Boizenburger Straßen- und Flurnamen

Aus Ortschroniken
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Die Boizenburger Straßennamen

Straßennamen sind als offizielle Lagebezeichnungen allgemein noch nicht sehr alt, so auch in Boizenburg. Jugler führt 1797 in seiner „Beschreibung der Stadt Boizenburg“ aus: „Die Stadt enthält zwei öffentliche Plätze, fünf Hauptstrassen, und mehrere kleine Strassen. Die Plätze sind der geräumige und symmetrische Markt, auf dem zwei öffentliche Brunnen stehen, und der Kirchhof. Von den Hauptstrassen gehen zwei von Norden nach Süden; die eine an der Westseite, vom Mühlenthore bis zu Ende des Bullenbergs (Klingbergstraße, D.G.), die meines Wissens keinen eignen Namen hat, und die Andere an der Ostseite, vom südlichen Ende des Kirchhofes bis an den Herrengraben, welche die Mühlenstrasse heißt, aber jenseits des Stadthauses den eigentlichen Namen: auf der Amtsfreiheit bekommt: drei derselben gehen von Osten nach Westen, nämlich die Erste an der Südseite, beinahe in der Mitte der Stadt, vom Markte bis vor dem Büttelthurme, die Reichenstrasse; die Zweite an der Nordseite, vom Kirchhofe an, bis auf die Strasse, die vom Mühlenthore bis zu Ende des Bullenbergs geht, die Baustrasse; und die Letztere, zwischen diesen beiden, vom Markte bis an eben die Strasse vom Mühlenthore nach dem Bullenberge, die Königstraße. Die kleineren Strassen, die theils dicht am Walle weglaufen, theils die Hauptstrassen durchschneiden, sind meistens ohne Namen, wenigstens sind mir nur folgende derselben bekannt geworden: die zwischen dem Stadthause und der Amtsfreiheit anfängt, und queer nach Westen hinläuft, heißt auf dem Bullenberge; die nach Norden hinter der Baustraße und mit dieser parallel geht, die Petersilienstraße; die, welche von der Baustrasse queer durch nach der Königstrasse führt, auf dem Schweinsrücken; und diejenige endlich, die zwischen der Königstrasse und der Reichenstrasse, mit beiden parallel, durchgeht auf den Fiefhusen. Der Bullenberg, der den nordwestlichen (?) Winkel der Stadt begreift, macht zugleich den schlechtesten und schmutzigsten Theil derselben aus. Etliche andere Gegenden werden nach den benachbarten Plätzen oder Gebäuden benannt, zum Beispiel: bei dem Marktthore (heute Markttorstraße); hinter dem Rathause (zum Markt gehörig); bei dem Pulverthurme (Teil der Kleinen Wallstraße); am Kirchhofe (Kirchplatz); bei dem Büttelthurme (westlichster Teil der Reichenstraße), usw. Alle Hauptstrassen, etwa den Eingang in die vom Mühlenthore nach dem Bullenberge ausgenommen, sind gerade und breit, besonders aber die Königstrasse, und selbst die mehrsten der kleineren Gassen gehen ungekrümmt; ein Vorzug, deren die Stadt vor vielen anderen Landstädten voraus hat, und den sie dem großen Feuerschaden vom Jahre 1709 verdankt.“

Ebenso wie es an amtlichen Straßennamen fehlte, hat es zu dieser Zeit noch keine Hausnummern gegeben. Die Häuser waren mit Nummern des Steuerkatasters versehen, die nicht straßenweise geordnet waren. Erst mit einer Satzung vom 26.Februar 1914 wurde sukzessive begonnen, neue Hausnummern „und zwar für jede Straße besonders“ einzuführen. Die Hausnummern führen wie in anderen Städten der Region (z.B. Lüneburg) in der Altstadt und am Bahnhof umlaufend um Straßen und Plätze. Erst später wurde der Wechsel zwischen geraden und ungeraden Hausnummern auf den beiden Straßenseiten eingeführt.

Der Schweriner Historiker Wilhelm Jesse schrieb in einem Beitrag für die „Mecklenburgische Zeitung“ vom 6. April 1913 unter dem Titel „Die Schweriner Straßennamen“: „Straßennamen sind eigentlich ursprünglich nichts weiter als Flurnamen. Die Beschaffenheit des Ortes, benachbarte oder anliegende Gebäude, ihre Anwohner und deren Beschäftigung haben zuerst Straßenzügen einen Namen gegeben. In den Straßennamen einer Stadt spiegelt sich also ein großer Teil ihrer Geschichte. Sie sind oft die einzigen lebenden Zeugen vergangener Verhältnisse und darum für die Gegenwart mit ihrem überall regen Interesse an der Pflege des Heimatsinnes von großem Wert. Die Straßennamen einer Stadt vor dem Untergang zu schützen, ist eine ebenso dankbare Aufgabe wie der Schutz des Ortsbildes ... .“

Die historischen Straßennamen in Boizenburg sind nach eben diesen Prinzipien zustande gekommen. Sie waren zunächst, wie es bei Jugler anklingt, nur inoffizielle Namen, die wie Flurnamen aus dem Volksmund herkommend eine Lage bezeichneten. Das wird besonders deutlich an der zweiten Kategorie der von Jugler beschriebenen Namen, wie „bei dem Marktthore“. Daraus wurden dann teilweise die heutigen Straßennamen, wie die Markttorstraße. Die Herleitung der Straßennamen nach besonderen Merkmalen aus der Topographie, Lage an Gebäuden usw. lässt sich allgemein – und nicht nur in Boizenburg – beobachten. Damit wird die These Jesses gestützt, dass Straßennamen ursprünglich nichts anderes als Flurnamen seien. Sie geben uns Zeugnis von der Geschichte einer Stadt und sind deshalb als volkskundliche Kategorie schützenswert wie Bau- und Naturdenkmale. Umso weniger ist der Drang zur Umbenennung insbesondere aus politischen Gründen nachvollziehbar.

Die Benennung nach Personen ist in den mecklenburgischen Städten erst um die Mitte des 19.Jahrhunderts zu beobachten. In Boizenburg findet diese Kategorie gar erst, wenn man von der Duensingstraße absieht, in den 1930er Jahren beim Bau der Stadtrandsiedlung Eingang. Dort wurde diese Tradition nach der politisch notwendigen Umbenennung 1945 in Teilen fortgesetzt.

Bereits die Stadterweiterungen des 19. und des frühen 20. Jahrhunderts griffen für die Straßennamen auf Flurnamen zurück, z. B. „An der Quöbbe“. Hinzu kamen im 20. Jahrhundert Straßennamen nach heimischen Bäumen, erstmalig „Lindenstraße“ und bereits früher nach den Zielen der nach auswärts führenden Straßen, wie der „Schwartower Straße“.

Für die obige Feststellung Jesses zum Umgang mit den Straßennamen, die darin mündete, dass Schwerin in den Jahren zuvor mit den Straßennamen nicht sehr tradtionsbewusst umgegangen sei, führt er eine Reihe von Umbenennungen an, mit denen die historischen Bezüge zerstört wurden.

In Schwerin waren die Umbenennungen größtenteils aber nicht ausschließlich politisch motiviert. Nun sind in Boizenburg auch unter Berücksichtigung des wesentlich kleineren Bestandes an Straßennamen nicht gar so häufig Umbenennungen erfolgt. Größere Aktionen gab es 1945, als die auf der Siedlung in den 1930er Jahren entstandenen, nach Größen des Nationalsozialismus und „Helden“ des Ersten Weltkrieges benannten Straßen umbenannt werden mussten. Es erfolgten Benennungen nach Sozialisten und Kommunisten. Eine kleinere Reihe von Umbenennungen betraf gerade die historischen Straßen der Altstadt als zunächst in den 1940er Jahren die Königstraße in Karl-Marx-Straße, dann der Markt in Stalinplatz, die Reichenstraße in Klara-Zetkin-Straße, die Baustraße in Straße der Solidarität sowie in der Bahnhofsvorstadt die Duensingstraße in Karl-Liebknecht-Straße und die Bahnhofstraße in Wilhelm-Pieck-Straße benannt wurden. Gerade diese Aktionen betrafen die Straßennamen, die die Tradition verkörperten. Mit dem Ende des extremen Stalinismus wurde 1960/61 auch die Neubenennung des Marktes erforderlich. Man besann sich jedoch nicht auf die Tradition, sondern nannte ihn Platz des Friedens. In der Bevölkerung in Boizenburg und Umgebung war es jedoch immer der Markt geblieben. Eine weitere Aktion kleineren Umfanges ergab sich aus dem Abgrenzungsbestreben der DDR-Führung zur Bundesrepublik. Unter dem Vorwand der Ehrung Otto Grotewohls, des ersten Ministerpräsidenten der DDR, nutzte man 15 Jahre nach seinem Tod den 85. Geburtstag, um die Hamburger Straße als Otto-Grotewohl-Straße neu zu benennen. Gleichzeitig bezog man aber auch den Lauenburger Postweg in die Bergstraße ein.

Nach der politischen Wende 1989/90 erfolgten dann Rückbenennungen oder Neubenennungen: Platz des Friedens - Markt Karl-Marx-Straße - Königstraße Klara-Zetkin-Straße - Reichenstraße Straße der Solidarität - Baustraße Otto-Grotewohl-Straße - Hamburger Straße Bergstraße (tlw.) - Lauenburger Postweg Wilhelm-Pieck-Straße - Bahnhofstraße

Mit diesen Umbenennungen wurde die Tradition wieder aufgenommen. Darüber hinaus erfolgten wurden folgende Straßen neu benannt: Karl-Liebknecht-Straße - Rudolf-Tarnow-Straße Ernst-Thälmann-Straße - Hans-Jürgen-P.-Lemm-Straße Straße der Aktivisten - Friedrich-Jacob-Klepper-Straße Carl-Templiner-Straße - Straße der Einheit Bei Letzterer wurde ein vorher bereits einige Zeit bestehender Name wieder aufgenommen.

Bereits im 19. Jahrhundert wurde es in vielen Städten üblich, im Interesse der besseren Auffindbarkeit Konzeptionen für die Straßennamen in den größeren Gebieten der Stadterweiterung aufzustellen. Auch in Boizenburg wurden die ersten Ansätze, Straßennamen nach Konzeptionen zu vergeben, erst mit dem Entstehen größerer zusammenhängender Baugebiete erkennbar. Besonders deutlich wurde das, als in der Zeit des Nationalsozialismus die Straßen in der entstehenden Stadtrandsiedlung benannt wurden. Aber auch bereits vorher gab es erste Ansätze. So wurden in der Bahnhofsvorstadt zunächst topographische Merkmale aufgenommen (Feldstraße, Weidestraße, Kurze Straße), dann auch Straßen nach norddeutschen Dichtern benannt (Fritz Reuter, John Brinckman, Klaus Groth, Wossidlo, dann später Ehm Welk und Rudolf Tarnow). In der Stadtrandsiedlung wurden die Straßen 1937 nach Nazigrößen und –märtyrern benannt (Adolf Hitler, Horst Wessel, Hans Schemm, Julius Schreck, Claus von Pape, Wilhelm Gustloff, Leo Schlageter, August Brackmann, Dietrich Eckart). Ein anderer Teil erhielt Namen nach „Helden“ des Ersten Weltkrieges (Paul von Hindenburg, Karl Litzmann, Manfred von Richthofen, Graf Spee, Weddigen).

Diese Straßen wurden 1945 nach Kommunisten (Ernst Thälmann, Richard Schwenk, Paul Czellnick), Sozialisten (August Bebel, Rudolf Breitscheid), Dichtern (Johann Wolfgang Goethe, Friedrich Schiller, Heinrich Heine) und topographischen Kriterien (Schwanheider Straße, Lange Straße, Eichenweg) neu benannt.

Neue Straßennamen auf der Siedlung wurden nach sehr unterschiedlichen Kriterien vergeben. Teils wurde wieder auf Namen von Kommunisten (Richard Markmann, Dr. Alexander und als Umbenennung Carl Templiner), dann auf Vertreter progressiver Traditionen (Ludwig Reinhard, Theodor Körner) und Flurnamen (Grüner Weg, Am Keesboom, Schwartower Steig, Am Ziegelberg, Metlitzer Weg, Am Grünen Weg) zurückgegriffen.

Die nach 1990 neu vergebenen Namen orientieren sich teils an topographischen Gegebenheiten (An der Gamm, Gammer Berg, Am Gammgraben, Gülzer Straße, Alter Gülzer Weg), wenn diese auch nicht immer so ganz augenfällig sind. Sie nehmen Flurnamen auf (Gamm, Gildewiesen, Ellerholz). Auf der Siedlung sind die Straßen in einem neuen Baugebiet nach Bäumen bezeichnet.

Der Zeitpunkt der Benennung ist nicht in allen Fällen bekannt. Die bei den Straßennamen angegebenen Jahreszahlen geben den ungefähren Zeitpunkt der Benennung oder auch der ersten Nennung an. Sachakten zur Straßenbenennung konnten nur teilweise genutzt werden, da sie für längere Zeiträume fehlten. Zum anderen Teil beruhen die Daten auf der Erinnerung des Verfassers.


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(Bild: Grundriss von Boitzenburg 1790)


Die Straßenamen des Stadtgebietes, einschließlich der auf der Gemarkung Boizenburg befindlichen Siedlungen

Ahornweg Der Ahornweg ist in den 1990er Jahren auf dem Acker Am Düstern Weg bebaut worden. Er hieß zunächst Blumenweg. Im Jahre 1996 wurden in dem Baugebiet die Straßen größtenteils nach Bäumen umbenannt.

Altendorf

Ursprünglich war die heutige Straße Altendorf (Der Ur-Boizenburger betont den Namen auf Dorf) ein selbständiges Dorf am Rande der Stadt, das zum mecklenburgischen Domanium (Besitztum des Herzogs bzw. Großherzogs) gehörte und historisch wohl die Burgsiedlung (Wiek) zur Niederungsburg darstellte. Die Bewohner waren Büdner (Kleinbauern) und Fischer. Erst 1872 wurde das Dorf in das Stadtgebiet einbezogen.

Altendorf im Luftbild von 1930, oben sieht man den Altendorfer teich, links den Fitze-Teich

Am Färbergraben Diese Straße ist eine typische Hinterstraße, die nur in geringem Maße Wohnbebauung aufweist. Der Färbergraben ist Teil der mittelalterlichen Stadtbefestigung für die den Elbwiesen zugewandte Seite. Seinen Namen hat er nach der typischen Färbung der Abwässer aus den in früheren Zeiten anliegenden Färbereien.

Am Gammgraben Die nach 1990 angelegte Straße im neuen Gewerbegebiet befindet sich an dem Hauptentwässerungsgraben aus der Gamm, einer ursprünglichen Weideniederung zwischen den Feldmarken von Boizenburg, Schwartow, Zahrensdorf; Gülze und Bahlen.

Am Grünen Weg Die Bezeichnung Grüner Weg ist bereits als Flurname überliefert. Hier handelt es sich aber um eine kleine Seitenstraße östlich des Grünen Weges mit Bebauung aus den 1970er Jahren.

Am Keesboom Die Straße ist in den 1990er Jahren errichtet. Der Name geht auf den Flurnamen eines in der Nähe befindlichen Ackers zurück. Hans Vick berichtet von einer Sage, nach der hier eine große Pappel gestanden haben soll und „von einem Knecht, der ebenso faul wie gefräßig war. Er sollte den umliegenden Acker pflügen. Bevor er aber begann, sah er noch schnell in seiner Kiepe nach, was die Hausfrau ihm als Butterbrot mitgegeben hatte. Wieder fand er drei Käsebrotschnitten, und da ihm schon mehrmals die gleiche Kost mitgegeben war, und sein Leckermaul nach anderem Belag verlangte, so rief er voll Wut: ,Der Teufel soll mich holen, wenn ich den alten Käse esse!’ Er heftete die eine Brotschnitte an den Baum, warf die zwei anderen in die Kiepe zurück und legte sich nun in den Schatten des Baumes, um sich vor dem Arbeitsbeginn durch einen tüchtigen Schlaf zu stärken. Als er erwachte, verspürte er einen derben Hunger und aß nun doch das vorhin verschmähte Käsebrot. Da kam in der Nacht der Teufel und drehte ihm das Genick um, und nun muß er allnächtlich ruhelos um den Baum wandern.“

Am Mühlenteich Die Bebauung am Mühlenteich stammt aus dem 19. bzw. 20. Jahrhundert. Die Mühle aber und der Mühlenteich sind schon auf der Karte der Stadtfeldmark von 1727 zu finden. Die jetzigen umgebauten Mühlengebäude entstammen dem ausgehenden 19. Jahrhundert.

Am Sandberg Diese Straße oberhalb der Turnereichen wurde in den 1990er Jahren errichtet. Sie wurde zunächst etwas unpassend Am Elbberg benannt. Die Umbenennung erfolgte 1996. Der alte Flurname ist hier Am Düstern Weg.

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Die alte Stadtschäferei an der Schwartower Straße/Ecke Schäferbrink

Am Schäferbrink Der Name dieser in den 1920/30er Jahren bebauten Straße geht auf einen Flurnamen zurück. Die Straße hieß zunächst Am Ziegelberg. Erst im Jahre 1938 erhielt sie ihren heutigen Namen, der auf den Hang des Schäferberges hinweist. Der Name deutet auf eine gemeine Nutzung der Flächen zum Schafe hüten hin. Brinke unterliegen in den alten Feldmarken generell der gemeinen Nutzung. Oberhalb des Schäferbrinks befand sich bis in das 20. Jahrhundert hinein eine Ziegelei auf dem Ziegelberg (Bild).

Am Stadtpark Diese den Elbberg mit dem Schwanheider Weg verbindende Straße wurde notwendig als in den 1980er Jahren das Heizwerk und die Gärtnerei der Elbewerft am Stadtpark errichtet wurden und die Zufahrt durch das am Elbberg beginnende bis 1989 existente Sperrgebiet nicht erfolgen sollte. Die Wohnbebauung entstand nach 1990. Der im Wohngebiet liegende Teil wurde zunächst Lindensteig genannt, dann aber 1996 in die Straße Am Stadtpark einbezogen.

Amtsgärten Die Amtsgärten, die wie der Name zum Ausdruck bringt, ursprünglich zum großherzoglichen Amt gehörten, wurden erst in den 1990er Jahren bebaut, so dass der Straßenname vergeben wurde.

Am Ziegelberg Am Ziegelberg, ein Name der sich jedoch nicht am Ort der jetzigen Straße, sondern oberhalb des Schäferbrinks befand, war bis um das 20. Jahrhundert hinein eine mehr handwerklich arbeitende Ziegelei vorhanden (s. Bild). Diese soll für den Wiederaufbau nach dem Stadtbrand von 1709 errichtet worden sein. Vor 1938 trug die Straße Am Schäferbrink denn auch den Straßennamen Am Ziegelberg. An dem jetzigen Ort ist der Straßenname ohne historischen Bezug.

An der Boize Längs des Boizekanals beiderseits der Stiftstraße befindet sich diese kleine Straße. Sie ist beginnend im 19. Jahrhundert bebaut worden.

An der Quöbbe Die Straße An der Quöbbe nimmt den Flurnamen für den Wiesenring längs des Langen Walls auf. Der Flurname, der wohl ursprünglich Quebbecke lautete (so noch bei Jugler 1797), ist niederdeutschen Ursprungs und deutet auf Nässe hin (mndt. quebbe = schwankender Moorboden).

An der Torfkoppel Dieser Straßenname in der Büdnersiedlung Heide nimmt einen Flurnamen auf. Es handelt sich dabei um Acker am Abzweig des Weges nach Heide vom alten Salzfrachtweg. Als Koppeln wurden nicht nur Weiden sondern auch Ackerschläge bezeichnet. Es könnte sich hier um einen ehemaligen Torftrockenplatz gehandelt haben. Heide ist eine zur Stadt Boizenburg gehörige Siedlung mit im Jahre 1901 sieben Büdnern (Kleinbauern). Sie wird erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erwähnt. Jedoch weisen die Hoinckhusensche Karte von etwa 1700 und die Wiebekingsche Karte von 1786 an dem Ort bereits einen Katen in der Heyde aus.

Bahnhofstraße Nach dem Bau des Bahnhofs mit der Hamburg-Berliner Eisenbahnlinie 1846 wurde die Straße als erste in der Bahnhofsvorstadt (diese umgangs-sprachlich genannt: „Auf dem Bahnhof“) angelegt. Die Bebauung begann jedoch erst am Ende des 19. Jahrhunderts. Die Straße wurde ca. 1952 in Wilhelm-Pieck-Straße umbenannt, welchen Namen sie bis 1991 behielt.

Baustraße Die Baustraße ist eine der historischen Straßen in Boizenburg, die ihren Namen bereits im 17. Jahrhundert trug. In den Archivalien aus dem Hackamt wird sie bereits 1607 genannt. Auch Jugler kennt sie im Jahre 1797. Der Name hat nichts mit dem Bauhandwerk sondern mit dem Landbau zu tun. Hier dürften ursprünglich – wahrscheinlich vor dem Stadtbrand 1709 - die Ackerbürger gewohnt haben. Von 1955 bis 1991 trug die Straße den Namen Straße der Solidarität.

Bebelstraße Die Bebelstraße ist im Zuge der Errichtung einer Stadtrandsiedlung in den 1930er Jahren gebaut worden. Bis 1945 trug sie den Namen Hans-Schemm-Straße nach dem 1935 verunglückten Gründer des NS-Lehrerbundes. Mit einer Anordnung des ersten Boizenburger Nachkriegs-Bürgermeisters Richard Markmann vom 13. August 1945 wurden alle nach NS-Größen und anderen benannten Straßen umbenannt. Den Namen Bebelstraße trägt sie seitdem nach dem Mitbegründer der deutschen Sozialdemokratie August Bebel (1840 - 1913).

Bergstraße Die Straße am Berg oberhalb des Friedhofes trägt ihren Namen nicht zu unrecht. Sie wurde im Wesentlichen in den 1920erJahren bebaut und etwa 1930 benannt. Zwischen 1979 und 1990 war der Lauenburger Postweg in diese Straße einbezogen.

Berliner Straße Wie in vielen Städten längs der B 5, die Berlin und Hamburg miteinander verbindet, heißen die Ausfallstraßen der jeweiligen Richtungen nach diesen Städten. Die Bebauung stammt im Wesentlichen aus dem frühen 20. Jahrhundert. Die Benennung erfolgte 1930.

Birkenstraße In der Birkenstraße und zuvor in der Richard-Markmann-Straße baute die damalige Arbeiter-Wohnungsbau-Genossenschaft, in den Jahren 1955/56 ihre ersten (Reihen-) Häuser. Die Benennung erfolgte 1956.

Bollenberg Der Bollenberg gehört zu den ältesten Teilen der Stadt Boizenburg. Es kann vermutet werden, dass hier ebenso wie in Altendorf und auf der Amtsfreiheit in der unteren Mühlenstraße bereits die slawische Burgsiedlung zu finden war. Der Name wird von der Bezeichnung für die Befestigungsanlage, dem Bollwerk, niederdeutsch Bullwark, das zu Bullbarg wurde, hergeleitet. Der Bollenberg wurde nach dem Stadtbrand 1709 nicht in die regulierende Stadtplanung des Jacob Reutz einbezogen.

Breitscheidstraße Die Breitscheidstraße ist im Zuge der Errichtung einer Stadtrandsiedlung in den 1930er Jahren gebaut worden. Bis 1945 trug sie die Namen Julius-Schreck-Straße und südlich der heutigen Hans-Jürgen-P.-Lemm-Straße, gleichzeitig Litzmannstraße, hier dann ab 1945 vor der Einbeziehung in die Breitscheidstraße zunächst noch 4. Gasse. Rudolf Breitscheid (geb. 1874, im KZ gestorben 1944) war ein sozialdemokratischer Politiker, Julius Schreck (1898 bis 1936) ein nationalsozialistischer Schauspieler, später der Fahrer Hitlers, Karl Litzmann (1850 bis 1936) ein deutscher General im Ersten Weltkrieg, der ab 1930 den Nationalsozialismus förderte und von 1932 bis 1936 Alterspräsident des Reichstages war. Er war Fontanes Vorbild für den „Stechlin“.

Bretternhof Der Bretternhof ist eine kleine Straße mit ursprünglich dörflichem Charakter. Später wurde sie ab ca. 1925 mit Eigenheimen bebaut Der Name dürfte von einem städtischen Bauhof (landw. Betrieb) abgeleitet sein. Erste Bebauung mit dem Charakter eines Hofes findet man bereits auf der Boizenburger Feldmarkskarte von 1727.

Buchenweg Der Buchenweg ist in den 1990er Jahren auf dem Acker Am Düstern Weg bebaut worden. Zunächst wurde er als Schwanheider Berg benannt. Im Jahre 1996 wurden die Straßen in dem Baugebiet die Straßen größtenteils nach Bäumen umbenannt.

Dr.-Alexander-Straße Dr. Alexander war ein kommunistischer Rechtsanwalt aus Berlin, den die Boizenburger im Jahre 1932 zu ihrem Bürgermeister gewählt hatten. Durch Verfügungen der Landesregierung und Veränderungen von Gesetzen konnte er das Amt nicht antreten.

Düstere Gahre Der Name dieser kleinen Gasse zwischen der Stiftstraße und der Quöbbe leitet sich vielleicht aus einer älteren Form für Gasse ab, die in Dänemark noch als Gade existiert. Dafür spricht auch, dass die heutige Hamburger Straße 1790 noch Steingare genannt wurde. Möglich, aber nicht sehr wahrscheinlich, ist auch die Ableitung aus einem Flurnamen, der aus dem altslawischen jaru für Tal gebildet wurde, hier wohl eher in der Bedeutung Niederung. Das Wort düster könnte auf dichten Waldbestand hindeuten. Dieser könnte aber auch durch Feuer gerodet worden sein, denn auch eine Ableitung aus altsl. goreti für brennen ist nicht auszuschließen.

Ehm-Welk-Straße Die Straße findet sich im „Dichterviertel“ der Bahnhofsvorstadt und wurde im Wesentlichen nach 1960 bebaut. Ihren Namen trägt sie seit 1959. Der Schriftsteller Ehm Welk (1884 bis 1966) ist vor allem durch seine Romane „Die Heiden von Kummerow“ und die „Die Gerechten von Kummerow“ bekannt geworden.

Eichenweg Dieser nahe der städtischen Anlage „Die Eichen“ gelegene Weg wurde wie die benachbarten Straßen im Zuge des Siedlungsbauprogramms in den 1930er Jahren angelegt, im Wesentlichen aber nach 1945 bebaut. Er hieß bis 1945 Claus-von-Pape-Straße, nach dem in Celle geborenen NS-Märtyrer, der bei Hitlers Putschversuch 1923 in München erschossen wurde.

Ellerholzplatz Der Platz, eine ursprünglich sumpfige Wiese, wurde in den 1990er Jahren mit einem Einkaufsmarkt bebaut. Er ist wie die angrenzenden Ellerholzwiesen nach einem historischen Erlengehölz benannt.

Erlenweg Der Erlenweg, der auf dem hohen Feld Am Düstern Weg in den 1990er Jahren angelegt wurde, ist - etwas unpassend für diese Lage - nach der Erle benannt. Zunächst hieß er Am Lindenhain (ebenfalls unpassend, da Hain ein in Norddeutschland nicht übliches Wort ist), wurde dann aber 1996 umbenannt.

Fährweg Der Fährweg ist heute laut Stadtplan keine amtliche Lagebezeichnung, aber im Volksmund noch präsent. Doch führen einige Gewerbebetriebe diese Adresse. Der Weg führte zu der alten Fährstelle, die die Verbindung über Brackede nach Lüneburg herstellte. An dem Weg entstand ab 1793 die Werft, die lange Zeit die Adresse Fährweg 1 führte. Später wurde der Weg durch das Werftgelände überbaut und seit 1939 schrittweise der Öffentlichkeit entzogen. Durch die neue Gewerbenutzung erlangt er wieder Bedeutung.

Feldstraße Die Feldstraße wurde als zweite Seitenstraße der Bahnhofstraße um 1900 angelegt, aber wohl als erste bebaut (siehe Messtischblatt).

Fiefhusen Beim Fiefhusen handelt es sich um eine kleine parallel zu den großen Hauptstraßen des Stadtzentrums angelegte alte Straße. Die Sage weiß zu berichten, dass in dieser Straße fünf (ndt. fief) Häuser beim großen Stadtbrand 1709 stehen geblieben sind, wonach die Straße ihren Namen erhalten haben soll. Diese Häuser sind jedoch auf dem Stadtgrundriss aus dem Jahre 1709 nicht zu finden.

Friedrich-Jacob-Klepper-Straße Die F.-J.-Klepper-Straße ist im Zuge der Errichtung einer Stadtrandsiedlung in den 1930er Jahren angelegt worden. Sie hieß bis 1945 Richthofenstraße, 1945 dann zunächst 3. Gasse, später bis 1991 Straße der Aktivisten. Der jetzige Name erinnert an den Lüneburger Weinhändler Klepper, der sich in den napoleonischen Kriegen als Patriot und als Mensch bewährt hat. Er hatte im Jahre 1813 zum Kampf gegen die napoleonischen Truppen unter General Morand eine Abteilung russischer Kosaken nach Lüneburg geholt und an deren Spitze mutig gekämpft. Der verwundete Morand wurde nach Boizenburg gebracht, wo er starb und begraben wurde. Sein damaliger Feind Klepper, der dann später in Boizenburg lebte, wurde auf eigenen Wunsch neben ihm begraben. Beide Gräber sind vor der Friedhofskapelle noch erhalten. Manfred von Richthofen (1892 bis 1918) war ein deutscher Jagdflieger, der im Ersten Weltkrieg gefallen ist.

Fritz-Reuter-Straße Diese Straße, die ursprünglich Chaussee-straße genannt wurde, ist um 1900 angelegt worden. Noch heute wird sie von Alteingesessenen gern Bahler Chaussee genannt. In den 1930er Jahren wurden in der Bahnhofsvorstadt im Zuge der Bebauung mit Eigenheimen in einem Viertel seitlich dieser Straße mehrere Straßen nach niederdeutschen Dichtern benannt. In diesem Zuge wurde die Straße 1940 dann nach dem großen mecklenburgischen Dichter Fritz Reuter (1810 bis 1874) benannt.

Fürstengarten Der Fürstengarten, südlich des Bollenberges gelegen, ist der Standort der für Boizenburg namensgebenden Niederungsburg, die wohl bereits auf einen slawischen Vorläufer zurückgeht. Die Burg ist im Dreißigjährigen Krieg (1644) durch den kaiserlichen General Gallas im Kampf gegen die schwedische Besatzung zerstört worden. In älteren Unterlagen findet sich auch der Name Herrengarten.

Galliner Chaussee Die Galliner Chaussee ist die äußere Fortsetzung der Galliner Straße.

Galliner Straße Die Straße mit Bebauung aus der ersten Hälfte des 20.Jahrhunderts führt nach Gallin und dann nach Zarrentin. Im Jahre 1914 gab es nur die Anlieger Molkerei und Tofelde. Gallin war im historischen Amt Boizenburg das im Norden am weitesten entfernte Dorf.

Gartenstraße Die Gartenstraße ist erst im beginnenden 20. Jahrhundert in den Gärten südlich des Friedhofes bebaut worden.

Gehrum Gehrum war ein zur Stadt Boizenburg gehöriges kleines Bauerndorf mit sechs städtischen Hüfnern, zwei Pfarrhüfnern und einem domanialen ursprünglich ritterschaftlichen Hüfner. Das Dorf wird 1453 im Landbederegister als Villa Gerem erwähnt. Den Namen leitet Trautmann vom Personennamen Jaromir ab. Gehrum hat keine eigene, aber Anteile an der Boizenburger Feldmark. Deshalb dient der Ortsname, wie ein Straßenname, als amtliche Lagebezeichnung.

Goethestraße Die Goethestraße ist im Zuge der Errichtung einer Stadtrandsiedlung in den 1930er Jahren angelegt worden. Sie hieß bis 1945 Graf-Spee-Straße, 1945 zunächst 1. Gasse, dann Goethestraße. Benannt ist sie nach dem größten deutschen Dichter Johann Wolfgang Goethe (1749 bis 1832). Graf Spee war ein 1914 im Ersten Weltkrieg bei den Falklandinseln gefallener Admiral der deutschen Kriegsflotte.

Große Wallstraße Diese historisch auch Petersilienstraße genannte Straße wurde als Ringstraße parallel zur Stadtbefestigung angelegt. Da die Stadtmauer früh geschleift wurde, bestand direkter Zugang zum Inneren Wallgraben. Dieser wurde dann malerisch mit einer Vielzahl von Brücken überquert.

Grüner Weg Der Name dieser Straße geht auf einen alten Flurnamen zurück. Die Straße erklimmt mit erheblicher Steigung die Anhöhe zur Stadtrandsiedlung. Die erste Bebauung stammt aus dem ausgehenden 19. Jahrhundert.

Gülzer Straße Hier handelt es sich um eine Straße in dem ab 1990 entstandenen Gewerbegebiet am Rande der Bahnhofsvorstadt, die keinen rechten Bezug zum namensgebenden Dorf hat.

Hafenplatz Der Hafenplatz erschließt sowohl gewerbliche Betriebe am Hafen als auch die entstehende Marina.

Hamburger Straße Diese Straße ist auf dem historischen Weg nach Lüneburg entstanden, der 1790 noch Steingare genannt wurde und im Fährweg seine Fortsetzung fand. Von ihm zweigte der Lauenburger Postweg ab. Durch den Straßenbau am Elbberg wurde die Hamburger Straße zur Fernverbindung nach Hamburg im Zuge der Berlin-Hamburger Chaussee. Die Bebauung stammt zum Teil aus dem 19. Jahrhundert aber auch aus dem beginnenden 20. Jahrhundert. Sie war und ist sehr heterogen bebaut mit gewerblichen Betrieben (Werft, historisch auch die Eisengießerei von Beckhaus und die beiden Sägewerke von Wehmann und Ziegert) und Wohnbebauung bis hin zu Villen. Von 1979 bis 1989 hieß die Straße Otto-Grotewohl-Straße. Die Umbenennung erfolgte offiziell zum 85. Geburtstag Grotewohls, war jedoch auf das Abgrenzungsbestreben der DDR-Führung zurückzuführen. Die Rückbenennung erfolgte wie beim Lauenburger Postweg in einer spontanen Aktion der Basisdemokratie noch im Dezember 1989.

Hans-Jürgen-P.-Lemm-Straße Die Straße ist im Zuge der Errichtung einer Stadtrandsiedlung 1937 angelegt, aber erst später bebaut worden. Die Bebauung erfolgte im Wohnungsbau-programm der Elbewerft in den 1950er Jahren. Sie hieß bis 1945 Adolf-Hitler-Straße, dann bis 1992 Ernst-Thälmann-Straße, ab 1992 Hans-Jürgen-P.-Lemm-Straße. Lemm war im Jahre 1793 der Begründer der Elbewerft. Der Naziführer und Reichskanzler Adolf Hitler (1889 bis 1945) ist als der größte deutsche Verbrecher gegen die Menschlichkeit in die Geschichte eingegangen. Ernst Thälmann (geb. 1886, ermordet im KZ 1944) war bis 1933 der Vorsitzende der KPD.

Heinrich-Heine-Straße Diese Straße ist im Zuge der Errichtung einer Stadtrandsiedlung in den 1930er Jahren angelegt und bebaut worden. Sie hieß bis 1945 Gustloffstraße und wurde dann in Heinrich-Heine-Straße benannt. Heinrich Heine (1797 bis 1856) war ein deutscher Dichter der Romantik und des Vormärz (Deutschland, ein Wintermärchen). Wilhelm Gustloff (1895 bis 1936), ein Schweriner, war ein NS-Funktionär, der in Davos ermordet wurde und fortan als Märtyrer galt.

Hölderlinstraße Die Straße ist erst kürzlich nach dem deutschen Dichter Friedrich Hölderlin (1770 bis 1843) benannt worden. Sie befindet sich zwischen der Schwartower Straße und der Theodor-Körner-Straße als Seitenstraße des Grünen Weges.

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Herrenbrücke

Herrenbrücke ist keine amtliche Lagebezeichnung. Die Brücke über den Wallgraben am Langen Wall war ursprünglich eine Zugbrücke, die nachts hochgezogen war. Offenbar stellte sie einen beliebten Schleichweg zur Umgehung des Zolls an den beiden Stadttoren dar. Im Boizenburger Wochenblatt finden sich 1841 folgende Artikel: Nr. 35 (25. Oktober) Bei der Anzahl und Wachsamkeit der hiesigen Steuerunterbedienten ist wohl nicht einmal zu besorgen, dass an Markttagen durch die sogenannte Herrenbrücke die Einbringung steuerbarer Gegenstände werde versucht werden. Warum denn aber jene Brücke an Markttagen so ängstlich verschließen, und den harmlosen Spaziergängern, die von ihren Actenstudien oder Schulstunden, oder Comtoirarbeiten sich losreißen, und in der freien Natur frisches Leben einathmen wollen, den Uebergang über jene Brücke wehren, und ihnen zumuthen, mit ihrer leichten Beschuhung den Schlamm vor unseren Thoren zu durchwaten? und warum den Arbeitern, die auf jenem Wege in ihre Scheuren und auf ihre Aecker zu gehen gewohnt sind, den Weg dahin ohne Noth verlängern? – Von unsrer liberalen und humanern Steuerbehörde lässt sich gewiß erwarten, dass sie diesen Gegenstand in Ueberlegung nehmen und die hiesigen Einwohner nicht nutzlos beschränken werde Nr. 36 (27. Oktober) Die Sperrung der Herrenbrücke hat etwas Unangenehmes, immer aber ist für diese Sperre leichter ein Grund zu finden, als für das Verschließen jener Brücke an Sonntagen während der Predigt; denn, daß willige Geber dadurch gezwungen werden sollten, die Hauptthore zu passiren, und sich den Durchgang dort zu erkaufen, ist wohl nicht anzunehmen.

John-Brinckman-Straße Die John-Brinckman-Straße im „Dichterviertel“ der Bahnhofsvorstadt wurde in den 1930er Jahren beginnend mit Eigenheimen bebaut. Benannt ist sie seit 1940 nach dem 1814 bis 1870 lebenden mecklenburgischen Dichter („Kasper Ohm un ick“ u. a.)

Kampstraße oder Kamp Kleine Straße im alten Scheunenviertel am Hang seitlich des Lauenburger Postweges. Der Name geht auf einen Flurnamen zurück, der Ackerschläge bezeichnet.

