Teldau

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Geschichte der Teldau

Verfasser. Dieter Greve, Schwerin

Teldau ist eine Gemeinde im Landkreis Ludwigslust-Parchim in Mecklenburg-Vorpommern. Sie wird vom Amt Boizenburg-Land mit Sitz in der nicht amtsangehörigen Stadt Boizenburg/Elbe verwaltet. Die Gemeinde gliedert sich in die 13 Ortsteile Amholz, Bandekow, Grabenau, Groß Timkenberg, Gülze, Hinterhagen, Tiet Ut Schleusenow, Schwabendorf, Soltow, Sprengelshof, Teschenbrügge und Vorderhagen. Die ehemaligen Ortsteile Neu Bleckede, Neu Wendischthun und Stiepelse wechselten durch den Staatsvertrag zwischen Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen am 30.06.1993 in den niedersächsischen Landkreis Lüneburg, zu dem sie bis 1945 gehört hatten.

Gegenstand dieser Chronik soll das historische Gebiet der Teldau südlich der Sude sein.

Der Name Teldau wird im Jahre 1209 erstmalig in der Gründungsurkunde der Stadt Bleckede als „in prato dicto Teltowe“ (in der Wiese genannt Teltowe), als der Gründer der Stadt Heinrich der Löwe dieser eine Wiese jenseits der Elbe dotiert. In jenen Zeiten waren die Grenzen noch sehr fließend. Gerade in sumpfigen Niederungsgebieten überschnitten sich die Nutzungen der beiderseitigen Anlieger, so sicher auch in diesem Falle. Die nächste bekannte Erwähnung findet sich im Amtsregister 1543 für ein Feld in der Teldau. Der Name gilt für die Auenlandschaft zwischen der Sude und der Elbe und umfasst auch Wiesen der niedersächsischen Dörfer Neu Bleckede, Neu Wendischthun, Stiepelse Krusendorf, Sumte, Neu Garge, Viehle, Gülstorf und Konau. Er leitet sich nach KÜHNEL aus altsl. tele für Kalb bzw. teletovo für Kälberwiese ab. Neuere Forschungen lehnen diese Erklärung ab. SCHLIMPERT zitiert bei FOSTER und WILLICH führt den Namen wie den der Landschaft und der Stadt Teltow auf einen vorslawischen Namen tilith für ein Gewässer oder an einem Gewässer gelegenes Land zurück.

1. Geographische Lage

Der Name Teldau ist zunächst ein Begriff für eine Landschaft am rechten Ufer der Elbe in Mecklenburg und Niedersachsen zwischen Boizenburg und Neuhaus/Elbe. Sie wird im Norden durch die Sude und im Süden durch die Elbe begrenzt. In Mecklenburg ist es der Name einer Gemeinde deren Territorium über die traditionelle Landschaftsbezeichnung auf das nördliche Ufer mit den Ortsteilen Bandekow und Gülze hinaus greift.

Geographische Koordinaten: 53*16'16 N 10*47'21 E

In den niedersächsischen Dörfern von Neu Bleckede bis Konau ist der Name Teldau ein überlieferter Flurname.

