Das Moorbad

Aus Ortschroniken
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Ein Kurreport aus dem Sanatorium in Bad Doberan(OZ, 15.2.1992) *Ambulant in der Moorwanne

  • „Bitte zum Baden!" Die freundliche Aufforderung unterbricht unsere Gespräche. Eine wie die andere im Bademantel, Waschlappen, Badekappe und Kurkarte in der Hand, verschwinden wir in den Kabinen.
  • Heute, es ist ein Mittwoch, ist ebenso wie Montag und Freitag Moorbaden angesagt (dienstags und donnerstags gibt's Moorpackungen, -treten und -kneten).
  • Wieder kostet es mich etwas Überwindung, in die breiige, dunkle, für mich 39 Grad Celsius warme, ein ganz klein wenig modrig riechende Masse zu steigen und anschließend bis zum Hals unterzutauchen.
  • Von nebenan noch Gelächter, bis die Badefrau energisch Ruhe fordert. Die Entspannung gehört unbedingt zu einer erfolgreichen Behandlung. Jetzt hat jeder Zeit, seine Beine und seine Seele baumeln zu lassen.
  • Moor hat als natürliches Heilungsmittel schon eine lange Tradition, in Bad Doberan seit 1825.
  • In der Conventer Niederung gewonnen, per LKW ins Sanatorium transportiert (im Sommer täglich frisch) wird es erwärmt und mit Wasser vermischt, bevor die etwa 150 kg durch dicke Rohre in die Wanne gluckern.
  • Für die Packungen ist die Konsistenz wesentlich fester. Bei meiner Therapie bedeutet das, mich mit dem Rücken in das heiße Moor zu legen.
  • Der Schweiß beginnt mir über das Gesicht zu rinnen. Die hilfreiche Hand der Badefrau tupft mir mit dem kalten Waschlappen die warme Nässe ab. Eine Wohltat! Während ich mit den Füßen das Moor trete und mit den Händen die festen Bestandteile wie Baumstückchen zerdrücke, sorge ich schon durch diese geringen Bewegungen für stärkeres Schwitzen ...
  • Badekuren wie diese werden vorbeugend und auch zur Rehabilitation ärztlich verordnet und unter ärztlicher Aufsicht durchgeführt. Insbesondere bei Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises (wie Verschleißerscheinungen der Wirbelsäule oder Entzündungen der Gelenke), in der Nachbehandlung nach Operationen und Unfällen bringen sie den Patienten Linderung.
  • Ich bin zur Rehabilitation hier in Bad Doberan, um meinen lädierten Bandscheiben und einer teilweisen Lähmung des rechten Fußes etwas Gutes zu tun.
  • Obwohl es von Rostock-Lichtenhagen bis Bad Doberan nur 15 km sind, war es doch ein langer Weg, bis ich endlich hier ankam: Die Umgestaltung des gesamten gesellschaftlichen Lebens machte natürlich vor den Kranken nicht halt.
  • Der behandelnde Arzt aus der Poliklinik hatte sich eine schmucke Praxis geschaffen und dabei selbst eine Vielzahl von Problemen zu meistern; die Physiotherapeutinnen haben diesen Prozeß noch vor sich und schwanken zwischen Hoffnung und Zweifel; bestimmte Verordnungen von Heil- und Hilfsmitteln erfordern die Bewilligung durch die Krankenkasse; Ansprechpartner in den verschiedensten Ämtern waren oft genug nur bedingt aussagefähig, was wieder unnötige Lauferei nach sich zog ...
  • Eine ambulante Behandlung, wie ich sie gerade absolviere, verordnet der Haus- oder Facharzt. Sie umfaßt in der Regel sechs Moorpackungen bzw. -bäder, in „undankbaren" Fällen wie dem meinen, auch schon einmal beides. Die Entscheidung trifft meine behandelnde Ärztin im Moorbad. Sie ist es auch, die mir die verschiedenen Formen der neuen Rehabilitation erläutert und mich damit über manchen meiner Irrwege aufklärt.