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Der Kirchplatz ist in den 1990er Jahren neu gestaltet worden

Kirchplatz

Die Straße rund um den alten Kirchplatz führt diesen Namen. Im östlichen Teil, wo die Straße recht breit ist, wurde sie in früheren Zeiten auch als Schweinemarkt genutzt.

Klaus-Groth-Weg Im „Dichterviertel“ der Bahnhofsvorstadt gelegen und mit Eigenheimen, teils Behelfsheimen aus der Kriegs- und Nachkriegszeit bebaut, führt seit sie 1940 den Namen des holsteinischen Mundartlyrikers (1819 bis 1899).

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Kleine Wallstraße. Im Hintergrund ist das Logenhaus erkennbar.

Kleine Wallstraße siehe auch Große Wallstraße. Am südlichen Ende der kleinen Wallstraße befand sich die Henkerbrücke, in der Mitte an der Twiete vom Markt der Pulverturm (deshalb die bei Jugler 1797 angeführte Bezeichnung „bei dem Pulverthurme“) und an der Mühlenstraße das Schinderhaus. In der Nr 7. befindet sich in der ehemaligen jüdischen Synagoge wieder das Logenhaus der Freimaureloge „Vesta zu den drei Türmen“. Das nördliche Ende der Straße (Nr. 1 und 2) ist durch die Anlage der Stiftstraße in den 1930er Jahren isoliert worden und wird kaum noch als zu dieser Straße gehörend empfunden.


Klingbergstraße Die Klingbergstraße ist in dem alten Verlauf und der wechselnden Straßenbreite, wie sie sich vor dem Stadtbrand von 1709 zeigte, erhalten geblieben. Der Brand ist gerade in dieser Straße ausgebrochen und hat, durch starken Westwind bedingt, nahezu die ganze Stadt vernichtet. In der westlichen Häuserzeile sind einige Häuser aus der Zeit vor dem Stadtbrand erhalten. Eines der Häuser, die den Stadtbrand überdauert hatten, das 1664 erbaute Salzhaus (Nr.45), wurde um 1900 abgebrochen. Es erinnerte an die Zeit als Boizenburg noch eine bedeutende Rolle im Salzhandel von Lüneburg spielte. Der Straßenname wird sehr unterschiedlich erklärt. Er ist auch in anderen Städten zu finden. Wahrscheinlich wird er aus der Lage zum Hauptzugang der Stadt, dem Mühlentor, herzuleiten sein. Das Tor ist die Klinke = Türriegel zur Stadt. Das Wort Klinke leitet sich wiederum vom klingen her, vom Geräusch, das der Fallriegel beim Schließen macht. Der Name kann jedoch auch vom Klingen der Schmiedehämmer abgeleitet sein. Eine Benennung nach einer Klinge, einer Erosionsrinne am Abhang, kann wie die nach einer Person mit ziemlicher Sicherheit ausgeschlossen werden. Jugler, der 1797 in seiner Chronik die Stadt beschrieben hat, kannte noch keinen Namen für diese Straße. Jedoch wurde bereits im Jahre 1494 ein „Heinrich Berchhane ufm Klingenberge“ genannt.. Der Name findet sich auch auf einer Karte der Situation von 1790.

Die Könisstraße mit Blick in Richtung Markt etwa 1935

Königstraße Königstraßen gibt es in vielen Städten. Sie bezeichnen immer wichtige Straßen, in der Regel die historischen Hauptstraßen der Städte, ohne einen Bezug zu der Person eines Königs zu haben. So ist auch in Boizenburg diese zentrale Straße der Altstadt nur als wichtigste Straße zu deuten. Sie wurde aus ideologischen Gründen kurz nach dem Zweiten Weltkrieg, wie alle Königstraßen in der sowjetischen Besatzungszone, umbenannt. Den Namen Karl-Marx-Straße trug sie bis 1991.

Küsters Gärten Dieses war ursprünglich nur ein Gartengebiet, das nach einem Eigentümer, dem Bäcker Küster in der Königstraße, benannt war, bis dann in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst Behelfsheime, dann Eigenheime entstanden sind.

Kurze Straße Diese kurze Straße in der Bahnhofsvorstadt ist etwa 1930 angelegt und benannt worden.

Kantorsteig Hier handelt es sich nicht um einen amtlichen Straßennamen sondern um eine Twiete zwischen dem Kirchplatz bzw. der Baustraße und Wall, die als Wassergang gedient haben wird.

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Kloster


Der im Volksmund als Kloster bezeichnete kleine Straßenzug (Bild) seitlich des Bollenbergs trägt als amtlichen Namen die Bezeichnung Bollenberg. Der Name Kloster ist kaum zu erklären, da es in Boizenburg kein loster gegeben hat. Auf der Häuser-Bestandskarte von 1710 (nach dem Stadtbrand) ist ein großes Gebäude in dieser Lage eingezeichnet. Es wird sich möglicherweise um das mehrfach in frühneuzeitlichen Quellen genannte St.Annen-Hospital gehandelt haben, das dann möglicherweise im Volksmund Kloster genannt wurde.

Ladestraße Wie der Name zum Ausdruck bringt, befindet sich diese Straße unmittelbar am Bahnhof. Sie war Zugang zum Güterschuppen und den Verladegleisen.

Lange Straße Die Straße ist als eine der ersten in der Stadtrandsiedlung in den 1930er Jahren entstanden. Zunächst hieß sie bis 1945 Hindenburgstraße nach dem General und Reichspräsidenten Paul von Hindenburg (1847 bis 1934).

Lauenburger Postweg Boizenburg lag bis zum Bau der Hamburg-Berliner Chaussee, der heutigen B 5, an der Postverbindung zwischen den beiden großen Städten. Auf dem Elbberg ist erst im Zuge des Chausseebaus die Straße angelegt worden. Zuvor ging die Postverbindung über den Lauenburger Postweg südlich an Streitheide und nördlich der Sieben Gründe zur Horst. Die Straße hieß von 1979 bis 1991 Bergstraße. Sie wurde gemeinsam mit der Hamburger Straße auf Grund des Abgrenzungs-bestrebens der DDR-Führung umbenannt. Zur Rückbenennung siehe Hamburger Straße.

Lindenstraße Die Straße in der Bahnhofsvorstadt ist etwa 1930 angelegt und benannt worden.

Ludwig-Reinhard-Straße Im Zuge der Bebauung im DDR-Wohnungsbauprogramm in den 1970er Jahren wurde diese Straße angelegt. Sie ist nach dem 1843 bis 1850 als Rektor der Boizenburger Stadtschule tätigen Demokraten und Publizisten Ludwig Reinhard (1805 bis 1877) benannt. Ludwig Reinhard war linker Demokrat und als solcher Abgeordneter in der Deutschen Nationalversammlung in Frankfurt am Main. Deshalb wurde er 1850 vom Dienst suspendiert. Er war bereits zuvor und bis zu seinem Lebensende publizistisch tätig und schrieb vor allem satirische Schriften, u. a. „Schwerin. Ein Sommermärchen“ und eine satirische Darstellung der mecklenburgischen Rangordnung.

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Der Markt mit dem sanierten Rathaus und dem umgestalteten Kirchplatz

Markt Der großzügige Boizenburger Markt als Platzensemble mit dem Kirchplatz und dem darauf befindlichen barocken Rathaus entstand nach dem Stadtbrand von 1709 nach den Plänen des Ingenieurcapitäns Jakob Reutz, der auch ein ähnliches Ensemble in der Schweriner Schelfstadt geschaffen hat. Der Platz hieß von ca. 1949 bis 1960 Stalinplatz und von ca. 1960 bis 1991 Platz des Friedens.

Markttorstraße Die historische Straße führte vom Markt bis zum Markttor, später dann darüber hinaus. Nach Jugler führte die Straße 1797 noch keinen eigentlichen Namen, sondern wurde nur im Volksmund bei dem Marktthore genannt. Das Markttor, eine Doppeltoranlage, beschreibt Jugler so: „… es besteht aus zwei gewölbten Durchfahrten, deren Aeussere für die Wache aptiert ist, und die Innere, worauf ein kleiner Turm steht, oben die Wohnung des Stadtmusicus ausmacht. Aussen dicht vor der äusseren Durchfahrt ist die Wohnung des Thorschreibers, und innen dicht an derselben nach dem langen Walle hin, die des Stadtholzvogts.“

Metlitzer Weg Der Metlitzer Weg ist in den 1990er Jahren auf dem Metlitzberg bebaut worden. Zusammen mit der Straße Am Keesboom bildet sie den Abschluss der Bebauung zur Umgehungsstraße.

Metlitzhof Metlitzhof war ein 1857 angelegter, der Stadt Boizenburg gehöriger Pachthof, für den die Stadt an den ritterschaftlichen Landkasten Steuern bezahlte. Der Hof ist noch nicht in der Schmettau-Karte von 1793 verzeichnet. Auch der Staatskalender von 1825 führt ihn noch nicht auf. Der Name geht auf einen Flurnamen zurück, der im Metlitzberg und in den Metlitztannen noch zu finden ist. Dieser wiederum ist auf das altslawische metly zurück zu führen, was Windhalm heißt - ein Gras, das in Heiden häufig zu finden ist. Heute dient der Name als amtliche Lagebezeichnung

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Mühlenstraße. In der Mitte rechts die Alte Stadtschule

Mühlenstraße Die Mühlenstraße ist die historische vom Kirchplatz zur ehemaligen Binnenmühle an der Amtsfreiheit führende Straße. Die Amtsfreiheit am Südende der Straße, oft im Volksmund auch Mühlenplatz genannt, beherbergte Einrichtungen des früheren Domanialamtes, u. a. die Wohnung des Amtslandreiters (Gendarm), der späteren Deckstation des Landgestüts Redefin, und war deshalb nicht im städtischen sondern im großherzoglichen Besitz. In der Straße befanden sich die alte Stadtschule, der Ludwig Reinhard vorstand, das erste städtische Krankenhaus, die Neue Apotheke und das Schinderhaus.

Neuer Weg Hier handelt es sich um eine Seitenstraße des Grünen Weges.

Paul-Czellnik-Straße Diese Straße ist im Zuge der Errichtung einer Stadtrandsiedlung in den 1930er Jahren angelegt, vor dem Krieg aber nur einseitig bebaut worden. Die weitere Bebauung erfolgte 1945 mit Behelfsheimen für Flüchtlinge. Die Straße hieß bis 1945 Horst-Wessel-Straße nach dem im Jahre 1930 ermordeten nationalsozialistischen Funktionär (SA-Führer). Paul Czellnik war ein Boizenburger Kommunist, der 1936 in der Haft ermordet wurde.

Die Reichenstraße mit Blick in Richtung Markt etwa 1935

Reichenstraße Die historische Straße war schon zu Zeiten Juglers so benannt. Er nennt sie in seiner Chronik der Stadt. Sie kann jedoch erst nach dem Stadtbrand im heutigen Verlauf entstanden sein. Denn bei der Herstellung einer Kanalisation im Jahre 1935 wurden Reste einer Befestigung und eines Grabens unter der Straße gefunden, die wohl die alte Kernstadt vom vielleicht noch zum landesherrlichen Burgbereich gehörenden Bollenberg trennten. Der Name findet sich auch in anderen Städten. So wird in Bautzen bereits 1359 die Reichenstraße als platea divitum - übersetzt Straße der Reichen -bezeichnet. Er könnte folglich von den reichen Bewohnern abgeleitet sein. Von ca. 1950 bis 1991 führte die Straße den Namen Klara-Zetkin-Straße.

Rhedewiesen Der Name Rhedewiesen ist ein Flurname, der für die dort befindlichen Häuser als amtliche Lagebezeichnung dient.

Richard-Markmann-Straße Die seinerzeit neu angelegte Straße ist 1956 nach dem ersten von der sowjetischen Besatzungsmacht eingesetzten Boizenburger Nachkriegsbürger-meister, dem Kommunisten Richard Markmann, benannt worden. Richard Markmann bzw. dessen Gattin ist älteren Boizenburgern noch als Besitzer eines Kramladens in der Königstraße 13 und eines Eselgespanns bekannt.

Richard-Schwenk-Straße Die Straße ist im Zuge der Errichtung einer Stadtrandsiedlung in den 1930er Jahren bebaut worden. Sie hieß bis 1945 Brackmannstraße, danach Richard-Schwenk-Straße. Richard Schwenk (geb. 1906) war ein Boizenburger Kommunist. August Brackmann war ein Nationalsozialist, der bei politischen Auseinandersetzungen 1932 getötet wurde.

Ringstraße Das nach 1990 gebaute Gewerbegebiet wird teilweise durch diese Straße erschlossen.

Rudolf-Tarnow-Straße Diese Straße ist am Anfang des 20. Jahrhunderts als Duensingstraße mit Arbeiterwohnungen für die Duensingsche Plattenfabrik (Fliesenwerk) erbaut worden. Am Kriegsende wurden am äußeren Ende der Straße Behelfsheime errichtet. Nach 1945 hieß sie Karl-Liebknecht-Straße nach dem Mitbegründer der KPD, der 1919 ermordet wurde. Nach 1990 wurde sie in Anlehnung an die in der Nachbarschaft vorhandenen Straßennamen in Rudolf-Tarnow-Straße nach dem mecklenburgischen Läuschendichter (1867 bis 1933) umbenannt.

Schillerstraße Die Straße ist im Zuge der Errichtung einer Stadtrandsiedlung in den 1930er Jahren bebaut worden. Sie hieß bis 1945 Schlageterstraße nach dem NS-Märtyrer Albert Leo Schlageter (1894 bis 1923), einem Freikorpsoffizier, der wegen Sabotage im besetzten Rheinland von einem französischen Kriegsgericht zum Tode verurteilt und erschossen wurde. Im Jahre 1945 wurde sie nach Friedrich Schiller, einem der größten deutschen Dichter der Weltliteratur, benannt.

Schützenplatz Die Boizenburger Schützenzunft wurde bereits 1658 gegründet. Wenige Jahrzehnte danach im Jahre 1693 wurde das erste Schützenhaus erbaut. Das barocke Gebäude brannte 1913 ab. Seinen noch im gleichen Jahr fertig gestellten Nachfolgerbau ereilte im Jahre 1993 das gleiche Schicksal, nachdem er bereits 1945 schwer beschädigt worden war und zwischenzeitlich als Klubhaus der Elbewerft gedient hatte. Die Schießbahn der Schützenzunft hinter dem Schützenhaus dürfte gleich in den Anfängen der Zunft angelegt worden sein, denn auf der Karte von 1727 ist sie bereits zu erkennen. Der Schützenplatz ist als Festplatz angelegt worden. Als solcher hat er bis etwa 1950 gedient. Dann wurde auf dem Platz die Betriebsberufsschule der Elbewerft errichtet.

Schützenstraße Die im ausgehenden 19. Jahrhundert auf einem ehemaligen Kamp angelegte Straße führt von der Hamburger Straße in Richtung der Turnereichen.

Schwanheider Straße Diese Straße bildet die Verlängerung des Schwanheider Weges. Im Zuge der Errichtung der Stadtrandsiedlung wurden einige Siedlungshäuser gebaut. Zunächst hieß sie bis 1945 Dietrich-Eckart-Straße. Dietrich Eckart war ein antisemitischer Schriftsteller und Journalist.

Schwanheider Weg Der 1727 als Weg nach Schwanenheyde und Möllen bezeichnete Weg ist ein historischer Frachtweg nach Lübeck und Holstein. Nach dem Stadtbrand 1709 wurden die Scheunen aus der Stadt verlegt. Auch am Schwanheider Weg entstand ein Scheunenviertel. Die übrige Bebauung entstammt unterschiedlichen Zeiten.

Schwartower Steig Der Schwartower Steig, der von der Schwartower Straße abzweigte und wieder auf sie traf, war ein historischer Kirchsteig für die Schwartower. Die heutige Straßentrasse befindet sich in der Nähe der historischen. Die Bebauung erfolgte nach 1990.

Schwartower Straße Historisch wurde die Straße im Jahre 1727 als Weg nach Wittenburg und Gadebusch bezeichnet. Hierbei handelt es sich zu unterschiedlichen Zeiten um zwei verschiedene Wegetrassen. Die ältere Trasse war der historische Salzfrachtweg nach Wismar über Schwartow, Hatzberg, Granzin, Kogel, Waschow, westlich vorbei an Wittenburg und Schwerin. Wobei eine Variante wohl über Gadebusch führte und der Frachtweg auch südlich Schwerin über die Mueßer Fähre Verbindung nach Güstrow, Rostock und Neubrandenburg hatte. Die zweite Wegetrasse ist historisch jünger. Es handelt sich um die Postverbindung nach Schwerin über Schwartow, Zahrensdorf, Klein Bengerstorf, Schildfeld, Wittenburg, Parum und Pampow. Diese stellte die Verbindung von Schwerin zur Berlin-Hamburger Post und nach Lüneburg und Celle her. Über die Schwartower Straße verlief auch der Salzfrachtweg nach Lübeck über Ratzeburg, der dann im heutigen Waldweg seine Fortsetzung fand.

Stiftstraße Etwa 1926 wurde diese Straße neu angelegt. Noch in den 1950er Jahren wurde sie häufig als neue Straße bezeichnet. Ihren Namen hat die Straße nach dem an der Mündung in die Schwartower Straße befindlichen Stift „St. Jürgen“, einem städtischen Altenheim, das ursprünglich als ein Sankt-Georgs-Hospital zur Versorgung Kranker aus ärmeren Schichten diente. Zum Bau der Straße mussten in der Kleinen Wallstraße die Häuser Nr. 3 und 4. abgerissen werden. Darüber hinaus war der Bau zweier Brücken über die Wallgräben ebenso wie ein Damm durch die Quöbbewiese erforderlich, der die Bleiche von der Ziegenwiese trennte. Die Bebauung ist größtenteils villenartig.

Straße der Einheit Die Straße ist im Zuge des Baues der Stadtrandsiedlung in den 1930er Jahren angelegt aber erst in den 1950er Jahren bebaut worden. Bis 1945 hieß sie Weddigenstraße, 1945 zunächst 2. Gasse, dann Straße der Einheit, In den 1970er Jahren wurde sie umbenannt in Carl-Templiner-Straße und 1991 wieder in Straße der Einheit. Weddigen war ein deutscher U-Boot-Kommandant im Ersten Weltkrieg. Carl Templiner war ein Boizenburger Kommunist.

Theodor-Körner-Straße Die Straße, angelegt in den 1960/70er Jahren, verläuft in ehemaligen Gärten, etwa auf Teilen der historischen Trasse des Schwartower Steiges parallel zur Schwartower Straße. Sie wurde nach dem Dichter des Befreiungskampfes gegen die napoleonische Besetzung Theodor Körner (1791 bis 1813) benannt, der bei Gadebusch gefallen ist und in Wöbbelin begraben liegt.

Toitenwinkel Hierbei handelt es sich nicht um eine Straße sondern um einen Wohnplatz, der nach einem Flurnamen benannt ist. Dieser lautet in der Überlieferung jedoch Am toten Winkel, eine Bezeichnung die offenbar nicht gern als Adresse gewünscht war.

Turnereichen Die Straße liegt unterhalb des Turnereichen genannten Gehölzes, bebaut in den 1930er Jahren mit Wohnungen für Werftarbeiter. Zunächst wurde sie 1936 Gustav-Adolf-Mahr-Straße nach dem Werftdirektor (seit 1925) benannt und dann 1938 nach Mahrs Selbstmord umbenannt. Der Name Turnereichen für diesen Teil des Waldkranzes am Abhang um die Altstadt hat seinen Ursprung in der Turnerbewegung im frühen 19. Jahrhundert.

Twiete In Boizenburg gibt es eine ganze Reihe von Twieten, die zum Teil offiziell diesen Namen tragen, teils aber auch nur im Volksmund so genannt werden. Twieten sind Gassen, die zwei (niederdeutsch: twei) Straßen miteinander verbinden. In Boizenburg dienten sie als Wassergänge für den Brandfall in Richtung Wallgräben und Färbergraben. Amtlich so benannt sind die Erste bis Vierte Twiete, die die Große Wallstraße, die Baustraße, die Königstraße, die Reichenstraße und den Bollenberg miteinander verbinden. Die Zweite Twiete trägt im Volksmund auch den Namen Schweinsrücken (so auch bei Jugler). Weitere Twieten verlaufen von der Mühlenstraße (2 Twieten) zum Wallgraben, vom Kirchplatz zu Wallgraben (Kantorgang), von der Klingbergstraße zum Wallgraben (an der Herrenbrücke) und zum Färbergraben und vom Bollenberg zum Färbergraben.

Vor dem Mühlentor Die Straße Vor dem Mühlentor ist ein frühzeitig zum Schutz gegen die Hochwässer der Elbe aufgedämmter Stadtausgang, der häufig - aber nicht sicher - den einzigen trockenen Ausgang aus der Stadt gewährte. So musste die Hamburg-Berliner Post von Lauenburg kommend durch das Mühlentor in die Klingbergstraße und damit in die Stadt hineinfahren und bei Hochwasser auch auf diesem Wege verlassen, um dann über Schwartow und die Gamm in Richtung Hühnerbusch zu fahren, während zu anderen Zeiten die Trasse durch das Markttor über Bahlendorf, Bahlen, durch die Bahler Tannen zum Hühnerbusch verlief. Auch die o. g. Frachtwege nach Lübeck und Wismar und der Postweg über Wittenburg nach Schwerin nutzten diese Straße. Das Mühlentor beschreibt Jugler mit den Worten: „Das Mühlenthor ist von der Aussenmühle, zu der es führt, genannt: es hat nur eine gewölbte Durchfahrt, worin die Wache ist und der Stadtschließer wohnt, und vor welcher dicht aussen die Wohnung des Thorschreibers steht.“

Waldstraße Hier handelt es sich um die Straße von der B 195 nach Metlitzhof, der die Metlitzer Tannen durchquert. In der Karte von 1727 ist sie als Weg nach Ratzeburg und Lübeck bezeichnet. Es handelt sich um den historischen Salzfrachtweg, der über die Metlitzfort, heutigem Durchlass über den Bach aus den Rhedewiesen, führt und dann über Heidekrug, Bürgerhof, Besenthal östlich an Mölln vorbei, bei Fredeburg die B 207 erreicht. Auf ihm wurde das per Schiff nach Boizenburg gebrachte Lüneburger Salz nach Lübeck transportiert.

Weidestraße Diese Straße ist vor 1930 südlich der Bahnhofstraße angelegt und 1930 benannt worden. An deren Ende befand sich eine Windmühle, die im Jahre 1930 einem Brand zum Opfer fiel.

Weg der Jugend Die Straße nördlich der Bahnhofstraße zwischen der katholischen Kirche und dem ehemaligen Kulturhaus der Fliesenwerke ist zunächst nur eine Zufahrt zum Kulturhaus und zum Ledigenheim der Fliesenwerke gewesen. In den 1970er Jahren wurden in der ehemaligen Wiese hinter dem Kulturhaus Wohnblöcke errichtet. Dazu musste in großem Umfange Füllboden aus Klein Bengerstorf herangebracht werden.

Wendhörn Einige Einzelgehöfte auf der den Flurnamen Wendhörn tragenden Fläche östlich der Bahnlinie auf der Metlitz tragen diesen Namen als Postadresse. In der Karte von 1727 wird der Flurname Aufn Wendhören aufgeführt. Der Name weist auf die frühere wendische Besiedlung hin. Die Silbe –hörn bringt zum Ausdruck, dass hier eine höhere Lage in Winkelform als Ausläufer des Metlitzberges vorhanden ist.

Wossidlostraße Die Wossidlostraße ist eine Straße des „Dichterviertels“ an der Fritz-Reuter-Straße, 1940 benannt nach dem mecklenburgischen Volkskundler und Schriftsteller Richard Wossidlo (1859 bis 1939).

Zachaus Kamp Der kleine Weg unterhalb der Eichen zwischen dem Schwanheider Weg und der Schwartower Straße hat ursprünglich nur die anliegenden Gärten erschlossen. Er ist aber in den letzten Jahrzehnten zunehmend bebaut worden. Der Name geht auf einen Flurnamen zurück, der auf einen ehemaligen Besitzer des Kamps (Feld), den Kaufmann und Tabakfabrikanten Wilhelm Anton Christian Zachau (1819 in der Volkszählungsliste), hinweist. In der Karte von 1727 ist hier ein Kamp verzeichnet.

Quellenverzeichnis

  1. Stadtplan Boizenburg/Elbe mit allen Stadtteilen, 4.Auflage, Städte-Verlag, E.v.Wagner & J.Mitterhuber GmbH, Fellbach
  2. J.H.Jugler, Boizenburg, Abriß einer Geschichte der Stadt Boizenburg nebst einer Beschreibung derselben von 1154 – 1789, Herausgegeben von J.E.Fabri, Professor der Philosophie, Nürnberg 1797
  3. Hans Vick, Sagen und Erzählungen aus Boizenburg, in Heimatblätter des Kreises Hagenow, Boizenburg 1956
  4. derselbe, Das Boizenburger Stadtbild, Sonderdruck aus den „Monatsheften für Mecklenburg“, April 1938
  5. Uwe Wieben u.a., Boizenburg, Beiträge zur Geschichte der Stadt, 1255 – 1980, Rat der Stadt Boizenburg, 1980
  6. derserlbe, Boizenburger Chronik. Das Zwanzigste Jahrhundert, Schwerin 2001
  7. Carte von der Stadt Boizenburg, 1ter Teil, Worinnen gantz deutlich derselben Immobilien und wie weit sich solche erstrecken vorgestellet werden, F. Brückmann Senior facit
  8. K.Wulf u.a., Boizenburg in alten Ansichten, Band 1 bis 3, in Europäische Bibliothek, Zaltbommel/Niederlande 1991, 1994 und 1997
  9. Bekanntmachung des Bürgermeisters Richard Markmann über die Anordnung der Änderung von Straßennamen vom 13.8.1945
  10. W.Jesse, Die Schweriner Straßennamen, Aufsatz in der Mecklenburgischen Zeitung vom 6.April 1913
  11. D. Greve, Die Schweriner Straßennamen, Ihre Herkunft und Bedeutung, Schwerin 2001
  12. Archivalien des Kreisarchives Ludwigslust, Signaturen 2115, 2116, 2639 und 2672.
  13. Landeshauptarchiv Schwerin, Bestand Karten, Boizenburg, Nr. 367, Grundriss von Boitzenburg 1790
  14. Uwe Karsten, Mündliche Mitteilungen

Stadtfeldmark Boizenburg - Flurnamen

Die Flurnamen sind in Boizenburg teils niederdeutschen, teils auch slawischen Ursprungs. Der Anteil der Flurnamen slawischen Ursprungs ist geringer als beispielsweise in den angrenzenden Gebieten des Amtes Neuhaus oder gar des Wendlands.

Die Boizenburger Stadtfeldmark umfasste um 1700 nach Hoinckhusen: „die Stadt Boizenburg mit ihren Äckern, Weiden, Wiesen, Heiden; es gehören ferner dazu: das Dorf Gehrum, der Bürgerhof, Heide, Ziegelei, Stadtschäferei, die Fähren über die Elbe, die Marsch an der Elbe, die Elbfischerei, woran die Landesherrschaft mit beteiligt ist.“

Die Stadtfeldmark einschließlich des Gehrumer Anteils stellt eine Langstreifenflur dar, während in Bürgerhof und den Heiden nur Kämpe angelegt sind. Einzelne Kämpe umgeben auch die Stadt am Übergang von der Niederung zur Höhe.


Benutzte Karten:

  1. Reutz, Grundriss der Stadt Boizenburg, 1709 (Reutz 1709)
  2. F.Brückmann senior, CARTE von der Stadt BOITZENBURG, Worinnen gantz deutlich derselben Immobilien, und wie weit sich solche erstrecken, vorgestellet, 1727 (FMK 1727)
  3. G.M. Mayer, Geometrischer Grundriß: Genandt die Gamme, ohnweit von Boitzenburg belegen, und zur Weyde gebraucht wird: darinnen nachfolgende Örther von der Stadt Boitzenburg benannt. 1729 (Mayer 1729)
  4. Grundriss von Boitzenburg, 1790 (Stadtgrundriss 1790)
  5. Knöchel, Gebrüder, Brouillon Charte von der an der Stadt Boitzenburg den Domanial Dörfer Bahlen, Bahlenhof und Gothmann gehörende communion Weide im Behsen und Stübber, 1816 (Knöchel 1816)
  6. W. Hertel, Plan von der neuanzulegenden Schäferei in der Stadtheide Boizenburg, (Es handelt sich um den Metlitzhof.), 1857 (Hertel 1857)
  7. Hertel und Seitz, Karte von dem Gebiet der Stadt (einschließlich Heidekrug, Stadtforst, Piperkaten und Bürgerhof), 1868 (Hertel/Seitz 1868)
  8. Messtischblätter Boizenburg und Gresse, 1881 (MTB)
  9. Stadtplan Boizenburg/Elbe, 4.Auflage, Fellbach 2002 (Stadtplan)

Weitere Quellen:

  1. Karl Heinz Niemann, Flurnamensammlung von Boizenburg – Manuskript (Niemann)
  2. Hans Vick, Sagen und Erzählungen aus Boizenburg, Hagenow 1956 (H.Vick)
  3. derselbe, handschriftliche Aufzeichnungen
  4. Johann Heinrich Jugler, Boizenburg. Abriß einer Geschichte der Stadt nebst einer Beschreibung derselben von 1154 – 1789, in Magazin für die Geographie, Staatenkunde und Geschichte, herausgegeben von J. E. Fabri, Professor für Philosophie, Nürnberg 1797

Im Stadtgebiet wurden einige nicht mehr geläufige Straßen- und Platznamen aufgenommen. Die Aufnahme in die Ausarbeitung erfolgt als Ergänzung zu dem Beitrag des Verfassers zu den Boizenburger Staßennamen in der vom Boizenburger Museumsverein im Jahre 2004 herausgebenen Broschüre „Stadtentwicklung und Bauen in Boizenburg“ , weil Straßennamen bis zum beginnenden 19. Jahrhundert generell noch keinen amtlichen Charakter hatten, sondern wie Flurnamen im Volksmund geprägt wurden. Die Broschüre beinhaltet die gegenwärtig noch gültigen amtlichen Straßennamen. Zusätzlich wurde in diese Ausarbeitung die Klingbergstraße aufgenommen, weil eine frühe Nennung dieses Namens zwischenzeitlich aufgefunden wurde, ebenso der Bollenberg, der ausgeprägten Charakter eines Flurnamens trägt. Von den historischen Straßennamen des Stadtzentrums wurden nicht aufgenommen Baustraße, Fiefhusen, Kirchplatz, Königstraße, Marktplatz, Mühlenstraße, Reichenstraße und die beiden Wallstraßen, die in der erwähnten Broschüre behandelt wurden.

An dieser Stelle sollen Auszüge aus der Ausarbeitung „Boizenburger Straßennamen" wiedergegeben werden. Diese beziehen sich zum großen Teil auf Flurnamen. Somit werden die Bezüge deutlicher.


Flurnamen usw. in der Stadt




Historische Gebäude und Bauwerke sowie Flurnamen im bebauten Stadtgebiet

1. Rathaus Das Boizenburger Rathaus ist nach dem Stadtbrand von 1709 im Jahre 1711 auf den Fundamenten und Kellerresten eines Vorgängerbaus errichtet worden. Es ist nicht sicher, ob der Plan für das Rathaus wie der Regulierungsplan für die Stadt von Jacob Reutz stammt, der bereits 1710 verstorben ist. Der gut proportionierte Barockbau konkurriert mit dem ähnlichen Grabower Rathaus.

2. Stadtkirche St. Marien und Jacobus Die Stadtkirche wurde beim Stadtbrand 1709 sehr geschädigt, so dass nur wenig mittelalterliche Substanz erhalten geblieben ist. Nach dem Brand wurde sie durch den Ingenieur-Kapitän Christian Friedrich von Knesebeck als barocker Zentralbau wieder aufgebaut. In den Jahren 1860/65 erfolgte eine neugotische Erneuerung der Kirche durch Theodor Krüger. Dabei wurde der noch vorhandene mittelalterliche Chor abgetragen und durch einen neugotischen ersetzt.

3. Amtshaus Das Amtshaus am Kirchplatz ist in den 1960er Jahren zu einer Schule umgebaut worden. Zuvor befanden sich in dem klassizistischen Gebäude die Amtsverwaltung, das Amtsgericht und im Hintergebäude das Amtsgefängnis. Letzteres wurde nach dem seinerzeitigen Gefängniswärter in der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg im Volksmund Tonagels Hotel genannt.

4. Bürgerhaus Kirchplatz 13 Eines der wertvollsten Boizenburger Bürgerhäuser stellt das in der Barockzeit erbaute Haus Kirchplatz 13 dar. Es wurde in den letzten Jahrzehnten bis vor kurzem als Museum genutzt.

5. Petersilienstraße überliefert, Grundriss 1790, Jugler 1797 Die Große Wallstraße wurde früher so genannt. Der Name soll sich daraus ableiten, dass die Besitzer der Grundstücke ohne Gärten Petersilie in Töpfen vor den Häusern gezogen haben. Eine andere Erklärung bezeichnet diesen Namen als abwertenden „Ökelnamen“.

6. Ziegenmarkt überliefert. Als Ziegenmarkt wird im Volksmund der Platz an der Klingbergstraße zwischen der Großen Wallstraße und der Baustraße bezeichnet. Der Name weist auf eine frühere Marktnutzung hin. Der auch in anderen Städten vorkommende Name bedeutet wohl nur, dass es ein kleiner Markt gewesen ist.

7. Schweinsrücken überliefert, Grundriss 1790, Jugler 1797. Die Zweite Twiete zwischen der Königstraße und der Baustraße wird im Volksmund Schweinsrücken genannt.

8. Miegentwiete'überliefert Niemann. Die Twiete zwischen der Reichenstraße und dem Bollenberg wurde im Volksmund so genannt, weil die Gäste der nahen Gaststätten sie häufig als Bedürfnisstätte genutzt haben (von ndt. miegen für urinieren).

9. Klingbergstraße überliefert. Diese Straße ist eine der alten Straßen, die auf der Westseite teilweise mit historischer Bebauung den Stadtbrand im Jahre 1709 überstanden hat. Offenbar ist sie nach einer höheren Lage benannt. Bereits im Jahre 1494 wird ein Heinrich Berchhane uffm Klingenberge genannt. Der Name der geringfügigen Anhöhe wiederum wird nach seiner Lage zu dem Hauptzugang zur Stadt, dem Mühlentor, herzuleiten sein. Das Tor ist die Klinke = Türriegel zur Stadt. Das Wort Klinke leitet sich vom Klingen ab, dem Geräusch, das der Fallriegel beim Schließen macht. Der Name kann aber auch vom Klingen der Schmiedehämmer abgeleitet sein.

10. Bürgerhäuser Klingbergstraße Nach dem Stadtbrand 1709 blieben nur wenige Bürgerhäuser erhalten. An der Westseite der Klingbergstraße erhielten sich bis in unsere Zeit mehrere Fachwerkgiebelhäuser. Eines davon findet sich unter der Adresse Klingbergstraße 38 gegenüber der Einmündung der Königstraße (siehe Bild).

11. Salzhaus Boizenburg war lange Zeit ein Salzhandelsort. Aus dem benachbarten Lüneburg wurde das Salz per Schiff über die Ilmenau und die Elbe nach Boizenburg transportiert, hier zwischengelagert und auf den Landstraßen nach Lübeck und Wismar gebracht. Der Bau einer Kanalverbindung über die Schaale und den Schaalsee nach Wismar ist wegen der Höhenverhältnisse nicht vollständig realisiert worden.

12. Bollenberg überliefert, Grundriss 1790 u. Jugler 1797 (Auf dem Bullenberge). Der Bollenberg ist nicht nur der Name einer Straße. Er bezeichnet einen Teil der Stadt und ist als Bollwerk zu verstehen. Der Name weist auf seine Beziehung zur Niederungsburg im Fürstengarten hin. Wahrscheinlich war der Bollenberg Teil der frühen Burgsiedlung und damit vielleicht der älteste Teil der Stadt.

13. Kloster überliefert So wird im Volksmund die kleine Seitengasse des Bollenbergs bezeichnet, die bogenförmig zum Färbergraben verläuft. Da es in Boizenburg kein Kloster gegeben hat, ist die Herkunft des Namens schwer zu deuten. Eventuell hat ein Kloster hier im Mittelalter Besitzrechte gehabt. Eine andere Möglichkeit der Erklärung des Namens ergibt sich aus der Zusammenschau zweier ungeklärter historischer Tatsachen. Zum einen hat es außer dem St.Jürgen-Hospital im Mittelalter mindestens bis in das 16.Jahrhundert hinein ein St.Annen-Hospital gegeben, zum anderen sieht man in der Karte des Gebäudebestandes nach der Brandkatastrophe des Jahres 1709 hier ein sehr langes Gebäude, das durchaus das St.Annen-Hospital gewesen sein könnte.

Auf dem Bild ist der Mühlenplatz, vom Hochwasser überflutet, im Jahre 1940 zu sehen. Das Gebäude ist die frühere Binnenmühle

14. Mühlenplatz überliefert Der Platz (keine amtliche Bezeichnung) befand sich an der nicht mehr vorhandenen Binnenmühle am Ende der Mühlenstraße. Er war Teil der früheren Amtsfreiheit.

15. Binnenmühle Stadtgrundriss 1790, Jugler 1797. Diese war bis 1880 an dem Stauwehr des Stadtgrabens, am Übergang vom Wallgraben in den Färbergraben in Betrieb. Bis etwa 1960 erfolgte noch eine Wohnnutzung des Gebäudes am Ende der Mühlenstraße.

16. Amtsfreiheit Jugler 1797 Das war das domaniale (herzogliche) Besitztum im Stadtgebiet, bestehend aus dem Gebiet am Ende der Mühlenstraße, dem Herrengarten, dem Amtshaus und dem Gebiet um den Schlossberg. Am Ende der Mühlenstraße befand sich außer der Mühle auch das Haus des Amtslandreiters, das später als Deckstation für das Landgestüt Redefin genutzt wurde.

17. Pferdekuhle überliefert Niemann In der Nähe der Binnenmühle war am Färbergraben der Flurname Peerkuhl üblich. Er weist auf die Möglichkeit der Pferdewäsche und –tränke an diesem Ort hin.