2. Beschreibung nach Raabe/Quade (1894)

Die Teldau, zwischen der Sude und einem Bache (Sumter Kanal, D.G.), der die Grenze gegen das hannoversche Amt Neuhaus bildet, 1 Meile südöstlich von Boizenburg, ein zum Teil eingedeichtes und von verschiedenen Kanälen und Abzugsgräben durchschnittenes Marschländchen, von außerordentlicher Fruchtbarkeit, das aber häufig durch Überschwemmungen um die reichsten Ernten gebracht wird. Zur Teldau gehören die Erbpachthöfe Alteneichen und Amholz bei Blücher. Beide Höfe sind im Besitz von Theodor von Lückens Erben (Zahrensdorf, D.G.). Amholz hat 156,2 ha und 612,7 b.Sch. (bonitierte Scheffel, D.G.); ferner die Feldmark Butenhagen, im Erbpachtbesitz des Erbpächters zu Bandekow (richtig der Erbpächter zu B., D.G.); Franzhagen bei Boizenburg, Erbpachthof des Majors a.D. Baron D. v. Stenglin (Beckendorf, D.G.), 1 Häusler (Dampfschöpfwerk); Friedrichmühlen bei Boizenburg, Erbpachthof von W. Köhne (1 Müller); Grabenau bei Blücher, Erbpachthof von W.Mausch; Hinterhagen bei Boizenburg, 16 Büdner, Schule; die Feldmark Klayen, im Erbpachtbesitz der Hauswirte zu Gülze; Langfeld bei Blücher, Erbpachthof von Friedrich Vernunft; Marschkamp, Erbpachthof, Feldmark, Theodor v. Lückens Erben gehörig; Paulshagen bei Boizenburg, Erbpachthof von H. Mohrmann, 85,8 ha, 358,3 b. Sch; Schleusenow bei Boizenburg, 13 Büdner; Soltow bei Boizenburg, 1 Erbpächter, 16 Büdner, Schule; Vorderhagen bei Boizenburg, 33 Büdner (1 Holzvogt, 1 Deichvogt, 1 Krüger), Schule; Erbpachthof Weitenfeld im Erbpachtbesitz des Gutsbeitzers Gade auf Badekow, Alteneichen zählt 9 (21), Amholz 31 (40), Franzhagen 3 (16), Friedrichmühlen 10 (8), Grabenau 9 (8), Hinterhagen 114 (134), Langfeld 9 (8), Marschkamp, früher als Erbpachthof mit 10 Einw., jetzt in der amtlichen Volkszählungsliste von 1890 nur als Feldmark ohne Einw. angeführt, Paulshagen 19(12), Schleusenow 71 (87), Soltow 95 (101), Vorderhagen 279 (350) und Weitenfeld 7 (4). Die Teldau die hiernach Mitte der 50er Jahre 799 Einw. zählte, hat deren nur 596.

Groß Timkenberg, bei Blücher (Georg Zarnekow), 1 1/4 Meilen südöstlich von Boizenburg an der Sude, Hof mit Schule, 1 Schenkwirth, 14 Büdnern, 115 (183) Einw.L.V. Allod 1000,14 b. Sch. und 216 2/10 haMarschboden und große Heuwerbung. Der Besitzer hat seinen Wohnsitz in Schwerin und hat den Hof an seine Sohn verpachtet. I. J.W. Brandt, II. F.G. Zarnekow 'Sprengelshof bei Blücher (J.H.W. Schütt)1 1/2 Meilen südöstlich von Boizenburg an der Teldau und der hannoverschen Grenze, kleiner Hof 18 (9) Einw. L.V. Allod 524,2 b.Sch. und 89.3 ha I. J.A. Döring, II. Röver

(Zu Niendorf gehört die Feldmark des jetzt nicht mehr bestehenden Hofes Steder und der nachfolgende Hof:) Teschenbrügge, bei Blücher, nahezu 1/2 meile nordwestlich von Niendorf, 26 (29) Einw. Lehn 3805,9 b.Sch. und 886,8 ha. A. und G. 580 ha, W. 135 ha, Wd, 107 ha, Wald 16 ha. U. 48,8 ha

