Zempin Schwedenzeit
Zempin in der SCHWEDENZEIT
Für die Insel Usedom gewinnt der 30jährige Krieg mit der Landung des schwedischen Königs Gustav Adolf im Juni 1630 bei Peenemünde eine persönliche Bedeutung, doch schon im November 1627 quartierte sich Wallenstein in Wolgast und auf der Insel ein. Der letzte Greifenherzog Philipp Julius in Wolgast war im Jahre 1625 ohne Nachkommen gestorben.
Das Erbe übernahm der Greifenherzog von Stettin, Bogislaw XIV. Er hatte es nicht vermocht, mit dem Adel eine schlagkräftige Streitmacht aufzustellen, um sein Land zu schützen. So musste er Wallenstein ins Land lassen, der sich dann an keine Abmachung über die Stärke und Dauer seiner einquartierten Soldaten hielt. Wallenstein ließ starke Schanzen an Peene und Swine errichten. Die Einwohner wurden gezwungen, diese Arbeiten zu verrichten.
Die 1628 eingefallenen Dänen vertrieb Wallenstein mit seiner Streitmacht zwar nach kurzer Zeit von der Insel und aus Wolgast, doch zogen die Dänen plündernd ohne Sieg ab.
Der Name Dänengrund zwischen Zinnowitz und Zempin erinnert an die Lagerung der Dänen zu dieser Zeit. Aber die Peenemünder Schanze mussten die Bewohner wieder ausbauen. Die Auswirkungen des 30jährigen Krieges rollten damit über die Insel Usedom und es kamen noch viele schlimme Kriegsjahre. Es waren nicht die direkten Kampfhandlungen, die die Einwohner der Insel Usedom an den Rand der Katastrophe brachten, sondern die Einquartierung von Soldaten, Pferden und den im Schlepptau kommenden Tross der Weiber und Kinder. Ganz gleich ob Wallenstein, Schweden, die Brandenburger, Kroaten usw., alle wollten nur Nahrungsmittel, Futter, Geld und Bier. Es war ihnen gleich, ob es für die Einwohner das letzte Getreide für die Aussaat oder das letzte Vieh für die Nachzucht war.
Mit üblen Methoden, wie Erpressung und Gewalttaten, versuchten sie die letzten Reserven den Familien wegzunehmen. Hinzu kam, dass die Soldaten, mit ihrem Zug durch Europa, schlimme Krankheiten, wie Pest und Cholera mitbrachten. So ist ein kleiner Zettel des Präpositus Gregor aus Wolgast (vom Frühjahr 1630) erhalten geblieben, auf dem er schrieb: „Der Pastor zu Crummin berichtet, dass in seinem Kirchspiel viele Leute Hungers sterben. Im Koserow sehen Kirchspiel (zu dem die Orte Zempin, Koserow, Loddin und Ückeritz gehören) sind vom 12. Februar bis 14. März 12 Personen verhungert und erhalten sich die übrigen von Nessel- und Pappelwurzeln."
Man begrüßte die Schweden freundlich, da sie geordneter die Einlagerung durchführten. Doch dies währte nicht lange. Als die Nahrungsmittel knapper wurden, erpresste man die Einwohner in ähnlicher Weise wie unter Wallenstein.
Der Chronist der Insel Usedom, Robert Burkhardt (*1870 - +1950), schrieb im Jahre 1911 den Roman „Der letzte Neuenkirchen". Das Rittergeschlecht der Familie von Neuenkirchen war eingesessen im Schloss Mellenthin und war angesehen bei den Greifenherzögen. Burkhardt beschreibt in diesem Roman, gestützt auf viele Dokumente, wie in dieser Region der 30jährige Krieg begann. Wilhelm Meinhold (*1797 - +1851), Pastor in Koserow (1821 - 1827) und Krummin (1827 - 1844), schrieb in der Sprache des Mittelalters und nach eingehenden Studien den Roman: „Maria Schweidler die Bernsteinhexe von Coserow auf Usedom".
Er schildert die große Not und die Sorgen der Einwohner während des 30jährigen Krieges.
Mit dem Westfälischen Frieden im Jahre 1648 fällt Vorpommern und damit die Insel Usedom an die Schweden, die das neue Gebiet als Steuereinnahme nutzen. Im Jahre 1654 gab es eine Erhebung des Königlich-Schwedischen Amtes Wolgast. Zu dieser Zeit wohnten in Zempin vier Bauern mit ihren Familien: HANß KRUßE (Kruse), PETER BUßE (Buß), PAUL DINIRS (Dinse) und JASPER BEHNE (Behn). Jeder der Bauern bewirtschaftete 1/2 Landhufe, etwa 15 Pommersche Morgen Land, und jeder hatte als Pacht 33 Groschen, 39 Pfennige und 1 Rauchhuhn (geräuchertes Huhn) zu zahlen. Nach Aussage der Befragten sollen vor 1628 sechs Bauern und zwei Cossäten in Zempin mit ihren Familien gelebt haben. So haben etwa 50 bis 60 Personen vor Beginn des 30jährigen Krieges in Zempin gewohnt.
