban in Modestorp. Weitere Träger des Namens sind in Brauschweigischen und Dannenberger Urkunden zu finden.[21]
1187
Graf Gunzelin II. wohnt in Boizenburg.[22]
1189
Heinrich, Herzog von Baiern und Sachsen, befreiet die Hamburger von den Elbzöllen zu Boizenburg u.s.w. und von andern Zöllen und Ungeldern (Regestentext).[23]
1189
Als Heinrich der Löwe aus dem englischen Exil zurück gekehrt ist und versucht seine Herzogtümer wieder zu erlangen, lässt er in der Auseinandersetzung mit Adolf von Holstein die Boizenburg stark befestigen.[24]
1191
Innerhalb dieser Auseinandersetzungen kommt es zu einer Schlacht bei Boizenburg zwischen Graf Bernhard III. von Ratzeburg und seinem Vater Bernhard II., die auf unterschiedlichen Seiten stehen, wobei Bernhard III. den Sieg davon trägt. Da Gunzelin II. dem Grafen Adolf von Holstein gegen Waldemar von Schleswig, dem Bruder des dänischen Königs, beisteht und Adolf unterliegt, werden auch seine Länder verwüstet.[25]
1194
Isfried, Bischof von Ratzeburg, bestimmt durch Schiedsrichter die ratzeburgischen Stiftsgüter, für den Bischof und das Dom-Capitel (Regestentext).[26]

Darin werden als Stiftsgüter im Land Wittenburg u.a. genannt:

In parrochia Zarnethin (Zarrentin): Cultsin (Kölzin) der halbe Zehnte, Vilun (Valluhn) der halbe Zehnte, Scalisce (Schaliß) der halbe Zehnte.

In parrochia Vilen (Vellahn): In eben diesem Dorf der dritte Teil, Bansin (Banzin) der dritte Teil, Domerace (Dammereez) der dritte Teil, Bralistorp (Brahlstorf) der dritte Teil, Paniz (wüst) der dritte Teil, Bolbruche (Bollbrügge, wüst) der dritte Teil.

In parrochia Camin: in eben diesem Dorf der dritte Teil.

Offenbar sind nur Stiftsgüter innerhalb der Grafschaft Ratzeburg betroffen, zu der die Länder Boizenburg und Sadelbande (Lauenburg) nicht gehört haben.


1195
Boizenburg: Isfried, Bischof von Ratzeburg, der Abt [Arnold] zu St.Johann in Lübek und der Lübeker Domherr Hermann schlichten den Streit des Schweriner Dom-Capitels mit den Wenden wegen der Wahl eines Bischofs von Schwerin (Regestentext).[27]

Referenzen

  1. Schulz, Werner, Streifzüge durch die Geologie des Landes Mecklenburg-Vorpommern, Schwerin 1998
  2. Heitz, Gerhard u. Rischer, Henning, Geschichte in Daten, Mecklenburg-Vorpommern, München/Berlin 1995, Seite 10
  3. Keiling, Horst, Das Römische Reich und die Germanen im Boizenburger Raum um den Beginn unserer Zeitrechnung, in: Wieben, Uwe u. a., Zur Geschichte Boizenburgs, Boizenburg 2007
  4. 4,0 4,1 4,2 4,3 4,4 Heitz und Rischer, wie Anm. 2, Seite 13f.
  5. 5,0 5,1 5,2 5,3 5,4 Heitz und Rischer, wie Anm. 2, Seite 14ff.
  6. de.wikipedia.org/wiki/Limes_Saxoniae
  7. Kühnel, Paul, Die slawischen Ortsnamen in Meklenburg, MJB 46/1881, Seite 21
  8. 8,0 8,1 Heitz und Rischer, wie Anm. 2, Seite 16f.
  9. 9,0 9,1 Heitz u. Rischer, wie Anm. 2, Seite 17f.
  10. 10,0 10,1 10,2 10,3 Vitense, Otto, Geschichte von Mecklenburg, Gotha 1920, Reprint Würzburg 1990, Seite 38ff.
  11. MUB 65
  12. Vitense wie Anm. 10, Seite 45 ff.
  13. Heitz u. Rischer, wie Anm. 2, Seite 18
  14. Ebenda, Seite 21
  15. MUB 88
  16. MUB 90
  17. Jugler, Abriß einer Geschichte der Stadt Boizenburg nebst einer Beschreibung derselben, Herausgegeben von J.E. Fabri, Nürnberg 1797, Abdruck in: Wieben u.a., Verflucht, wer mit dem Teufel spielt, Boizenburg 2010, Seite 10
  18. MUB 101
  19. Vitense, wie Anm. 10, Seite 67
  20. Wikipedia.org/Geschichte_Hamburgs
  21. Jugler, wie Anm. 17, § 5, Seite 10
  22. Ebenda, § 6, Seite 10
  23. MUB 146
  24. Jugler,wie Anm. 17, § 6, Seite 10
  25. Ebenda, Seite 10f.
  26. MUB 154
  27. MUB 158