18. Stadtkrankenhaus Das erste städtische Krankenhaus wurde im 19. Jahrhundert in der Mühlenstraße (vor dem Mühlenplatz) eingerichtet, Später ab 1922 wurde es als Altersheim weitergeführt.

19. Alte Stadtschule In den Jahren 1833 bis 1888 befand sich die Stadt- und Armenschule in der Mühlenstraße 8, dem Standort des schon von Jugler erwähnten Stadthauses. In diesem Haus wirkte 1843 bis 1849 der Demokrat Ludwig Reinhard als Rektor, der 1848/49 als Abgeordneter der Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche vertreten war.

20. Henkerbrücke Die Henkerbrücke war wohl eine erst später errichtete Brücke am Ende der Kleinen Wallstraße, dort wo sie sich zur Mühlenstraße wendet.

21. Pulverturm Nach dem Stadtgrundriss aus dem Jahre 1790 befand sich dieser in der heutigen Kleinen Wallstraße an der Kreuzung mit der vom Markt kommenden Twiete. Er diente wohl ursprünglich der Lagerung von Schießpulver und später als städtisches Gefängnis.

22. Büttelturm Der Büttelturm befand sich an der Stadtmauer am westlichen Ende der Reichenstraße. Der Turm beinhaltete auch das Stadtgefängnis und die Wohnung des Büttels.

23. Markttor Beide Stadttore sind im 19. Jahrhundert abgebrochen worden. Das Markttor war ein Doppeltor Jugler schrieb 1797: „es besteht aus zwei gewölbten Durchfahrten, deren Aeussere für die Wache aptirt ist, und die Innere, worauf ein kleiner Thurm steht, oben die Wohnung des Stadtmusikus ausmacht. Aussen, dicht vor der äusseren Durchfahrt ist die Wohnung des Thorschreibers, und innen dicht an derselben nach dem langen Walle hin, die des Stadtholzvogts.“

24. Mühlentor Jugler 1797: „Das Mühlenthor ist von der Aussenmühle, zu der es führt, genannt: es hat nur eine gewölbte Durchfahrt, worin die Wache ist und der Stadtschließer wohnt, und vor welcher dicht aussen die Wohnung des Thorschreibers steht.“ Möglich ist, dass es sich ursprünglich ebenfalls um eine Doppeltoranlage handelte, deren innerer Teil frühzeitig abgebrochen wurde. Das würde die eigenartige Ausbuchtung des historischen Stadtgrundrisses an der Klingbergstraße erklären.

25./26. Herrenbrücke und Klappe Die Brücke war ein dritter Stadtzugang am Langen Wall etwa auf der Höhe des späteren Amtshauses. Das erklärt den Namen der Brücke. Später wurde so die Brücke von der Klingbergstraße zum Langen Wall bezeichnet (siehe Bild). Die historische Brücke wurde nachts aufgezogen. Ein vierter Stadtzugang befand sich am Herrengarten zu der Amtsfreiheit. Er war ebenfalls durch eine Zugbrücke, die Klappe, gesichert. Offenbar stellte die Brücke einen beliebten Schleichweg zur Umgehung des Zolls an den beiden Stadttoren dar. Im Boizenburger Wochenblatt finden sich 1841 folgende Artikel: Nr. 35 (25. Oktober) Bei der Anzahl und Wachsamkeit der hiesigen Steuerunterbedienten ist wohl nicht einmal zu besorgen, dass an Markttagen durch die sogenannte Herrenbrücke die Einbringung steuerbarer Gegenstände werde versucht werden. Warum denn aber jene Brücke an Markttagen so ängstlich verschließen, und den harmlosen Spaziergängern, die von ihren Actenstudien oder Schulstunden, oder Comtoirarbeiten sich losreißen, und in der freien Natur frisches Leben einathmen wollen, den Uebergang über jene Brücke wehren, und ihnen zumuthen, mit ihrer leichten Beschuhung den Schlamm vor unseren Thoren zu durchwaten? und warum den Arbeitern, die auf jenem Wege in ihre Scheuren und auf ihre Aecker zu gehen gewohnt sind, den Weg dahin ohne Noth verlängern? – Von unsrer liberalen und humanern Steuerbehörde lässt sich gewiß erwarten, dass sie diesen Gegenstand in Ueberlegung nehmen und die hiesigen Einwohner nicht nutzlos beschränken werde Nr. 36 (27. Oktober) Die Sperrung der Herrenbrücke hat etwas Unangenehmes, immer aber ist für diese Sperre leichter ein Grund zu finden, als für das Verschließen jener Brücke an Sonntagen während der Predigt; denn, daß willige Geber dadurch gezwungen werden sollten, die Hauptthore zu passiren, und sich den Durchgang dort zu erkaufen, ist wohl nicht anzunehmen.

27. Langer Wall überliefert, Grundriss 1790, Jugler 1797. Name für den Stadtwall zwischen der Herrenbrücke an der Klingbergstraße und dem Markttor (Markttorstraße). Die ursprünglichen Wallanlagen wurden ebenso wie die Stadtmauer bereits im ausgehenden 18. Jahrhundert geschleift. Auf den Wällen entstanden die mit Linden bestandenen Promenaden.

28. Kurzer Wall überliefert, Grundriss 1790, Jugler 1797. Name des Stadtwalls zwischen dem Markttor und dem Färbergraben.

29. Vor dem Markttor überliefert, ÜN. Das ist eine veraltete allgemeine Bezeichnung der Flächen vor dem östlichen Stadttor.

30. Altendorf überliefert, Stadtgrundriss 1790 (alte Dorf). Ursprünglich war die heutige Straße Altendorf oder ndt. Ollendörp (Der Ur-Boizenburger betont den Namen auf Dorf) ein selbständiges Dorf am Rande der Stadt, das zum mecklenburgischen Domanium (Besitztum des Herzogs bzw. Großherzogs) gehörte und historisch wohl die Burgsiedlung (Wiek) zur Niederungsburg darstellte. Die Bewohner waren Büdner (Kleinbauern) und Fischer. Erst 1872 wurde das Dorf in das Stadtgebiet einbezogen, hatte aber bis 1922 einen eigenen Schulzen. Das Bild ist von dem Weg zur alten Fährstelle aus aufgenommen.

31. Hinter dem Heller überliefert, Niemann, WK 1958. Wiese zwischen dem Heller, Nr. 306 und dem Schacksgraben, Nr. 309.

32. Mühlenmasch ül. Niemann. In den Hackamt-Archivalien wird „außen dem Marktthor in der ersten Gahre an der Mühlen Masch“ der Besitz des Johann Hans Durkop auf geführt.

33. Fürstengarten überliefert, Grundriss 1790 u. Jugler 1797 (Herrengarten). Der Fürstengarten, der früher auch Herrengarten genannt wurde, stellt den Standort der Niederungsburg an der Boize dar, die Boizenburg den Namen gegeben hat. Später befand sich darauf ein fürstliches Schloss, das im Dreißigjährigen Krieg zerstört wurde.

34. Spitzer Ort ül. Niemann. Kleine Wiese am Färbergraben

35. Stift Sanct Jürgen Dieses Stift ist im Mittelalter als St.-Georgs- bzw. St.-Jürgen-Hospital gegründet worden. Diese Hospitäler, häufig außerhalb der Stadtmauern gelegen, dienten der medizinischen Versorgung unbemittelter Stadtbewohner, auch Durchreisender. Die Lage außerhalb der Stadtmauern gewährte gleichzeitig eine gewisse Quarantäne. Das Boizenburger Haus wurde später ein Altenheim. 1727 wird es in der Karte als ArmenHauß oder Hospithal aufgeführt. Auch Jugler bezeichnet es als Armenhaus. Bedauerlicherweise wurde es im Jahre 2006 abgebrochen.

36. Bahnhofsgebäude Mit dem Bau der Eisenbahnlinie Berlin-Hamburg im Jahre 1846 wurden an der Strecke spätklassizistische Empfangsgebäude errichtet, so auch in Boizenburg. Das Gebäude musste aus bautechnischen Gründen 1935 abgebrochen werden. An seiner Stelle wurde das heutige Gebäude errichtet. Im Jahre 1890 erhielt die Altstadt mit der Stadt- und Hafenbahn einen Kleinbahnanschluss. Das Empfangsgebäude wurde 1937 errichtet. Es ist heute ein Hotel.

37. Rotes Haus Das Rote Haus war, wie andere gleichen Namens, eine historische Gaststätte und Herberge an einer alten Landstraße. Es muss ursprünglich im Besitz der Marschvogtei des Amtes Bleckede gewesen sein, denn im Jahre 1728 erwarb Hartwig Lefers es von dieser. Im Jahre 1910 fiel es einem Brand zum Opfer.

38. Fährhaus Das Fährhaus, das sich am Ende des Fährweges etwa am heutigen Anleger für die Personenschifffahrt befand, wurde in den 1950er Jahren abgebrochen.

39.Elb-Berg überliefert, WK 1958. Hochfläche westlich der Stadt beiderseits der Bundesstraße B 5, aber auch der Chausseeberg.

40. Vor dem Schoet Berge FMK 1727, Hertel/Seitz 1868 (Schoitberg). Teil des Elbberges, nördlich der Chaussee. In der Feldmarkskarte von Boizenburg von Hertel und Seitz aus dem Jahre 1868 wird der Elbberg südlich der B 5 als Schoitberg bezeichnet. Das Wort „Schoet“ oder „Schoit“, beides ausgesprochen als Schoot, dürfte die Bedeutung Schuss haben. Da der Flurname „bei dem Schote“ bereits im Jahre 1378 in einer Urkunde erwähnt wurde (MUB 11073) dürfte ein Zusammenhang mit der Schützenzunft kaum bestehen, da erst im Jahre 1657 die erste Boizenburger Schützenzunft gegründet wurde, die später ihr 1693 erbautes Schützenhaus und ihre Schießbahn nahebei unterhalb des Elbberges hatte. Das Wort schießen wurde ursprünglich auch für emporragen oder vorspringen benutzt, was hier auf die Lage bezogen, zutreffend ist. Eine weitere aber unwahrscheinlichere Möglichkeit ist die Erklärung aus Schütte. Jugler schreibt in seiner Chronik der Stadt Boizenburg „Sollten Letztere (die Lüneburger, d.V.) mit so großen Schiffen die Elbe hinauf fahren, dass sie die Sude und Schaale damit nicht passiren könnten; so hätten sie ihre Waaren auf der Schöte vor Boitzenburg, wo von alten Zeiten her eine Niederlage gewesen, auszuladen.“ Die genannte Schöte dürfte sich am Fuß des Berges auf dem heutigen Werftgelände befunden haben. Der Hang des Schoetberges zum Elbtal ist sehr steil, so dass es häufiger schon insbesondere nach Bodenentnahmen zu einem Bergrutsch gekommen ist. Nach einem solchen im Jahre 1779 sprach man deshalb vom 41. Versunkenen Ort ül. Niemann.

42. Zwölf Apostel überliefert, Vick. Am Elbberg beiderseits der Chaussee standen früher im Kreis zwölf Linden, die als Zwölf Apostel bezeichnet wurden. Diese – bereits durch die Lagerung von Streusalz geschädigt - wurden im Zuge der Errichtung eines Grenzkontrollpunktes beseitigt. Von den zwölf Linden haben nur zwei, nämlich Judas und Thomas, nördlich der Chaussee gestanden. Man erzählt sich, dass dort in den napoleonischen Kriegen zwölf französische Offiziere begraben sein sollen, denen zu Ehren die Linden gepflanzt wurden.

43. Schlossberg überliefert. Der Schlossberg war der Standort der bereits im Mittelalter zerstörten Höhenburg.

44. Der Burgwall FMK 1727. Noch heute ist die Fläche zu erkennen, auf der die Burg gestanden hat, ebenso der Standort des Bergfrieds. Das Gelände des Schlossbergs wird in der Karte aus dem Jahre 1709 noch

45. Amtsgerechtigkeit Reutz 1709. im Gegensatz zur

46. Bürgergerechtigkeit Reutz 1709. auf der Höhe auf der Höhe der Kämpe zwischen dem Schützenhaus und dem noch als Hamburger Weg bezeichneten Lauenburger Postweg. Die Amtsgerechtigkeit am Schlossberg ist erst 1876 aufgelöst worden. Damit ging das Gebiet zu Stadtrecht über.

47. Hamburger Weg Reutz 1709. bezeichnete den heutigen Lauenburger Postweg.

48 . Schlosspark, Stadtpark, Kurpark überliefert. Am westlichen Fuße des Schlossberges wurde um die Mitte des 19. Jahrhunderts der Park angelegt und die Schlossbergvilla erbaut. Als 1928 die Stadt Boizenburg die Schlossbergvilla und den Park erworben hatte, wurde daraus der Stadtpark, der zeitweilig auch als Kurpark bezeichnet wurde, als Boizenburg das Bestreben hatte, sich zu einem Luftkurort zu entwickeln.

49. Karlsruhe ül. Niemann. Der noch erkennbare ehemalige Turmhügel des Bergfrieds der Burg wird auch als Karlsruhe bezeichnet.

50. Lügenbrücke überliefert. Hölzerne Brücke über den ehemaligen Schlossgraben vom nördlichen Fuß des Schlossberges zu den Turnereichen. Es wird berichtet, dass die Brücke zusammenbreche, wenn Lügner darüber gehen.

51. Schlucht ül. Niemann. Der Schlossgraben wird hier im nördlichen Teil auch als Schlucht bezeichnet.

52. Schützenplatz überliefert. In den 20/30er Jahren des 20. Jahrhunderts als Festplatz durch Bodenabtrag auf der durch den Besitzer des Roten Hauses Berling im 19. Jahrhundert angelegten Reitbahn neu geschaffener Platz, der später durch die Elbewerft mit der Betriebsberufsschule bebaut wurde. Der bei der Anlage abgetragene Boden wurde zur Auffüllung des Hafengeländes genutzt.

53. Reitbahn WK 1958.

54. Schützen Hauß Reutz 1709, FMK 1727. In der Karte von 1709 ist bereits dieser Eintrag auf einer erkennbaren

55. Schießbahn Reutz 1709, FMK 1727, Hertel 1830. zu sehen.

56. Turnereiken WK 1958. Der Acker oberhalb des Gehölzes Turnereichen ist nach diesem benannt (s. Nr.63).

57. Am Galgenberg WK 1958, FMK 1727 (Oben dem Galgenberge) Acker oberhalb der Turnereichen. Der Brink an den späteren Turnereichen war bis in das 19. Jahrhundert hinein der Standort der Galgen. Die Karte von 1727 ist an zwei Orten mit den Eintragungen Justice bzw. Justitia und der Darstellung von Galgen versehen. Wahrscheinlich war der erstere herzoglich und der zweite städtisch. Diese wurden in den Unterlagen des Hackamtes (Kaufmanns- oder Hökergilde) auch als die Richte bezeichnet.

58. Bawen dem Richte Hackamt

59. Zägenkuhl ül. Niemannmann. In einigem Abstand von den Turnereichen findet man in diesem Acker die Ziegenkuhle und den

60. Schinnerbarg ül. Niemann Dieser ist eventuell identisch mit dem Galgenberg.

61. Krähenberg ül. Niemann Das ist offenbar ein anderer Name für den Galgenberg, weil auf ihm die Krähen ihre Arbeit zu verrichten hatten.

62. Frohnerei ül. Niemann Diese Abdeckerei befand sich in der heutigen Bergstraße.

63.Turnereichen überliefert Das Buchengehölz (ursprünglich wohl Eichen) war der Standort des ersten Boizenburger Turnplatzes in der Zeit der durch Turnvater Jahn ausgelösten Turnerbewegung.

64. Jüdischer Friedhof überliefert Der Jüdische Friedhof wurde im Jahre 1768 an diesem Standort in den Turnereichen angelegt.

65. Fußsteig ül. Niemann Zwischen den Turnereichen und dem Lauenburger Postweg gab es einen Fußsteig als Abkürzung für Fußgänger in einer Zeit, in der der überwiegende Anteil der Wege zu Fuß zu bewältigen war, weil Kutschen und Reitpferde nur den gehobenen zahlungskräftigen Schichten zur Verfügung standen. Dieser Steig ist in den Messtischblättern deutlich erkennbar.

66. Kamp FMK 1727 s. Nr. 78./79.

67. Kieskuhl Niemann Diese Kiesentnahmestelle ist später mit dem TENO-Heim (Technische Nothilfe) bebaut worden. Gegenwärtig befindet sich dort das Depot der Freiwilligen Feuerwehr.

68. Franzosenschanze überliefert Die ehemalige Franzosenschanze befand sich auf dem heutigen westlichen Teil des Friedhofs nahe dem Lauenburger Postweg. Diese wohl während der Kriege im 18. Jahrhundert angelegte Schanze wurde später abgetragen. Als Verbindung vom Schwanheider Weg zum Lauenburger Postweg verlief auf dem Gelände des jetzigen Friedhofs der

69. Franzosensteig o. Franzosendamm. Niemann In diesem wird von einigen Heimatforschern ein Teil der historischen Landwehr gesehen.

70. Am Düsterweg WK 1958, FMK 1727 (Oben dem Düstern Wege) Der Düsterweg ist vermutlich der jetzt nicht mehr vorhandene Weg, der östlich des Feuerwehrdepots auf die Höhe führte, so die Hertelsche Karte von 1830.

71. Am Sandberg Stadtplan Der heutige Straßenname, der sich auf dem ehemaligen Acker Am Düsterweg findet, nimmt einen bereits in der Urkunde aus dem Jahre 1378 erwähnten Flurnamen auf („4 stucke landes belegen baven dem sandtberge“).

72. Bawen dem krummen Sandtberge Hackamt In den Hackamts-Unterlagen wird auch dieser Acker genannt. Vermutlich ist es die gleiche Lage wie Nr.35.

73. Kreuzberg überliefert Er befindet sich auf dem 1777 angelegten Friedhof und wurde im 18. Jhdt. noch als Tannenberg bezeichnet. Seinen neueren Namen trägt er wegen des dort auf dem höchsten Punkt des Friedhofes aufgestellten hölzernen Kreuzes. Hans Vick berichtet: „An einem warmen Sommerabend hatte sich eine große Gesellschaft auf dem Tannenberge versammelt, Fackeln erhellten die Nacht, Musikanten spielten zum Tanze auf, und mit der fortschreitenden Stunde wurde die Fröhlichkeit immer ausgelassener und wilder. Als die Mitternacht heranrückte, hatten die Musikanten eben eine Pause gemacht. Da trat einer der Teilnehmer hervor, der schon recht betrunken war, hob sein Glas zum angrenzenden Kirchhof herüber und höhnte die Toten, die dort in ihren Gräbern ruhten und nun nicht mehr an der Ausgelassenheit der Lebenden teilnehmen konnten. Mitten im Satz brach er ab. Eine grauenhafte Musik kam aus dem Wipfel einer großen Tanne, und nun sah man mit Entsetzen, wie sich der Baum tiefer und tiefer neigte, eine schreckliche Gestalt, die mit rasender Fingerfertigkeit über die höhnisch aufkreischende Fiedel strich. Und dann kamen klappernd über die Mauer hinweg Totengerippe gestelzt, faßten sich bei den Händen und drehten sich wie ein Wirbelwind im Tanze herum, bis die Musik plötzlich abbrach und der letzte Ton in einem erbärmlichen Stöhnen endete. Die Fackeln erloschen, und die Gesellschaft stob auseinander. Am Morgen fand man den, der die Toten gelästert hatte, bis zur Unkenntlichkeit zerrissen am Boden.“ Weitere Sagen finden sich u. a. in Niederhöffer.“Mecklenburg’s Volkssagen“.

74. Tannenberg überliefert s. Nr. 39.

75. Schwanheider Weg FMK 1727 (Weg nach Schwanenheyde und Möllen) Dieser Weg ist ein historischer Frachtweg (siehe Nr. 323).

76. Am Windelstein WK 1958, FMK 1727 (Oben dem Windelstein) Ackerfläche zwischen Schwanheider und Grünem Weg, der Langen Straße und der heutigen Umgehungsstraße. In der Karte aus dem Jahre 1727 heißt er Oben dem Windelstein, aber unmittelbar am Schwanheider Weg oberhalb der Eichen (bei der heutigen Bebauung Eichenweg bis Lange Straße). Als Wendelsteine bezeichnet man herkömmlich die Treppentürme der mittelalterlichen Burgen. Hier ist der Name schwer deutbar. In der Lage gemäß Feldmarkskarte von 1727 könnte er aus dem steilen Anstieg des Schwanheider Weges erklärt werden. Hans Vick nimmt an, dass dort ein gewendelter Stein gestanden habe.

77. Penningsbarg überliefert, FK etwa 1940 In Flurkarten ist der Pfennigsberg am Schwanheider Weg am Rand der Eichen gelegen. Auf ihm stand jahrzehntelang der Wasserturm. Um den Berg ranken sich Sagen. Hans Vick schreibt: „Von Gold und Schätzen ist darin die Rede und von Zwergen, die diese Schätze hüten. Bei der jüngeren Generation unserer Erzähler erscheint die Sage schon in sehr abgeblaßter Gestalt: es wird von Knaben erzählt, die beim Spielen einen goldenen Pfennig fanden, darüber in Streit gerieten, und es endete damit, daß einer den anderen erschlug. Ursprünglicher ist die Erzählung von den Zwergen, die dort in Dämmerung umgehen und mit goldenen Gegenständen spielen. Einige wollen sie sogar am hellichten Tage gesehen haben. Die kleinen Unterirdischen sollen die goldnen Geräte von einem König erhalten haben, der sie bat, ihm die Schätze zu verwahren. Er zog in den Krieg, aus dem er nicht wieder zurückkehrte. Solche Berge, an welche sich Sagen von goldhütenden Zwergen schließen, deuten oft auf bronzezeitliche Hügelgräber. Tatsächlich fand hier am Pfennigsberg Professor Beltz im Oktober 1925, als der Wasserturm errichtet wurde, ein Grab aus der älteren Bronzezeit.“

78. Krautenbarg überliefert, FK etwa 1940 Dieser Flurname fand sich in der Flurkarte zwischen der Schillerstraße und der Richard-Schwenk-Straße. Der Acker soll einem Färber Kraut gehört haben.

79. Studentenbarg überliefert, FK etwa 1940 Ebenfalls in der genannten Flurkarte befand sich der Studentenberg oberhalb der Eichen am östlichen Ende des heutigen Eichenweges. Er wurde im Zuge der Bebauung abgetragen. Es gibt die Legende, dass sich dort ein Student erschossen habe. Eine Zettelnotiz von Hans Vick: „Studentenberg, ein eichenbewachsener Hügel am Feldrand. Zwei Kegelgräber aus der älteren Bronzezeit. Ein Student soll sich erschossen haben. Beltz Elbzeitg: Dort lagen nicht weit voneinander drei stattliche Hügel. Einen, den Studentenberg, konnte ich 1904 untersuchen; heute noch in der Grundform erkenntlich, bedeutend niedriger, da beträchtliche Steinmengen entnommen wurden. Ursprüngliche Höhe 3 m. Durchmesser 12 m. Aus leichtem sandigen Boden aufgetragen, Gräber auf Urboden! 2 Gräber – wie am Wartenberg (breiten Stein), nicht parallel, sondern in einer ostwestlichen Reihe mit unregelmäßigen ovalen Steinrahmen umgeben und maßen 4 bzw. 2 m Länge. Die beiden Räume, eine starke Brandschicht mit vereinzelten Gebeinresten und einer in einer Ecke des Grabraumes, ohne Umhüllung gesammelt, auf einem kleinen Haufen die Gebeine, in einer anderen die Beigaben: bronzener Dolch, Waffen und Nadel, sowie Scherben, in dem kleinen Raum bei gleicher Anlage eine Tonschale, die offenbar zum Trinkgefäß bestimmt war.“

80. Eichen überliefert, WK 1958 (Kleine Eichen) Die Eichen sind ein parkartiges Gehölz am nördlichen Hang des Elbtals. Sie umrahmen gemeinsam mit dem Friedhof, den Turnereichen und dem Stadtpark bogenförmig den Stadtkern. Ursprünglich waren es bis auf den Stadtpark Brinke, die wahrscheinlich als Schafweide dienten, so noch in der Karte aus dem Jahre 1727. Diese wurden dann mit Eichen aufgeforstet. Der Gehölzbestand ist jedoch heute überwiegend durch Buchen geprägt.

81. Schäferberg, Schäferbrink FK 1956 u. WK 1958 (Schäferberg) Am Fuß dieses Hanges lag die Stadtschäferei. Der Name Schäferbrink ist wohl erst durch die Benennung der Straße im Jahre 1938 üblich geworden. Der Namensteil –brink deutet auf die gemeine Nutzung hin, wie sie auch auf der Feldmarkskarte von 1727 zu erkennen ist. Dort befinden sich auch

82. Schäferbrinkgärten überliefert, Niemann

83. Ziegelberg FK 1936, FMK 1727 (Oben der Ziegelscheune) Anhöhe westlich des Grünen Weges, die früher auch Baven dem Tegelhus genannt wurde. Unterhalb etwa am Schäferbrink befand sich bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts eine kleine Ziegelei. Mit dieser Lage sieht man sie sich auch in den Karten von 1709 und 1727. Der heutige Straßenname Am Ziegelberg könnte kaum an einem historisch unpassenderen Ort vergeben worden sein.

84. Ziegeleigärten ül. Niemann Am Ziegelberg finden sich heute auch diese Gärten. 85. Jägerhof ül. Niemann Dieser soll am Ziegelberg gelegen haben. Er findet sich jedoch in keiner Karte. Andererseits gab es aber wohl den

86. Jägersteg ül. Niemann Dieser führte über die Boize und dann als Steig von der Schwartower Straße durch die Eichen.

87. Sandberg ül. Niemann Wie am Ziegelberg später auch bedingt durch weitere Nutzungen die Namen Schäferberg und Schäferbrink üblich wurden, so kam im 20. Jahrhundert der Sandberg hinzu, da man am Schäferberg mit dem Sandabbau begann. Die Sandgrube wurde dann zum Lager des Reichsarbeitsdienstes ausgebaut, aus dem nach 1945 der Sportplatz der damaligen BSG Motor und an dessen Rande auch eine Freilichtbühne wurde.

88. Die Siedlung überliefert In den 1930er Jahren entstand auf den Äckern Am Windelstein und Ziegelberg eine Stadtrandsiedlung. Diese heißt im Volksmund kurz Die Siedlung. Als so genannter „Ökelname“ entstand auf Grund der hohen Lage über der Stadt auch der Name

89. Hohe Luft ül. Niemann

90. Grüner Weg überliefert Der Grüne Weg führte von der Schwartower Straße in die Feldmark bis zu den Rhedewiesen. Bereits in der Karte von 1727 findet sich der Flurname Beym grünen Wege.

91. Am grünen Weg WK 1958, FMK 1727 (Beym grünen Wege) Ursprünglich Acker östlich des Grünen Weges.

92. Der Schwartower Steig überliefert, FMK 1727 Der Schwartower Steig war ein Kirchsteig für die Gläubigen aus Schwartow. Er zweigte von der Landstraße ab und führte wieder auf sie zurück.

93. Am Schwartower Steig WK 1958, FMK 1727 (Beym Schwartower Steig) Hier wird der anliegende Acker bezeichnet. Bis zur Bebauung in den 1970er Jahren befanden sich beiderseits des Schwartower Steiges die

94. Balckschen Gärten überliefert Diese sind nach dem Eigentümer, dem Schuhmacher Balck aus der Mühlenstraße benannt.

95. Weg nach Gadebusch und Wittenburg FMK 1727 So wird in der 1727er Karte die Schwartower Straße bezeichnet. Siehe auch unter Nr.321.

96. Brinkgärten überliefert, WK 1958 Hier handelt es sich um die Gärten (Kleingartenverein „Abendfrieden“) südlich der Schwartower Straße unmittelbar im Anschluss an die Bebauung. In der Feldmarkskarte von 1727 ist erkennbar, dass die Fläche nicht in die Nutzung als Ackerstreifen einbezogen war sondern als Brink genutzt wurde. Die Bezeichnung als Brink deutet auch auf eine gemeine Nutzung der Flächen, z.B als Weide, hin.

97. Bretternhof überliefert Am Bretternhof (heute Straßenname) findet sich bereits in der Feldmarkskarte von 1727 Bebauung, die auf einen städtischen Bauhof (landw. Pachtbetrieb) hinweisen könnte. Der Name ist schwer zu deuten. Es könnte sich um eine Verballhornung des ursprünglichen Namens handeln. In den Hackamt-Archivalien findet sich der Eintrag: Hoff an der Boitze nahe dem Dike bei des Herrn Bürger Meister Georg Hugh Hofe. Hierbei könnte es sich um den Bretternhof handeln.

98. Koops Garten überliefert Der Ackerbürger Koop betrieb hier die beliebte Gaststätte mit Gartenbetrieb namens „Lindenhof“, die im Volksmund von jeher Koops Garten genannt wurde.

99. Hospital Acker FMK 1727 Der Name findet sich bereits 1727 für einen Ackerstreifen nördlich des Boizekanals beiderseits der heutigen Stiftstraße in der unmittelbaren Nähe des St.Jürgen-Hospitals oder Armenhauses. Auch die Bezeichnung Armenhauskamp ist anzutreffen. Im Protokoll der Kirchenvisitation 1662 wird ein Armen Acker genannt, der wahrscheinlich mit diesem identisch ist.

100. Schüddelkoppskamp ül.Niemann Nach dem Besitzer, einem alternden Bürgermeister, der beim gehen immer mit dem Kopf schüttelte, benannter Acker an der Boize nahe der Stiftstraße.

101. Schwarzer Weg überliefert Der Weg entlang der Hafenbahn (Straße An der Boize mit Verlängerung in Richtung Bahnhof) wird wie andere auch Schwarzer Weg genannt, weil er mit Generatorschlacke aus den Fliesenwerken befestigt worden ist.

102./103. Kamp, Zachauskamp FMK 1727, überliefert (Zachauskamp) Kämpe umringen auf der Karte von 1727 das Stadtgebiet unterhalb des Hanges der Turnereichen und der Eichen beiderseits des Lauenburger Postweges und am heutigen Zachauskamp. Ein Kamp (lat. campus = Feld) ist ein spät kultiviertes (häufig eingehegtes) Feld, das außerhalb der mit dem Flurzwang verbundenen Schlagordnung bewirtschaftet wurde. Der Zusatz Zachaus- ist später nach einem Besitzer, dem Kaufmann und Tabakfabrikanten Zachau, angefügt worden.

104. Kamp Gärten Hertel/Seitz 1868 Die genannte Karte von 1868 enthält auch diesen Flurnamen.

105.- 108. Wöhlers Camp, Gnaust Kampf, Flohrs Kamp, Maackerscher Kamp Hackamt In den Archivalien aus dem Hackamt sind außerdem diese Flurnamen jeweils nach dem seinerzeitigen Besitzer genannt. 109. Amtsgärten überliefert, FMK 1727 (Masch-Gärten) Die Gärten wurden 1727 als Masch Gärten bezeichnet, was auf die Feuchtigkeit, weniger auf Marschboden, hinweist. Der neuere Name der in letzter Zeit bebauten Gärten ist darauf zurückzuführen, dass die Gärten im domanialen (herzoglichen) Eigentum standen und vom Amt verwaltet wurden.

110. Masch Gärten Stadtgrundriss 1790 Als Maschgärten wurden aber darüber hinaus die Gärten entlang der Quöbbe bezeichnet

111. Haasen-Twiete Stadtgrundriss 1790 In den Masch-Gärten wird 1790 auf einem Plan der Stadt ein Weg solcherart bezeichnet. Diese befand sich etwa auf dem Gelände der heutigen Ludwig-Reinhardt-Schule in Richtung Düstere Gahre. Hasentwiete soll darüber hinaus auch eine Twiete vom Bollenberg zum Färbergraben genannt worden sein.

112. Düstere Gahre überliefert Die Gärten an diesem kleinen Weg wurden 1727 ebenfalls als Masch-Gärten bezeichnet. Der Name Düstere Gahre des Weges zwischen der Stiftstraße und der Quöbbe könnte auf eine alte Bezeichnung für Wege zurückgehen, die sich im dänischen Gade und weiter verändert auch in Gasse heute noch findet, vergleiche auch Steingare (Nr. 103) und weitere Gartenwege.

113. Ellerholzgärten überliefert Ein Teil des Ellerholzes (rlenbruchwald) wurde schon frühzeitig als Gärten genutzt. Diese Nutzung ist bereits in der Karte von 1727 zu erkennen. Teilweise sind die Ellerholzgärten identisch mit den früher so benannten Maschgärten.

114. 1. bis 5. Gahre ül. Niemann So werden die Gartenwege in den Maschgärten/Ellerholzgärten östlich der Stiftstraße bezeichnet. Zur Bedeutung siehe bei Düstere Gahre Nr.88.

'115. Quöbbe überliefert, FMK 1727 (Quebbe), Grundriss 1790 u. Jugler (Kl.u.Gr.Quebbecke) In der Chronik der Stadt Boizenburg von Jugler aus dem Jahre 1797 werden die Kleine (etwa Albrechtsche Wiese, s. Nr. 93) und die Große Quebbecke (Schulhof, Bleiche und Ziegenwiese) genannt, während die Wiesen 1727 in der Karte als Quebbe aufgeführt werden. Der Name ist in ähnlicher Form in anderen Orten für feuchte Wiesenniederungen zu finden (mndt. quebbe = feuchter Moorboden). Hans Vick erklärte den Namen (mündlich) immer so: Im Niederdeutschen sind nahezu alle Wörter mit Qu… mit Nässe in Verbindung zu bringen.

116. Steinerne Brücke überliefert, Jugler 1797 Diese Brücke über den Boize-Kanal bei Quöbbe und Amtsgärten wurde schon bei Jugler 1797 erwähnt. Seinerzeit war sie sicher gemauert (heute Betonbrücke).

117. Albrechtsche Wiese überliefert Die Albrechtsche Wiese, benannt nach dem Ackerbürger Albrecht (Vor dem Mühlentor, an der Hafenbahn), ist der westliche Teil der Quöbbe bis zum Apfeldamm, nahezu identisch mit der Kleinen Quöbbe.

118. Apfeldamm überliefert So wurde der Damm zwischen der Albrechtschen Wiese und der Quöbbe bei dem jetzigen Schulhof bezeichnet. Seinen Namen hat er von den früher alleeartig auf dem Damm angeordneten Apfelbäumen erhalten.

119. Quöbbedämme ül. Niemann Das ist eine Bezeichnung für die die Quöbbewiesen begrenzenden Dämme am Wallgraben bzw. am Weg.

120. Bleiche überliefert Die Bleiche befindet sich auf der Quöbbewiese zwischen der Schule und der Stiftstraße. Auf der Bleiche haben die Hausfrauen in früheren Zeiten ihre Wäsche, die teilweise im Wallgraben vom Steg her gewaschen wurde, zum Bleichen ausgelegt. Noch bis etwa 1950 war sie ein Wäschetrockenplatz, bevor sie in die Nutzung der Schule überging.

121. Ziegenwiese überliefert Der südöstliche Teil der Quöbbe wird Ziegenwiese genannt. Sie diente noch bis in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg als Weide für Kleinvieh. Danach wurde sie teilweise zur Festwiese und zum Sportplatz, jetzt auch Parkplatz, umgenutzt, weil der Schützenplatz bebaut worden war.

122. Gauswisch ül.Niemann Der ältere Name für die Ziegenwiese soll Gansewische oder Gauswisch (Gänsewiese) gewesen sein, ebenfalls wegen der Nutzung durch Kleinvieh.

123. Kohrte Gahr ül. Niemann Die Kurze Gare soll sich an der Ziegenwiese angrenzend an das Gelände der Post befunden haben.

124. Gerbergraben, Gerberhof ül. Niemann, Jugler 1797 Der Gerbergraben verlief ursprünglich von der Steinernen Brücke an den Quöbbewiesen (an der heutigen Straße An der Quöbbe) bis zum Gerberhof, um dann bei der heutigen Post wieder in den äußeren Wallgraben zu münden und war am Damm, der die Kleine und die Große Quöbbe teilte, durch zwei Gräben mit dem äußeren Wallgraben verbunden. Er nahm die Abwässer des Gerberhofes auf, der sich an der Einmündung der Straße An der Quöbbe in die Markttorstraße befand. Dieser bestand aus einem privaten Hof der Familie Niehus (im Bild rechts) und dem der Schuhmacherinnung (im Bild links).

125. Trockene Gärten FMK 1727 In der Karte von 1727 wurden die Gärten bei der Gartenstraße als Trockene Gärten bezeichnet. Im Gegensatz zu den Masch-Gärten waren es trockene Standorte, die zudem auch nicht vom Hochwasser erreicht wurden.

126. Bürger Gärten Reutz 1709 In der Reutz-Karte von 1709 findet sich dieser Eintrag für die Trockenen Gärten.

127. Steingare Stadtgrundriss 1790 Auf einem Plan der Stadt Boizenburg aus dem Jahre 1790 wird der Weg am Ort der heutigen Hamburger Straße als Steingare bezeichnet. Heute trägt der Gartenweg, der parallel zur Hamburger Straße von Vor dem Mühlentor zum Lauenburger Postweg verläuft, diesen Namen. Zur Herkunft des Namens siehe zu Düstere Gare (Nr.88). Auf dem Plan ist nicht zu erkennen, ob es sich bereits um eine gepflasterte Straße gehandelt hat.

128. Fußsteig zum rothen Hause Stadtgrundriss 1790 Auf der gleichen Karte ist auch dieser Fußsteig zu finden, der etwa auf dem Gelände des heutigen Hafenplatzes verlief.

129. Vor dem Mühlentor überliefert So wurde historisch das dem Mühlentor vorgelagerte Gelände generell bezeichnet, anders als heute, da es nur ein Straßenname ist.

130. Mühlendamm überliefert, Jugler 1797 Der Mühlendamm ist der seinerzeitige dammartige Anschluss des Stadtausganges vor dem Mühlentor an die Landstraßen nach Hamburg, Mölln, Lübeck, Wismar und Berlin.

131. Marschhoff ül.Niemann, Hackamt Nach den Hackamt-Archivalien lag dieser nahe bei dem Mühlentor, vermutlich bei den Maschgärten (Amtsgärten).