  • Für alle berufstätigen Angestellten ist die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, die BfA, und für die Arbeiter die Landesversicherungsanstalt (LVA) zuständig.
  • Vorrentner und Rentner, kurz all jene, die nicht mehr erwerbsfähig sind, müssen sich an ihre Krankenkasse wenden. Das Sanatorium Moorbad bietet sowohl sogenannte stationäre als auch ambulante Badekuren an. Für letztere zahlt die Krankenkasse 15 DM/Tag für Unterkunft und Verpflegung dazu. Der Patient muß neben den restlichen Kosten auch fünf Prozent der Behandlungskosten selbst tragen. Ab Juli 1992 werden es zehn Prozent sein.
  • Was mich betrifft, für alle meine Behandlungen habe ich knapp 24 DM dazu bezahlt.
  • Der Wecker holt mich aus meinen Gedanken, die Badezeit von 20 Minuten ist um. Die Badefrau duscht meine Hände und Arme, und als ich mich vorsichtig hochgehievt habe, auch meinen Rücken ab. Dann zieht sie den riesigen Stöpsel, um das Moor in sogenannte „Moortaschen“ als Lagerstätte für „abgebadetes* Moor in die Natur zurückzugeben.
  • Ich bin immer wieder erstaunt, daß diese intensive dunkle Farbe durch den kräftigen Wasserstrahl völlig abgespült wird. Allerdings muß man sämtliche Rillen und auch den Bauchnabel ebenso sorgfältig säubern wie die Achselhöhlen.
  • Aber jetzt bin ich wieder beweglicher und kann mich überall gründlich reinigen. Seife, Duschgels und sonstige duftende Essenzen sind während der Moorbehandlung verpönt, denn die Haut soll die natürlichen Substanzen völlig aufnehmen. Sichtlich erschöpft und hochrot im Gesicht sind wir alle in den Ruheraum gekommen. Hier sorgt eine Badefrau dafür, daß wir uns in mumienähnliche Pakete verwandeln.
  • Seine Glanzzeit hatte Bad Doberan im 18. Jahrhundert, als Herzog Friedrich Franz I. seine Sommerresidenz hierher verlegte. 1879 erhielt der Ort das Stadtrecht.
  • Damals zählte man bereits rund 10 000 Badegäste.
  • Baumeister Carl Theodor Severin schuf eine Vielzahl klassizistischer Gebäude, u. a. auch das Sanatorium. Sie prägen heute noch das Stadtbild und bilden mit dem gotischen Münster die Hauptanziehungspunkte der Kurgäste.
  • Kellers Wald, Hütter Wohld, Quellental, Conventer Niederung und natürlich die Ostseeküste bieten den Patienten Erholung in nahezu unberührter Natur.
  • Waren es vor zwei Jahren noch 120 Kurgäste pro Durchgang, so sind es in diesen Tagen knapp 50. Gilt der in der Vergangenheit erworbene gute Ruf heute nichts mehr?
  • Studien haben ergeben, daß das Moor noch mindestens 200 bis 300 Jahre reicht. Damit ist zumindest die natürliche Grundlage für die Verwirklichung vorhandener Pläne gegeben.
  • Alteigentümer AOK Berlin, Sozialministerium Mecklenburg-Vorpommern, Kommune und Kreisdezernat sind sich einig, das vorhandene Sanatorium in ein Kurmittelhaus umzuwandeln.
  • In einem zu schaffenden Neubau würden dann die Rehabilitanten komfortable und behindertengerechte Unterkunft finden.
  • Zwölf Bewerber gab es beim Sozialministerium, das Sanatorium zu kaufen. Es soll derjenige den Zuschlag erhalten, der sowohl die Pläne verwirklicht, als auch die Mitarbeiter weiterbeschäftigen wird.
  • Geht dieses Modell auf, haben vielleicht auch ambulante Behandlungen weiterhin eine Zukunft.
