Die Gründung der Stadt Boizenburg Karl Hoffmann

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Die Gründung der Stadt Boizenburg Karl Hoffmann

In: Jahrbücher des Vereins für Mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde, Band 94 (1930), S. 37-40 Die Gründung der Stadt Boizenburg (Vgl. Schlie a. a. O. Bd. 3 S. 111 ff; Bachmann a. a. O. S. 391; I. Hinselmann, Boizenburg (Meckl. Nachrichten, 24. April 1926, Nr. 44), der Aufsatz ist ungenau.).

Die Stadt Boizenburg ist durch ihre Lage an der Elbe vor anderen mecklenburgischen Städten bevorzugt. Im Mittelalter führte die Salzstraße von Lüneburg nach den Ostseeländern sowie eine Landstraße über Mölln nach Lübeck hier über die Elbe (M.U.B. XVI, 10 118, 9524.). Dieser günstigen Lage verdankt die Stadt Boizenburg es wahrscheinlich, daß sie bereits in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts gegründet wurde. Im Jahre 1241 werden Ratmänner dieser Stadt genannt (M.U.B. I, 529, Consules.) und über 20 Jahre später (1267) wurde ihr das lübische Stadtrecht verliehen (M.U.B. II, 1127.). Wie aus der Urkunde hierüber, die städtische Verhältnisse bereits voraussetzt, hervorgeht, handelte es sich bei dieser Verleihung wohl nur um eine Bestätigung eines bereits vor 1267 bestehenden Rechtszustandes ("unser amptlude, he sy munter, tolner, edder Jode ...", werden als bereits in Boizenburg ansässig erwähnt.). Die Stadt hat unzweifelhaft schon vorher bestanden (M.U.B. I, 529. - Auch Wismar bekam erst 1266, ein Jahr früher wie Boizenburg, das lübische Recht (M.U.B. II, 1078); vgl. Crull, Ratslinie der Stadt Wismar, S. XII - XV. Er sieht die Verleihung des lübischen Rechtes an Wismar als den Abschluß einer Entwicklung an, durch die nichts wesentlich Neues ins Leben gerufen wurde.). Die verhältnismäßig frühe Stadtgründung hatte jedoch nicht nur verkehrsgeographische Voraussetzungen, die mit der günstigen Lage Boizenburgs erfüllt waren, sondern auch die historische Entwicklung wirkte dabei mit, die diesen Ort schon seit langer Zeit zu einem bevorzugten Platz gemacht hatte. Schon in slavischer Zeit war die Burg, die wahrscheinlich der wendische Volksstamm der Polaben (Die Nachrichten, die die terra Polaborum, die Heinrich von Badewiede verliehen wurde, näher bezeichnen (Helmold cap. 56), sprechen nur von den provinciae Raceburg, Wittenburg und Godebuz (M.U.B. I, 59). Die Polaben wohnten aber wahrscheinlich über die Grafschaft Ratzeburg hinaus. Vgl. F. Wigger, Mecklenburgische Annalen, Schwerin 1860, S. 107. M.U.B. I, 62 nennt der Papst als Sprengel des Bistums Ratzeburg "Sadenbandiam atque Polabiam totam". Darnach gehörte auch Boizenburg zu Polabien.) sich dort gebaut hatte, der Mittelpunkt des Landes, das nach ihr das Land Boizenburg genannt wurde (M.U.B. I, 290, 305.). Bei der Bedeutung dieser Burg ist es wahrscheinlich, daß auch eine slavische Ansiedlung in ihrer Nähe bestand (Schlie III, S. 122 sieht Altendorf als die Wiek der wendischen Burg an. Man kann in Altendorf auch ein deutsches Dorf, das vor der Stadtgründung hier bestand, erblicken. Vgl. S. 39 f.). Infolge der deutschen Kolonisation wurde die Herrschaft der Slaven auch hier beseitigt, aber die bedeutende Stellung dieser Burg dauerte auch unter der deutschen Herrschaft fort. Sie blieb der Mittelpunkt des Landes. Vermutlich stand dieses im Anfang der Kolonisation unter der besonderen Herrschaft Heinrichs des Löwen (Diese Ansicht teilt Meyer „Geschichte der Grafen von Ratzeburg und Dannenberg“, M.J.B. 76, S. 20, nicht. Er glaubt, daß die Ratzeburger Grafen dieses Gebiet von Anfang an besaßen, und begründet seine Ansicht mit der Urkunde vom Jahre 1216, in der Graf Albrecht von Holstein den Hamburgern u. a. die Freiheit vom Elbzoll in Boizenburg bestätigt (M.U.B. I, 221). Diese Freiheit ist ihnen, wie die Urkunde