132. Hude. MUB Das ist ein Stapelplatz für Frachtgut, der sich im Mittelalter nördlich des Hafens befand. Eine Hude wurde bereits im Jahre 1301 urkundlich erwähnt als Graf Nicolaus II. von Schwerin die Stadt mit dem, … Raum außerhalb der Stadt, die Hude bei der Elbe genannt, von dem Ende ihrer Höfe bis zum St.Jürgen Hospital und von der Stadt bis zur Landwehr…“ belehnte. Unsicher ist jedoch, ob es sich dabei um diesen Stapelplatz gehandelt hat oder um eine Hutung für Weidevieh, was eine zweite Bedeutung für das Wort darstellt und bei der Formulierung in der Urkunde naheliegender ist. Diese Hude dürfte das Gebiet der gesamten „Masch“ vom Hafen bis an den Hospitalacker an der heutigen Schwartower Straße gewesen sein.

133. Weyde ül.Niemann Nördlich des Hafens soll sich - heute kaum vorstellbar – auch eine Weide befunden haben. Da die Fläche des Hafengeländes wesentlich aufgeschüttet wurde, ist das nicht ausgeschlossen. Vielleicht handelt es sich dabei um den in einer Urkunde genannten

134. Kuhsand vor Boizenburg MUB auf dem sich häufiger Fürsten für Verhandlungen versammelt haben. MUB 12960: Am 31.Mai 1396: „Der Rat zu Lüneburg teilt (dem Rat zu Lübeck und Hamburg) mit, dass infolge der Bemühungen des Königs Albrecht von Schweden eine Zusammenkunft zu Vergleichsverhandlungen zwischen den Herzögen von Braunschweig-Lüneburg und der Stadt Lüneburg für Juni 18 in Aussicht genommen sei.“ (Regesten-Text) Die Zusammenkunft soll „vp dem Kosande vor Boyseneborg“ stattfinden.

'135. Hafenplatz überliefert Der seinerzeit als Hude bezeichnete Hafenplatz ist erst in dem frühen 20. Jahrhundert mit Boden vom Schützenplatz aufgefüllt und mit einer Kaimauer befestigt worden.clear=all>

Flurnamen in der Masch und im Beesen

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1. Buschwerder überliefert, Archivalien Der Buschwerder war ursprünglich eine Elbinsel. Hertel sen. bezeichnet ihn 1837 als den Erbpachtlichen Städtischen Buschwerder. Der Buschwerder befindet sich an der Hafenmündung. Um seine Nutzung zur Gewinnung von Weidenschänen für die Korbmacherei und von Deckelweiden für Stroh- und Reetdächer wurde lange Zeit zwischen dem herzoglichen Amt und der Stadt Boizenburg Streit geführt.

2. Elbhacken Hertel 1838 Hertel weist 1838 auch den s. g. Elbhacken aus. Elbhaken ist eine Bezeichnung, die sich entlang der Elbe überall für Altarme findet.

3. Rohrkaveln ül.Niemann Ganz in der Nähe am Elbhaken befanden sich auch die Rohrkaveln, die das Rohr oder Reet für die Dächer lieferten und wegen des sumpfigen Grundes nur bei Frostwetter gemäht werden konnten.

4. Schwarzer Ort Knöchel 1816 In einer Karte aus dem Jahre 1816 ist hier auch der dieser Name zu finden.

5. Vier Köpfe ül.Niemann Es handelte sich um vier Steine, die sich an der Hafenmündung in der Elbe befanden und um die sich Sagen ranken, die aber auch als so genannte Hungersteine bei extremem Niedrigwasser zu Tage traten und Gefahr für die Schifffahrt anzeigten.

6. Dürkops Busch ül.Niemann Hier handelte es sich um eine Buschfläche in den zahlreichen Elbschlenken, bezeichnet nach dem Besitzer oder Nutzer.

7. Pötter- oder Pemperkuhlen ÜN Entlang der Elbe – so auch bei der Hafenmündung - befinden sich im Deichvorland überall Kolke, die durch Strudelwirkung bei Hochwasser, teils auch bei Deichbrüchen (s, g, Bracks) entstanden sind. In diesen gibt es häufig viele Fische in Sonderheit Aale, die durch Pöttern – ohne Haken mit Köder an der Pötterstange (ndt. pöttern = stochern) – gefangen werden. Durch den Deichbau um 1960 und die Verlegung der Sudemündung sind diese nur noch in Resten vorhanden.

8. Elbkaveln ül.Niemann Die Elbkaveln waren kleine städtische Wiesenflächen an der Elbe, die jährlich „verkavelt“, d.h. per Losentscheid, später auf Höchstgebot, verpachtet wurden.

9. Lütte Masch ül.Niemann, WK 1958 Die Kleine Masch ist eine Wiese zwischen dem Färbergraben und dem Schacksgraben.

10. Grote Masch ül.Niemann, WK 1958 Diese Marschwiese befindet sich zwischen dem Schacksgraben und der Elbe bzw. dem neuen Sude-Umfluter. Auch diese Wiese wurde jährlich verpachtetet.

11. Albrechtsche Weide ül.Niemann Innerhalb der Groten Masch befindet sich die nach ihrem Besitzer, dem Ackerbürger Albrecht, benannte Weide.

12. Nachtkopppel ül.Niemann Auf dieser Weide in der Großen Marsch wurden Pferde während des Sommers nachts geweidet.

13. Goldufer überliefert, Meckl.Staatskalender Das Goldufer - ursprünglich eine Elbinsel - befindet sich auf der niedersächsischen Seite der Elbe. Es gehörte bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts zu Mecklenburg und wurde an die Bauern in Brakede verpachtet. Dafür musste Pachthafer (jährlich 70 Himten = etwa 1400 kg) geliefert werden, der mit einer jählichen Zeremonie als „Haberhimten“ übergeben wurde.

14. Alte Fährstelle ül.Niemann Boizenburg hatte zwei Fährstellen, die die Stadt mit dem Hannoverschen verbunden haben. Eine Kahnfähre, die in erster Linie den Brakedern und Radegastern diente, die ihre Einkäufe im nahen Boizenburg erledigten, befand sich hinter Altendorf. Der Weg zu dieser Alten Fährstelle, der Fitzenweg, ist noch heute erhalten. An dieser Stelle befanden sich bis 1947 noch ein Freibad mit Kaffeehäuschen und ein Sportplatz an der Elbe. Eine Wagenfähre überquerte die Elbe an der Hafenmündung, wo der Fährweg endete und sich bis etwa 1950 das Fährhaus befand. Über diese Fährstelle lief auch die Postverbindung von Schwerin nach Lüneburg und Celle.

15. Fährhaus überliefert Das Fährhaus war eine Gaststätte.

16. Stübber überliefert, WK 1958, Wiebeking 1786 (Stubbenheyde) Diese Wiese befindet sich östlich des Weges zur Brakeder Fähre. Der Name deutet noch auf den einst bestehenden Auenwald hin. Bei der Urbarmachung wurde zwar der Wald abgeholzt, aber nicht gerodet, so dass die Stubben lange Zeit stehen blieben. Das spielte bei der Weidenutzung keine große Rolle, stellte jedoch bei Wiesennutzung eine Behinderung dar.

17. Trockener Stübber Knöchel 1816 In einer Karte aus dem Jahre 1816 wird der Stübber solcherart bezeichnet, im Gegensatz zum Nassen Stübber zwischen Gothmann und Bahlendorf.

18. Hammelweide überliefert, Knöchel 1816, WK 1958 Die Hammelweide ist eine Elbwiese an der Grenze zu Gothmann. Der Name deutet auf die frühere Weidenutzung mit Hammelherden hin. Bei der Hammelweide befand sich auch eine weitere Ziegenwiese.

19. Ziegenwiese ül.Niemann.

20. Großer Ochsenwerder überliefert, WK 1958 Der Große Ochsenwerder, eine Wiese in der Elbmarsch, befindet sich an der Grenze zu Gothmann an der Gothmanner Straße.

21. Kleiner Ochsenwerder überliefert, WK 1958, Knöchel 1816 (Ochsenwerder) Der nördlich des Großen Ochsenwerders befindliche Kleine Ochsenwerder ist durch Gräben von diesem getrennt.

22 Neue Wiese' überliefert, WK 1958 Diese Wiese befindet sich unmittelbar an der Straße zum Bahnhof im Anschluss an die städtische Bebauung. Sie wird wohl erst spät urbar gemacht worden sein; sei es wegen der erforderlichen Entwässerung oder aber der notwendigen Gehölzrodung.

23. Langer Hövel überliefert, Knöchel 1816, WK 1958 Der Lange Hövel ist ebenfalls eine Wiese in der Elbniederung im Winkel zwischen dem Gothmanner und dem Bahler (Schwarzen) Weg. Der Name Hövel deutet auf eine etwas erhöhte Fläche hin.

24./25. Große und Kleine Schantz Knöchel 1816 Auf einer Karte aus dem Jahre 1816 werden so die Wiesen an der Einmündung des heutigen Schwarzen Weges auf die B 5 bezeichnet. Der Name ist schwer zu deuten, da Schanzen nicht zu erkennen sind. Der Archäologe Bastian sieht in den wohl beim Bau des Straßendammes abgetragenen Schanzen einen Teil der alten Boizenburger Landwehr (siehe Nr. 232 und 233).

26. Im Beesen überliefert, Knöchel 1816 (Im Behsen) Die Wiesen zwischen dem Bahnhof und Bahlendorf tragen 1816 diesen Namen, der auf das gehäufte Auftreten von Binsen (ndt. Beesen oder Beisen) als Nässeanzeiger hindeutet.

27. Kiebitz-Hövel überliefert, WK 1958 Der Kiebitz-Hövel, eine etwas höher gelegene Fläche (daher Hövel), befindet sich zwischen der Alten Boize und dem Gothmanner Weg.

28. Kiebitzen Rieh Knöchel 1816 Der aus der Gamm kommende Bach, der den Schwarzen Weg kreuzt, wird 1816 als Kiebitzen Rieh bezeichnet. Als Rieh oder Riehe benennt man im Niederdeutschen mit Reet bestandene Niederungen, die häufig von Wasserläufen durchzogen werden oder auch nur den Wasserlauf.

29. Bahler Graben überliefert Dieser Bach wird in anderen Unterlagen auch als Gamm-Graben oder Baek bezeichnet.

30. Sandberg Knöchel 1816 So wird 1816 eine Fläche südlich des Schwarzen Weges unmittelbar vor Bahlendorf wahrscheinlich wegen ihrer ein wenig höheren Lage und des sandigen Bodens bezeichnet.

31. Hohe Brücke überliefert, Stadtgrundriss 1790 Die Hohe Brücke quert die Alte Boize im Zuge der alten B 5. Ihr Name ist wegen der Lage in dem hohen Damm zur Bahnhofsvorstadt entstanden.

32. Ellerholtz Forde Niemann (Archivalien) Vor Zeiten befand sich am Ort der Hohen Brücke wohl eine Furt, seinerzeit Ellerholtz Forde genannt.

33. Chausseehaus überliefert Ganz in der Nähe der Hohen Brücke gegenüber der Einmündung des Bahler Weges befand sich das Chausseehaus in einer Kurve. Es wurde 1938 abgebrochen, um die Kurve zu begradigen. Durch die dann in den 1950er Jahren durchgeführte weitere Begradigung ist das Grundstück des Chausseehauses in die Trasse der Straße einbezogen worden. Das Chausseehaus diente wie die in Horst, Zahrensdorf, Vellahn usw. ursprünglich der Zollerhebung, dann als Wohnstätte der Chausseewärter.

34. Chausseeberg ül.Niemann So bezeichneten die Gothmanner und Bahler den Anstieg vom Schwarzen Weg auf den Damm der Chaussee.

35. Mannhöft Niemann Hier handelt es sich um eine kleine Fläche an den Ellerholzwiesen hinter dem Chausseehaus. Der Name bedeutet wörtlich Manneshaupt (mndt. höved, hövet, höft = Haupt). Es wird sich um eine etwas höher gelegene Fläche handeln, die dem früheren Boizenburger Bürger Mann gehört hat (siehe Nr. 217).


Flurnamen in der Bahnhofsvorstadt und der Gamm

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1. Möwen Horst ül.Niemann, Hertel/Seitz 1868 Der Flurname findet sich in der Karte aus dem Jahre 1868 dort, wo sich heute die Kleingärten (Verein „Möwenhorst“) zwischen der Altstadt und der Bahnhofsvorstadt befinden.

2. Teschenkamp ül.Niemann Ein Acker an der Möwenhorst wird wohl nach einem früheren Besitzer Tesch so bezeichnet.

3. Ellerholzwiesen überliefert, Jugler 1797 Die Ellerholzwiesen begleiten die Alte Boize von der Schleuse bis zur Hohen Brücke. Der Name weist auf den früheren Erlenbruchwald hin. Nach den Hackamt-Archivalien gab es innerhalb der Ellerholzwiesen weitere Flurnamen. Genannt sind:

4. Krettel Theil und Rath Ohrt Hackamt

5. Schleusenbruch WK 1958 Das Schleusenbruch, das sicher durch den Anstau entstanden ist, befindet sich oberhalb der Schleuse an der Grenze zu Schwartow.

6. Amtsschleusse Jugler 1797 So wird bei Jugler die Schleuse, die das Wasser der Boize in den Boizekanal ableitet, bezeichnet.

7. Schleusenbusch ül.Niemann Ein kleines Gehölz an der Schleuse.

8. Schleusenbrink ül.Niemann Dieser ist ein Teil der Außenhausstücke an der Boizenburger Gamm-Siedlung (an der Galliner Chaussee).

9. Bürgermeisterscher Camp FMK 1727 So wird 1727 ein kleiner Ackerkeil hinter den Ellerholzwiesen bezeichnet, der sich heute im Gelände der Fliesenwerke befindet. Er wird sicher dem jeweiligen Bürgermeister zur Nutzung überlassen worden sein.

10.Außen Hausstücke WK 1978, FMK 1727 (Hausländer vor dem Mark-Thor)

      • 11. Außen Hausland WK 1958, FMK 1727 (Hausländer vor dem Mark-Thor)

Diese (Nr. 173 und 174) wurden 1727 einheitlich als Hausländer vor dem Marck-Thor bezeichnet. Heute sind sie zum großen Teil mit der Bahnhofsvorstadt bebaut. Als Außen Hausstücke sind noch in den 1950er Jahren Reste an der Galliner Straße und als Außen Hausland südlich der Bahnlinie hinter der Ehm-Welk-Straße zu finden gewesen.

12. Kirchen Kamp Knöchel 1816 Östlich von Im Beesen etwa dort, wo sich heute die Kleingärten an der Bahler Chaussee befinden, findte sich in der Karte von 1816 dieser Flurname. Dabei wird es sich um ein Feld am Rande der Gamm gehandelt haben, das der Boizenburger Pfarre gehörte.

13..Dürkops Gärten ül.Niemann Diese befanden sich auf den Außen-Hausstücken an der Galliner Chaussee und sind nach dem Besitzer benannt.

14. Sandgrube ül.Niemann Eine weitere Sandgrube befand sich auf den südwestlichen Außenhausstücken auf dem heutigen Gelände der Fliesenwerke.

15. Duensingsche Ackerkaveln ül.Niemann Der Besitzer der damaligen Plattenfabrik Duensing erwarb zum Aufbau der Fabrik Ackerflächen auf den Außen-Hausstücken, die nicht alle sofort bebaut und daher verpachtet wurden. Sie trugen deshalb zeitweilig diesen Namen.

16. Stallbaumskamp ül.iemann Der Acker mit diesem eigenartigen Namen befand sich ebenfalls auf den Außen-Hausstücken im Bereich des heutigen Sportplatzes des SV Aufbau. Der Name wird sicher von dem eines Besitzers abgeleitet sein. Ein Vergleich mit dem friesischen Upstallboom sollte nicht ausgeschlossen werden. An diesem versammelten sich die freien Männer der Grafschaft Friesland.

17. Fabrik überliefert Die ab 1902 erbaute Plattenfabrik, heutiges Fliesenwerk, wurde früher von den Boizenburgern kurz Fabrik genannt.

18. Bahnhof überliefert Nachdem 1846 der Bahnhof gebaut wurde, entstand über einen längeren Zeitraum – besonders gefördert durch den Bau der Plattenfabrik – die Vorstadt, von den Boizenburgern kurz „Bahnhof“ genannt. Wer also in die Bahnhofsvorstadt will, „geht auf den Bahnhof.“

19. Ausstieg ül.Niemann Südöstlich des Bahnhofs ist dieser eigenartige Name zu finden. Ob er von einem früheren behelfsmäßigen Bahnsteig herrührt, ist nicht bekannt.

20. Knick ül.Niemann Auf dem Außen-Hausland zwischen dem Gammgraben und der Bahnlinie findet sich südlich der Flurname Knick, der eigentlich eine Wallhecke zur Abgrenzung von Acker- oder Weidekoppeln bezeichnet, hier aber vielleicht von der scharfen Kurve im Bahngleis hergeleitet sein könnte.

21. Die Gamm überliefert Die Gamm mit ihren Boizenburger, Bahler, Schwartower, Zahrensdorfer und Neu Gülzer Anteilen stellt vermutlich die Feldmark eines untergegangenen Dorfes dar, das als (G)amnetin im Ratzeburger Zehntenlehenregister 1230 erwähnt wurde. Im nordöstlichen Teil des Gebiets wurde eine Dorfstelle gefunden. Bei Schmettau wird das Gebiet „Die gemeinschaftliche Hütung zwischen Boitzenburg, Gerum, Swartow, Zahrendorf, Bahlen und Hof-Bahlen“ bezeichnet. In einer anderen historischen Karte als Gammer Moor. Der Flurname findet sich auch in Bahlen, Schwartow, Zahrensdorf und Neu Gülze. Er dürfte slawischen Ursprungs sein (möglich ist eine Parallele zu russ. gam = Gebell, Lärm).

22. Lindhorst WK 1958, Mayer 1729 (Die Linthorst) Die Lindhorst befindet sich im nordöstlichen Teil der Gamm an der Grenze zu Zahrensdorf. Dort könnte sich die Dorfstelle der Gamm befunden haben. Bis in das 20. Jahrhundert hinein befand sich dort das Büdnergehöft Gamm, das dann an die B 5 verlegt wurde. Die Silbe horst deutet auf eine etwas erhöht gelegene Fläche hin, auf der wahrscheinlich Linden gestanden haben.

23. Die Lader Mayer 1729 Dieser Flurname ist wie die folgenden in der Karte des Georg Matthaeus Mayer von der Gamm aus dem Jahre 1729 zu lesen, die wohl eine Streitkarte für Differenzen des Amtes oder der Stadt Boizenburg mit dem adligen Gut Schwartow darstellt. Der Name wird wahrscheinlich auf eine alte deutsche Bezeichnung für eine Sumpfwiese „die Lah“ zurückgehen, die auch jenseits der Elbe z. B. in Barförde zu finden ist.

24. Im Föhrden Mayer 1729 An der Grenze zu Schwartow findet man diesen Namen, der auf eine Überfahrtsmöglichkeit über das Moor hinweist (vergleiche Furt).

25. Der Schwartzendiek Mayer 1729 Dieses Gewässer befand sich einst inmitten der Gamm und diente als Viehtränke. Der Name wird von der dunklen Färbung des Moorwassers herzuleiten sein. Es wird sich an der Umgehungsstraße gegenüber der Abfahrt zum Bahnhof befunden haben.

26. Der Bürgermeister Camp Mayer 1729 Auch in der Gamm, etwa am heutigen Gewerbegebiet, findet sich ein Feld mit dieser Bezeichnung.

27. Scheideberg Mayer 1729 An der Grenze zu Schwartow weist die Karte von 1729 einen Scheideberg aus. Dabei handelt es sich um einen künstlich geschütteten Scheidehügel als Grenzmarke.

28.Streukaveln ül.Niemann Dieses ist ein neuerer Name für die Sumpfflächen im westlichen Teil der Gamm, die wegen des Bestandes an Seggen, Binsen usw. nur für die Gewinnung von Einstreu für das Vieh geeignet sind.

29. Gammweide ül.Niemann Hierbei handelt es sich um den zentralen Weidekomplex in der Gamm.

30. Moorwiesen ül.Niemann Nördlich der Gammweide am Übergang zur Höhe wird die Gamm tiefgründig moorig. Deshalb finden wir dort die Moorwiesen.

31. Torfkuhlen üä.Niemann An den Moorwiesen befinden sich die Torfkuhlen.

32. Torfweg ül.Niemann Zufahrt zu den Torkuhlen und den Wiesen.

33. Starkenbucht üä.Niemann Dieses ist eine Weide für weibliche Jungrinder, die „Starken“, am nordwestlichen Rande der Gamm schon nahe der B 195.

34. Am Meilenstein überliefert An der B5 haben sich im Abstand von 7,5 Kilometern Meilensteine und dazwischen Halbmeilensteine befunden. Diese sind größtenteils erhalten. Ein Meilenstein befand sich umgeben von Fliedersträuchern am Abzweig des Landweges zur Neu Gülzer Gamm, der heutigen Einfahrt zum Gewerbegebiet. Man sieht ihn dort ein wenig versetzt immer noch. Die benachbarten Meilensteine gibt es noch beim Vier und bei Dersenow.



Flurnamen auf dem Stadtfeld

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1. Teichstücke WK 1958, FMK 1727 (Acker beym Teiche) Auf den Teichstücken befinden sich heute Gärten (Kleingartenverein „Abendfrieden“) südlich der Schwartower Straße. Da ein Teich weder in älteren noch in neueren Karten zu finden ist, wird vermutet, dass der Name von dem Damm am Boize-Kanal (Teich = Deich) abgeleitet ist. Möglich ist auch die Entstehung aus dme ndt. Wort Dieck, das nich nur einen Teich sondern auch einen dichten Wald (Dicke, Dickung, Dickicht) bezeichnen kann. In den Hackamtarchivalien findet sich der Eintrag: am Schwartower Wege nebst dem

2. Klunck Ohrt bey dem Teichgarten Hackamt Der Name wird aus altsl klenu (poln. klon) für Ahorn oder altsl. klinu für Winkel abgeleitet sein (siehe Kühnel Nr. 62, 430 und 631).

3. Hausländer vor dem Mühlen-Thor FMK 1727, WK 1958 (Binnenhausland) So werden 1727 die heutigen Gärten im äußeren südlich der Schwartower Straße gelegenen Teil (Kleingartenvereine „Sonnenschein“ und „Morgenrot“) und die gegenwärtig als Binnenhausland benannten Stücke jenseits der Bahnlinie an der Schwartower Grenze bezeichnet. Der Name weist auf die historische Zugehörigkeit zu den städtischen Häusern hin. In den mecklenburgischen Städten wurden die Grundstücke der Bürger (Hausgrundstücke einschließlich des zugehörigen Ackers) als Erben bezeichnet. Je nach Größe gab es ganze, halbe und Viertel- Erben, wonach dann die Steuer entrichtet wurde.

4. Küsters Gärten überliefert Diese sind Bestandteil des Binnenhauslandes in dessen südlichem Teil. Sie sind nach einem Eigentümer, dem seinerzeitigen Bäckermeister Küster aus der Königstraße, benannt.

5. Boitze-Wiese überliefert, FMK 1727 Diese Bezeichnung findet sich 1727 für die in die Kleingärten (Verein „Morgenrot“) einbezogenen ursprünglich als Wiese genutzten Flächen an der Boize.

6. Küstersche Wiesen überliefert, ül.Niemann Diese sind ein Teil der Boizewiesen.

7. Metlitzberg WK 1958, FMK 1727 (Auf dem Metels-Berge) Die historische Namensform hat sich auch im heimischen Plattdeutsch erhalten. Man sagt dort „Ick gah up de Meitels“, wenn man „auf“ die Metlitz zu gehen beabsichtigt. Es handelt sich um ursprünglichen Acker an der gleichnamigen Straße und der heutigen Umgehungsstraße. Zur Deutung des Namens siehe unter Metlitz (nach Nr. 264).

8. Lehmkuhle ül.Niemann Nahe dem Metlitzberg nördlich der Umgehungsstraße ist noch eine frühere Lehmgrube zu erkennen. Lehm wurde seinerzeit nicht nur beim Töpfern sondern auch und in weit größerem Umfange beim Hausbau gebraucht. Die Innenwände, häufig auch die Gefache der Außenwände und die Fußböden bestanden aus Lehm. Es kann sich hier aber auch um eine Mergelgrube handeln. Mergel war kalkhaltiger Lehm, der auf saure Böden aufgebracht wurde.

9. Beim Keesboom überliefert, FMK 1727 Der Flurname ist am Grünen Weg vor der Umgehungsstraße zu finden. Ihn erklärt eine Sage, die uns Hans Vick überliefert hat. Danach hat hier einstmals eine große Pappel gestanden. Er berichtet „von einem Knecht, der ebenso faul wie gefräßig war. Er sollte den umliegenden Acker pflügen. Bevor er aber begann, sah er noch schnell in seiner Kiepe nach, was die Hausfrau ihm als Butterbrot mitgegeben hatte. Wieder fand er drei Käsebrotschnitten, und da ihm schon mehrmals die gleiche Kost mitgegeben war, und sein Leckermaul nach anderem Belag verlangte, so rief er voll Wut: ,Der Teufel soll mich holen, wenn ich den alten Käse esse!’ Er heftete die eine Brotschnitte an den Baum, warf die zwei anderen in die Kiepe zurück und legte sich nun in den Schatten des Baumes, um sich vor dem Arbeitsbeginn durch einen tüchtigen Schlaf zu stärken. Als er erwachte, verspürte er einen derben Hunger und aß nun doch das vorhin verschmähte Käsebrot. Da kam in der Nacht der Teufel und drehte ihm das Genick um, und nun muß er allnächtlich ruhelos um den Baum wandern.“ Der Flurname ist heute in den Namen einer in der Nähe befindlichen Straße (Am Keesbohm) eingeflossen.

10. Masch Brock überliefert, FMK 1727, FK 1936 (Marschbruch) In der Feldmarkskarte von 1727 ist dieser Name bereits für ein kleines Bruch westlich des äußeren Grünen Weges an der heutigen Umgehungsstraße eingetragen. Der erste Namensbestandteil ist ähnlich wie bei den Maschgärten etwas irreführend, denn es handelt sich nicht um Marschböden sondern um Moor. Früher wurde in der Region jeder feuchtere bis sumpfige Standort als Masch bezeichnet. Unweit nördlich davon findet sich auch die Bezeichnung Soll für ein Kleingewässer.

11. Wendhörn WK 1958, FMK 1727 (Aufn Wendthören) Der Name weist vielleicht auf eine frühere wendische Besiedlung hin. Er kann aber auch auf das erforderliche Wenden bei den Ackerarbeiten hier vor dem Moor zurückzuführen sein. Die Silbe –hörn bringt zum Ausdruck, dass hier eine höhere Lage in Winkelform vorhanden ist.

12. Camp Niemann Nahe dem Wendhörn liegt noch ein kleiner Kamp jenseits der Bahnlinie.

13. Camerey Wiese Schmettau 1788 Westlich der heutigen Bahnlinie am Wendhörn.

14. Das Hohe Feld FMK 1727 In der Karte von 1727 bezeichnet dieser Flurname den höher gelegenen Acker nordwestlich des Maschbrocks.

15. Auf dem Breiten Stein FMK 1727, WK 1958 Dieser Acker befindet sich östlich des Schwanheider Weges vor Gehrum. Der Name deutet sicher auf Steinfunde in alter Zeit hin. Er könnte auch auf ein vorgeschichtliches Grab hinweisen. Hans Vick notierte dazu: „Hier ist ein schönes Doppelkegelgrab gefunden, 1854, aus der älteren Bronzezeit etwa um 2000 – 1250 v. Chr. Beltz. Elbzeitg: Dort lag ein, einem Gastwirt Man gehörendes Ackerstück „Zum breiten Stein“, wohl nach einem vorgeschichtlichen Grab genannt, und in diesem eine künstliche Erhöhung, die allmählich immer weiter abgegraben und schließlich ganz entfernt wurde. Der Soldarbeiter und Jürgenstiftberechner Sevecke rettete Stücke für die Schweriner Sammlung. Jedes der beiden Gräber war mit einem großen Steinhaufen überdeckt und sie lagen ost-westl., parallel nebeneinander. Beisetzung unverbrannter Leichname, ein männl. und ein weibl. Grab mit reichen Beigaben an Bronzegegenständen, deren Verteilung nicht genau feststeht. …“

16. Sprengels Soll FMK 1727, WK 1958 Als Sölle bezeichnet man in Mecklenburg kleine stehende Gewässer jeglicher Art (anders in der Geographie). Bei Sprengels Soll handelt es sich aber um ein sumpfiges Gelände am Schwanheider Weg, das auf ein früheres Soll zurückgeht. Der Name deutet auf die Familie von Sprengel hin, die bis 1736 umfangreichen Besitz im Boizenburger Amt hatte (Gresse, Badekow, Beckendorf und Rechte in anderen Dörfern, vermutlich auch in Gehrum).

17. Sprengels-Soll-Stücken WK 1958, FMK 1727 (Beym Sprengels Soll) Acker beiderseits des Schwanheider Weges südlich des Solls.

18. Kutten Kamp WK 1958, FMK 1727 (Der sogenandte Kutten-Camp) Ackerstück östlich von Sprengels Soll. Der Name könnte auf kirchliches Besitztum hinweisen, folglich von der Kutte des Priesters abgeleitet sein.

19. Krauels Kuhle FMK 1727 Hierbei handelt es sich gemäß einem Eintrag in der Karte von 1727 um Acker und Wiese östlich des Schwanheider Weges etwa in der Höhe der heutigen Umgehungsstraße. Der Name dürfte von einem Besitzer abgeleitet sein. In Archivalien des Hackamtes hat H.Vick auch den Eintrag bey der Crowels Culen belegen gefunden. Dieses Gewässer wurde später Schwarzer Teich genannt, wohl nach dem dunkel gefärbten moorigen Wasser der jetzt verlandeten Krauels Kuhle.

20. Hünermannsfurth WK 1958, FMK 1727 (Im Hünermannsfort) Ackerfläche östlich des Schwanheider Weges. Diese wird nach einer Querung des kleinen Baches und der Moorniederung am Toten Winkel bezeichnet sein. Der Name Hünermann ist schwer erklärbar, kann aber der eines Ackerbesitzers gewesen sein. Der Name könnte aber auch Ironie beinhalten, weil dort häufig Wasser über den Weg lief, das eine Tiefe hatte, die den Hühnern das Durchwaten ermöglichte.

21. Dodenwinkel WK 1958 Wald, früher Teil des Pissbusch (siehe Nr. 220). Den Namen trug ursprünglich der Acker, der von dem Pissbusch dreiseitig umgeben war (1727 Im Todten-Winkel). Er deutet wohl auf die spezielle Lage des Ackers im toten Winkel des Waldes hin. Die abgeleitete Wohnstättenbezeichnung Toitenwinkel ist ahistorisch und wohl nur dem Wunsch der Bewohner geschuldet.

22. Am Toten Winkel WK 1958, FMK 1727 ( Im Todten-Winkel) Acker an dem Waldstück Toter Winkel.

23. Streuwischen Niemann In der Niederung beim Toten Winkel wächst auf Grund der Nässe nur als Einstreumaterial für das Vieh (ndt. Streudels) geeignetes Gras.

24. Powkensal oder Poggensoll Hackamt, Niemann Belegen beim Toten Winkel. Der Name wurde von H.Vick wurde als powken sal in Hackamtarchivalien gefunden. Er weist auf den Bestand an Fröschen (ndt. Poggen) hin.

25. Beym Ohrt Holtze FMK 1727 Dieser Name bezeichnet 1727 einen Gehrumer Acker nordwestlich des Toten Winkels. Der Name deutet auf die Lage an der Grenze der Feldmark hin. Ort ist im alten Deutsch eine Bezeichnung für Spitze oder auch Rand, oder aber auch nur allgemein Acker.

26. Die untersten Enden FMK 1727 Dieser Eintrag findet sich 1727 als Name für die Enden der Ohrtholzstücke an der Streitheide.

27. Wulfskammer WK 1958, FMK 1727 (Bey der Wolffs-Kammer) Bei der Wulfskammer handelt es sich um ein jetzt teilweise aufgeforstetes früheres Ackerstück (1958 Acker) an der Grenze zur Streitheide. Der Name deutet aber auch auf Wald in früherer Zeit hin, denn gerade für Waldkämpe findet sich häufig die Bezeichnung Kammer. Hier handelt es sich wohl um einen früheren Unterschlupf für Wölfe.

28. Wolfsgruben Niemann In früheren Jahrhunderten wurden in den Wäldern, so wohl auch in der Wulfskammer Wolfsgruben angelegt, in denen mit einem lebenden Köder die Wölfe angelockt und gefangen wurden.

29. Heyde FMK 1727 Dieser Eintrag findet sich mehrfach in der 1727er Karte für die Streitheide und ebenso bei der Metlitz. Manchmal wird auch die Bezeichnung

30. Stadthaide FMK 1727 gewählt.

31. Piss Busch FMK 1727 Es handelt sich auf der Karte von 1727 um ein Gehölz westlich des Wäldchens am Toten Winkel. Zum Namen siehe unter Nr. 221.

32. Auf dem Piss Felde FMK 1727 Dieser Acker findet sich 1727 an der Grenze zur Gemarkung Vier. Der Name ist slawisch, von altsl. pezuku für Sand.

33. Das Piss Feld FMK 1727 Lage ähnlich wie vor, jedoch näher am Piss-Busch (Toter Winkel)

34. Pissforde ül.Niemann Hierbei dürfte es sich um die Querung der kleinen Wiesenniederung im Zuge des Gehrumer Weges handeln. Auch für die Übergänge über Moorniederungen wurde häufig die Bezeichnung forde oder fort für Furt verwendet.

35. Schinder Lande FMK vom Hof Vier von Susemihl 1817 u.Hertel 1850, ül.Niemann Diese Äcker waren früher auf der Hoffeldmark Vier an der Grenze zur Stadtfeldmark Boizenburg belegen. Erst später wurden sie auf die Gemarkung Boizenburg umgemarkt. Der Schinderacker stand dem Schinder, auch Frohner (später Abdecker) genannt und häufig gleichzeitig der Scharfrichter, zur Nutzung zur Verfügung. Der Schinder hatte die Tierkadaver zu enthäuten und zu verwerten. Nahebei befinden sich dann auch die

36. Schindertannen ül.Niemann

37. Vierhäge WK 1958, FMK 1727 (Am Fier Hegten), Susemihl 1817 (Vier Hege) Acker an der B 5 und der Grenze zur Gemarkung Vier, die vielleicht einmal eingehegt, d. h. von Hecken umgeben war. Dafür spricht auch, dass auf der Susemihlschen Karte der Hoffeldmark Vier aus dem Jahre 1817 an der Grenze zur Stadtfeldmark der Eintrag Vier Hege südlich der B 5 an der Feldmarksgrenze und auch der Eintrag Fose Hege kurz vor Streitheide ebenfalls an der Grenze zur Stadtfeldmark zu finden ist. Die Namen können aber auch auf einen früheren Wald (Hagen) hinweisen. Auf neueren Karten findet sich der Name Vierhäge für einen Ackerschlag etwas weiter nördlich. Dort befindet sich auch die

38. Schippskuhl ül.Niemann, Kahns Diesen Flurnamen gibt es auch in Klein Bengerstorf, Granzin und Zarrentin, dort in unterschiedlichen Schreibweisen. Der Name wird von dem althochdeutschen Begriff schiff für Gefäß, Wanne wegen der Geländeform abgeleitet sein. Eine Bildung aus Schapskuhl (Schafkuhle) ist nicht auszuschließen. Die Sage berichtet nach Ina Kahns jedoch, dass dort ein Schiff vom Himmel gefallen sei.

39. Soll FMK 1727 Im Feld Am Düsterweg findet sich auch diese Bezeichnung. Das ist kein eigentlicher Flurname, sondern die Bezeichnung für Kleingewässer, die oft in der Eiszeit entstanden sind, häufig aber auch eine Mergelgrube darstellen. Da sich die Bezeichnung hier bereits 1727 findet, als die Mergeldüngung noch nicht üblich war, kann von eiszeitlicher Entstehung ausgegangen werden. In den Hackamt-Archivalien ist der Eintrag Mittelbergs Soll zu finden

40. beym Sandberg Mittelborgs Soll Vermutlich wird es sich um das vorgenannte Soll handeln.

41. Eckernkoppel ül.Niemann So wird das an das Pissfeld grenzende Waldstück des Pissbusches genannt. Der Name deutet auf die Nutzung eines abgegrenzten Teils zur Eckernmast für die Schweine hin.

42. Fier Scheide ül.Niemann Hier handelt es sich um die Grenze der Stadtfeldmark zu der des Pachthofes Vier. Solche Feldmarksgrenzen, vielfach auch als Scheiden bezeichnet, sind oft durch Hecken oder durch Scheidegräben markiert. So gibt es ein wenig nördlich dann die Rensdorfer Scheide und die Nostorfer Scheide, die allerdings keine Grenzen der Stadtfeldmark darstellen.

43. Bürgermeister Camp FMK 1727 So heißt 1727 ein Acker westlich an der Streitheide, der heute zur Gemarkung Vier gehört.

44. Weg nach Gerum, Gerumer Weg ül.Niemann Mehrfache Eintragung in der Karte von 1727.


Flurnahmen in Gehrum und Rhedewiesen

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1. Rhedewiesen überliefert in unterschiedlichen Schreibweisen In der Karte von 1727 werden sie als Reht-Wiesen bezeichnet, „so zum theil unausgebrachet liegen, haben sich die Bürger gleich getheilet“. Es handelt sich um Wiesen an der Niederung im Übergang von der diluvialen Hochfläche mit guten Ackerböden zur Heide, die eine eiszeitliche Sanderfläche darstellt. Die sehr feuchten Wiesen werden wahrscheinlich mit Schilfgras (Reet) bestanden gewesen sein.

2. Oben denen Reht-Wiesen FMK 1727 Dieser Eintrag ist in der Karte von 1727 im östlichen Bereich der Rethwiesen zu finden. Die Lage entspricht etwa der heutigen der drei Bauerngehöfte von Neu Gehrum. Bei Wiebeking und Schmettau befindet sich im gesamten Bereich südlich der Rethwiesen bis etwa zum Toten Winkel der Eintrag: „Die Hütung dieses Feldes ist gemeinschaftlich zwischen der Stadt und dem Fürstl. Hof Vier“. Es handelt sich um Acker.