3. Die ältere Geschichte der Teldau bis 1600

Deichbau und Hochwasserschutz in der Boizenburg-Neuhauser Elbniederung

Als im 12.Jahrhundert die wendischen Lande in Westmecklenburg germanisch besiedelt werden, bildet die sumpfige von vielen Elbarmen durchzogene Niederung zwischen Boizenburg und Dömitz zunächst ein Hindernis für die Landnahme durch die Siedler. Die welfischen Herzöge veranlassen auf der linken Elbseite bereits um diese Zeit die Ansiedlung holländischer Bauern, die die Elbe eindeichen und die typischen Marschhufendörfer,z.B. Radegast, Brackede, Garlstorf, Wendewisch und Barförde, anlegen. Die Siedler drängen aber bald in das rechtselbische Gebiet. Sie beginnen auch dort mit der Urbarmachung der fruchtbaren Flußmarschen. Dazu riegeln sie die vielen Elbarme durch Deiche vom Fluß ab und schaffen so die Voraussetzung für die Anlegung bäuerlicher Hufen. Dieser Vorgang beschränkt sich zunächst auf die zwischen der Krainke und der Elbe liegenden sächsischen Gebiete des heutigen Amtes Neuhaus. Die Herzöge von Lüneburg und Sachsen-Lauenburg einigen sich bereits 1576 über gemeinsame Deichschauen. Die lokalen nicht immer zusammenhängenden Deiche sind zunächst oft noch niedrige Erdwälle, die nur Orte und wertvolle Flächen schützen, und erst später zu geschlossenen Systemen zusammengefaßt werden. Ganz offensichtlich sind aber die mecklenburgischen Dörfer Steder (im 18.Jhdt. untergegangen) und Niendorf von Anfang an in diesen Prozeß der Landnahme und Urbarmachung einbezogen. Die Teldau dagegen wird erst ab 1619 eingedeicht und in der Folge auch besiedelt. Zuvor wurde sie nur sporadisch und extensiv landwirtschaftlich genutzt.

Die Teldau wird eingedeicht

Im Jahre 1659, kurz nach dem 30jährigen Krieg drängen die lüneburgischen Bauern aus Sumte, daß ihre mecklenburgischen Nachbarn in Steder-Niendorf die im Krieg verwahrlosten Deiche, Gräben und Schleusen in Ordnung bringen, da die Sicherheit aller Bewohner der Niederung davon abhängt. Bis zum Beginn dieses Jahrhunderts haben offenbar die Deiche nur die lüneburgischen und sachsen-lauenburgischen Dörfer geschützt. Herzog Hans Albrecht von Mecklenburg schließt 1619 in Boizenburg mit den in der Teldau landbesitzenden Rittergutsbesitzern einen Vertrag über die Eindeichung der Teldau. 49 ½ Morgen Land stellen die Ritter für den Deichbau zur Verfügung. Der Herzog zahlt die Kosten von 9900 Talern und 32 Schillingen. Das eingedeichte Land wird den Gülzer und Bandekower Bauern abgenommen, zu deren Feldmarken es bis dahin gehörte. Es wird dann mit Bauern aus Butjadingen besiedelt, die aus ihrer Heimat, den Marschen zwischen Elb- und Wesermündung, den Wasserbau kannten. Die Arbeiten führt ein holländischer Landmesser aus. 1622 sind sie beendet. Der Deich war 3928 Ruten lang geworden (18289 m). Die seinerzeit errichteten Deiche sind weitgehend identisch mit dem Teldauer Sudedeich, dem Schleusenow-Hinterhäger Binnendeich (Schlafdeich) verlängert über Grabenau, Sprengelshof bis Timkenberg.

Damit ist jedoch die Wasserproblematik in der Teldau noch lange nicht gelöst. Bereits 1661 berichtet der Hauptmann von Schack aus Boizenburg „Daß aber der Deich in der Teldau verhöht werden sollte, deucht mir eine vergebliche Geldspeisung daran verwandt zu werden, da der Deich selbst in den sumpfigsten Orten nicht aus dem Fundament gesetzt. Wenn die Elbe groß, dringet das Wasser an benannten Orten unter den Deich durch, wie dies Jahr der Augenschein hat ausgewiesen. Maßen das Wasser nicht durchgebrochen, viel weniger über den Deich gelaufen, gleichwohl in der Teldau nicht viel daran gemangelt, daß das Wasser ja so hoch im Lande, als draußen gewesen, wodurch den Leuten fast ihr ganzes Winterkorn vertrunken.“ Schack hat damit eine Problematik angesprochen, die allen eingedeichten Poldern ohne Schöpfwerke eigen ist. Das Wasser drängt als Qualmwasser an sandigen Orten unter dem Deich durch, als Kuverwasser auch durch den Deich selbst. Hinzu kommt das dem Polder von höhergelegenen Flächen oder aus Niederschlägen zufließende Wasser (Stauwasser). Dadurch treten bei allen längeren Hochwasserperioden auch in den Poldern Vernässungen auf.