  • Mir reicht es für heute. Noch eine erfrischende Dusche, ein wenig Nachruhe, dann noch Krankengymnastik und Strombehandlung. Den Heimweg nehme ich über die fast leere Bäderstraße, genieße bei langsamer Fahrt die Schönheit dieses Fleckchens Erde(Renate Koßmann)


  • Als unser Moorbad noch ein Stahlbad war (Aus der Heimatgeschichte, OZ Jan. 1985)
  • Über 1200 Werktätige erholen sich jährlich im Sanatorium Moorbad Doberan, das Geschichte und Entwicklung unserer Heimatstadt weitgehend mitbestimmt hat.
  • Und seine eigene Geschichte ist ebenfalls nicht uninteressant.
  • Es war im Jahre 1820, so lesen wir in unserer Heimatliteratur: „Einem Doberaner Kaufmann, dem späteren Badeinspektor Mühlenbruch, waren auf mehreren Doberaner Wiesen viele Stellen mit gelber Ockererde aufgefallen, wodurch er veranlaßt wurde, nach Eisenquellen zu forschen.
  • Nach mehreren fruchtlosen Versuchen sah er eine recht gelbe Stelle unweit der Mühlenschleuse, von der er hörte, daß hier das Wasser nie zufriere und daß ein Gelähmter sich hier gewaschen und Stärkung empfunden habe.
  • Hier entdeckten dann seine Bohrer am 23. September eine ergiebige Eisenquelle.
  • Hofapotheker Krüger berichtete darüber ungesäumt an den Großherzog, daß diese Quelle lauter Grundwasser enthalte, daß sie 8 1/2 Fuß tief, und der Wasserandrang so stark sei, daß eine gute Pumpe das Wasser nicht zur Senke halten könne. Die Temperatur sei stets zwischen 9 und 9 1/2 Grad Reaumur geblieben und dadurch ein Beweis des tiefen Lagers der Quelle gegeben."
  • So wurde' dann unverzüglich an die kommerzielle Nutzung dieser Entdeckung gegangen und schon für 1822 lesen wir weiter:
  • „Die Stahlbäder- in dem Badehäuschen in der Nähe der Stahlquelle hatten bereits eine kräftige Wirksamkeit des Eisenwassers erwiesen. So wurde der Theaterkassierer Amelang, dessen ganze rechte Seite gelähmt war, so daß er weder Hand noch Fuß bewegen konnte, nach vierwöchigen Bädern soweit wiederhergestellt, daß er, bis auf ein geringes Hinken, wieder gehen konnte.
  • Es wurde daher beschlossen, ein größeres Badehaus für die Stahlbäder zu erbauen, mit dessen Ausführung der Großherzog wiederum den Landbaumeister Severin betraute.
  • Dieser entledigte sich des Bauauftrages, wie bisher, in vorbildlicher Weise. Das ganz im Grünen gelegene langgestreckte weiße Gebäude wurde eine besondere Zierde des Ortes. Ursprünglich einstöckig, erhielt es 1902 ein zweites Stockwerk.
  • Die von vier Säulen getragene Eingangshalle, das Vestibül und der daran anstoßende Speisesaal imponieren durch ihre Größe und harmonische Gestaltung, die wohltuend auf die Besucher wirken muß.
  • Das Innere erhielt 12 Bäder, ein Zimmer mit einer aufsteigenden, und eins für eine sehr kräftigen Dusche, die„ wenn sie am kräftigsten wirken sollte, von vier Männern im Nebenzimmer regiert ward.
  • Ein Zimmer, wurde zum -allgemeinen „Schneiderschen Regenbade" eingerichtet und dorthin später auch süßes Wasser geleitet, um hier auch Malz-, Kleie- und Kräuterbäder geben zu können.
  • Der schöne Saal diente auch oft als Sammelplatz bei Tees im benachbarten Amerika-Gehölz.
  • Hinter dem Stahlbad erbaute man einen Tempel mit weit vorspringendem Spitzdach als Schießanstalt, wo man den Schießsport an stehenden, laufenden und schwebenden Zielen üben konnte. Bis dahin befand sich die Schießanstalt in dem burgartigen Gebäude am Jungfernberg.