3. Wattenberg Niemann Die Anhöhe wird manchmal auch als Wartenberg, Wartzberg, Wartzenberg und Wortenberg genannt. Es handelt sich um oberhalb des Rethwischenholzes, westlich Hucks Koppel und Rönnbusch gelegenen Acker in der Karte von Hertel/Seitz 1868. Ob es sich um einen alten Wartberg (Ausguck zur Sicherung gegen Feinde in einer Landwehr) handelt, darf bei der Lage bezweifelt werden, obwohl er auch so bezeichnet wird. Vielleicht darf man die im Jahre 1301 urkundlich erwähnte Belehnung durch Graf Nicolaus II. von Schwerin mit dem „ … Raum außerhalb der Stadt, die Hude bei der Elbe genannt, von dem Ende ihrer Höfe bis zum St.Jürgen Hospital und von der Stadt bis zur Landwehr…“ jedoch auch so verstehen, dass sich nördlich der Stadt eine

4. Landwehr MUB befunden hat. Landwehren bestanden meistens aus einem Wall, bestanden mit einer undurchdringlichen Dornhecke. Denkbar ist eine solche Hecke unmittelbar vor der moorigen Rethwiesen-Niederung. Dann könnte der ehemalige Grabhügel auch als Wartberg gedient haben. Parallel dazu gibt es nahe Gehrum den Flurnamen Wallenberg. Der Archäologe R.Beltz schreibt über den Wattenberg: „Boizenburg Nr.1 Jahrbuch 20, S. 283. Zerstört 1854. Großer Erdhügel „Wortenberg“; zwei O-W gerichtete Steinhäufungen, in der einen Schwert und Ringschmuck, in der anderen Ringschmuck. An einem Ende des Grabes: Dolchklinge; im Erdmantel einzeln zerbrannte Gebeine und Bronzeteile.“ Die von Beltz angegebene Bezeichnung könnte auf eine Worte (Wurte, Warft) oder auch Wöhrde (Hausländereien der Bauernhufen) hinweisen. Die erstere Möglichkeit dürfte ausscheiden, da der Standort nicht im Hochwassergebiet zu finden ist, die zweite, weil es sich nicht um einen Siedlungsstandort handelt.

5. Rönnbusch Hertel 1857, WK 1958 (Wendhörn-Rönnbusch) Der Name ist auf einer Karte aus dem Jahre 1857 eingetragen. Auf der Wirtschaftskarte von 1958 ist vor dem ehemaligen Bahnübergang an den Boizenburger Stadttannen, die jenseits der Bahnlinie lagen, der Name Wendhörn-Rönnbusch zu lesen, der in dieser eigenartigen Verknüpfung auf ein auf dem Acker ursprünglich vorhandenes Gehölz hinweist. Der ndt. Namensteil Rönn- könnte sowohl von hdt. Rinne als auch rennen abgeleitet sein. 1727 befand sich hier die Hucks Coppel (siehe Nr. 235).

6. Reth-Wischen-Holz								        WK 1958

Hier handelt es sich um ein Gehölz südlich der Rethwiesen und nördlich des Breiten Steines im Anschluss an Wendhörn-Rönnbusch. 1727 befand sich hier eine Hutung (Nr. 202)


7. Oben denen Reht Wiesen FMK 1727 Hutung, die Wiebeking 1786 als gemeinsam mit dem Hof Vier bezeichnet.



7. Schäfer-Wiese FMK 1727 In der Karte von 1727 Wiese an den Rethwiesen, die wohl dem Schäfer als Deputatland diente.

8. Die Hucks Coppel FMK 1727, Schmettau 1788 Schon 1727 wurde dieser Name in der Feldmarkskarte aufgeführt. Es handelt sich um eine Wiese vor der Schäferwiese, die sicher nach dem Besitzer (Bürgermeister Hugh) so benannt war. In den Unterlagen des Hackamtes (1.173) findet sich eine Eintragung „hoff an der Boize nahe dem Dike bei des Herrn Bürgermeister Hugh Hofe“. Möglich ist aber auch die Benennung nach einer ndt. Form für Kröte, die Hucks lautet. Schneider erklärt mit Bückmann einen auf die gleiche Wurzel zurükgehenden Ortsnamen aus altndt. huk für Eule. Die Koppel wurde offenbar häufiger auch

9. Knuts Koppel Niemann genannt.

10. Wiese am Metelsfort FMK 1727 Kleine Wiese in der Karte von 1727 an der Huckskoppel. Den Flurnamen Metelsfort scheint es zweimal gegeben zu haben, denn diese Wiese ist von der Metelsfort im Salzfrachtweg um einiges entfernt. An diesem Ort kreuzte aber ein weiterer Weg die Wiesenniederung.


Gehrum

Gehrum war ein zur Stadt Boizenburg gehörendes kleines Bauerndorf mit im Jahre 1825 sechs Hüfnern, die zur städtischen Kämmerei gehörten, zwei Hüfnern, die der Boizenbuirger Pfarre angehörten und einem domanialen ursprünglich ritterschaftlichem Hüfner. Auf der Karte der Stadtfeldmark aus dem Jahre 1727 sind sechs „Stadt-Bauren“, zwei „Ambts-Bauren“ (die Kirchenbauern) und ein „Adelicher Bauer“ (späterer domanialer Bauer) genannt. Das Dorf wird 1453 im Landbederegister als Villa Gerem erwähnt. Bereits 1433 ist es durch eine Schenkung des Ratzeburger Bischofs in den städtischen Besitz gekommen.

Den Namen leitet Trautmann vom Personennamen Jaromir ab. Andere Autoren leiten ihn von Gehren = Speerspitzen ab, eine Verbindung, die sich anderenorts auch bei Flurnamen stellt. Niederdeutsch wird das Dorf Gehrm genannt.

Gehrum hat bereits im 18. Jahrhundert keine eigene, aber Anteile an der Boizenburger Feldmark. Die Dorfform lässt eindeutig eine Zeilenstruktur erkennen.

Bei der Feldmarksregulierung im 19. Jahrhundert wurden vier Bauerngehöfte aus dem Dorf verlegt. Die Ausbaugehöfte tragen jetzt den Namen Neu Gehrum.

Gewährsmann: Joachim Kletzin, Rensdorf

11. Bauer Acker, Bauer Acker nach Gerum FMK 1727 Beiderseits des Schwanheider Weges südlich der Rhedewiesen/Rethwiesen findet sich in der 1727er Karte dieser Eintrag. Er gehörte zu den Hufen der Bauern zu Gehrum. Später wird er noch prosaischer einfach als Gehrumer Acker bezeichnet. Bei der Anlage der Siedlung Streitheide und der wohl gleichzeitigen Neueinteilung der Hufen in Gehrum erfolgte ein Grenzausgleich mit den 1727 noch als Heide angegebenen Flächen. Westlich der heutigen Brunnenstraße bis zur Rensdorfer Scheide wurden Flächen zu Streitheide gegeben, während östlich der Straße bis an die Wulfskammer Flächen aus der Heide zu Gehrum gelegt wurden.

12. Gehrumer Wellen überliefert Gegenwärtig werden Teile des 1727 als Gehrumer Bauernacker aufgeführten Gebiets als Gehrumer Wellen bezeichnet. Dabei handelt es sich um die höher gelegenen Ackerflächen vor dem Vierholz, die etwas wellig sind.

13. Wallenberg Niemann, Kahns Die von Ina Kahns angegebene Bezeichnung als Wallenberg wird die gleiche Lage betreffen.

14. Bornberg Niemann Innerhalb des Gehrumer Bauernackers liegt der Bornberg. Der Flurname könnte auf eine Quelle, einen Brunnen oder eine Tränke hinweisen. In dem Acker befindet sich ein Soll, das auch als Viehtränke gedient haben könnte, wenn denn dort Vieh geweidet wurde. Hans Vick erwähnt auch einen Sootberg – Brunnenberg, auf dem ein Schwarzer Reiter um Mitternacht umgehen soll, der aus dem Soot (Brunnen) steigt und auch wieder in ihn zurückkehrt. Beide könnten identisch sein.

15. Hoff-Wiesen FMK 1727 Hinter den Gehöften der Gerumer Bauern liest man 1727 diesen Eintrag. Es handelt sich um die Wiesen, die bereits im Mittelalter frei von Flurzwang, den einzelnen Hufen zugeordnet waren, die so genannte Wöhrde.

16. Reth-Wischen überliefert, WK 1958' Wiesen westlich des Neuen Dammes an der Bäk.

17. Bauer-Wiesen FMK 1727 Zu Gehrum gehörende Flächen in den Rethwischen zwischen dem Dorf und dem Neuen Damm. Darin sind in den vergangenen Jahrzehnten weitere Flurnamen (Nr. 249 und 250) üblich gewesen:

18. Rieckwisch überliefert Benannt nach einem Eigentümer Rieck.

19. Dammwei’ überliefert Damm-Weide westlich des Neuen Dammes.

20. Der Neue Damm überliefert, FMK 1727 Dieser Eintrag findet sich bereits 1727 an dem Ort, an dem der Schwanheider und Möllner Weg die Rethwiesen kreuzt.

21. Mohr FMK 1727 1727 nördlich von Gehrum gelegene wohl moorige Heidefläche westlich des Neuen Dammes im Anschluss an die Bauerwiesen, diese manchmal auch als

22. Mohr Weyde FMK 1727 bezeichnet. Heute ist für diese Fläche die Bezeichnung

23. Wei’koppels überliefert (Weidekopeln) üblich.

24. Coßaten-Acker nach Gerum FMK 1727 Dieser Eintrag in der Karte von 1727 nördlich der Rethwiesen (Mohr) vor dem heutigen Schwanheider Ausbaugehöft Neuendamm weist auf die Nutzung durch die Cossaten hin, die in der Regel nur eine Achtel- bzw. Vietel-Bauernhufe besaßen, deren Acker zudem auch oft ein wenig abseits lag. Gegenwärtig wird sie als

25. Kamm überliefert bezeichnet. Hier wird es sich um eine Verstümmelung aus Kamp handeln.

26. Heydt-Kohte FMK 1727 heute Neuendamm.

27. Neuendamm WK 1958 Am Standort der früheren Heidt Kohte bei Gehrum wurden im 18./19. Jahrhundert zwei Büdner angesetzt. Damit entstand die Siedlung Neuendamm, die ursprünglich ein Boizenburger Kämmereigut war und erst 1922 zu Schwanheide gelegt wurde. Die Siedlung wurde nach dem Neuen Damm durch die Rethwiesen/Rehdewiesen benannt. Bereits die Karte der Vermessung des Stadtfeldes von 1727 und die Wiebekingsche Karte von 1786 verzeichnen an dieser Stelle einen Heidekaten am Weg nach Mölln. Einen Hinweis könnte auch eine Notiz im Kirchenvisitationsprotokoll im Amt Boizenburg aus dem Jahre 1598 geben, in dem „der meyerhof und scheperei zu schwanheide oder zu niedieke“ genannt wird. Hier könnte niedieke = Neudeich für Neuendamm stehen. Gemeint ist sicher der Damm durch die Niederung der Rethwiesen (Redewiesen).

28. Acker an der Heydt-Kohte bey Gerum FMK 1727 Dieser Acker gehört seit 1922 zu Schwanheide.

29. Im kleinen Namahr überliefert, WK 1958, Hertel/Seitz 1868 (Im kleinen Namzahr) Dieser Name findet sich in den Karten für eine Grünlandfläche nördlich der Rethwiesen. Der eigenartige Name könnte in der 1958 vorliegenden Form sowohl auf falsche Schreibweise für Moor statt –mahr zurückgehen. In Verbindung mit Na- für nach würde sich die Deutung nach dem Moor der Rethwiesen anbieten. Das alte idg. Wort mar bezeichnet aber auch allgemein stehende Gewässer (daraus auch Meer). Eine andere Deutung ergibt sich aus einer möglichen Verballhornung des Wortes Nachmahd für den zweiten Wiesenschnitt (ndt. Nahmadd, daraus dann Namahr). Die ältere von Hertel/Seitz genannte Form könnte jedoch aus dem slawischen Wort Nemec für Deutscher abgeleitet sein.

30. Jagdtannen Hertel/Seitz 1868 Östlich des Kleinen Namahr noch vor der heutigen Bahnlinie liegen die Jagdtannen, die sicher besonders wildreich gewesen sind. Zu ihnen führte der

31. Jagd-Damm überliefert, WK 1958 östlich Neu Gehrum durch die Rhedewiesen in Richtung Schwanheide.

32. Rhedewiesen überliefert, WK 1958 (Redwiesen) In der Karte von 1727 werden sie als Reht-Wiesen bezeichnet, „so zum theil unausgebrachet liegen, haben sich die Bürger gleich getheilet“. Es handelt sich um Wiesen östlich des Neuen Dammes an der Niederung im Übergang von der diluvialen Hochfläche mit guten Ackerböden zur Heide, die eine eiszeitliche Sanderfläche darstellt. Die sehr feuchten Wiesen werden wahrscheinlich mit Schilfgras (Reet) bestanden gewesen sein.

33. Maur überliefert Moor. Die Weidekoppeln der östlich des Neuen Dammes liegenden drei Ausbaugehöfte tragen diese Bezeichnung.


Flurnamen der Metlitz und in Heide

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Metltzhof war ein der Stadt Boizenburg gehörender Pachthof, für den die Stadt an den ständischen Landkasten Steuern zahlte. Der Hof ist noch nicht in der Feldmarkskarte von 1727 und in der Schmettau-Karte von 1788 verzeichnet. Er wurde als Schäferei in der Stadtheide erst im Jahre 1857 angelegt. Der Name geht auf den Flurnamen zurück, der im Metlitzberg und in den Metlitztannen noch zu finden ist. In der Karte von 1727 findet man hier noch den Eintrag Heyde.

Der Namensbestandteil Metlitz kommt außer beim Metltzberg (Nr. 61) in mehreren Flurnamen vor. Er ist auf das slaw. metly für Windhalm zurückzuführen, ein Gras das gerade in Heidegebieten sehr verbreitet ist. Diese Bezeichnung für den Windhalm ist auch im Niederdeutschen erhalten, den man in der Region Mettel nennt.

1. Bullenwiese FMK 1727 In der Karte von 1727 ist das der Name der Rhedewiesen unmittelbar westlich der heutigen Waldstraße. Der Name deutet auf die Nutzung als Futterquelle für die Bullenhaltung.

2.Die Brandt Horst Hertel/Seitz 1868 Die Brandhorst ist eine Wiese in Fortsetzung der Rhedewiesen östlich der Eisenbahnlinie nach Schwanheide. Der Name wird auf Brandrodung hinweisen.

3. Bürgermeister Camp FMK 1727 Acker des Bürgermeisters am Ort der heutigen Kleingärten (Verein „Waldfrieden“) östlich der Waldstraße.

4. Metelsfort FMK 1727 In alten Karten wird so der Übergang über den Bach in den Rhedewiesen an der Querung der heutigen Waldstraße bezeichnet. Dort querte der Salzfrachtweg nach Lübeck den Bach (siehe Nr. 320).

5. Metlitztannen überliefert Hier handelt es sich um den Wald an der alten Frachtstraße nach Lübeck über Heidekrug usw., hier gegenwärtig Waldstraße genannt. Das in diesem Wald befindliche Wohnhaus des Amtshauptmanns Wohler, des ersten Amtshauptmanns nach Einführung der Republik, wurde wegen dessen SPD-Mitgliedschaft auch manchmal Rotenburgsort (Niemann) genannt.

6. Metlitzhof überliefert s. o.

7. Metlitz-Siedlung überliefert Um 1930 wurde ein Teil des städtischen Pachthofes Metlitzhof versiedelt. Es handelte sich dabei um Kleinsiedlungen hinter den Metlitztannen, die zum Nebenerwerb angelegt waren.

8. Boizenburger Stadttannen Hertel 1857, MTB 1881 (Boizenburger Stadtforst) Dieser Wald östlich der Bahnlinie nach Schwanheide wird häufig auch als Boizenburger Stadtforst bezeichnet.

9. Schäfermoor Hertel 1857 Zwischen Metlitzhof und –Siedlung gelegene Sumpfniederung. Das innerhalb des Moores gelegene Kleingewässer wird nach dem Besitzer der Fläche nach Aufsiedlung des Pachthofes

10. Bartels Kuhl ül.Niemann genannt.

11. Metlitzkoppel WK 1958 1958 Weidefläche zwischen Metlitz-Siedlung und den Boizewiesen.

12. Apunenwisch WK 1958 Boizewiese hinter der Metlitzkoppel. Der eigenartige Name wird von dem Namen des vermutlichen Eigentümers oder Pächters, des aus Lauenburg stammenden Kaufmanns C. P. W. Appuhn abgeleitet sein, der 1817 das Boizenburger Bürgerrecht erworben hatte und bis zu seinem Tode im Jahre 1857 dort lebte.

13. Metelßbrücke Niemann Diese im Kirchenvisitationprotokoll 1662 genannte Brücke über die Boize soll sich bei der Apunenwisch befunden haben. Kartenmäßige Belege wurden dafür nicht gefunden. Möglicherweise handelt es sich um die Brücke auf dem Weg nach Schwartow, der einen weiteren wichtigen Fracht- und Postweg darstellte (siehe Nr. 321).

14. Gabenwisch WK 1958 Die Gabenwisch ist eine Boizewiese gegenüber dem Abzweig des Weges nach Metlitzhof vom alten Salzfrachtweg. Diese wird einem Eigentümer Gabe gehört haben. Die Familie Gabe war als Kaufmanns- und Unternehmerfamilie in Boizenburg (Gaststätte, Likörfabrik und Bierverlag) angesessen


Heide

Der Vorläufer des heutigen Ortsteils Heide zu Boizenburg wird die in der Karte von 1727 erwähnte Heidkothe bei Gresse gewesen sein. Heide war dann im 19. Jahrhundert eine Büdnersiedlung und gehörte zu den Kämmereidörfern der Stadt.

15. Acker an der Heydt Kohte bey Gresse FMK 1727 s.o.

16. Torfwisch WK 1958 Boizewiese, in der offenbar in früheren Zeiten Torf gestochen wurde.

17. Torfkoppel WK 1958 Hier handelt es sich um Acker am Abzweig des Weges nach Heide vom alten Salzfrachtweg. Als Koppeln wurden nicht nur Weiden sondern auch Ackerschläge bezeichnet. Diese waren dann mit Knicks (Wallhecken) umsäumt. Es könnte sich hier um einen ehemaligen Torftrockenplatz gehandelt haben.

18. Kielkoppel überliefert, WK 1958 (Kiekoppel) Keilkoppel, nach der Form des Stückes benannt. Dieser Acker befindet sich nördlich der Torfkoppel gegenüber dem ersten Heider Gehöft. Der Name Kiekoppel ist schwer zu deuten. Er wird auf einen Schreibfehler zurückgehen.

19. Hülskoppel WK 1958 Dieser Acker befindet sich westlich des alten Salzfrachtweges und des Ortsteils Heide. Der Name dürfte noch auf die Zeit zurückgehen, in der sich hier noch Heidevegetation befand, deren Bestandtteil auch der Hülsdorn (Ilex) gewesen sein wird.

20. Die Koppel der Haidbüdner Hertel 1857 Die vorstehend genannten Heider Koppeln wurden von Hertel 1857 so bezeichnet, d. h. der Büdner des Ortsteils Heide.

21. Heider Tannen WK 1958 Bauernwald zu Heide westlich des alten Salzfrachtweges vor der Gresser (Heidekruger) Gemarkungsgrenze.

22. Buschkett WK 1958 Acker an der Grenze zu Gresse (Heidekrug). Der Name deutet auf die frühere Heide mit Busch hin. Der Buschstreifen diente als Grenzmarkierung.

23. Hülssupp Hertel 1857 So bezeichnet Hertel 1857 auf dem Plan zur Anlegung einer Schäferei auf der Boizenburger Heide (Metlitzhof) eine Fläche vor den Stadttannen nahe Heidekrug. Es handelt sich um eine moorige Fläche, die wohl sehr weich, d. h. suppig, und mit Hülsdorn bestanden war.

24. Hüls Hoop überliefert In den Aufzeichnungen von Hans Vick wird dieser Flurname für eine Fläche genannt, die dem Hans Wittrock, Bewohner des Heidekatens, verblieb als das zum Heidekaten gehörende Land an den Rittmeister von dem Knesebeck auf Gresse verpachtet wurde. Hoop steht für eine kleine Anhöhe (Haufen).

25. Schulzenkoppel Niemann Die Boizenburger Kämmereigüter hatten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bis 1922 eigene Schulzen, deren Amt sicher eher den Charakter eines Ortsvorstehers hatte. Der jeweilige Heider Schulze wird diese Schulzenkoppel als sein Deputat erhalten haben.


In den Feldmarkskarten finden sich auch Flurnamen nördlich des heutigen Stadtgebiets auf den Gemeindegebieten von Schwanheide und Gresse. Das sind Teile des alten Stadtgebiets, die zu unterschiedlichen Zeiten von diesem getrennt wurden:

  • Bürgerbusch
  • Mühlenbach
  • Piperdannen
  • Piperkaten
  • Piper Moor

Die Karte aus dem Jahre 1727: „Dritter Theil der Carte von BOITZENBURG. Worinnen der Bürger-Hoff mit denen dazu gehörigen Immobilien deutlich vorgestellet ist F.Brückmann Senior facit“ enthält Eintragungen, Flurnamen und andere, von Nord-Westen beginnend

Die grosse Leister-Wiese, Pferde-Coppel-Weyde, Der kleine Camp am Lübeckschen Wege, Weg nach Lübeck, Der Bürger-Hoff, Käther-Coppel, Mohr, Der Camp beym Hoff zwischen dem Holtze, Kleine Rock-Soll, Kleine Hundehövel, Grosse Hundehövell, Der kleine Camp beym Rockssoll, Grosse Rockssoll-Mohr, Heyde, Der grosse Camp beym Lübeckschen Wege, Der Halss, Die Dreck-Wiese, Die Runde-Wiese, Die Wiese im grossen Rockssoll, Der Müggen-Camp, Gerumer Bauer-Wiesen, Heyde, Mohr, Köhter-Acker, Gerumer Bauer-Wiesen, Heyde, Holtz-Knechts-Acker, Holtz-Knechts-Kohten, Acker beym Holtz-Knechts-Kohten, Der neu ausgebrochene Camp, Holtz-Knechts-Acker, Der Stut-Camp, Mohr, Heyde, Weg nach dem Bürger-Hoff, Heyde, Weg nach Ratzeburg und Lübeck, Nach Gresse, Mohr, Nach Schwanheyde, Schwanheyde, Hamburger Weg nach Schwerin, Güstrow und so weiter Da diese nicht mehr zum Stadtgebiet gehören, werden sie nicht hier sondern bei Bürgerhof, Gresse und Schwanheide behandelt.


Namen der Gewässer und wasserbaulichen Anlagen, sowie historischer Wege

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1. Elbe überliefert Die Elbe trägt einen uralten Namen, der wie viele Namen der Flüsse indogermanischen Ursprungs ist. Er kann auf die Wurzel albi bzw. alph- = weiß, leuchtend zurückgeführt werden, die auch im Wort Elfen steckt und auch dem slawischen Wort labe für Elbe zugrunde liegt.

2. Boize überliefert Die Boize ist der für die Stadt Boizenburg namensgebende Fluss. Der Name wird unterschiedlich gedeutet. Eine deutsch-sprachliche Erklärung geht davon aus, dass er aus ndt. Boik (ältere Schreibung auch Boic) für Buche abgeleitet ist. Andere Historiker gehen von einer Ableitung aus einem slawischen Wort für Kampf oder von einem Unterstamm der slawischen Polaben den Bytern oder auch vom altsl.bytj für sein oder werden, auch wachsen aus.

3. Elbehaven oder Boizehaven ÜN An der Mündung der Boize in die Elbe befindet sich der Hafen, der in alten Unterlagen unterschiedlich bezeichnet wird. Der Hafen wird zunächst nur eine Verbreiterung der Boizemündung in einen Elbhaken gewesen sein, dann aber mit dem Bau der Elbewerft nördlich des Hafens und der Zunahme der Frachtschiffahrt ausgebaut worden sein. Zum Schutz des Hafens wurde ein Leitdeich, bezeichnet als Hafendeich, in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts errichtet. Dieser hatte bei Hochwasser die Strömung vom Hafen fern zu halten und damit sowohl Sandablagerungen im Hafen als auch Auskolkungen zu verhindern.

4. Alte Boize überliefert Die Alte Boize, der ursprüngliche Flusslauf, trennt sich bei der Ellerholzschleuse vom Boize-Kanal. Sie verläuft weiter durch die Ellerholzwiesen, quert an der Hohen Brücke, den Damm der alten B 5, um dann als Schacksgraben in den Hafen zu münden, nachdem sie vorher den Bahler oder Gamm-Graben aufgenommen hat.

5. Boize-Kanal überliefert, FMK 1727 (Boize-Riviere) Der Boize-Kanal, allgemein als Boize bezeichnet, wurde im Mittelalter angelegt, um die Wallgräben zu speisen. Um ausreichendes Gefälle für den Kanal, die Mühlen und die Wallgräben zu erhalten, musste die Ellerholzschleuse angelegt werden.

6. Ellerholzschleuse überliefert, Jugler (Amtsschleusse) S.o. Nr.5..

7. Boizedeich überliefert Teilweise musste der Kanal wie auch der Äußere Wallgraben mit Dämmen zur Niederung gefasst werden.

8. Mühlenteich, Außenmühle überliefert, Reutz 1709, Jugler 1797 Der Mühlenteich, der zur Außenmühle gehörte, wurde im Zuge des Boize-Kanals angelegt Nicht bkannt ist, ob das zeitgleich erfolgte. Die Außenmühle in der heutigen Form wurde 1880 errichtet und später um Speicher erweitert. Aber bereits in der Reutzschen Bestandskarte aus dem Jahre 1709 und in der Feldmarkskarte von 1727 befindet sich dort die Außenmühle mit einem umfangreichen Mühlenteich. Bis 1945 befand sich am Mühlenteich eine Badanstalt. Heute ist der Teich auf die Breite des Boizelaufes zugeschüttet.

9. Petersbucht ül.Niemann (ÜN) Ein Teil des Mühlenteiches wurde auch so, wohl nach einem Anlieger genannt.

10. Äußerer Wallgraben überliefert Der Äußere Wallgraben musste zur Quöbbewiese hin durch einen Damm gefasst werden. Er trennt sich am ehemaligen Mühlentor vom Inneren Wallgraben, um sich beim ehemaligen Markttor wieder mit diesem zu vereinigen.

11. Todter Graben Jugler 1797 Jugler bezeichnet den Äußeren Wallgraben in seiner Stadtbeschreibung als Todten Graben.

12. Innerer Wallgraben überliefert Dieser verlief unmittelbar an der im 18. Jahrhundert abgetragenen Stadtmauer. Nach dem Abbruch der Stadtmauer öffneten sich die angrenzenden Grundstücke der Wallstraßen bzw. der Mühlenstraße zum Wall. Es entstanden zahlreiche Brücken und Stege von den Grundstücken zum Wall, so dass sich ein idyllisches Bild ergab. Aus dem Inneren Wallgraben soll in früherer Zeit auch Wasser entnommen worden sein, was aber hygienisch sehr bedenklich gewesen sein muss, denn der Verfasser, der in der Mühlenstraße geboren wurde und Teile seiner Kindheit in den Kriegs- und Nachkriegsjahren spielend am Wall verbracht hat, erinnert sich dass der Innere Wallgraben auch als Kloake benutzt wurde.

13. Stadtgraben Jugler 1797 So wird der Innere Wallgraben in Juglers Stadtbeschreibung bezeichnet.

14. Altendorfer Teich überliefert Der Altendorfer Teich war der Mühlenteich der Binnenmühle, angestaut durch ein Wehr bei der Mühle. Als Ersatz für den Äußeren Wallgraben im Bereich des Kurzen Walls war er zugleich ein Bestandteil der Stadtbefestigung.

15. Fitzen-Teich überliefert Der Fitzen-Teich war mit dem Heller Teil der Befestigung der Niederungsburg, aber zugleich auch ein zweiter Mühlenteich zu der Binnenmühle. Den Namen trägt er nach dem Besitzer des anliegenden Altendorfer Büdnergehöfts, der hier zeitweilig eine Spedition betrieb. Der Teich wird aber auch als

16. Krutschendiek ÜN (Karauschenteich) bezeichnet.

17. Heller überliefert Der Heller ist Teil der Befestigung der Niederungsburg an der Boize, die der Stadt den Namen gab. Er umgibt den Fürstengarten dreiseitig. Der Name Heller findet sich auch anderenorts für Burggräben (z.B. in Redefin). Er soll aber auch auf die Funktion als Hälterteich für Fische zurückgehen.

18. Herrengraben Jugler 1797 So wird bei Jugler der Teil des Stadtgrabens vom Wallgraben bis zum Wehr der Binnenmühle bezeichnet, der den Herrengarten von der Stadt abgrenzt.

19. Färbergraben überliefert Der Färbergraben ist Teil der Befestigungsanlagen für die Stadt und die Burg Boizenburg und der untere Lauf des Boizekanals. Vom Mühlenwehr bis zum Hafen die Süd- und die Westseite der Stadt (Bollenberg) umgebend, trennt er sie zugleich von der ehemaligen Niederungsburg auf dem Fürstengarten. Seine Namen trägt er nach den Abwässern der anwohnenden Färber, die ihm häufig seine eigene Färbung verliehen haben sollen.

20. Schacks-Graben überliefert Der Schacksgraben stellt den Unterlauf der Alten Boize in der Marsch dar, der auch den Bahler oder Gamm-Graben aufnimmt. Er ist zugleich ein Altarm der noch nicht ausgebauten und eingedeichten Elbe gewesen, wie sie sich in ähnlicher Form mit unregelmäßigem Profil überall in der Elbniederung finden. Seinen Namen trägt er sicher nach einer Person mit dem in der Elbgegend verbreiteten Namen. Der Schacksgraben mündete über den Hafen, zeitweilig auch unmittelbar in die Elbe. Jetzt mündet er in den

21. Mahlbusen des Schöpfwerks , das seit 1962 sein Wasser bei Hochwasser in den Hafen pumpt.

22. De lütte Loop überliefert Dieses ist eine Grabenverbindung zwischen dem Schacksgraben und dem Färbergraben.

23. Gamm-Graben, auch: De Bäk überliefert (Der Bach) Die Gamm war früher eine moorige Niederung, die durch diesen Graben entwässert wurde. Der Graben nimmt dann auch noch Wasser aus Teilen der Gemarkungen Bahlen und Gothmann auf und mündet kurz vor dem Schacksgraben in die Alte Boize. 1816 wird er in der Wiesenniederung als Kiebitzen Rieh und Bahler Graben bezeichnet (siehe unter Nr. 155 und 156)

24. Gehrumer oder Rhedewiesen-Graben überliefert Dieser Graben, der auch Boizegraben genannt wird und sich mit einer Wasserscheide in den Rhedewiesen in zwei Fließrichtungen teilt, entwässert die Rhedewiesen. Die eine Fließrichtung mündet in die Boize, nachdem sie vorher bei der früheren Metelsfort die heutige Waldstraße gekreuzt hat, die andere in den Schwanheider Mühlenbach. Den Graben bezeichnet man häufig auch als

25. De Bäk, Lütt’ Bäk, Gehrmer Bäk (Der Bach, Kleiner Bach, Gehrumer Bach)


Namen historischer Wege:

26. Fährweg überliefert Weg durch das nachmalige Werftgelände zu der Fährstelle am ehemaligen Fährhaus für die Wagenfähre ins Lüneburgische.

27. Fitzenweg überliefert Der Fitzenweg stellt den zweiten Fährweg von Altendorf (beim Büdner Fitzen) zur Kahnfähre nach Brakede dar.

28. Bahler Weg oder Schwarzer Weg überliefert (auch: Postweg), FMK 1727 (Weg nach Grabow) Dieser Weg, 1727 als Weg nach Grabow bezeichnet, war Teil der alten Postwegeverbindung zwischen Hamburg und Berlin, die über Bahlen, Hühnerbusch, Brahlstorf, Düssin, Quassel, Lübtheen, Lenzen und Perleberg führte. Er hieß in den letzten Jahrzehnten Schwarzer Weg, weil er mit Generatorschlacke der Fliesenwerke aufgefüllt wurde.

29. Lauenburger Postweg überliefert, FMK 1727 (Weg nach Lauenburg) Dieser heute noch im Straßennamen erkennbare Postweg führte am Galgenberg, am Schotberg und am Hof Vier vorbei nach Horst, dann über Lauenburg, Geesthacht, Bergedorf nach Hamburg, mit einer Parallleltrasse vorbei an Streitheide, Rensdorf und Bickhusen nach Horst.

30. Weg nach Ratzeburg und Lübeck FMK 1727 Es handelt sich um den historischen Salzfrachtweg, auf dem das auf der Hude bei Boizenburg zwischengelagerte Lüneburger Salz nach Lübeck transportiert wurde. Er führte vom Mühlentor über die Metelsfort, Heidekrug und Bürgerhof, vorbei an Mölln und Ratzeburg nach Lübeck. Bis zum Abzweig vor der Metelsfort bzw. der Boizebrücke verlief der Weg vom Mühlentor kommend durch die Schwartower Straße gemeinsam mit dem

31. Weg nach Wittenburg und Gadebusch FMK 1727 Er verließ die Stadt durch das Mühlentor, hatte dann eine gemeinsame Trasse mit dem Lübecker Salzfrachtweg und trennte sich vor der Metelsfort von diesem, um dann nach der Brücke über die Boize eine eigene Trasse aufzunehmen. Hierbei handelt es zu unterschiedlichen Zeiten um zwei verschiedene Wegetrassen. Die ältere Trasse war der zweite Salzfrachtweg nämlich nach Wismar über Schwartow, Hatzberg, Granzin, Kogel, Waschow, westlich vorbei an Wittenburg und Schwerin. Wobei eine Variante wohl über Gadebusch führte und der Frachtweg auch südlich Schwerin über die Muesser Fähre Verbindung nach Güstrow, Rostock und Neubrandenburg hatte. Die zweite Wegetrasse ist historisch jünger. Es handelt sich um den Postweg nach Schwerin über Schwartow, Zahrensdorf, Schildfeld, Wittenburg, Parum und Pampow. Diese stellte die Verbindung zur Berlin-Hamburger Postverbindung und nach Lüneburg und Celle her.

32. Schwartower Brücke überliefert Brücke über die Boize für die Wege nach Nr. 320 und 321. Möglicherweise ist sie das als Metelsbrücke genannte Bauwerk (siehe Nr. 277).

33. Weg nach Schwanenheyde und Möllen FMK 1727 Auch dieser Weg war eine historische Frachtwegeverbindung ins Lauenburgische und Holsteinische. In den Hackamts-Archivalien wird auch ein Acker gelegen am Böker Weg (Büchener Weg) genannt. Er ist identisch mit dem Möllner Weg. Der Möllner Weg zweigt vor Neuendamm vom Schwanheider Weg ab.

34. Schwartower Steig überliefert, FMK 1727 Der Schwartower Steig diente als Kirchsteig für die Schwartower Gläubigen. Gegenüber der nahen Landstraße stellte er eine Abkürzung dar.

35. Gothmanner Weg, Schwarzer Weg überliefert Der Weg nach Gothmann, wie der Bahler Weg auch Schwarzer Weg genannt, zweigte vom Bahler Weg ab.

36. Gothmanner Kirchsteig überliefert Auch dieser stellte eine Abkürzung auf dem Wege zur Kirche – für die Gothmanner – dar. Er führte durch die Elbwiesen von Gothmann nach Altendorf. Heute ist er ein befestigter Weg.


Historische Flurnamen, deren Lage unbekannt ist

In unterschiedlichen Archivalien speziell aber in denen des Hackamtes (Kaufmannsgilde) ist eine Reihe von Flurnamen genannt, für deren Lage es keine Belege mehr gibt.

By dem Bödde kann Crutze (1558 genannt).

'Tröger Hoff in der Steingarde Trockener Hof an der Steingare. Es handelt sich mit Sicherheit um einen hochwasserfrei und auf trockenem Boden gelegenen Hof an der Steingare, der heutigen Hamburger Straße. 1727 war etwa an der Einmündung der heutigen Schützenstraße ein Haus eingetragen.

Tröger Hoff in der böwesten Garde Vermutlich wird dieser trockene Hof an der heutigen Gartenstraße, die als „oberste“ Gare in den trockenen Gärten verlief, gelegen haben.

Drögen Hoff by St.Gertruden Die Lage von St. Gertruden ist unbekannt. Es scheint sich um eine Kapelle westlich des Friedhofes gehandelt zu haben, denn Jugler erwähnt in dieser Lage einen Gertruden-Friedhof. Dort sind 1727 auch mehrere Gebäude zu finden.

Drögen Hoff by der Roggenmohlen Unter der Roggenmühle werden wir sicher die Außenmühle zu verstehen haben, so dass der trockene Hof an der heutigen Schwartower Straße gelegen haben wird.

353. drögen Hoff oben dem gerichte bey dem Stige gelegen Dieser trockene Hof müsste der detaillierten Beschreibung nach an den jetzigen Turnereichen gelegen haben.

Drögen Hoff neben der Sagekuhle Die Lage der Sagekuhle, eines Ortes an dem Holz gesägt und die Späne in der Kuhle abgelagert wurde, ist unbekannt.

Bawen dem Kornhauße Ebenso unbekannt ist die Lage des Kornhauses, eines Speichers.

Bey der Drift Die Lage dieser Viehtrift ist unbekannt.

Beym Block Hier wird es sich um einen größeren zusammenhängenden Ackerkomplex gehandelt haben, dessen Lage aber ebenfalls nicht bekannt ist.

Beym Graben Lage unbekannt.

By pentzen immenhus Die Lage dieses Bienenhauses ist nicht bekannt. Der Name Pentz ist als Adelsname im Gebiet vertreten, in Boizenburg 1727 aber nicht als Grundbesitzer genannt (weder adlig noch bürgerlich).

By tzeweke immenhus Die Lage ist ebenfalls unbekannt. Der Name Sevecke ist 1727 mehrfach genannt.

Bei dahm dyke Lage unbekannt.

Uff der Dorpfstette Die einzige bekannte Dorfstätte auf der Boizenburger Feldmark befindet sich in der Gamm. Siehe unter Nr. 183/184.

In der Wiedendör Die Lage der „Weidentür“ ist nicht bekannt.

Oben der Häckerstücke Lage unbekannt.

Wendewisk, Wendewisch Hier könnte ein Bezug zum Dorf Wendewisch auf der anderen Elbseite bestehen. Vielleicht wurde eine Fläche von dortigen Einwohnern genutzt. Der Name hat nichts mit den Wenden zu tun, wohl mit dem notwendigen Wenden bei Feldarbeiten.