Während der Teldauer Deich wohl gleich als Winterdeich angelegt wurde, war der Niendorfer Deich offenbar ein Sommerdeich, der nur die niedrigeren Sommerhochwässer kehren sollte. Bereits 1670/71 wird über einen Deichbruch berichtet. Die Domanialverwaltung erhöht nun den Teldauer Deich, während im ritterschaftlichen Niendorf alles beim Alten bleibt. 1748 werden die ersten Deichschauen im Domanium eingerichtet. Aus einem Deichschauprotokoll geht hervor, daß die Niendorfer sich nun mit dem Gedanken tragen, mit einer Mühle das Wasser aus dem Lande zu bringen, was heißt, eine Windmühle als Schöpfwerk einzurichten. In der 1797 von Fabri gelieferten „Beschreibung der Stadt Boitzenburg“ wird ausgeführt: „Vor einigen Jahren wurde die, sonst in der Teldau gestandene, Schöpffenmühle zur Kornwindmühle umgeändert, und in diesem Garten (Herrengarten) zum Gebrauche des Müllers aufgestellt.“

Aus diesen Jahren gibt es noch einige bauliche Zeugnisse. Beim Schöpfwerk Bleckeder Holz an der niedersächsisch-mecklenburgischen Grenze befindet sich ein Siel (Gewölbe mit Stemmtoren) aus dem Jahre 1753 und bei der Grenze von Teldau-Christenland zu Timkenberg ein ähnliches aus dem Jahre 1796. Das mit der Inschrift F.F. H.z.M. (Friedrich Franz, Herzog zu Mecklenburg) 1796 versehene Auslaufbauwerk hat einen Sandsteinkopf in barocker Manier mit einem Volutenabschluß ausgeführt und steht unter Denkmalschutz.


Deichbrüche bleiben der Schrecken der Teldauer

1760 bricht der Deich bei Neu Garge, 1775 bei Blücher, 1784 bei Teschenbrügge 1855 in Neu Bleckede usw., usf.. Von weiteren Deichbrüchen hören wir für die Jahr 1805, 1814, 1827, 1845, 1862, 1876 1882 und vor allem 1888. Gerade dieses Hochwasser ist in der Elbniederung noch über Jahrzehnte in der Erinnerung lebendig. Noch heute sind die Hochwassermarken an vielen Häusern zu finden (z.B. an der alten Schule in Neu Wendischthun).

Was war geschehen? Ausgehend vom Grundeis in der Elbe zwischen Boizenburg und Bleckede hatte sich beim hannoverschen Elbdorf Darchau am 24.März ein Eisversatz in der Elbe gebildet, der das zufließende ohnehin schon extreme Hochwasser noch zusätzlich staute. Plötzlich trat das Wasser an der Darchauer Fährstelle über den Deich. Es führte große Eisschollen mit. Diese zerstörten im Augenblick das massive Haus des Fährkruges der Familie von Rautenkranz und danach weitere 17 Gebäude. Allein in Darchau fanden neun Menschen den Tod. Darüber hinaus richtete das Wasser an vielen Gebäuden Schäden an. Bereits vorher waren in der Lenzer Wische und bei Dömitz Deiche gebrochen. Aus dem Raum Dömitz floß das Wasser über den Schafdamm bei Wendisch Wehningen (Rüterberg) in die Krainkeniederung. Die ganze Niederung bis nach Neu Bleckede und Teldau wurde überschwemmt. Dort brach dann in Soltow zusätzlich der Sudedeich - etwas ganz ungewöhnliches - durch den binnenseitigen Wasserdruck. Dadurch gelangte das Wasser in den Raum Blücher, Gülze, bis es bei Boizenburg das Bett der Elbe wieder erreichte. In Blücher ertranken bei einer Rettungsaktion neun Menschen durch einen kenternden Kahn. Die Niederung wurde erst im Juni wieder soweit trocken, daß die Lanwirte mit den Bestellarbeiten beginnen konnten. Gerade dieses Hochwasser hat zum Nachdenken über den Umgang mit der Gefahr von Eisversetzungen und über das abgestimmte Handeln der betroffenen Länder im Hochwasserschutz bis in den preußischen Landtag und in die mecklenburgische Regierung hinein geführt. Ebenso wurde erkannt, daß in der Elbe vor allem Eishochwässer schwer beherrschbar sind, wie auch überhaupt die größeren Hochwasserkatastrophen in der nicht tidebeeinflußten Elbe durch Eisversetzungen entstanden sind.