aussagt, von Heinrich dem Löwen und Graf Adolf (von Dassel, frühestens seit 1197 Graf von Ratzeburg) verliehen worden. Meyer schließt aus dem Vorkommen der Grafen von Ratzeburg in dieser Urkunde die Zugehörigkeit des Landes Boizenburg zur Grafschaft Ratzeburg. Diese Urkunde beweist aber nur, daß frühestens 1197 Boizenburg zu Ratzeburg gehörte. Außerdem wird Heinrich der Löwe im gleichen Zusammenhang ausdrücklich genannt. Ferner wird das Land Boizenburg bei Aufzählung der Länder der Grafschaft Ratzeburg nicht dazu gerechnet; M.U.B. I, 59 ), der die günstige Lage Boizenburgs in unmittelbarer Nähe seiner beiden Stützpunkte Lüneburg und Artlenburg erkannte und diesen wichtigen Ort durch eine Besatzung sicherte. Um das Jahr 1170 erscheint urkundlich mehrmals ein Graf von Boizenburg (M.U.B. I, 80, 90, 96.), woraus sich ziemlich sicher erkennen läßt, daß damals schon eine deutsche Burgbesatzung den wichtigen Elbübergang bewachte. Neben der deutschen Burg wird sich hier schon sehr früh eine deutsche Ansiedlung entwickelt haben. Denn außer der Burg hat auch schon zu Zeiten Heinrichs des Löwen eine Zollstätte dort bestanden, weil der Flußübergang hierfür geeignet war. Den Hamburgern wird schon von Heinrich dem Löwen eine Befreiung von diesem Zoll bewilligt (M.U.B. I, 221.). Auch eine Kirche war vielleicht schon vor der Stadtgründung vorhanden, denn mehr als 20 Jahre früher, als uns Ratmänner von Boizenburg genannt werden, lesen wir 1217 von einem Priester von Boizenburg in den Urkunden (M.U.B. I, 231, 236 erwähnen einen plebanus bzw. sacerdos von Boizenburg.). Vielleicht haben wir die erste deutsche Ansiedlung in "Altendorf" zu suchen, das in der Nähe des heutigen Boizenburg liegt. Dafür spricht der Name Altendorf selbst, in dem uns die Erinnerung an die alte Siedlung aufbewahrt zu sein scheint. Es ist anzunehmen, daß die Bürger, die bei der Gründung in die Stadt zogen, die alte Siedlung so benannten. Zu dieser Annahme paßt auch sehr gut, daß der Stadtplan ("Proiect wie die Stadt Boizenburg in Regularität kann wieder erbaut werden" aus dem Jahre 1710. Das Original (im Besitz der Stadt Boizenburg) konnte ich nicht einsehen. Auf eine Anfrage beim Rat der Stadt Boizenburg erhielt ich die Auskunft, daß sich die Veränderungen im Stadtplan bei dem Neubau der Stadt nach dem Brande 1710 nur auf die Verbreiterung der Straßen, nicht aber auf eine andere Straßenführung erstreckt habe, was auch durchaus wahrscheinlich ist.) keine Ähnlichkeit mit einem Dorfgrundriß erkennen läßt; denn die Stadt ist kreisförmig angelegt und hat regelmäßige, sich rechtwinklig schneidende Straßenzüge. Die Gründung erfolgte also wahrscheinlich in der Weise, daß neben einem bereits bestehenden Dorf die Stadt neu gebaut wurde. Ein ursprüngliches deutsches Dorf kann uns also, wenn es überhaupt noch vorhanden ist, nicht in der heutigen Stadt, sondern nur daneben erhalten sein. Andererseits ist auch die Möglichkeit, daß Altendorf die Wiek der alten Wendenburg gewesen ist, wie Schlie ( Schlie III, S. 122.) es behauptet hat, nicht von der Hand zu weisen. Die Städte in den deutschen Grafschaften Mecklenburgs sind gewöhnlich aus Dörfern erwachsen. Wenn Boizenburg eine Ausnahme macht, so ist der Grund hierfür wohl in der günstigen Lage dieses Ortes zu suchen. Schon früh scheint sich hier ein Marktverkehr entwickelt zu haben. Jedenfalls ist im Jahre 1218 in einer Urkunde des Grafen von Schwerin von einem Boizenburger Scheffelmaß die Rede ( M.U.B. I, 242. Heinrich, Graf von Schwerin, schenkt dem Benediktinerkloster Stade neun Scheffel Erbsen "nouem modios pisorum mensure Boytzenburgensis"). Diese Nachricht läßt auf einen gewissen Marktverkehr in Boizenburg schließen. Vielleicht hat der Markt schon von Anfang an an der Stelle gelegen, wo später die Stadt neben dem Dorf gegründet wurde.