Spörken anwendung Die Familie von Spörken ist eine lüneburgische Adelsfamilie, die zeitweilig auch Besitz in der Boizenburg-Neuhäuser Gegend hatte. Anwendung ist in diesem Zusammenhang die Wende (Anwendung, Anwand, Wende) bei Feldarbeiten. Die Lage ist nicht bekannt.

Uppe dem snepel thoge Die Lage ist nicht bekannt. Es muss sich aber um ein kleines spitzes Feld handeln, was das Wort „snepel“ zum Ausdruck bringt. Die Silbe „tog“ oder „toch“ für Zug ist häufiger in Flurnamen zu finden, z. B. Madentog am Vier und Tüdertog in Klein Bengerstorf. Häufig ist sie in Zusammenhang mit dem Fischzug zu bringen. Vielleicht befand sich Snepeltog wie der Madentog an der Elbe.

Groten Hohne Lage unbekannt. Schneider bringt im Falle Hohnstorf die erste Silbe in Bezug zum indogermanischen hun, hon für hoch. Vielleicht handelt es sich auch hier um eine große etwas höher gelegene Fläche.

Gisch Lage unbekannt, vielleicht eine mit Giersch bestandene Wiese.

Drewitz Lage unbekannt. Von altsl. drevo für Holz, folglich ein Holzort.

Dreilützower Werder Die Lage ist nicht bekannt. Als Werder dürfte es sich aber um eine unmittelbar an der Elbe gelegene Fläche handeln. Verwunderlich ist, dass das Gut Dreilützow bei Wittenburg in Boizenburg einen Werder besessen haben soll.

To dem Brake Lage unbekannt. Das Wort Brake hat mehrere mögliche Bedeutungen.

1. Es könnte sich um eine Fläche an einem Brack (Deichbruchstelle) handeln. 
2. Es handelt sich eine Brachfläche.
3. Das Dorf Brakede jenseits der Elbe wurde häufig auch nur mit Brake bezeichnet

To de Bolen Lage unbekannt, angeblich ein Kranichort.

Birkenkoppel Lage unbekannt. Birkenkoppeln entstehen oft durch Wildwuchs auf extensiv genutzten Weiden.

Dänisches Lager Lage unbekannt. Nach der Schlacht bei Lutter am Barenberge 1626 zogen sich die Dänen an die Elbe zurück, errichteten z.B. eine Schanze am Goldufer jenseits der Elbe und lagerten auch in Boizenburg.

Breidenweg Lage unbekannt. Da es sich aber um breiten Weg handelt, wird es einer im Zuge der wichtigen Landstraßen handeln.

Swarten Spieker Die Lage des schwarzen Speichers ist nicht bekannt. Es soll sich um einen Speicher für Lüneburger Salz gehandelt haben.

Witten Katen Der weiße Katen soll das Bahnwärterhaus in den Rhedewiesen sein.

Sünder Moor Ob hier nach uraltem Brauch Mörder im Moor versenkt wurden, ist ebenso wie die Lage nicht bekannt. Vielleicht ist es identisch mit dem Sündermoor auf der Gemarkung Schwartow (Gamm?).

Krankenweide Eine Krankenweide wurde in Ortsnähe nicht nur für das verletzte Vieh sondern auch für Kühe nach dem Kalben genutzt.

Zühlsdorff nennt weitere nicht lokalisierbare Bezeichnungen: Aus dem Kirchenvisitationsprotokoll 1662:

Buttes Felde Oben dem Ziegelbrunnen

Aus dem Beichtkinderverzeichnis 1704:

Die Gehren

Bei Gehrum oder spitzwinklige Stücke.

Auf dem Gültzfelde

Möglichweise an der Gamm an Gülze grenzend.

Oben dem Höckerstüde

Beym Coltzen Soll

Johannes Kohl, Dorfchronik von Bahlen-Bahlendorf, Bahlen 1966

D o r f c h r o n i k

von Bahlen- Bahlendorf, verfasst von Johannes Kohl, Bahlen (ca. 1966)

Die Gemarkung der Gemeinde Bahlen

Bahlen- Bahlendorf ist eine, während der Eiszeit entstandene typische Landschaft der Endmoräne. Geologisch gesehen bildet sie den Abschluss einer im Raum Schwerin, Ludwigslust, Hagenow beginnenden sandigen Ablagerung („griese Gegend“) über Hagenow- Heide, Jabeler Heide, Neuhaus, Dellien, Preten, Forst Blücher, Gülze, Gothmanner Berge zur Elbe. Auf einem von Gülze abzweigenden flachen Höhenrücken, der „Hohen Breite“, liegt westlich des Bahler Waldes das Dorf Bahlen. In Fortsetzung desselben über „Bahler Camp“, „Bahlendorfer Camp“ in 1 km Entfernung Bahlendorf. Unmittelbar anschließend die Niederung der Boize und Elbe. Seitlich begrenzt wird die Feldmark Bahlen- Bahlendorf durch die während der Eiszeit entstandenen Urströme und Abschlusstäler, im Süden der Bahler Wiesen im Norden Stadtgamm, Bahler Gamm, Neu Gülzer Gamm. Der Urcharakter dieser Landschaft ist im Bahler Wald weitgehend erhalten geblieben. Von Menschen besiedelt war das Gebiet schon lange vor unserer Zeitrechnung, das beweisen zahlreiche Funde der Steinzeit und der Bronzezeit.

Die Frühe Zeit in der Region bis zum Ende des Dreißigjährigen Kriegs

Im Jahr 1912 übergab der damalige Bahler Lehrer Hermann Lohse ein Steinbeil und einen Bronzespeer, beide waren kurz vorher auf Bahler Gebiet gefunden worden, dem Landesmuseum in Schwerin. Weitere Funde, hauptsächlich Steinbeile und Steinschaber, sind immer wieder gemacht worden. Ein ziemlich geformter Steinspeer wurde vor einigen Jahren dem Boizenburger Altertumsforscher und Lehrer Hans Vick übergeben. Soweit unsere Vermutungen über die Urbevölkerung dieses Gebietes, welche diese Gegenstände einmal benutzt haben.

Unsere unmittelbaren Vorfahren waren Wenden (Slaven). Es ist anzunehmen, dass unser Dorf zu Zeiten des Wendenfürsten Niklot um 1100 u.Z. schon in seinen Anfängen vorhanden war. Hier einmal besiedeltes Gebiet, die Gegenstände der Stein- und Bronzezeit beweisen es, wird niemals wieder ganz verlassen. Es sei denn, dass andere Stämme sie verdrängen oder sich mit ihnen vermischen, also durch Assimilation. Die ursprüngliche Form und Anlage von Bahlen, die Kreis- bzw. Hufeisenform, ist bei den Bauerngehöften zum größten Teil noch heute vorhanden. Ein Beweis, dass die Erbauer Wenden waren. Es ist auch bekannt, dass die Wenden gerade den leichten Sandboden bevorzugten und Fischereimöglichkeiten suchten wie an Elbe und Sude. Urkundliche Nachweise, seien es Familiennachweise aus Kirchenbüchern oder behördliche Urkunden zum Beispiel für den Ortsteil Bahlendorf, welcher zu der Zeit noch Bahlerhof hieß und ähnlich wie Metlitzhof und Bügerhof zur Stadt Boizenburg gehörte, sind etwa seit dem Jahre 1600 vorhanden. Es handelt sich dabei um Inventarverzeichnisse für den jeweiligen Pächter von Bahlerhof, die noch in Boizenburg im Stadtarchiv vorhanden sind.

Vom Dreißigjährigen Krieges bis zru Mitte des 19.Jahrhunderts

Zu dieser Zeit bestand das Dorf Bahlen aus drei Bauern und fünf Kätern (Kossaten). Es sind dies:

1. Bauernstelle: Lüneburg, Jehring, Hinrichs (jetzt Sühr) 2. „ : Riebe, Wieske, Steffen (jetzt Kohl) 3. „ : Steffens (jetzt Niemann)

1. Kossaten : Konow ( ) 2. „ : Elvers ( ) 3. „ : Lemm, Schlage (jetzt Schlage) 4. „ : Brockmüller, Konow (Bergweg 1, R. Konow) 5. „ : Mahnke, Elvers, Jenkel, Ketzin, Kossen (Alte Str. 34, J. Zielke)

Seit 1613 ohne Unterbrechung im Besitz der Familien sind Bauernstellen 2- Kohl. Die heutige Bauernstelle 3- Konow, Bauernstelle 6- Elvers und Bauernstelle 7- Schlage. Die übrigen vier Stellen sind an andere Familien übergegangen. (Welche sind dies ???)


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Die Ahnenfolge von Bauernstelle 2- Konow ist folgende: (Neue Str. 26, A. Sühr) 1. Hans Riebe 1603, ihm folgt 2. Joachim Riebe 1646, ihm folgt 3. Joachim Wieske 1657, ihm folgt sein Schwiegersohn 4. Claus Steffen 1684, ihm folgt sein Sohn 5. Hans Joachim Steffen 1713, ihm folgt sein Sohn 6. Hans Joachim Steffen 1737, ihm folgt sein Sohn 7. Joachim Jürgen Steffen 1766, ihm folgt sein Sohn 8. Hans Jochen Steffen 1794, ihm folgt sein Sohn 9. Joachim Heinrich Steffen 1813, ihm folgt sein Schwiegersohn 10. Wilhelm Kohl 1856, ihm folgt sein Sohn 11. Johann Kohl 1895, ihm folgt sein Sohn 12. Johann Kohl 1927, seine Tochter Anneliese heiratet Claus-Jürgen Sühr 1959

Die Ahnenfolge Elvers, Bauernstelle 6 ist folgende: (Bergweg 7) 1. Hans Peter Elvers 1704, ihm folgt sein Sohn 2. Peter Elvers 1715, ihm folgt sein Sohn 3. Peter Carsten Elvers 1739, ihm folgt sein Sohn 4. Hans Peter Elvers 1769, ihm folgt sein Sohn 5. Johann Jakob Elvers 1805, ihm folgt sein Sohn 6. Wilhelm Johann Elvers 1839, ihm folgt sein Sohn 7. Johann Elvers 1872, ihm folgt sein Sohn 8. Gustav Elvers 1912, ihm folgt seine Tochter 9. Annemarie Elvers 1953, welche 1948 den Bauern Emil Schlage, Bgt. 7 Bahlen, geheiratet hat,

   ihr folgt ihr Sohn  

10. Helmuth Schlage 1975

Die Ahnenfolge von Bauernstelle 3- Konow ist folgende: --- (Auflistung fehlt)

Die Ahnenfolge von Bauerngut 7- Schlage ist folgende: --- (Auflistung fehlt)


Etwa bis 1750 bestand die ungleiche Größe der 3 Bauernstellen und der 5 Kossaten. Zu einer Aufteilung und gleich großen Abmessung kam es um diese Zeit durch folgenden Vorfall:

Der Amtmann in Boizenburg beauftragt die fünf Kossaten in Bahlen, zwei Kirchenglocken aus Lüneburg mit dem Fuhrwerk zu holen, die für die Kirche in Boizenburg bestimmt sind. Die Kossaten sind unwillig und erklären: die Bauern haben den meisten Acker und die besten Pferde, wir haben nur wenig und unsere Pferde sind mager. Aber der Amtmann wusste sie zu überzeugen: „Strüwt juch nich, dat is för`t Gottshus. Kümmt deTid, denn sall deilt warden“. Nach Jahr und Tag gehen alle eines Sonntags zur Kirche nach Boizenburg. Zwischen Bahlerhof und Boizenburg hüten einige Schlachterjungen die Schafe ihrer Meister, aus Zeitvertreib spielen sie nahe des Weges „Stäk“. Das ist ein Messerspiel, welches heute nicht mehr bekannt ist. Dabei wird ein offenes Taschenmesser auf den Rücken der geschlossenen Hand gelegt. Durch einen seitlichen Ruck der Hand versucht man, dass das Messer sich überschlägt und möglichst senkrecht im Boden steckt. Ist das der Fall, dann kann der Werfer seinen Pflock eine ganze Messerlänge an den Zielpflock heranrücken. Steht das Messer schräge, dann nur eine halbe Messerlänge. Liegt es auf der Seite, nur eine Messerbreite. Jeder Spieler hat einen Pflock. Wessen Pflock zuerst am festgelegten Zielpunkt ist, hat gewonnen. Dies sehen die Bahler Kirchgänger im Vorbeigehen. Einer von den drei Bauern meint: Kiek einer an, de Pricken taun Vermäten stäkt dor all. Denn sall dor ock woll vermäten warden. Das sollte den Kossaten gelten. Bei passender Gelegenheit erzählten die Kossaten dies dem Amtmann: „Herr Amtmann, sogar up`n Weg nah de Kirch heppt de Buern uns taun Besten.“ „ Is dat wohr ?“, frögt de Amtmann ? „Ja, dat is wohr, sechen de Kossaten.“ „Gaud“,secht de Amtmann, „denn sall deilt warden.“ Und es wurde die Vermessung für alle acht Betriebe vorbereitet und in Gang gebracht. -3- -3-

Nach der Vermessung nannten sich die Inhaber nun mehr Hauswirt. Der Boden und die Gebäude gehörten dem mecklenburgischen Herzog, später Großherzog. Alle zehn Jahre wurden die einzelnen Ackerkoppeln verlost und neu zugeteilt. Starb eine Familie aus, so fiel die Stelle an den Großherzog zurück und der setzte andere Bauern als Hauswirt ein. Waren keine männlichen Erben vorhanden, bedurfte es einer besonderen Genehmigung, den Schwiegersohn als Hauswirt zuzulassen. Diese Hauswirtsbriefe sind wohl noch allgemein bei den Bahler Bauernfamilien vorhanden.

Ein allgemeiner Aufschwung und Umbruch hatte sich angebahnt. Die Schrecken und Brandschatzungen des 30-jährigen Krieges (1618 – 1648) waren überstanden. Eine Epoche der Abgeschiedenheit ging ihrem Ende entgegen. Um den runden Dorfplatz angelegt, mit etwa 50 m Abstand voneinander entfernt und dem Dorfplatz zugewandt hatten je vier Familien einen Backofen. Die Reste der aus großen Feldsteinen errichteten Öfen sind noch heute vorhanden. Mehrere offene Brunnen aus Felsen in den Sandboden gelassen, die ebenfalls in Gemeinbesitz waren und unserer Generation noch als Wasserentnahme dienten, sind noch Zeugen dieser Zeit. Alle Verkehrswege führten am Dorfplatz vorbei. In schützender Lage am Rande des hügeligen Bahler Waldes gelegen und als Wehrdorf angelegt hatte Bahlen ein halbes Jahrtausend überstanden. Das Nachbardorf Gülze sprengte seine geschlossene Lage, Neu- Gülze entstand. Drei Gülzer Bauern errichteten ihre Gehöfte zwischen Bahlen und Gülze, Rietut genannt. Zwei Bauern von Gülze siedelten sich in Schwanheide an, auf Flächen, die bis dahin von Gülze aus bestellt wurden. Einflüsse von außen zwangen unsere Vorfahren, ihre Abgeschiedenheit von der Umwelt aufzugeben. Das Gesicht des Dorfes änderte sich. 1750 – 1800 war von hannoverscher Seite der Elbe mit der Eindeichung des Stromes begonnen worden. Auch die diesseitigen Gebiete von Neu- Bleckede einschließlich der Teldau bis Dömitz folgten. Nur die Strecke von Bleckederholz über Gothmann bis Boizenburg blieb offen. Während sich vor den Deichbauten die ungeheuren Wassermassen der Elbe vom Oberlauf während der Frühjahrsschneeschmelze und bei Wolkenbrüchen über die gesamte Elbniederung bis Lüneburg hin verteilten, wurden sie nunmehr in das offene Gebiet Boizenburg – Bahlendorf – Bahlen – Gothmann –Bandekow – Gülze –Blücher – Besitz – Preten usw. gedrückt. Hatte Bahlen-Bahlendorf bis dahin kein Hochwasser gekannt, so begann dann eine fast 200 Jahre währende Zeit jährlich wiederkehrender Überschwemmungen, bei zwischendurch etwa 10- jährigen Pausen, sogenannte Hochwasser- Katastrophen. Aus diesem Grunde waren die Bahler Hauswirte gezwungen, ihre Bauernhäuser einige Fuß höher zu heben. Das Konow`sche Gehöft, welches unmittelbar an die Wiesen grenzte, musste ganz abgebrochen werden. Es wurde auf dem runden Dorfplatz wieder aufgebaut. Einige uralte Weiden, die bis heute noch am Weg nach Gothmann neben dem Konow`schen Anner Gordens stehen, sind noch als Erinnerung an die lange zurückliegende Zeit des einstigen Haus- und Hofplatzes vorhanden. Um diese Zeit bei ansteigender Bevölkerungszahl, sah sich die großherzogliche Regierung in Schwerin gezwungen, für die zweiten und weiteren erwachsenen Kinder der Bauern in den Dörfern Ansiedlungsmöglichkeiten zu schaffen und es wurde mit der Errichtung von Büdnereien begonnen.

Die Büdnereien: 1. Stier, Martens, Bonatz, jetzt Langenberg (jetzt Schröfel) 2. Bandow, Schlage, Hinzmann, Luck, Röhrup (jetzt Meyer) wurden auf dem runden Dorfplatz errichtet.

Weitere Büdnereien: 3. Hinzmann (jetzt Duwe) 4. Eggert (jetzt Basedow) 5. Garber, Porthun (jetzt Konow) 6. Mahnke, Konow (jetzt Hardes) wurden außerhalb des Dorfplatzes am Rande zum Bahler Wald errichtet. Alle Wege, die bis dahin am Dorf vorbeigingen, wurden nunmehr durch das Dorf geführt und kreuzten sich auf dem bis dahin runden Dorfplatz. Die alten ausgefahrenen Wegprofile sind in den Ackerkoppeln noch zu erkennen. Zwischen dem Hauswirt Lemm und dem Hauswirt Elvers wird im Stil der bisherigen Bauernhäuser eine Schule errichtet, mit einem Klassenzimmer, Wohnraum für eine Lehrerfamilie und Wirtschaftsräumen- etwa einer Büdnerei entsprechend. -4- -4-

Da die Dorflehrer nur wenig Gehalt bekamen, waren sie gezwungen, (nebenbei) Landwirtschaft zu betreiben. In der Koppel hielten sie sich zwei Milchkühe. Pflug- und Saatarbeiten, Dungfahren, Anfuhr von Heu und Getreide, die Anfuhr des Schulholzes und Brenntorf für die Klasse und den Lehrer, zusammen etwa 28 rm, mussten von den acht Hauswirten unentgeltlich ausgeführt werden. Die Zerkleinerung des Holzes und Nebenarbeiten oblag den anderen Dorfbewohnern.. Für die Kirche in Boizenburg hatten die Hauswirte jährlich Wurst und Brot zu liefern. Erst in unserem Jahrhundert wurde dies in Geldleistung umgewandelt.

„In Bahlen is nix tau halen“, Auswärtige haben diesen Satz einmal geprägt, wohl nicht ganz zu Unrecht. Die Lage.der Bahler Hauswirte war alles andere als rosig. Der leichte Sandboden brachte nur niedrige Erträge. Die besseren Böden waren zu oft der Vernichtung ihrer Kulturen durch das Hochwasser ausgesetzt. Aus den damals guten Wiesen waren saure und sumpfige Wiesen geworden. Für die nur als Hauswirte fungierenden Bauern hatte die großherzogliche Regierung in Schwerin kein offenes Ohr. Im Gegensatz dazu wurde im Nachbarland Hannover, wo weniger Großbesitz vorhanden war, von den Königen der Welfen wohlwollende Bauernpolitik betrieben. Die Rückständigkeit der Bauern in Mecklenburg gegenüber denen in Hannover war offensichtlich. In Mecklenburg war der Großgrundbesitz dominierend und stets bevorzugt. Ein Beispiel unserer Gegend war die Teldau: Hier hatten die Edelleute ihre Weidegüter. Herrn von Lücken aus Zahrensdorf gehörte Amholz, zu Badekow gehörte Weitenfeld. Von Stenglin aus Beckendorf war Besitzer in Franzhagen und von Bülow aus Rodenwalde-Goldenbow gehörte die Gosau. Timkenberg, Grabenau, Sprengelshof, alle in den Händen von Gutsbesitzern. Das Gebiet der gesamten Teldau bekam im Zusammenhang mit der hannoversche Elbeindeichung von mecklenburgischer Seite einen Winterdeich. Von den Dörfern umher wurden Sommerdeiche gezogen. Bahlen- Bahlendorf hatte seinen Stübberdeich und den Röthdeich, die nur bei niedrigen Überschwemmungen Schutz boten.

Ein Amtmann in Boizenburg äußerte einmal bei einer Hochwasserbesichtigung: „Diese Bauern, die seien die reinsten Wasserratten.“ Wie gab es einen Ausweg aus dieser Lage? Irgendwie musste er gefunden werden. Es war den Bahler Hauswirten aufgefallen, dass von Zeit zu Zeit Leute von auswärts kamen, welche die Wasserläufe und Kuhlen nach Blutegeln absuchten. Sie gingen barfuß in das warme Wasser, die Egel saugten sich an die nackten Füße und wurden dann abgenommen und in eine Flasche getan. Dies war an und für sich nichts Außergewöhnliches, denn in jedem Haushalt hielt man ein paar Egel auf Vorrat für den Krankheitsfall. Die Anwendung als Heilmethode war einfach und meist auch erfolgreich. Der Egel wurde auf eine leicht angeritzte Stelle der Haut angesetzt. Wenn er sich prall vollgesaugt hatte, wurde er abgenommen und ein wenig mit Salz überstreut, damit er das Blut wieder ausspie. Erst dann wurde derselbe in die mit etwas Torf und wenig Wasser am Grund bedeckte Flasche zurückgetan. Um ihn am Leben zu erhalten, musste der Egel das Blut erst wieder von sich geben. Die mit einem Leinenlappen verbundene Flasche, meistens vor dem Küchenfenster stehend, war vor 50 – 60 Jahren in unserem Dorf noch anzutreffen. Doch nun zurück zu den fremden Sammlern. Auf die Frage, wozu sie so viel Egel brauchten, antworteten sie nur ausweichend. Unsere Bahler Hauswirte kamen dahinter, dass diese Egel in Hamburg Stück für Stück für teures Geld verkauft wurden. Um sich zu vergewissern, gingen einige junge Bahler Bauern mit einem kleinen Vorrat die `sieben Meilen` nach Hamburg und konnten die Egel teuer verkaufen. Und man bat sie, mehr zu bringen. Von Hamburg aus gingen sie als sogenannte Medizinegel in die ganze Welt. Ein guter Nebenverdienst war erschlossen. Eifrig begann man, diese Egel zu sammeln. Sobald eine genügende Menge vorhanden war, übergab man sie dem Händler in Hamburg. Dadurch bekamen unsere Vorfahren Geld in die Hand konnten andere Bauern veranlassen, für sie zu sammeln. Im Laufe der Jahre entwickelte sich ein regelrechter Blutegel-Handel. Immer weiter östlich führte das Verkaufsgebiet. Johann Elvers der 1872 die Bauernstelle von seinem Vater übernahm, erzählte mir, als ich noch jung war: „Die Vorderachse von diesem Wagen ist noch mit nach Kioff (Kiew, Ukraine) gewesen . Bis nach Polen und in die Ukraine hatten sie ihre Aufkäufer. Jährlich einmal wurde eine monatelange Reise in diese östlichen Gebiete unternommen und man kehrte mit reichem Einkauf nach hier zurück. Aus den kleinen hölzernen Tonnen entleerte man die Egel in sogenannte „Ilenkulen“, welche man zu diesem Zweck ausgeworfen hatte.

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Diese „Ilenkulen“ sind noch heute hinter dem Bahler Wald vorhanden, sog. Bülten. Durch diesen Handel waren einige Bahler Familien reich geworden. Ein Lehrer Kreutzer hat im vorigen Jahrhundert zwei kleine Bücher über diese Zeit verfasst: „De Ilenhannel“ und „De Tatminsch“. Leider sind diese beiden kleinen Schriften, die sich in einer Bahler Bibliothek befanden, während des zweiten Weltkrieges verloren gegangen. Durch die Verbesserung der Heilkunde ging der Absatz von Blutegeln nach und nach zurück, so dass sich das Geschäft nicht mehr lohnte. Da sich die Hauswirte an lange Fahrten auf den Landstraßen gewöhnt hatten und Pferde und Wagen besaßen, befassten sie sich in der Folge mit dem Gütertransport. Zu der Zeit, wo es noch keine Eisenbahnen gab, bot sich Gelegenheit genug, hiermit Geld zu verdienen. Aus Erzählungen von Eltern, Großeltern und Urgroßeltern geht hervor, dass sie damals Weinfässer aus dem Rheinland nach Schwerin und Lübeck transportierten, Salz aus Lüneburg holten und bis an die Ostsee brachten und die Waren von Kaufleuten auf Jahrmärkten und Messen fuhren. Der Hauswirt Brockmüller aus Bahlen brachte für ei-nen Schuhmacher aus Boizenburg einmal die von ihm gefertigten Stiefel und Schuhe auf den Herbstmarkt. Später wusste er folgendes spaßige Erlebnis zu erzählen, welches unsere Eltern und Großeltern noch oft zum Schmunzeln brachte: Kommen da drei Hofknechte von Rodenwalde an den Stand des Schuhmachers. Der eine von den dreien, der etwas klein von Statur ist, passt sich ein Paar Stiefel an. „Wat kost dei, Meister ?“ „Fief Dahler- nah weil du dat büst- veer un`n halben Dahler“. „Watt“, secht de Lütt, „Ick mak min Arbeit genau so wie de Groten, wenn ick ok man lütt bün. Ick kann mi genau so väl leisten as de Annern“. „Ganz recht“, secht de Meister, „ick hew mi irrt, dat sünd jo ok wek tau fief Dahler“.

Später, nach 1856 befasste sich der Hauswirt Wilhelm Kohl, der aus Bandekow stammte und 1856 in die Steffen`sche Stelle einheiratete, mit Pferdehandel. Unzählige Pferde holte derselbe aus Dänemark. Zu Anfang nahm er den Fußweg, einen Snor zusammengekoppelt, die Pferdemärkte in Hamburg, Hannover und Uelzen besuchend, sie dort zu verkaufen. Später lieferte er besonders den großen Gütern im südwestlichen Mecklenburg die schwarzen Pferde. Von seinem Sohn Johann Kohl, der 1895 die Stelle übernahm, wurde das Geschäft noch erweitert. Skanderborg, Aarhus und Randers in Dänemark waren die Haupteinkaufsmärkte. Ein 1885 erbauter großer Pferdestall ist noch heute auf dem Gehöft vorhanden. So versuchte jeder, sich auf seiner Stelle zu halten. Es soll auch nicht verschwiegen werden, dass auch ungesetzliche Mittel angewandt wurden. Die Not zwang unsere Vorfahren, davon Gebrauch zu machen. Eines war der Schmuggel mit Elbschiffern. Diese kamen, wenn sie für die Nacht auf der Elbe Anker geworfen hatten, zu ihren bekannten Bauern und boten Weizen, Weizenmehl, Zicker usw. an. Für einen Schinken, eine Seite Speck usw. tauschten sie diese Produkte aus ihrer Schiffsladung. Zwei Pferde vor den Vorderwagen gespannt, der ganze Wagen hätte zu viele Geräusche gemacht, sind sie nachts an das Elbufer gefahren und brachten eine tüchtige Fuhre heim. So musste die Elbe für ihre Schäden auch ihren Tribut zahlen. Auch beim Wintertransport (Weintransport?) waren unsere Vorfahren nicht schüchtern. Sollten sie dursten, wenn sie den guten Wein fuhren? Unbemerkt wurde ein Fass mit dem Fritbohrer angezapft, angesogen, einige Flaschen gefüllt und mit Wasser wieder ausgeglichen und dann mit einem kleinen Holzpflock wieder verschlossen. Mitunter sind sie dann wohl sternhagelbesoffen gewesen. Unsere Großeltern übermittelten uns von ihren Eltern folgenden Vorfall: Auf großen Fahrten wurde ein Ersatzpferd mitgenommen, um bei schlechten Wegen und bergan als Vorspann zu dienen. Nach einer größeren Fahrt heimwärts diesseits Hagenow sagt plötzlich einer der Hauswirte: Wäder un Blitz, hebbt wie denn Schimmel stahn laten in Walsmählen in`n Stall ? Notgedrungen musste einer zurück und den Schimmel holen. Zu der Zeit, da in Bahlen die 6 Büdnereien erbaut wurden, es war vor 1800, wurde auch Bahlerhof in Büdnereien aufgeteilt. Folgende, noch heute vorhandene Büdnereien wurden errichtet:

1.Hennings, Lüneburg, Hein, Behnke, Schlage (jetzt Wieczoreck) 2.Lüdemann, Thymian (jetzt Stolz) 3.Bädker (jetzt …) 4.Kien, Mahnke, Behnke, Schlage (jetzt Wiese) 5.Pinnow (jetzt … ) 6.Severin, Nieland (jetzt Wegelin) 7.Krahn, Frank,Till, Lieschewski (jetzt … ) 8.Gnaust, Simon, Konow (jetzt …) 9.Wöhlke, Gehrke, Koch (jetzt … ) -6- -6-

10.Schlage, Paschen (jetzt Machhein) 11.Eckhard, Buck (jetzt …) 12.Behnke, Schlage (jetzt abgebrannt) 13.Basedow, Stroyny (jetzt Hieke) 14.Levermann, Nieland ( ) 15.Goosmann, Bleck (jetzt Rogge) 16.Tiedemann, Sprenger (jetzt Paeseler) Folgende Büdnereien sind noch im Besitz der der Familien ihrer Gründer: Büdnerei 2, 3, 5, 10, 12, 13, 14 und 15. Amtlich hieß Bahlerhof nun Bahlendorf. Es bekam seinen eigenen Dorfschulzen. Dieses Schulzenamt hatte der damalige Besitzer der Büdnerei 12- Behnke. Nach dem Krieg 1870 – 1871 wurde Bahlendorf mit Bahlen zu einer Gemeinde zusammengelegt. Der Bahler Schulze Lüneburg übernahm das von dem Bahlendorfer Schulze Behnke verwaltete Schulzenamt mit.

Im Jahre 1874 wurde Bahlendorf von einem Großfeuer heimgesucht. 6 Büdnereien wurden eingeäschert (brannten ab) Es waren dies die Büdnereien 10, 12, 13, 14, 15, und 16. Alle wurden massiv wieder aufgebaut. Alle anderen mit Ausnahme von Büdnerei 3, welche 1946 abbrannte, sind noch die im Anfang errichteten Strohdachgebäude. Die Büdnerei 12- Otto Schlage brannte 1947 ab und wurde in den folgenden Jahren am Totenweg (Schwarzer Weg, richtig Heckenweg) wieder aufgebaut.

Mit zunehmender Bevölkerungszahl wurde auch die vorhandene Nutzfläche an Acker und Wiesen knapper. Mancherlei Konflikte zwischen den angrenzenden Gemeinden sind noch lange in der Erinnerung wach geblieben. So hat einmal ein Ratsherr aus Boizenburg beim Schulzen Lüneburg in dessen Haus mit dem Krückstock gegen ein Kätelzwang, eine eiserne Stange mit Haken an dem der Kessel über dem offenen Feuer im Swibagen hing, geschlagen und übermütig erklärt: „Bit hieran hört dat uns“. Tatsächlich ging die Grenze von Boizenburg, da Bahlerhof Stadtgut war, bis etwa 100m an Bahlen heran. Einige kegelförmige Markierungen in den Wiesen sind noch heute erkennbar. Als zwischen Bahlen und Gothmann die Grenze vom Amtsmesser genau festgelegt wurde, waren die Bahler Hauswirte mit der eingeschlagenen Richtung der Grenze nicht zufrieden und sagten: „Gothmann hett so väle Wischen, un wenn dat so wieder geiht, nähmt sei uns de Bahler Wischen ok noch weg“. Das bestimme ich“, sagte der Vermesser. „Na, dat lat wie uns nich gefallen“, sagten die Bahler Hauswirte. „Da künnt ji nix an ändern, ick föhr na Swerin“, sagte der Hauswirt Konow, „un beswer mi“, drehte sich um und ging weg. „Kamen sei mol her, Konow und bliewt sei hier“, eine andere Richtung wurde eingeschlagen. Dieser Winkel in der Grenze ist noch heute vorhanden. Dadurch kam die Grenze bis an den Rand der Gothmanner Tannen. In dieser Zeit kam ein Gesetz der mecklenburgischen Regierung in Schwerin heraus, dass die Hauswirte die innehabenden Stellen in Erbschaft (richtig Erbpacht) übernehmen konnten. Ein volles Eigentum wurde ihnen dadurch noch nicht gegeben. Eine hypothekarische Belastung wurde aber möglich. Weiter fiel die 10- jährige Neuzuteilung des Ackers fort. Mit einer jährlichen Pacht waren die Zinsen für eine staatliche, unkündbare Hypothek zu zahlen. In Bahlen betrug diese Pacht für den nunmehrigen Erbpächter etwa 120 Goldmark. Bis 1860 gingen 7 Hauswirtstellen in Bahlen in Erbpacht. Da beim Hauswirt Mahnke keine Erben vorhanden waren, wurde diese Stelle als Büdnerei vermessen. Die Jagd und eventuelle Schätze im Boden für die gesamte Feldmark blieben Eigentum der mecklenburgischen Regierung. Der Erbpächter Wilhelm Johann Elvers bricht nach der Erbpachtung sein altes Bauernhaus im Dorf ab und baute sich auf seinem Gamm-Stück ein neues. Durch die Erbpachtung und Neuvermessung wurden in allen Dörfern Flächen an Acker und Wiesen nicht zugeteilt und als sogenannte Amtsreservate für spätere Ansiedlungen vorgesehen. Diese Flächen sind dann in den folgenden Jahrzehnten zur Errichtung von Häuslereien verwandt worden. In Bahlen wurden in der ersten Phase 6 Häuslereien errichtet. Mit staatlichem Zuschuss entstanden die folgenden Häuslereien: 1.Scheer, jetzt Pingel ( ) 2.Stöckmann, z.Zt. bewohnt von Perschke ( ) 3.Köster, jetzt Rump ( ) 4.Buck und Ahlers, dann Keim (jetzt Klopp) 5.Zählke, jetzt Dühring (jetzt Hundl) 6.Jahnke, Dittmer, Reinke, Thiele ( ) -7- -7-

Diesen in den achtziger Jahren des vorigen Jh. errichteten Häuslereien folgten Anfang des jetztigen Jh. weitere 8, es sind dies:

7.Iserloth, Klatt, Röhr, Lemke (jetzt König) 8.Kiehn (jetzt Herpich) 9.Lange, Tiedemann, Bädker (jetzt leer) 10.Messling, Schlubeck, Sump (jetzt Phillip Thiel) 11.Schlage, jetzt Retzlaff ( ) 12.Paschen (jetzt Burmeister) 13.Niemann (Alte Str., jetzt Friderike Seemann) 14.Nieland ( ) Alle Häuslereien sind seit ihrer Errichtung als 1- Kuh- Wirtschaft vermessen. Wie bei den Büdnereien ist ja eine gemeinsame Weide vorhanden. Wie die Alten sich ausdrückten: „Wie driewt uns Kauh in Kommün“. Bahlen-Bahlendorf ist größer geworden.