In der Teldau hatte man - sicher noch unter dem Eindruck des vorjährigen Hochwassers - bereits 1889 das erste Schöpfwerk zur Entwässerung des Polders unter Hochwasserbedingungen errichtet. Dieses als Dampfschöpfwerk ausgeführte Bauwerk steht noch heute bei Franzhagen am Sudedeich. Nur einige Schritte davon entfernt findet man auf der niedersächsischen Seite das 1929 errichtete Schöpfwerk Bleckeder Holz. Beide Schöpfwerke sind auf Grund neuerer Eindeichungen (Polder Mahnkenwerder) heute außer Funktion.

Die Instandhaltung der Deiche und die Deichverteidigung oblagen in älteren Zeiten den anliegenden Dorfschaften. In einem Protokoll aus dem Jahre 1563 hieß es über säumige Deichpflichtige, die einen Deichbruch verursacht haben: „Awerst wen idt geschage durch Versümnisse, so is sin Recht, dat man den Huswerde einen Paal durch sinen Liff stote In den Brake dat utgelopen is“, zu hochdeutsch: „ Aber wenn es geschieht durch Versäumnisse, so ist (geschieht ihm) sein Recht, daß man dem Hauswirt (Bauer) einen Pfahl durch seinen Leib stoße, in dem Brack, das ausgelaufen ist (d.h. das durch den Deichbruch ausgekolkt ist).“ In dem für die Ämter Neuhaus, Hitzacker und Bleckede gültigen Deichrecht hieß es im 18.Jahrhundert: „Die Unterhaltung der Deiche liegt denjenigen ob, deren Land und Sand davor liegt. Wenn aber Grundbett und dergleichen kostbaren Baue verfallen, die ein Deichpflichtiger ohne seinen Ruin nicht bestreiten kann, so pflegt die Landesherrschaft ihm ansehnliche Unterstützung angedeihen zu lassen. Die Aufsicht über die Deiche führt die sogenannte Oberdeichaufsicht an der Oberelbe in fünf Ämtern Lauenburg, Bleckede, Neuhaus, Hitzacker und Dannenberg, welche aus einem Deichbausachverständigen und dem Ortsbeamten besteht. Im Frühjahr hält dieselbe Vorschau oder untersucht, was gebessert werden muß, und im Herbst Nachschau, oder siehet nach, ob dasjenige, was im verflossenen Sommer zu verfertigen aufgegeben worden, wirklich zur Ausführung gebracht worden ist. Zur Untersuchung auf dem Deiche sind nicht nur die Vögte in Haar und Pinnau mitbestellt, die dafür Deichvögte heißen, sondern auch noch zwei Deichschauer und ein Stackmeister angesetzt, welche alle von der Landesherrschaft besoldet werden und dahin zu sehen haben, daß die Aufgaben der Oberdeichaufsicht zur gehörigen Zeit und Werke gerichtet werden.“ Wir erfahren hier von den Deichvögten in Pinnau und Haar (ab etwa 1880 in Neuhaus).

Für die mecklenburgische Teldau war ein Deichvogt in Vorderhagen zuständig, daneben der Stackmeister in Gothmann (Stack = Faschinen, das sind Reisigbündel für den Wasserbau). Dieser besaß als Wasserbauer einen solch guten Ruf, daß er auch für die schwimmende Gründung des Paulsdammes bei Schwerin herangezogen wurde.