Doch nun zurück zu wichtigen Ereignissen des vorigen Jh.. Das 19.Jh. brachte im Anfang viel Not und Entbehrung. 1806 – 1813, die sogenannte Franzosenzeit blieb nicht ohne Einfluss auf die Entwicklung von Bahlen- Bahlendorf: Truppendurchzüge, Einquartierungen, Requisitionen und Drangsale haben noch lange die Gemüter unserer Vorfahren bewegt. Enkel und Urenkel erfuhren und behielten diese Zeit noch lange im Gedächtnis. Unserer älteren Generation sind noch manche Episoden überliefert worden. Um die schlimmste Not zu lindern, wurde in der Kirche zu Boizenburg, für die umliegenden Dörfer eine behördliche Verteilung von Brot eingerichtet. Bloß keinen Krieg, `Leiwer in Frädenstied drög Brot äten`, wussten unsere Vorfahren von ihren Eltern und Großeltern zu berichten. In Bahlen wohnte zu dieser Zeit ein Schneider Scheer in der Nebenwohnung der Büdnerei 4. Russische Truppen hatten sich östlich von Bahlen zurückgezogen. Ihnen folgten von Westen her französische Einheiten. Schneider Scheer, den sie auf der Dorfstraße erwischten, nahmen sie sich vor, nun von ihm mehr über die Russen zu erfahren. Doch eine Verständigung war schlecht zu erreichen. Scheer der von früheren Einquartierungen der Franzosen nur einige Brocken Französisch im Gedächtnis hatte, sagte: „ Vons boche“, „Zehn Schläge“, sagte der französische Korporal und der Scheider erhielt mit der Reitpeitsche zehn Hiebe. „Vons boche, vons boche“ stammelte der Schneider. Nochmals zehn, nochmals zehn. „Vons boche, vons boche“ sagte Scheer und wusste nicht, dass dies ein französisches Schimpfwort war. Die französischen Soldaten mochten zuletzt annehmen, der hat wohl nicht seine fünf Sinne und ließen ihn laufen. „Wie har mi dat gahn, wenn ick kein französisch künnt har, de harden mi jo woll dot schaten“, wußte der Schneider später zu erzählen. In der französischen Marketenderei in Boizenburg waren eines Nachts sämtliche Silbersachen, Bestecke usw. gestohlen worden. Eine groß angelegte Suchaktion wurde von der französischen Kommandantur angeordnet. Es erging eine kurzfristige Androhung einer Kontribution, wenn das Silberzeug nicht wieder beschafft werden konnte. In Bahlen hatten einige Einwohner in Erfahrung gebracht, dass die Spitzbuben die Silbersachen in der Ziegelei Gresse versteckt hatten. Die Ziegelei an der Straße, unmittelbar an der Grenze Schwartow – Gresse gelegen, existiert heute nicht mehr. Die meldeten dies, Das Silberzeug wurde gefunden und die Kontribution konnte vermieden werden. Sehr oft mussten Bahler Hauswirte für die französische Bagage Fuhren unternehmen. Das dauerte meistens Tage, manchmal auch Wochen, ehe sie zurück durften. Durch List gelang es dem Bahler Hauswirt Johannes Jakob Elvers einmal, in einem unbeobachteten Augenblick zu entwischen und auf Umwegen frühzeitig nach Bahlen zurückzukehren. Während der Franzosenzeit und danach wurde die alte Heerstraße Hamburg – Berlin zur Chaussee ausgebaut und 1826 fertiggestellt. Wie der Volksmund wissen will, soll die Anregung zum Ausbau der Straße von dem Kaiser Napoleon I ausgegangen sein. Jahre kamen und gingen und allmählich waren auch die Wunden und die Not, welche die Franzosenzeit hinterlassen hatte, vernarbt. Das Leben ging weiter. Saat und Ernte, Geburt und Tod wechselten einander ab. Am Horizont beginnen sich die Umrisse einer neuen Zeit bemerkbar zu machen. Die Dampfmaschine wurde erfunden, zwischen Hamburg und Berlin wird in den Jahren die Eisenbahn-Linie gebaut und im Dezember 1846 fertiggestellt - für unsere Bahler Hauswirte, die ihr Geld auf den Straßen durch Fuhren verdienten, ein ernsthafter Konkurrent. Durch den Beginn des Anhutschen ? Zeitalters bleibt der Arbeitsablauf der Dorfbewohner vorerst noch unberührt. Sense, Holzpflug und Dreschflegel waren seit jeher die notwendigen Ackergeräte gewesen und sollten es für dieses Jh. und noch darüber hinaus bleiben. -8- -8-

Der Schreiber dieser Zeilen erinnert sich noch sehr gut daran, als Kind morgens von dem gleichmäßigen Klipp- Klapp, mitunter auch von einem Klipp- Klapp- Klapp geweckt zu werden, wenn zwei oder drei Leute mit ihren Dreschflegeln in der Nähe arbeiteten. Die gesamte Getreideernte wurde schon immer auf diese Art gedroschen. Und unsere Vorfahren, so schwer die körperliche Arbeit auch war, haben sich nur zögernd und ungern der maschinellen Entwicklung angepasst. Wie ich schon einige Jahre zur Schule ging, diskutierten zwei alte Drescher über den Dreschsloope. Wöhlke behauptete, es sei zweckmäßiger, den Dreschflegel schwerer und klobiger zu fertigen, da durch das größere Gewicht das Korn besser herausginge. Tiedemann dagegen war der Meinung, wenn der Flegel leichter wäre, könnte man mehr Schwung dahinter setzen. Sie wurden sich nicht einig und hatten wohl beide recht. Von ihrem alten Holzpflug konnten sie sich auch nur schwer trennen. Von tüchtigen Schmieden und Stellmachern gebaut arbeiten sie auch gut: `Gah mi los mit`n isern Plaug, ick holl dat mit de ollen`, war lange Zeit das Motto. Schließlich musste der `Hölzerne` dann doch weichen. Auch der gute alte mecklenburgische Haken, der hauptsächlich bei der Brache-Bearbeitung Verwendung fand, hat sich noch lange als unentbehrlich behauptet. Ein Exemplar ist in Bahlen noch beim Bauern Niemann vorhanden, wird aber nicht mehr benutzt. Vom preußisch-österreichischen Krieg 1864 gegen Dänemark ist hier folgendes bekannt: Österreichische Kavallerie war in Boizenburg ausgeladen worden und setzte sich in Marsch Richtung Lauenburg in Bewegung. Das Herzogtum Lauenburg gehörte damals zu Dänemark. Kurz vor Horst, dem heutigen Zonenkontrollpunkt (ehemaligen Grenzkontrollpunkt), etwa 50 m vor der Gastwirtschaft Köster bäumte sich das Pferd eines österreichischen Fähnrichs auf, überschlug sich und begrub den Fähnrich unter sich, der dabei zu Tode kam. An dieser Stelle stand noch während meiner Schulzeit ein kleiner Gedenkstein mit eingemeißeltem Kreuz. Einen zweiten Krieg bescherte das vorige Jahrhundert: die deutsch-französische Auseinander-setzung 1870 – 1871, groß an Opfern auf beiden Seiten. Für Bahlen-Bahlendorf hat er weniger nachteilige Folgen gehabt. Als einziger aus Bahlendorf musste der Büdner Heinrich Nieland daran teilnehmen. Bei der Gefangennahme des Generals Mac Mahon war seine Truppeneinheit mit beteiligt. Nieland kehrte 1871 wieder zurück. Eine schwere Hochwasserkatastrophe gab es (März 1876- 6,63 m; März 1881- 6,56 m) 1888 (April- 6,22 m) und sieben Jahre später (April- 6,70 m) eine weitere. Beide Male wurde das Militär eingesetzt, um Menschen und Vieh zu retten. Hamburger Pioniere versorgten ganze Dörfer mit Lebensmitteln, die vom Wasser umgeben waren. Das Vieh, soweit es nicht fortgebracht werden konnte, musste in den Ställen hochgedämmt werden. Sämtliches Saatgut wurde vernichtet. Einige Jahre vergingen, ehe diese Schäden überwunden waren. Auch die Häuser und Wohnungen, in denen das Wasser mehrere Wochen stand, waren stark beschädigt worden. Totale Hochwasserjahre waren auch 1920, 1926, 1940 und 1954. Erst 1954 sind die Schäden, welche die Bewohner der betroffenen Gebiete durch Hochwasser hatten, durch die deutsche Versicherung? aus eigener Kraft überwinden, was die uneingedeichte Elbe an Schäden verursacht hatte. Nur ein einziges Mal, im Jahre 1926, als das Sommer-Hochwasser Getreide, Kartoffeln, Rüben und sämtliches Wiesenfutter vernichtet hatte, sah sich die mecklenburgische Regierung gezwungen, den Dörfern im Katastrophengebiet Kredite zu geben, hierauf wird an späterer Stelle noch eingegangen.

Ein etwas düsteres Kapitel des vergangenen Jh., welches auch noch in dieses Jh. hineinreicht, wollen wir nicht auslassen und zwar das des Aberglaubens der Leute. Durch den harten Daseinskampf waren unsere Vorfahren diesem Irrglauben wohl leichter zugänglich geworden. Jeder Verlust an Vieh traf sie besonders hart. Jede Krankheit in der Familie bedrohte unmittelbar ihre Existenz. Irgend eine Versicherung, wie sie heute als selbstverständlich gilt, gab es noch nicht. Welchen Wahnvorstellungen die Menschen sich damals hingaben, mögen einige Episoden aus unserem Dorf beleuchten. Etwa 1915 erzählte mir der letzte, der aus der Familie Lüneburg das Bahler Dorfschulzenamt innehatte, Hermann Lüneburg, folgende selbsterlebte Begebenheiten: „Die achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts sind dafür bekannt gewesen, dass sie mit ihren niedrigen Verkaufserlösen für das Bauerntum äußerst ungünstig waren (Caprivizeit). In diesen Jahren“, so erzählte er, „hatte mein Vater noch obendrein sehr viele Verluste beim Vieh, mal war es bei den Kälbern, dann bei den Kühen und dann bei den Schweinen, auch wertvolle Fohlen wollten nicht gedeihen. Da riss meinem Vater die Geduld: `Dat geiht doch nich mit rechten Dingen tau, morgen föhr ick tau Carmohn na Hagenow`“. -9- -9-

Ich habe den Schulzen Lüneburg noch gekannt, ein energischer alter Mann mit Backenbart. Was der sich vorgenommen hatte, das führte er auch durch. “ Mein Vater setzte sich auf die Bahn, fuhr bis Hagenow- Land und ging dann zu Fuß zu Carmohn. `Na min Jung, nu ward tau dull` begrüßte Carmohn den Lüneburg. `Ja, ja, ick weit bescheid. Ick weit bescheid, wo di de Schau drückt.` Mein Vater brauchte gar nicht viel zu erzählen, das schien Carmohn alles so zu wissen. `Wenn dat so wieder geiht, dor müt man ja een armen Mann warden`, sagte er. `Dat stimmt`, secht Carmohn, `sech mal Lüneborg, hest du all markt, dat sick bi di in`t Hus mannichmal ne frömde Katt uphölt ?` und mein Vater überlegte. `Ja, secht hei, dat hew ick. Gistern noch wier dor ne swarte Katt un de wier all öfter dor. Ja, ja, all tämlich oft.` `Sühst du woll`, secht Carmohn, `denn wull`n wi dat mal up`n Grund gahn. Nu hör mal tau, wenn du tau Hus kümmst und de Katt kümmt werrer, dann giw ehr mal einen ornlichen Denkzeddel. Legg di einen Knüppel prat und denn hau tau, äwers nich dotslagen. Dat wier dat irste und denn sast du mal seihn, in de nächsten Dag` kümmt einer bi di, um sick wat tau leihen. Und dat is de Übeltäter, de dat Veih behexen deiht.` `O man, wat wür ick froh sien, wenn ick dor achter kam`, sagte mein Vater. Er bezahlte seinen Taler, bedankte sich und fuhr wieder nach Hause. Denn nächsten Dag glückte em dat all, dat hei de Katt to seihn kreech un ehr so richtig einen bipuhlen künn. Na, nu wullen wi mal seihn, dacht` hei un wier gespannt, wie dat wieder güng. Na twei Dag röppt Schulden Mudder ehren Mann: `Kümm mal rinn, Johann Bandows Mudder is hier. „Ja, wat giwt?“ „Ach Lüneborg, ick hew ne Bidd, ick wull schrieben, kannst du mi villicht ehn Bogen Papier utleihen ? Ick hew sülbst kein mehr.` dreihte sich um un güng rut. Nahier beobachtet Lüneborg, as sei weg güng, dat Bandows Mudder humpelt hett. Bandows hadden de Bäunerie 2 in Bahlen. De Mann wier Schauster un se wirn achtbore Lüd. Nu wier dat Unglück üwer de Familie rinbraken. Lüneborg glöwte nu tau weten, wer sein Veih behexen deiht. Und dat duerte nich lang, dor wüssen dat uk anne Lüd in Bahlen, dei an dissen Spauk glöwten. Un wat wier dat nu mit disse Begäbenheit. Von alle Siden, as een Dörphex ankäken tau warden, dat künn sei nich öwerwinnen. De ganze Familie har beschloten, na Amerika tau gahn.“

Wie der letzte Lüneburg mir diese Geschichte erzählte, musste ich lachen. „Hermann,“ sagte ich, „was hat die Katze denn hiermit zu tun ?“ „Lache nicht, Junge, wenn du erst älter bist, wirst du es verstehen. Bandows Mutter hat sich in diese Katze verwandelt und dann das Vieh verhext. Diesen Schuften hatten wir all unser Malheur zu verdanken.“ Und das erzählte er eindringlich und überzeugend. Ich versuchte ihm beizupflichten und das alles zu glauben. So hat er mir noch so manche Spukgeschichte erzählt, die sich auf Kreuzwegen zugetragen hat, von alten Sargnägeln in die Schwelle des Hauses schlagen, von `blaach Melk` usw. Eines will ich noch berichten und das ging so zu: In jedem Frühjahr, zum Ende des Winters wurde Holz gefahren: Brennholz für die Schule, Armenholz und auch Schleeten, die auf öffentlichen Auktionen gekauft wurden. An einer bestimmten Stelle in Bengerstorf war es den Bahler Holzfahrern aufgefallen, dass die Pferde scheuten und nicht weiter wollten. Sie sprangen zur Seite und schließlich machten sie einen Satz und dann ging es im Galopp weiter. Und das wiederholte sich auch im Jahr danach. Lüneburg erzählte es auch mal Carmohn in Hagenow und fragte , was man dagegen tun könne. „Hest du keen Äx bi di hatt, Lüneborg ? Ja, denn will ik di mal `n Rat gäben: Blot een Speich von dat Rad an dien Wagen müsst du denn riskieren, dat schad nich, hett Carmohn secht, De Hauptsak is, wie kriegt mal tau wäten, wat dor hinner stäken deit. So, wenn du wedder Holt föhrst, un de Pierd` sik grugen, holl an, nimm de Äx un slag ehn Speich ut dat Rad un denn warst du seihn, wat kümmt.“ Wie ihm Carmohn geraten, bereitete er sich für die nächste Fahrt vor. Wieder an der selben Stelle blieben die Pferde stehen und scheuten. Und nun wurde Carmohns Rat befolgt. Und was geschah nun ? Eine Frau kam angelaufen, mit den Armen gestikulierend. „ Holl up, holl up, mien leiwe Mann, holl up.“ Langsam zogen die Pferde an und gingen weiter, als wäre nichts geschehen. Das war die Hexe, die in Bengerstorf wohnte und jahrelang diesen Unfug betrieben hatte. Hätte mein Vater noch eine Speiche aus dem Rad rausgeschlagen, wäre sie wohl tot umgefallen. Vollständig waren die Lüneburgs in diesen finsteren Aberglauben verfallen. Ich habe später noch oft von älteren Leuten gehört, das war ihr Ruin, daran sind sie zugrunde gegangen. Als tüchtige Bauern waren die Lüneburgs bekannt. Solange sich überhaupt zurückverfolgen lässt, hatte diese Familie das Schulzenamt inne. Mit den ersten Bürgerfamilien in Boizenburg waren sie verwandt und verschwägert (Haupt, Evers). Während der Amtszeit des Schulzen Johann Lüneburg Ende des vorigen Jahrhunderts begann die Technik bei den Bahler Hauswirten, alte Methoden nach und nach zu verdrängen.

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Die ersten Dreschmaschinen tauchten auf, diese wurden durch Radwerk angetrieben, sogenannte Pferdegöpel. Zum Reinigen des Korns bediente man sich der handbetriebenen Windschüttler, auch Rummel genannt. Spinnräder und Webstühle wurden weniger. Seit jeher hatten Großmutter, Urgroßmutter und deren Ahnen ihren Bedarf an Leinen und Halbstoffen selbst angefertigt und es galt als selbstverständlich, einem jungen Mädchen eine bestimmte Anzahl von gewebten Ballen mit in die Ehe zu geben. Nun hatten andere den damaligen Frauen diese mühsame Arbeit abgenommen. Webereien waren entstanden und es gab Leinen und Stoffe zu kaufen. Die Technik schlug Bresche um Bresche in die Jahrhunderte alten Gewohnheiten unserer Vorfahren. Doch mit den Gewohnheiten ging auch eine Zeit dahin, der man noch lange wehmutsvoll gedachte.

Der Dichter unserer Heimat, Helmut Schröder, wusste den Lauf dieser Zeit den Nachkommen treffend und lebendig zu schildern mit folgenden Fersen:

 Liesing klingt as Abendglocken

mi dörch`t stille Hart dat Leid Größing singt mit achtern Wocken Ach, wo doch de Tid hengeiht.

 Up denn Huker, ihr tau Sieden

Köpping liggt in ihr Schot. Seih denn Faden hen ick glieden as min Läben sünner Not. ???

 Klagend klüngen Schiedeglocken

Größing fünn ihr ewig Rauh. Sing dat Leid ick achtern Wocken, hört min Dochterkind nu tau.

 Wat will`t ward`fn noch un ick wanner,

uk denn Weg, denn alles geiht Achtern Wocken sitt mit`n anner, Sitt de Lütt un singt dat Leid.

Mannigfaltig hat die Technik in den Tagesablauf der Arbeit eingegriffen und ihn verändert und es lohnt sich die Erinnerung an die vergangenen Zeiten wachzuhalten. Damals gab es noch keine eingezäunten Weiden für die Kühe und das Jungvieh. Jeder Hauswirt und spätere Erbpächter, wenn er selbst keine schulentlassenen Kinder hatte, nahm für die Sommermonate einen 14- oder 15- jährigen Jungen zum Kühe hüten. Diese `Kauhhierers` kamen meistens aus Hamburg und es war immer ein besonderes Ereignis im Dorf, wenn diejenigen eintrafen. Diese aufgeweckten Jungen der Großstadt übermittelten den hiesigen Kindern manches Neue und Interessante. Den Eltern in Hamburg war es besonders daran gelegen, ihren Kindern einige Monate frische Landluft und gesunde, kräftige Kost zu bieten. Es ist mehrere Male vorgekommen, dass im hohen Mannesalter diese Hamburger noch einmal nach Bahlen kamen und sich ihrer hier verlebten Jugendzeit erfreuten und Erinnerungen austauschten. Ein Gedicht von ihnen für alle 7 Bauern dürfte den älteren Einwohnern noch heute bekannt sein: Nun danket alle Gott De Bahler Schull makt banrott Johann Kaul hätt nich mehr väl Hermann Konow ritt up`n Bessenstäl Johann Elvers süht sick Jog`n ut`n Sod Wilhelm Kaul smiert sick Fett up`t Brot Hinnerck Slag kikt äwern Tun Johann Niemann- da schweigt des Sängers Höflichkeit De letzte Stroph`ward fläut`t. Oder den kleinen Spottvers brachten sie gelegentlich an: Mecklenburg, du Land des Treun, Muskatüffel un Bottermelk. Mit der Möglichkeit, Draht zum Einzäunen der Weiden zu kaufen, war diese Cowboy- Zeit vorbei. Auch in der Milchverarbeitung hatte sich eine vollständige Umwälzung vollzogen, da die ersten Zentrifugen auftauchten. Bis dahin wurde die Milch im Keller in irdenen Satten zum Abrahmen aufgestellt. In alten Kellern sind noch heute die in die Wand eingelassenen Falzen zum Einschieben der Borde vorhanden. -11- -11-

Im Winter wurden die Satten im `Melkschapp` zum Abrahmen aufbewahrt. Wenn sich genügend Sahne auf der Milch gebildet hatte, musste sie noch ein paar Tage abstehen und konnte dann verbuttert werden. Das war oft eine langwierige Arbeit für die Landfrau: `Dat will un will nich boddern`, hat wohl so manche Frau gejammert und musste dann bis tief in die Nacht das Butterfass drehen. Die Handzentrifuge brachte schon eine wesentliche Erleichterung der aufzuwendenden Arbeit. Doch erst die nach und nach entstandenen Molkereien nahmen den Bauern die mühselige und wohl häufig unhygienische Milchverarbeitung ab. Es hat aber immerhin eine ganze Zeit gedauert, ehe unsere Vorfahren sich dazu entschließen konnten, die Milch zur Molkerei zu bringen. Viele Vorurteile waren zu überwinden:

  Dat mark ick all an`n Dörndrücker, dat sei in de Molkerie sünd. 
  Gah mi los, so backig sünd de von`t Plummaus.
  Ja, ja, de Bandekower hebbt sick all an de Molkerie anslaten, 
  dat rück ick in`n Harwst, wenn de Wind von dor kümmt un sei biet`t Plumenbacken sünd. 

Diese und ähnliche Sprüche mussten herhalten. Es hat aber alles nichts genutzt, heute braucht keine Frau mehr zu buttern und auch kein Brot mehr zu backen. Jahrhunderte alte Fesseln, die zu der Zeit notwendig waren wie das tägliche Brot haben sich zum Wohle aller Menschen gelöst. Wenn die Bahler und Bahlendorfer bei der Einführung neuer Methoden auch nicht gerade immer die Ersten waren, die Letzten waren sie keinesfalls. Der Anwendung von Kunstdünger haben sie sich sehr frühzeitig zugewandt, um die geringen Erträge ihres leichten Sandbodens zu erhöhen. Den ersten Kali-Dünger (Kainit) holten sie sich mit dem Fuhrwerk aus dem Kalibergwerk Lübtheen. Die Dreifelderwirtschaft ging mehr und mehr zurück. Die Umweltverhältnisse ließen es nicht mehr zu, ein Drittel des Ackerlandes brach liegen zu lassen. Weitere Erfindungen beeinflussten auch die persönlichen Anforderungen unserer Dorfbewohner. Nachdem das Veloziped von dem Fahrrad abgelöst wurde, gingen die ersten Waghalsigen daran, sich ein solches anzuschaffen. Eine ganze Weile hatte man diese Teufelsräder verflucht, brachten sie doch bei deren Begegnungen die Pferde zum Schnauben und manchmal auch zum Durchgehen. Im Jahre 1901 erhielt Bahlen die erste Fernsprechstelle. Daraus wurde dann die sogenannte Gemeindeöffentliche Bahlen. In diesem ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts entwickelte sich oft manches was heute nicht mehr wegzudenken ist. In 1 km Entfernung begann der Bau der Wandplattenfabrik Boizenburg. Viele Einwohner aus Bahlen und Bahlendorf fanden beim Bau und bei der späteren Produktion einen guten Verdienst. Die Chaussee Boizenburg-Bahnhof nach Teldau wurde gebaut. Dadurch bekam Bahlen eine feste Straße. In nicht guter Erinnerung sind noch die sehr sandigen Wege entlang des Bahler Waldes. Zum Während des Straßenbaus nutzte der Büdner Wilhelm Konow die Gelegenheit, sämtliche Ziegelsteine für den Bau einer Gastwirtschaft nebst Tanzsaal auf einer gelegten Feldbahn von Gothmann nach Bahlen, auf der die benötigten Chausseesteine angefahren wurden, auch für seinen Bau zu nutzen. Die alte Schule in Bahlen entsprach nicht mehr den Erfordernissen der damaligen Zeit. Die Gemeinde und somit die verantwortlichen Vertreter des Dorfes entschlossen sich, ein neues Schulgebäude zu errichten. Von der alten Schule blieb nur der massive `Dälenen`n. Als Lehrer um die Jahrhundertwende in Bahlen wirkte Carl Betke, der aus Eldena stammte. Er war ein großer kräftiger Mann. Man mochte ihn eher für einen mecklenburgischen Bauern, als für einen Erzieher halten. Angewiesen auf die Erträge seiner Schulkompetenz musste so ein Lehrer recht vielseitig veranlagt sein, 8 Jahrgänge gleichzeitig zu unterrichten. Im Winterhalbjahr wurde vormittags und nachmittags unterrichtet, im Sommerhalbjahr nur vormittags. Vor dem Unterricht Kühe füttern und tränken und während der Pause noch mal hingucken. Als Personal reichte es meistens auch nur für ein schulentlassenes Mädchen. Die Frau hatte ihre Arbeit in der Familie und bei den Mahlzeiten. Man wird nicht umhin können, trotz geringer Schulleistungen und Lernergebnisse die Leistungen eines solchen Landlehrers hoch einzuschätzen und zu würdigen. Dabei fehlte es nicht an (Hohn und) beißendem Spott über die damaligen Landpädagogen: „Wird im Dorf ein Schwein geschlachtet, seht mal wie der Dorfschulmeister lacht. Die erste Wurst soll seine sein, das arme Dorfschulmeisterlein.“ Die ganze Misere der damaligen mecklenburgischen Dorfschulverhältnisse konnte manche Blüte treiben. Es war nichts Außergewöhnliches, wenn der Landlehrer seine Schulaufsicht, welche die ev.-luth. Landeskirche ausübte und in Bahlen ein Pastor aus Boizenburg innehatte, wenn er unerwartet einmal eintraf und in seiner Klasse in Holzpantoffeln umherging. Oder eine Pause für seine Schüler unendlich lang wurde, da eine Kuh sich beim Kalben so viel Zeit ließ. Der Lehrer Betke ging um 1905 nach Greven und übernahm die dortige Schule. -12- -12-

Die Lehrerkompetenz in Greven hatte besseren Acker und vor allem gab es dort kein Hochwasser. Ein verheirateter Lehrer war für Bahlen nicht vorhanden, jedenfalls meldete sich keiner und so mussten zwei Praktikanten aus Neukloster für jeweils ein halbes Jahr die Schule übernehmen, Herr Franz Jonas und Herr Ahrens. Beide sollten sich in der Praxis auf ihren künftigen Lehrerberuf vorbereiten. Wie haben sich in dieser Zeit die ganzen Lehrerverhältnisse geändert, aber es war doch ein ganzes Menschenleben notwendig, um in dieser Zeitspanne Schritt für Schritt die heutige Höhe zu erreichen und die Rückständigkeit zu überwinden. Die kommunale Verwaltung in unseren Dörfern war denkbar einfach, um nicht zu sagen, primitiv. In Boizenburg befand sich das Dominalamt (Domanialamt), welches von dem Amtmann, später Amtshauptmann, geleitet wurde. Diesem standen ein paar Schreibkräfte zur Verfügung. Der Hauptverbindungsmann zu den Dorfschulzen war der Amtslandreiter `Landrieder`, hoch zu Pferd, dessen weite Pelerine reichte noch über die Schulter des Pferdes und war ein bekanntes Bild der Landstraße. Von Dorf zu Dorf, von einem Schulzen zum anderen überbrachte er die Anordnungen des Amtsmannes, kontrollierte die Befahrbarkeit der Landstraßen und Brücken, setzte Termine für die Räumung der Gräben usw.. Diese ehemaligen langgedienten Kavalleristen, die den Posten des Landrieders innehatten, waren richtige Respektspersonen. Der letzte, den ich gekannt habe, namens Oestreid (Oestreich?), sah aus wie ein General auf alten Bildern. Das Exekutivorgan der Staatsmacht war das Amtsgericht in Boizenburg, dessen oberster Vertreter der Amtsrichter war. Ihm oblag die Gerichtsbarkeit sowie auch das Grundbuchamt. Ein Amtsanwalt sowie zwei Gendarmen waren für das Landgericht Boizenburg zuständig. Einer der Gendarmen hatte ebenfalls ein Pferd zur Verfügung. Der letzte Berittene, Wachtmeister Alfred Schwarz, der von der Kaiserzeit bis über den totalen Zusammenbruch hinaus allen Staatsformen treu gedient hat, ist bei den Landbewohnern wegen seiner Urwüchsigkeit und Leutseligkeit noch allgemein in guter Erinnerung. „Schwarz,“ sagte ein alter Bahler Bauer nach der Revolution und dem Kriegsende zu ihm: „denn Dägen harr ick mi öwer nich afnehmen laten.“ „So, finnst du ?“, erwiderte Schwarz. „Du weitst doch, wat in de Bibel steiht: Ein Jedermann sei Untertan der Obrigkeit, die Gewalt über ihn hat.“ Als er etwas später wieder im Dienst war, sagte er einmal: „Ich tue meine Pflicht und all das Rudern kümmert mich nicht.“ Ihre liebe Not hatten die Gendarmen vor dem ersten Weltkrieg mit den Handwerksburschen wie sie in der Dorfsprache genannt wurden. Arbeitslose aller Altersklassen tippelten jahrein, jahraus auf den Straßen von Hamburg nach Berlin und umgekehrt sowie auf den Nebenstraßen, um irgend eine Arbeit zu suchen. Betteln war verboten und sie mussten es doch tun, um nicht zu verhungern. Das war eine Zeit sozialer Ungerechtigkeit. „Was haben wir bloß für eine Last mit diesen Leuten“, sagte der Gendarm einmal bei einem Termin im Landgericht Boizenburg. „Sei doch froh, dass wir da sind“, erwiderte ihm ein Berliner schlagfertig, „sonst wärt ihr auch arbeitslos.“ Die Ära des Schulzen Lüneburg in Bahlen war zu Ende gegangen. An seine Stelle wurde der damalige Schöffe und Erbpächter, Hermann Konow, aus Bahlen vom Amtshauptmann als Schulze für Bahlen-Bahlendorf eingesetzt. Auf die Lehreranwärter Jonas und Ahrens folgte endlich wieder ein verheirateter Lehrer für die Schule in Bahlen, Hermann Lohse. Dieser Lehrer hat für die Kinder unseres Dorfes für ein halbes Jahrzehnt überaus erfolgreich gewirkt. Allgemein hieß es damals: `wenn er auch zu sehr Demokrat ist, aber lernen tun die Kinder in Bahlen mehr als in der Stadt.` und das war keine Übertreibung. Wer das Glück hatte, bei ihm zu lernen, der war für sein ganzes Leben gut gerüstet. Mehrere Schüler brachte er zur Lehrer-Ausbildung, einen zum Ingenieur Studium. Leider verließ Hermann Lohse 1913 unser Dorf. Durch Selbststudium hatte er die Mittelschulprüfung bestanden und ging mit dieser Qualifikation nach Westerstede in Ostfriesland. In unserem Dorf hatte sich ein reges gesellschaftliches Leben entwickelt, ein Gesangsverein wurde gegründet `Einigkeit Bahlen-Bahlendorf`, der alle Schichten der Dorfbevölkerung umfasste. Der Werftarbeiter Franz Detels von Boizenburg-Bahnhof war der hervorragende Dirigent des Vereins, der lange unvergessen blieb. Später übernahm diesen Posten der Plattenfabrikarbeiter Johannes Wartmann. Beiden Dirigenten gelang es, eine beachtliche vierstimmige Sangeskunst zu entwickeln. Im Sängerwettstreit mit Nachbarvereinen konnte mancher Preis ersungen werden. Die ihr dort unten träumt, verschlafet die Stunde nicht. Die Welt steht schon umsäumt von freiem Sonnenlicht. Von seinem Sonnenlicht, wacht auf, wacht auf, Frühling ist draußen, Frühling ist draußen. Bei Hochzeiten im Dorf, auch bei silberne und goldenen Hochzeiten war es Sitte geworden, dass der Gesangsverein ein Stän dchen brachte. -13- -13-

Oh glücklich, wer das Herz gefunden, das nur in Liebe denkt und sinnt und mit der Liebe treu verbunden, ein schönes Leben erst beginnt.

Durch einen Verein wurde eine umfangreiche Leihbibliothek zusammengestellt. Die langjährigen Vorsitzenden waren die Büdner Friedrich Levermann aus Bahlendorf und Heinrich Basedow aus Bahlen. Kassierer des Vereins war Franz Nieland aus Bahlendorf. Im Zusammenwirken mit dem jeweiligen Lehrer fand im Sommer das traditionelle Kinderfest statt. Ältere Bewohner können sich vielleicht noch gut an diese frohe Kinderzeit erinnern. Ein weiterer Verein wurde gegründet, der Faustballverein `Teutonia Bahlen-Bahlendorf. Junge Männer zwischen 17 und 23 Jahren hatten Interesse und fanden sich in diesem Verein zusammen. Weitere Veranstaltungen in der neuen Gastwirtschaft mit Tanzsaal des ehemaligen Maurers Wilhelm Konow trug dazu bei, die Geselligkeit im Dorf zu pflegen. Überhaupt hatte sich der Lebensstandard schon merklich verbessert. Da trat eine jähe Wende ein. In Sarajevo waren der österreichische Erzherzog Franz Ferdinand und seine Frau einem Anschlag zum Opfer gefallen. Das führte zu diplomatischen Verwicklungen zwischen zwei mächtigen Kräftegruppen, dem Vereinsbund Österreich, Italien, Deutschland und der `Triple Entende`, also Frankreich, das Vereinigte Königreich und Russland. Ein Ultimatum jagte das andere. Eine gespannte Erregung unter den Menschen entstand und plötzlich begann die Mobilmachung- der erste Weltkrieg begann, es war der 28.Juli 1914. Der Roggen war zur Hälfte gemäht, da mussten die ersten Reservisten ihre Heimat in Bahlen-Bahlendorf verlassen. Auf der Bahnstrecke Hamburg – Berlin die nur etwa 1 km von unseren Feldern entfernt ist, fuhren die ersten Truppentransporte vorbei. Kavallerie, Infanterie und Bagage, das waren damals die aktiven Garnisonstruppen. Die Gespräche bei der Ernte drehten sich nur um dieses eine Thema. Wie wird es in einem Jahr sein, wenn wir wieder beim Roggen sind ? `Dann sind alle wieder hier`, meinten vor allem die Frauen. `Wollen es hoffen`, sagten die Männer. `Krieg kommt schnell, dauert aber`, die Alten hatten ihre eigenen Gedanken. Leider sollten sie recht behalten. Vier Mal wurde der Roggen gemäht, ehe das Völkermorden ein Ende nahm. Von Jahr zu Jahr tobte der Kampf in steigendem Maße. Mit unerhört großem Aufwand auf beiden Seiten tobten die Materialschlachten, zunehmende Not und Lebensmittelknappheit im Lande traten ein. Der Kampf war sinnlos. Eine Revolution der arbeitenden Menschen setzte diesem Wahnsinn im November 1918 ein Ende. Die Regierung Ebert - Scheidemann löste die kaiserliche ab. Aber welch eine traurige Bilanz für unser Land, aber auch für unser kleines Dorf, wieviel Leid und Tränen: 12 gesunde Männer aus Bahlen-Bahlendorf kehrten nicht mehr heim. Väter und Mütter, Ehefrauen und Verlobte und auch Kinder sahen ihre Angehörigen nicht mehr wieder. Ein unerbittliches Schicksal entriss sie ihren Familien. Wir Überlebenden wollen sie in guter Erinnerung behalten und ihnen ein ehrendes Andenken bewahren:

Ernst Bahr, Bahlendorf Willy Jenkel, Bahlen Wilhelm Klatt, Bahlen Willy Kohl; Bahlen Hans Köpke, Bahlen Johannes Pinnow, Bahlendorf Heinrich Rump, Bahlen Paul Scheer, Bahlen Willy Scheer, Bahlen Karl Schlage, Bahlen Willy Schlage, Bahlendorf Heinrich Simon, Bahlendorf

Die Revolution im November 1918 stellte das gesamte deutsche Volk vor neue Aufgaben, die Monarchie musste der Republik weichen. Auch alle Dynastien der einzelnen föderativen Staaten wurden durch parlamentarische Volksregierungen abgelöst. Verfassungen wurden für den Staat und die einzelnen Länder erarbeitet. Eine Organisation der gesamten Verwaltung wirkte sich auch bis auf das kleinste Dorf aus. Die Demokratisierung lief auf vollen Touren und Volkswahlen wurden vorbereitet für Vertreter im Reichstag, in den Landtagen und Gemeinden. Auch für unser Bahlen-Bahlendorf fand im Frühjahr 1919 die erste Wahl einer Gemeindevertretung statt: 6 Sitze fielen auf die im Dorf bestehenden kleineren Betriebe, 3 Sitze auf die größeren.

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Von diesen Wahlmännern wurde der Büdner Heinrich Bädker zum Gemeindevorsteher für drei Jahre gewählt. Somit ging eine Jahrhunderte alte Epoche zu Ende. Vom Landesfürsten eingesetzt, hatten bisher die Schulzen das Amt verwaltet. Im hohen Alter gaben sie es an ihren Sohn und Nachfolger auf der Bauernstelle weiter, welches von den vorgesetzten Behörden lediglich zur Kenntnis genommen wurde. Der Erbpächter Hermann Konow, der das Amt des Schulzen in Bahlen-Bahlendorf ein Jahrzehnt lang innegehabt hatte, übergab dieses nunmehr seinem erstmalig gewählten Nachfolger, Heinrich Bädker. Mit Achtung und Würde hat Konow die Bürde dieses Amtes, besonders in den ungemein schweren Zeiten des ersten Weltkrieges getragen. Im Zuge der Zusammenlegung der bisherigen Domanialämter Boizenburg, Wittenburg und Hagenow zu einer Behörde entstand damals der Kreis Hagenow. Ihr erster Repräsentant war der sozialdemokratische Amtshauptmann Dr. Wöhlers. Schwer lasteten noch die Folgen des verlorenen Krieges auf der gesamten Wirtschaft, eine Inflation der deutschen Währung war unausweichlich und führte zu chaotischen Zuständen. Im Jahre 1924 war der Höhepunkt der Geldentwertung erreicht, das heißt eine Billion deutsche Reichsmark entsprach dem Wert einer normalen Mark, das hatte zur Folge, dass alle Sparguthaben und Hypotheken völlig wertlos wurden. Schuldeneinträge von einigen Tausend Reichsmark konnten mit dem Erlös eines einzigen Hühnereis zurück bezahlt werden. Wenn ein Arbeiter am Sonnabend seinen Wochenlohn erhielt, dann war die Entwertung schon wieder so, dass er sich am Montag fast nichts mehr kaufen konnte. Auf dem Höhepunkt dieser Situation entstand dann plötzlich die Goldmark, etwas später die Rentenmark. Da wurde aus 1 Billion wieder eine einzige Mark. Arm waren alle geworden, nur die Sachwerte behielten ihren Wert. Aber die damals entstandenen Finanzämter schöpften auch hieraus die Gelder für die Fortführung der Wirtschaft. Ein Anfang ganz von vorn begann. Während dieser Zeit entstand auch der Spottvers: `Formulare, Formulare, von der Wiege bis zur Bahre`. Alle möglichen neuen Steuern wurden eingeführt. Sehr viel Neues gab es zu bewältigen. Für den Gemeindevorsteher war dies eine Zeit der Bewährung. Doch Heinrich Bädker war allen Anforderungen gewachsen und wurde auch ein zweites Mal wieder als Gemeindevorsteher von Bahlen-Bahlendorf gewählt. Allmählig kam alles wieder in geordnete Bahnen. Die Lüneburgische Bauernstelle, die viele Male den Besitzer gewechselt hatte, wurde durch Anwendung des Vorkaufrechts von der Gemeinde übernommen. Eine Reststelle, die Büdnerei 9 (Wöhlke) blieb erhalten. Die Wiesen und Weiden wurden der Gemeindeweide zugeteilt. Vom Acker übergab man den Büdnern und Häuslern käuflich als Zuwachsland. Das Jahr 1926 brachte wieder einmal eine schwere Hochwasserkatastrophe. Kaum waren die Schäden des Winterhochwassers 1921 überwunden, da kam es mitten im Sommer. Mitte Juni stand alles unter Wasser. Der gesamte Roggen auf den niedrigen Böden stand bis an die Ähren im Wasser. Das Heu in den Wiesen konnte nicht geborgen werden, ein totaler Hochwasserschaden. Das Vieh musste schon während des Sommers woanders weiden. Neustadt-Glewe und Redefin stellten für Bahlen Bahlendorf Weiden zur Verfügung. Für den Winter war kein Futter vorhanden. Vom Kreis Hagenow wurde der Gemeindevorsteher Heinrich Bädker beauftragt, in Schleswig- Holstein Heu zu kaufen und zur Verladung zu bringen. Hunderte Eisenbahnwaggons mit Heu gingen in die Hochwassergebiete und wurden unter den Bauern verteilt. Um die Rückzahlung der Kredite, mit denen das Heu bezahlt wurde, fanden im Mecklenburgischen Landtag noch Jahre später heftige Kontroversen statt. Da die Not der betroffenen Landbewohner zu allgemein war, musste man sich schließlich doch für eine Streichung entscheiden. Eine neue Aufgabe, die Errichtung eines elektrischen Ortsnetzes mit Verbindung zur Überlandzentrale war Bahlen-Bahlendorf 1926 – 27 gestellt. Die Bedingungen für den Bau der Trasse waren schwer. Sämtliche Masten und Leitungen einschließlich der Transformatorenhäuser und Hausanschlüsse mit Zähler mussten von der Gemeinde bezahlt werden und blieben dann Eigentum der Elektrizitätsgesellschaft in Schwerin. Die Anlage im Haus hatte jeder selbst zu finanzieren. Trotz der Schwere der Bedingungen entschloss sich Bahlen-Bahlendorf mitzumachen. Durch Aufnehmen einer Roggenanleihe konnte dieses Projekt dann verwirklicht werden. Das elektrische Licht und die Motorkraft des elektrischen Stromes haben das Leben der Dorfbewohner in der Folge doch sehr erleichtert. Wird Bahlendorf wieder den Bürgermeister stellen können und Heinrich Bädker bleiben? Die anstehende Gemeindevertreterwahl sollte die Entscheidung bringen. Mit einer knappen Mehrheit wurde der Büdner Johann Kletzin aus Bahlen zum neuen Gemeindevorsteher gewählt.


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Das war das charakteristische, noch nicht ausgereifte Schema der Weimarer Republik: Wählen, wählen, wählen, im Verein, im Betrieb, in der Gemeinde sowie im Kreis, im Land und in der Republik. Und alles in zeitlich kurzen Abständen und zwischen einer Unmenge von Parteien. Da mussten sich die Kräfte zersplittern.

Kein Bestand, keine Muße, damit sich sehr tüchtige Kräfte entwickeln konnten. Die Launen einiger weniger Wähler konnten triumphieren. Manchmal konnte ein einzelner als Zünglein an der Waage ein Parlament dirigieren. Wer war Johann Kletzin? Ein besonnener, tüchtiger Landmann aus der Gegend von Grevesmühlen. Er hatte die Witwe des im Weltkrieg gefallenen Hans Köpke geheiratet. Er musste sich erst einarbeiten in seine neuen Aufgaben, einfühlen in die umfangreichen Aufgaben eines ganzen Dorfes und ein paar Jahre laufen schnell dahin. Und dann steht schon wieder eine neue Wahl bevor. Das hat er wohl im Laufe seiner Amtszeit schnell eingesehen. Noch vor dem Ende der Legislaturperiode entschied er sich, die Ländereien seiner Frau zu verkaufen und eine größere Siedlung in Schwartow zu übernehmen. Zwei weitere Büdner aus Bahlen, Hans Porthun und Franz Hinzmann folgten seinem Beispiel und übernahmen ebenfalls jeder eine Neubauernstelle aus dem früheren, aufgeteilten Rittergut Schwartow. Der damalige Schöffe Hermann Niemann übernahm für die kurze, restliche Zeit bis zur Neuwahl die Amtsgeschäfte des Gemeindevorstehers. Sämtliche Büdner aus Bahlen-Bahlendorf nutzten die Gelegenheit für ihren Betrieb, Zuwachsland aus der Gutsaufteilung zu kaufen. Dadurch wurden ihre Betrieb krisenfester in den oft wiederkehrenden Hochwasserjahren. Wieder musste für Bahlen-Bahlendorf ein neuer Gemeindevorsteher gewählt werden. Die anstehenden Kommunalwahlen standen mit den Kreistags- und Landtagswahlen im Zeichen zunehmender, heftiger politischer Auseinandersetzungen zwischen den Parteien. In unserem Dorf waren die Ergebnisse der bisherigen Wahlen fast immer 1/3 für die KPD und 1/3 für rechte Parteien gewesen. Stets waren auch 2 oder 3 Stimmen für die Demokratische Partei vorhanden. Bei Diskussionen nachher über das Wahlergebnis hörte man dann: `De keemen von`t Schaulmeisterhus`. Auch diesmal war das Ergebnis ähnlich dem der bisherigen Wahlen. Als neuer Gemeindevorsteher ging der Büdner Johann Nieland aus Bahlendorf als Sieger hervor. Seit seiner Schulentlassung war er als Schiffbauer in der Elbewerft Boizenburg tätig. Er war gedienter Matrose bei der Marine. Als solcher kehrte er 1918 aus dem Weltkrieg zurück. Johann Nieland galt als Anhänger der KPD. Er hatte sich, wie man so sagt, den Wind schon um die Nase wehen lassen. Und brachte für das neue Amt ein aufgeschlossenes Wissen mit. Leider sollte sein Wirken als Gemeindevorsteher nicht von langer Dauer sein. Das Jahr 1932 ging zu Ende und es kam 1933 und damit etwas Neues, die Herrschaft des Nationalsozialismus. Wohl niemand wusste so recht, was das bedeutete. Nichts Gutes ahnend, misstrauisch und abwartend verhielten sich unsere Dorfbewohner gegenüber dieser Partei. Bahlen-Bahlendorf war eines derjenigen Dörfer, wo die Propaganda dieser Partei abprallte. Ein Teil glaubte noch an alte Überlieferungen. Der größte Teil der Bewohner war Anhänger der sozialistischen Parteien, wie die bisherigen Wahlen bewiesen hatten. Aber was nützte es, plötzlich war er da. Nach dem Wahlantritt am 31.1.1933 war auch ein Festhalten an einer demokratischen Verwaltung in unserem Dorf nicht mehr möglich. Eine der ersten Maßnahmen der neuen Machthaber war die Auflösung der Gemeindeparlamente. Ein persönliches Schreiben des zweiten Schöffen der Gemeindevertretung, Kohl, an den neu eingesetzten Amtshauptmann Busch in Hagenow, den bewährten Gemeindevorsteher Johann Nieland im Amt zu belassen, blieb ohne Antwort. In Unkenntnis einer bereits eingetretenen, völlig veränderten Sachlage war dieses auch nicht zu erwarten. Jetzt herrschte eine Diktatur, die keinen Widerspruch duldete. Wer glaubte, Opposition betreiben zu können, galt als Staatsfeind. Alles wurde gleichgeschaltet, ob Beamter, Angestellter, Arbeiter oder Bauer. Der Bahler Lehrer August Knop, der als überzeugter Demokrat bekannt war, und 1933 bald ein Jahrzehnt an der Schule wirkte, musste den neuen Kurs mitmachen, um seine Stellung als Lehrer behalten zu können. Innerlich war ihm die ganze Komödie verhasst, das hat man bei gelegentlichen Aussprüchen heraushören können. Als Sohn eines kleinen Handwerkers, sein Vater war Sattlermeister in Neukloster, war er in seinem Denken und Tun als Lehrer dem kleinen Mann im Dorf zugetan. Früher als alle anderen mochte er erkannt haben, welche Aufgaben gerade unserem Dorfe mit seiner sozialistischen Wahrheit drohten. Um alle Bewohner des Ortes, der ihm inzwischen zur zweiten Heimat geworden war, vor Schaden und Verfolgung zu schützen, hat er manche Funktion der neuen Machthaber auf sich genommen. Im Gegensatz zu seinen beiden Vorgängern, den Lehrern Moldt und Schomann, die beide in Bahlen nicht heimisch werden konnten und schon nach einigen Jahren unser Dorf wieder verließen, war August Knop der richtige Mann als Erzieher der Dorfjugend. Als solcher hat er beträchtliches geleistet. -16- -16-

In fast 20 Jahren waren doch fast 3 ganze Schülergenerationen durch seine Klassen gegangen. Als Bürgermeister wurde 1933 der Besitzer der Lüneburgischen Reststelle, der Büdnerei 9, Walter Hinrichs, eingesetzt. Mit Mühe suchte er sich anfangs einige Mitarbeiter aus der Gemeinde zusammen, aber das Regime dauerte an. `Wie konnte es überhaupt soweit kommen?`fragte sich manch einer. Zwischen kapitalistischen Größmächten war 1914 – 1918 der Weltkrieg geführt worden, Deutschland musste kapitulieren und hatte Reparationen zu leisten. Darauf folgte die Inflation der Währung, den Betrieben fehlte Kapital und die Ausfuhr stockte (deren Absatz sank bedrohlich). Entlassungen waren unumgänglich. Es ist bekannt, dass während der Weimarer Republik ein Millionenheer von Arbeitslosen vorhanden war. Auch in Bahlen-Bahlendorf mussten sehr viele Leute stempeln gehen. Es wäre für ein reiches Amerika oder England nicht schwer gewesen, Deutschland unter die Arme zu greifen. Aber sie zeigten dem damaligen Reichskanzler Lütter die kalte Schulter, als er zu ihnen kam. Diese Zustände im damaligen Deutschland waren die richtige Brutstätte für die Ideologie eines Hitlers. Sowjetrussland, das selbst schwer an den Folgen des Krieges litt, handelte anders gegen Deutschland, indem es den Vertrag Rapallo abschloss. Was viele vorausgesagt hatten `Hitler bedeutet Krieg`, trat 1939 auch ein. Österreich, Polen, England, Frankreich, Belgien, Holland, Dänemark, Norwegen, ja fast die ganze Welt geriet in das Visier der von Deutschland, Italien und Japan angegriffenen Völker. Nordamerika, Kanada, Australien, Neuseeland usw. traten später auch in den Krieg gegen Deutschland ein. Der vermessene Schritt, den Hitler tat, war es, die Sowjetunion anzugreifen. Das war die Tat eines wahrhaft Größenwahnsinnigen und sollte zum völligen Ruin unseres Landes führen. 1941 wurde Russland angegriffen und zum Kampf herausgefordert. Für sie war es kein Kampf um die Güter dieser Erde, sondern ein Verteidigungskrieg. `Das Heiligste schützen wir mit dem Schwerte`, sang Theodor Körner und so mussten die Russen den Krieg führen. Ein Verfängnis hatte 1939 seinen Lauf begonnen, eine Tragödie hatte begonnen und wiederholte sich in noch viel schlimmerem Ausmaß, endete dann 1945 mit dem totalen Zusammenbruch des `1000- jährigen Reiches`. Am 14.April 1945 Bahlen- Bahlendorf von amerikanischen Truppen, die von Westen her anrückten, besetzt. Ihnen folgten nach einigen Tagen die Engländer. Zwischen Ludwigslust und Grabow nahmen sie dann mit den Sowjettruppen Fühlung auf. Die Kämpfe gegen die deutschen Truppen waren beendet, soweit eine kurze Darstellung der Endphase des zweiten Weltkrieges in unserem Gebiet. Aber welche Wunden sind in unserem Dorf geschlagen worden? Wo sind die jungen, hoffnungsvollen Söhne der Gemeinde Bahlen-Bahlendorf geblieben? Unter welchen Umständen mögen sie den Tod gefunden haben und wo mögen sie ihr junges Leben ausgehaucht haben? Wir Überlebenden können uns nur in Ehrfurcht vor der Größe des Opfers verneigen und sie in guter und ehrender Erinnerung behalten, so wie wir sie gekannt haben:

1. August Basedow, Bahlendorf 2. Paul Basedow, Bahlen 3. Erich Behr, Bahlendorf 4. Walter Bonatz, Bahlen 5. Helmut Buck, Bahlen 6. Johann Elvers, Bahlen 7. Gustav Elvers, Bahlen 8. Heinrich Gehrke, Bahlendorf 9. Heinrich Goosmann, Bahlendorf ??? 10. Rudolf Hinzmann, Bahlen 11. Herbert Kiehn, Bahlen 12. Karl Kiehn, Bahlen 13. Walter Knop, Bahlen 14. Gerhard Konow, Bahlen 15. Werner Lanenberg, Bahlendorf 16. Herbert Lüdemann, Bahlendorf 17. Otto Meyer, Bahlen 18. Karl Nieland, Bahlendorf 19. Otto Paschen, Bahlendorf 20. Willi Pinnow, Bahlendorf 21. Hans Porthun, Bahlen 22. Hermann Rump, Bahlen -17- -17-

Ein trauriges Erbe hinterließ der zweite Weltkrieg unserer Generation. 22 Männer kamen nicht mehr zurück und fehlten uns. Zerschlagen und zerbrochen lag alles danieder: keine Versorgung und keine Verwaltung, keine Post und keine Bahnverbindung, zurückströmende Menschen, die durch Bombenangriffe, Kriegshandlungen und Vertreibungen heimatlos wurden. Trecks aus Ostpreußen, Schlesien, Pommern und den Sudeten versuchten seit Ende 1944 auf den Landstraßen wieder heimwärts zu gelangen oder eine neue Heimat zu finden. Bahlen-Bahlendorf hatte damals knapp 300 Einwohner und beherbergte zeitweise über 1000 Menschen. Die erste Anordnung auf Bildung einer zivilen Verwaltung kam von den Besatzungstruppen. In Bahlendorf wurde der Besitzer der Bauernstelle 2, Johann Kohl zur Schule beordert, wo Lehrer August Knop stellvertretend den Bürgermeisterposten in den letzten Kriegsmonaten innehatte. Ein englischer Offizier und eine Dolmetscherin waren anwesend. Der Offizier schlug Kohl vor, den Bürgermeisterposten zu übernehmen. Auf die Erwiderung von Kohl, doch August Knop zu belassen, der doch früher ein guter Demokrat gewesen sei, sagte der Engländer: „ You are a farmer, yes?. Glauben Sie, dass Sie das Amt führen können?“ „ Das schon“, antwortete Kohl. „Gut, Sie sind ab heute Bürgermeister“. Welch eine Wendung in dieser Zeit, vor 12 Jahren entrissen die damaligen Machthaber dem Werftarbeiter Johann Nieland ohne Grund das Bürgermeisteramt. Auch alle Gemeindevertreter mussten ihre Ämter niederlegen. Johann Nieland war inzwischen alt geworden. Der Hauptgrund, ihn nicht wieder in Erwägung zu ziehen war wohl die konservative Haltung des Engländers und seine Forderung, einen Bauern für das Amt zu bestimmen. Diese Einstellung und Grundhaltung des englischen Offiziers finden wir auch in Willy Bredel`s Erzählung und Dokumentation über den späteren Gebietsaustausch zwischen englischen und sowjetischen Behörden. Wie dem auch sei, es war schon so wie ein Fußballspiel in Zeitlupe: Der Ball war dem Linksaußen Johann Nieland zugespielt, da geschieht etwas Außergewöhnliches, der Rechtsaußen Gröfaz kommt entgegen allen Spielregeln über das Fußballfeld gerast und entreißt Nieland den Ball, um sich ein Tor buchen zu können. Ein Sturm der Entrüstung bei den Zuschauern, Angst und Entsetzen bei den Spielern, die an seinem Verstand zu zweifeln beginnen. Mit Gewalt muss der Gröfaz vom Feld gerissen werden. Der Ball wird erneut von August Knop in Richtung des Mittelstürmers Johann Kohl gespielt, der ihn an den linken Stürmer Paul Juckel heranbringt und dem es dann gelingt, ein Tor zu erreichen. Am 1. Juli 1945 übernahmen sowjetische Truppen das von englischen Truppen besetzte mecklenburgische Gebiet bis zur Elbe. Bahlen-Bahlendorf kam vorerst zur damaligen Bezirksbürgermeisterei Boizenburg, welche von Richard Markmann geleitet wurde. Erste verwaltungsmäßige Maßnahmen wurden eingeleitet. Die Hinzuziehung eines zu ernennenden Polizisten war dem Bürgermeister jedes Dorfes von der sowjetischen Kommandantur in Boizenburg anbefohlen worden. Für Bahlen-Bahlendorf war es am Anfang Rudolf Perschke aus Bahlendorf, später ein in Bahlendorf wohnender Ingenieur Ney und nach einem halben Jahr der Zimmermann Hans Paschen aus Bahlen. Mit diesen zusammen hatte der Bürgermeister die von der sowjetischen Kommandantur in Boizenburg, später in Hagenow, geforderte Neuordnung der gesamten Verwaltung in Angriff genommen. Die Aufbringung aller landwirtschaftlichen Produkte lag noch unter Aufsicht der sowjetischen militärischen Organe. Erst 1947 hatte sich die daniederliegende Wirtschaft soweit erholt, dass an parlamentarische Wahlen herangegangen werden konnte. Die beiden Arbeiterparteien KPD und SPD hatten sich in der sozialistischen Einheitspartei vereinigt und diese Partei stellte von Anfang an die Mehrzahl der Gemeindevertreter. Einige parteilose Vertreter kamen hinzu. Kohl und Paschen wurden als Bürgermeister und Gemeindesekretär von diesem Dorfparlament erneut bestätigt und führten die Geschäfte bis zum Herbst 1950. Eine der schwierigsten Aufgaben, die nur unter Mithilfe des ganzen Dorfes zu lösen war, war damals die Unterbringung von etwa 100 Sudetendeutschen in unserem Dorf, die als Folge des Krieges ihre Heimat verlassen mussten. Ich erinnere mich noch an eine Sitzung in Boizenburg, zu der alle Bürgermeister aus der Umgebung geladen waren, und zu der der sowjetische Kommandant von Hagenow erschien und auf uns die bevorstehende Ankunft vorbereitete. Diese Umsiedlung vieler Deutscher, erklärte er, ist keine Maßnahme des Landes, woher sie kommen, auch nicht unserer Länder. Dieser Beschluss ist einstimmig von der ganzen Welt , gegen die Deutschland gekämpft hatte, gefasst worden. Diese Umsiedlung ist nicht auf Zeit, sondern für immer. Wer von unserer Generation in der Schule Goethes `Hermann und Dorothea` gelesen hat, ahnte wohl kaum, dass sie einmal vor eine solche Aufgabe gestellt würden, schwergeprüfte Menschen eine neue Heimat finden zu helfen.

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Eine weitere Maßnahme nach dem Zusammenbruch war die Einführung einer Bodenreform. Bislang von den kleineren Betrieben in Pacht bewirtschaftete Ackerflächen vom ehemaligen Rittergut Schwartow und Zahrensdorf sowie umfangreiche Wiesenreservate des Kreises Hagenow im Gothmanner Busch wurden den Büdnern und Häuslern in Bahlen- Bahlendorf als Eigentum übergeben. Ab dem Herbst 1950 übernahm der Vorsitzende der Nationalen Front und Mitglied der SED; Paul Juckel aus Bahlen, den Bürgermeisterposten. Langsam und stetig hatte sich die gesamte Wirtschaft erholt. Eine Schulreform wurde durchgeführt, eine kulturelle Maßnahme ersten Ranges. Bahlen-Bahlendorf wurde den Schulen Boizenburg-Bahnhof und Boizenburg-Stadt angeschlossen. Somit gehörten alle einklassigen Dorfschulen, so auch unsere, der Vergangenheit an. Eine weitere, in die Zukunft weisende Maßnahme für alle Dörfer war die Schaffung größerer Ackerflächen. Einer modernen Technik war es nicht mehr möglich, auf den völlig zersplitterten kleinen Streifen Höchsterträge zu erzielen. Bahlen machte 1953 den Anfang. 4 Bauern gründeten eine landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft. Die beiden besitzlosen Betriebe Hinrichs und Elvers kamen hinzu. Doch die Basis der Genossenschaft war noch zu schmal. Viele blieben noch abseits und verhielten sich abwehrend. Es kam zu ihrer Auflösung 1957. Auf breiter Grundlage wurden 1960 zwei LPG-en Typ I geschaffen, für Bahlen die LPG `Wiesengrund`und für Bahlendorf die LPG `Grüne Aue`. Diese beiden LPG-en wurden 1961 zu einer LPG Typ I vereinigt mit dem Namen `Wiesengrund`. Mit Elan und Wagemut sind die Genossenschaftsbauern und –bäuerinnen seit dem Zusammenschluss an deren Weiterentwicklung herangegangen. Und nach vierjährigem Bestehen konnte der Zusammenschluss als voller Erfolg gewertet werden: 2 eigene Traktoren mit allen Zusatzgeräten , 2 Anhänger, 1 Mähdrescher, 1 Mähbinder, 1 Feldstrohpresse und 1 Siebkettenroder waren bereits vorhanden. Mit eigener Arbeitskraft wurde von den Mitgliedern der Genossenschaft ein neues Unterkunftsgebäude gebaut, sodass alle Maschinen untergestellt werden konnten. Vorsitzender der LPG war seit 1960 Alfred Niemann. Durch die Zusammenlegung vieler schmaler Ackerstreifen wurde eine intensive und moderne Bearbeitung nunmehr möglich. Vor 100 Jahren schrieb unser Landsmann, Fritz Reuter, in seinem `Ut mine Stromtied`: „Dat is wat Schönes up ein groted Feld, wo grote Släg mit prachtvullem Korn dat Landschaftsbild malen. Anners as in de Dörper, wo sick de smalen Ackerstücken as Hungerstriepen äwer den Barg trecken.“ Heute sind diese großen Felder überall in Mecklenburg vorhanden.

Eine weitere Großtat ersten Ranges, die besonders unserem Dorf zu Gute kam, war die Errichtung umfangreicher Deichbauten in der Elbe- und Sudeniederung. Die Elbe, die von Gothmann bis Boizenburg über 200 Jahre ein riesiges Hinterland durch ihr Hochwasser überfluten konnte, war seitdem durch einen starken Deich eingeschränkt worden. Weiterhin wurde der Unterlauf der Sude durch beiderseitige Deiche gesichert, soweit das Hochwasser der Elbe hinaufdrücken konnte. Leistungsstarke Pumpwerke sind für die einzelnen durch Deiche geteilten Polder gebaut worden. Vorflutgräben ziehen sich nunmehr durch unsere Wiesen und Weiden bis zu den Pumpwerken. Durch diese Baumaßnahmen ist eine intensive Bewirtschaftung dieser Flächen erst möglich geworden. Unser Dorf hat daher neben vielen weiteren Gemeinden allen Grund, unserer Regierung zu danken. Allen Mitarbeitern dieses Projektes vom Bezirk Schwerin, besonders dem 1. Sekretär Bernhardt Quant durch seine persönliche Initiative an Ort und Stelle, den Mitarbeitern vom Rat des Kreises Hagenow sowie allen Arbeitern und Ingenieuren der ausführenden Baubetriebe möge unsere Anerkennung und unser Dank gelten: `Projektiert, Organisiert, Finanziert und Realisiert`. Ein Stück wie aus einem Guss- Bravo ! Aufbau überall, auch in unserem Dorf sind weitere Hausgrundstücke entstanden, dies sind: 1. Paul Juckel, erbaut 1945 (Bergweg 5, jetzt Ruine) 2. Feldmann Knobloch, erbaut 1947 (Schulweg 17, jetzt Karlheinz Lübken) 3. Erwin Jäger, erbaut 1955 (Alte Straße 10, jetzt Kührmann) 4. Alfred Kamenski, erbaut 1962 (Alte Straße 19, jetzt …) 5. Willy Albrecht, erbaut 1962 (Alte Straße 15, jetzt …Enders) 6. Rudolf Wild, erbaut 1962 (…) 7. Alexander Kuslowski, erbaut 1962 (Alte Straße 9 ???) 8. Rudolf Jochmann, erbaut 1962 (…) 9. Werner Schwedt, erbaut 1964-65 (Alte Straße 13) 10. Wohngroßbau NVA, erbaut 1965 (Neue Straße 45) (Gaststätte Hardes/ Lilly Achenbach Neue Str. 39) -19- -19-

Da durch die Schulreform das alte Schulgebäude in Bahlen nicht mehr zu seinem Zweck gebraucht wurde, ist dieses umgebaut worden und es entstanden dort 3 Wohnungen, ein Gemeindebüro und ein kleiner Kulturraum. Reformen überall, auch die Finanzverwaltung des kommunalen Sektors ist seit 1950 Schritt für Schritt den aktuellen Gegebenheiten und Erfordernissen angepasst wurden. War es bis dahin die Gemeinde, auch wenn sie noch so klein war, so wurde es dann der der gesamte Kreis mit all seinen Industrien, Betrieben und Unternehmen, die mit ihrer Arbeitsproduktivität die Verwaltungen der Dorfgemeinden aller Größen finanzieren. Während der Posten des Dorfschulzen und später des Gemeindevorstehers früher nebenberuflich verwaltet wurde und mit seiner Acker- und Wiesenkompetenz vergütet wurde, wird der Bürgermeisterposten nunmehr hauptberuflich ausgeübt und in bar honoriert. Bahlen-Bahlendorf hätte mit seinem geringen Einkommen die heutige Verwaltung nicht selbst finanzieren können. Wenn es bis zu dieser Reform trotzdem möglich war, so ging es häufig nur, indem auf wichtige Vorhaben verzichtet wurde und Einschränkungen an allen Ecken vorgenommen wurden. Auch das Talent und die Fähigkeit des Kassierers trug viel dazu bei, den Gemeindehaushalt auszubalancieren. Bei Beratung des Haushaltsplans, bei Anschaffungen und größeren Ausgaben hieß es bei den Gemeindevertretersitzungen gewöhnlich `Kassierer, wie staht de Finanzen, ward dat gahn?` Wie ein vorsorglicher Hausvater, der alle Möglichkeiten kannte und in der Gemeindekasse immer bestrebt war, eine Reserve für Unvorhergesehenes zu haben, hat in Bahlen-Bahlendorf Hans Nieland vorbildlich als langjähriger Gemeindekassierer gewirkt. Nunmehr werden die von den Gemeinden eingereichten Haushaltspläne von den Experten in Hagenow bearbeitet, geprüft, korrigiert und gebilligt. Alles in Allem ein verwaltungsmäßiger Fortschritt. Ein kleines Beispiel möge die veränderte Einstellung und Auffassung gegenüber früher demonstrieren: Aus Sparsamkeitsgründen wurde ehemals von der Gemeinde ein Telefongespräch mit den Kreisbehörden möglichst vermieden. Das tat auch eine Postkarte, wenn es auch etwas länger dauerte. Heute wird eine ausreichende Summe an Gesprächsgebühren im Haushaltsplan eingesetzt, der dann auch im Laufe des Jahres verbraucht werden kann, mehr natürlich nicht. Die staatlichen Telefonanlagen kosten der Allgemeinheit bei voller Ausnutzung nicht mehr als wenn sie nur halb ausgelastet sind. Die Telefongebühren wechseln nur im Kreislauf der staatlichen Einrichtungen, zu denen jetzt auch die Gemeindeverwaltung gehört. Eine Fülle zweckmäßiger Reformen und Verbesserungen und außergewöhnliche Aufbauleistungen in einem guten Jahrzehnt, an denen unsere Gemeinde mit beteiligt ist. Wenn man alle Anfangs erwähnten segensreichen Veränderungen in unserem Dorf seit 1950 anführt, dann wird man nicht umhin können, eines Mannes zu gedenken, der leitend und fördernd mit ganzer Kraft und der Autorität seiner Persönlichkeit alles hat mit entstehen lassen, des Bürgermeisters Paul Juckel aus Bahlen. Sein früher Tod setzte seinem erfolgreichen Wirken ein jähes Ende. Am 16. August 1963 erlag er im 55. Lebensjahr einem Herzschlag.

`Rasch tritt der Tod eines Menschen ein, es ist ihm keine Frist gegeben`, Friedrich von Schiller. Durch sein Wirken für Bahlen-Bahlendorf hat Paul Juckel seiner ostpreußischen Heimat und seinen Geburtsort Kuckerneese Ehre gemacht.

Es wurde versucht, in Anlehnung an die Amtszeiten der Bahler und Bahlendorfer Schulzen, Gemeindevorsteher und Bürgermeister sowie der jeweiligen Lehrer in Bahlen eine Chronik für unser Dorf erstehen zu lassen. Wie rote Fäden schlingt sich ihr Wirken um einen bedeutenden Teil aller Geschehnisse unseres kleinen Dorfes. Doch was wären alle Verwaltung, alle Lehren, aller Forschritt ohne die Menschen, für die doch schließlich alles getan wird und getan wurde- von einfachen Menschen des Dorfes, die seit Generationen die Fluren unsere Feldmark bestellten und das Gesicht des Dorfes formten. Jenen charaktervollen Männern und Frauen, die nun schon lange der Rasen des Friedhofes bedeckt und deren Erfahrungen und Lehren noch heute in uns wirken. Mögen die Aufzeichnungen über einzelne Bewohner unseres Dorfes einer vor uns dahingegangenen Generation, über Zeitgenossen eines August Bebel und späteren Geschlechtern ein Gesamtbild ihrer Vorfahren vermitteln helfen.




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Wilhelm Lüdemann: er war der Besitzer der Büdnerei 3 in Bahlendorf und als gelernter Maurer seit der Gründung der Boizenburger Wandplattenfabrik dort tätig. Schon frühzeitig erkannte der Besitzer und Erbauer der Wandplattenfabrik, Hans Duensing, die Fähigkeiten und Tüchtigkeit dieses Mannes. Als Maurerpolier hat Lüdemann wohl bei der Hälfte des heutigen, wichtigen VE Betriebes den Aufbau geleitet und alle Versuche und Verbesserungen der kleinen Brennöfen bis zum modernen Tunnelofen mit projektiert und zur Ausführung gebracht. Auch als Kinderfreund bleibt er unvergessen. Wer von unserer Generation erinnert sich nicht noch gern daran, wenn er den damalgen ABC-Schützen auf dem Kinderfest beim Schießen mit dem Gummifluster auf die Königsscheibe behilflich war.

Johann Pinnow: war ebenfalls Maurer, Besitzer der Büdnerei 5 in Bahlendorf und ein ernster Mann. Ein Mann von nicht vielen Worten, die aber Gewicht hatten und besonders in der damaligen Gemeindevertretung wegen ihrer Sachlichkeit sehr oft den Ausschlag gaben. In der Erinnerung ist er noch heute vorbildlich.

Wilhelm Eckard: war Schiffszimmermann und Besitzer der Büdnerei 11 in Bahlendorf. Die damals nicht leichte Zeit des Lebenskampfes mag ihn mitgeformt haben. Unverdrossen half ihm sein goldener Humor über alle Unbilden des Lebens hinweg. Ein kindliches Gemüt war ihm bis ins Alter gegeben; `Dat hest di nich dacht`, pflegte er zu sagen, wenn er (mit einem kräfteigen Hieb) einen Stubben zerteilt hatte. Oder beim Kartoffelpflanzen, wenn er sich den Korb voll Kartoffel schüttete, `nu kamt mal her Jungs`. Ein rechtschaffender, aufrichtiger Mann.

Heinrich Goosmann: er war Besitzer der Büdnerei 15 in Bahlendorf. Schon sein Vater war als tüchtiger Fuhrmann weit über die Dorfgrenzen hinweg bekannt. Die bestgepflegtesten und leistungsfähigsten Pferde hatte Goosmann. In Bahlendorf waren früher weiter keine Pferde. Erst sehr viel später kamen einige Pferdehalter hinzu. Frug man einen Büdner in Bahlendorf, `wer föhrt för di un pläugt för di ?` -`Gausmann`. Ausdauernd bei schwerster Arbeit. In geselligen Kreisen war er einer der Lustigsten.

Frau Ww. Emma Bädker, geb. Mundt: nach dem frühen Tod ihres Mannes und dem Verlust eines Sohnes, die beide zusammen beim Baden in der Sude ertranken, hat sie - auf sich allein gestellt - mit ganzer Kraft für ihre Kinder gesorgt und ihre Wirtschaft fortgeführt. Ein Vorbild einer tapferen Frau. Durch ihren Einsatz konnte die Büdnerei 2 in Bahlendorf der Familie erhalten werden.

Ein gleichschweres Los des frühzeitigen Todes ihrer Ehemänner, den Verlust des Ernährers der Familie hatten vor ihr die Ww. Dorothea Schlage, geb. Stöckmann aus Bahlendorf, die Ww. Rump, geb. Gnaust aus Bahlen, die Ww. Helene Kohl, geb. Schlichting aus Bahlen und die Ww. Buck, geb. … aus Bahlen.

Wer nie sein Brot mit Tränen aß, wer die kummervollen Nächte weinend im Bette saß, der kennt euch nicht, ihr dunklen Nächte.

Der Büdner August Jenkel war Besitzer der Büdnerei 7 in Bahlen. Sein Vater hatte die kleine Landwirtschaft in den neunziger Jahren des 19. Jh. käuflich erworben. Er war vorher Tagelöhner in Banzin bei Vellahn gewesen. Ein Bruder von August, Wilhelm Jenkel, wanderte von hier nach Australien aus. August Jenkel hatte im Laufe der Jahre durch Zupachtung von Acker und Weiden seinen Betrieb vergrößert. Nebenbei betrieb er ein Lebensmittelgeschäft mit Mehlhandel. Der erste Weltkrieg zerschlug ihm alles: der einzige Sohn sowie seine Schwiegertochter kehrten nicht wieder zurück. Mit bewundernswerter Ergebenheit mußten August Jenkel und seine Frau, geb. Gubelke, erleben, wie sein ganzer mühsam aufgebauter Betrieb in andere Hände überging.

Johann Dittmer war Besitzer der Häuslerei 6 in Bahlen. Er stammte aus Neu- Gülze, wo sein Bruder die elterliche Bauernstelle, jetzt Bantin, übernahm. Die Häuslerei erwarb er von dem Erbauer Martin Jahnke. Von Beruf war Johann Dittmer Schneider und diesen Beruf hat er neben seiner kleinen Wirtschaft sein ganzes Leben zu seiner Zufriedenheit und zum Wohle der Dorfbewohner ausgeübt. Zu damaliger Zeit gab es kaum fertige Kleidung zu kaufen. Billig und gut arbeitete Dittmer seine Anzüge . Der Schneiderlohn für einen Anzug eines Erwachsenen betrug mit Zutaten etwa 12 Mark. Das war nur ein geringer Verdienst, kostete doch ein großes Brot beim Bäcker auch schon 1 Mark. Trotzdem ermöglichte er es seinem Sohn, Lehrer zu werden.

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Heinrich Schlage war Besitzer der Bauernstelle 7 in Bahlen. Aus Gülze stammend, hatte er in die Bauernstelle Lemm eingeheiratet. Ein einfacher, ruhiger Mann, der seine Felder in bester Kultur hatte. Zu seiner Zeit, wo es ausländische Kraftfutter wie Soja, Erdnussmehl oder Palmkuchen usw. noch nicht gab, hatte er schon immer eine vorbildliche Milchwirtschaft. Die älteren Bewohner werden sich noch erinnern, wenn seine 4 oder 5 schweren Milchkühe von der Weide seinem Hof zustrebten und dort am Sod jede ihren Eimer mit Drang bekamen. Die Bullenhaltung für Bahlen-Bahlendorf lag gesetzlich bei den 7 Bahler Bauern und ging jährlich reihum. Das stattlich beste Tier hatte immer Heinrich Schlage. Wie würden Schlage und seine Genossen uns wohl angesehen haben, wenn wir ihnen hätten weißmachen wollen, dass 1965 über 90% der Rinder künstlich besamt würden. Schlage war zu damaliger Zeit dem Neuen nicht abgewandt: Breitdreschmaschinen, Zweischarpflug, Grasmäher für Pferdezug hatte er als einer der ersten im Dorf. Überhaupt seine Pferde. Man hatte ihn nicht anders gekannt, als dass er seine gängigen Pferde zurück halten musste. Ein souveräner Bauer, wie es ihn heute kaum noch gibt. Die Technik unseres Jahrhunderts hat alles verändert und die Bebauer des Ackers in andere Bahnen gelenkt. Ein Vorgang, vor den alle Völker einmal gestellt sein werden. Dabei ist es die Technisierung und die Höhe ihrer Vollkommenheit noch lange nicht erreicht, und schon kündet ein neues Zeitalter eine revolutionäre Umgestaltung des Bisherigen an, das Zeitalter der Atome. Wie wird es gemeistert werden von der heutigen und kommenden Generationen ?

F.d.R.d.S. ….(Waltraut Öltze, ca. 1966)


Erklärungen: ( ) Einklammerungen selbst ergänzt Unnerer Garn (S.3): Ünnerer Goord’n, Unterer Garten, auch als Anner Goord’ns bezeichnete Fläche am Weg „An den Gildewiesen“, gegenüber dem Gehöft Niemann Rm (S. 4): Raummeter, gepackt entspricht es etwa 0,7 m³ Gosau (S.4): ?; bei Timkenberg Sommerdeich (S.4): flacher Deich, der normalem Sommerhochwasser standhält Winterdeich (S.4): Deich, der dem höchsten angenommenen Wasser standhält Stübberdeich (S.4): wo ?, an der Grenze zu Boizenburg am Nebenlauf der Gammer bäk in vom Schwárzen W++++++++++++++++++++++++eg in Richtung Gothmann Röhtdeich (S.4): wo ?, von der Gülzer Chaussee in Richzung Röhtkuhle Snor (S. 5): Schnur, z.B. Pferde wie eine Schnur hintereinander gekoppelt Zicker (S.5): Zichorie, Wurzelzichorie- zur Herstellung von Kaffee- Ersatz ??? Fritbohrer (S.5): ?…kleiner Handbohrer Wärer (S.5): Wetter Swibagen (S.6): Schwibbogen, freistehender Bogen zwischen zwei Mauerteilen, speziell für den Rauchfang am offenen Herd Rugisitionen (S.7): ?…Requisitionen Vons boche (S.7): ?... vous boche, du bist ein Boche (in Frankreich abwertend für Deutscher) Kontribution (S.7): Ausgleichsabgabe, Strafabgabe, in Mecklenburg personenbezogene Steuer Anhutsches Zeitalter (S.7): ?...?, gemeint ist wohl mechanisiertes/automatisiertes Zeitalter Caprivizeit (S.8): ?... Caprivi war Reichskanzler 1890 bis 1894 Dreschsloope (S.8): Schlagholz beim Dreschflegel ??? Bäunerie (S. 9): Büdnerei Blaach Melk (S.9): Magermilch Schleeten (S.9): armdicke, lange Baumstämme zum Bau von Einzäunungen und Toren Wocken (S. 10): Knäuel aus Wolle, Flachs o. ä. Veloziped (S. 10): Hochrad Kauhfniers (S.10): Kauhhierers (Kuhüz´ter), Junge zum Kühe hüten ??? Pferdegäzel (S.10): Oferdegöpel, Radwerk zum Antrieb einer Dreschmaschine mit Pferden Boddermelk (S.10): Buttermilch Melkschapp (S.10): Milchschrank Gemeindeöffentliche (S.11): Öffentlicher Fernsprecher im privaten Haus Däleneun (S.11): evtl. entkerntes Gebäude ??? Gemeindeöffentliche (S.11): Öffentlicher Fernsprecher im privaten Haus Dominalamt (S. 12): ? richtig: Domanialamt, großherzogliches Amt in Mecklenburg, das Besitztum des Regenten, Gegensatz ist Ritterschaftliches Amt LPG Typ I (S. 18): … Sod (S.21): Ziehbrunnen Drang (S.21): Schweinerfutter, zerquetschte gekochte Kartoffeln Wasser, auch mit Schrot