Sicherer Hochwasserschutz erst im 20. Jahrhundert

Die übrigen Dörfer der Boizenburger Elbniederung Bandekow, Gülze, Bahlen und Gothmann, die Stadt Boizenburg sowie die Sudedörfer Blücher und Besitz waren in älterer Zeit nicht durchgängig eingedeicht. Von früheren lokalen Deichen abgesehen, erfolgte erst in unserem Jahrhundert schrittweise die Zusammenfassung zu geschlossenen Deichsystemen. Im Gefolge der Errichtung der Staustufe Geesthacht erfolgte um 1960 eine durchgängige Sanierung der Deiche, die Anlage neuer Polder, die jeweils durch Schöpfwerke entwässert werden und von einer Polderleitstelle in Boizenburg zentral überwacht und geschaltet werden konnten. In diesem Zuge erhielt auch die Stadt Boizenburg, vom Hafenbereich abgesehen, einen vollständigen Hochwasserschutz. Jahrhundertelang waren größere Hochwässer bis in das Stadtgebiet vorgedrungen, wie die Abbildungen belegen.

In den 80er Jahren wurde die Sudemündung von Gothmann flußabwärts in die Boizenburger Hafenmündung (Boizemündung) verlegt. Durch einen Höhenunterschied zwischen alter und neuer Mündung von 25 bis 30 cm wurde ein geringerer Rückstau in die Sude und ihre Nebenflüsse bewirkt. Zusätzlich wurde ein Abschlußwehr angeordnet, das den Rückstau in die Sude vollständig verhindern kann. Es verhindert aber auch den Abfluß der Sude in die Elbe, so daß sich Rückstau aus den eigenen Zuflüssen bildet. Dieser kann bei längerer Dauer der Hochwässer ähnliche Effekte zeitigen, wie der Rückstau aus der Elbe. Die Sudemündungsverlegung war Teil eines Hoch-wasserschutzprogrammes an der Elbe von den 50er Jahren bis in die 80er Jahre. Vorher wurden bereits die Havel- und die Löcknitzmündung verlegt. Diese Mündungsverlegungen können einen unangenhmen Nebeneffekt haben, da sie zu einem schnelleren Hochwasserdurchfluß führen und die Hochwasserscheitel flußabwärts erhöhen. Deshalb ist es wichtig die dadurch abgeschnittenen Entlastungs- oder Retentionsflächen (nicht eingedeichte Grünländereien oder Sommerpolder) durch technische Maßnahmen flutbar zu erhalten. Solche Möglichkeiten bestehen in den genannten Fällen, erfordern aber immer die Entscheidung der entsprechenden Gremien auf Grund der Hoch-wassermeldeordnung an der Elbe. Diese existiert seit 1906. Wegen der Zuständigkeit der Länder ist sie jedoch jedoch etwas schwer handhabbar. Das genannte Programm wird mit einer weiteren Deichsanierung mit zwischen den Ländern abgestimmten Parametern fortgesetzt, insbesondere mit einer Neugestaltung der Deichprofile entsprechend zeitgemäßer Sicherheitsanforderungen und teilweise auch Neutrassierung von Deichen zur Verbesserung der Durchflußprofile. Gerade letzteres hat im Zusammenhang auch mit der Schaffung des Nationalparks Elbaue zu Verstimmungen bei der betroffenen Bevölkerung und auch zu Dissensen bei den betroffenen Ländergremien geführt.

Es steht zu hoffen, daß durch einen immer noch nicht abschlägig beschiedenen Ausbau der Elbe für die Großschiffahrt, die zu weiteren Beschleunigungen des Abfusses führen wird, die Verhältnisse nicht verschlechtert werden. Aber ebenso sollten die Auswirkungen der Schaffung von Auewäldern im Hochflutbereich auf die Anlieger und Oberlieger gründlich untersucht werden, bevor schwer reparable Schäden entstehen.