Die zwei eingegangen Bauernstellen werden als „wüst" bezeichnet. Die Schweden haben zwischen 1692 und 1709 das gesamte „neue" Land mit ausgebildeten Vermessern aufgezeichnet und beschrieben. So wurde im Jahre 1693 der Ort Zempin von Andreas Jernström aufgenommen. Diese Aufzeichnungen sind vollständig in Archiven vorhanden und im Jahre 1995 wurden diese Aufzeichnungen und das Kartenmaterial für die Insel Usedom erstmalig verlegt. Diese Karten und Beschreibungen geben uns einen einmaligen Einblick in die damalige Kulturlandschaft.
- So stellte Andreas Jernström fest
- Description über Krummins Amtsdorf Sempin, welches Anno 1693 im September-Monat vermessen wurde.
Dieses Dorf gehört unter das Amt Krummin, wohin es seinen Dienst leisten muß, ist ungefähr 2 Meilen östlich von Wolgast gelegen. Früher sollen hier 6 Bauern und 2 Kossäten gewohnt haben, deren Hufenzahl man von den gegenwärtigen Bewohnern nicht erfahren konnte. Der Schulze im Dorf besitzt für seinen Dienst [Acker] für 2 Scheffel Aussaat. Dieses Dorf untersteht mit seinem Kirchgang Koserow. Was sonst die Grenzen angeht, so hat es im Norden das große Salzmeer, Die Strand, wie sie es hier nennen, und zum Süden hin [das] Acterwater. Außerdem haben sie keine feste Grenze im Wald, weil alles unter das Amt gehört.
- Einwohner
- 1. Petter Sucker, Schulze
- 2. Michel Remell, Bauer
- 3. Petter Been, Bauer
- 4. Hans Beens Witwe
- 5. Jean WicheIm1Viehhirte
- Die Ackerwirtschaft
- A Das Feld, die Wüsten genannt, jetzt Wintersaat, ist von sandig- humosen Lehm,
- B Strandfeit, ist [aus] etwas besseren sandig-humosem Grund und an jetzt Brache,
- C Karow Feit, welches jetzt Sommerfeld ist, von mildem sandig- humosem Grund
- Die Wiese
- D Neben dem frischen Wasser, Acterwater genannt, zur Sitz[er] (Zinnowitzer) Grenze hin, ist die Wiese des Dorfes, Kamwisch genannt, belegen. Sie besteht aus schönem, schwarzhumosem Grund und schönem Wiesenrasen
- Heufuder
- Wiewohl der Grund sehr schön und ansehnlich ist, soll er trotzdem nicht groß trächtig sein, so daß man über 1/2 Fuder und in sehr guten Heujahren 2 auf den Morgen bekommen kann, 63 Fuder Heu.
- Die Viehweide
- E 1 Bei dem Strom Die Rik ist ein übermäßig schönes Weideland, Kowüsch genannt, das Wiese gewesen ist und nicht nur so gut wie die Karnwisch sein soll, sondern noch besser, wenn sie dieses für Weidezwecke einhegen könnten.
- E 2 Außerdem ist unmittelbar ein Stück von Damerowa Wisch dabei, ein flaches Weideland, eben von ausgewähltem Grund.
- Der Wald
- F1 Eskholt1 ein Bruch, aus Eichen und Eschen bestehend, auf sumpfigem Grund belegen.
- F2 Ist Mischwald aus Eichen und Kiefern, und [es] ist ein Ort von selbiger Art darin liegend, der Grepow heißt, dessen Zeichen ist o. All diese Gegenden sind von festem Heidegrund,
- F3 Ein Stück von Buchenwald, Die Glien genannt,
- F4 Der Kiefernwald, worunter der Seestrand mit Signum v, auf sandigem Heidegrund samt auch ein Buschhügel beim Strand, der zu Acker urbar gemacht werden kann, ist 1/2 M zusammen mit anderen kleinen Buschhügeln, die mit J a bezeichnet werden.
- Kohl- und Obstgärten und die Grundstücke
- A Es gibt keine Obstgärten von einiger Importance, außer einigen Kirschbäumen, die sich nur zwischen den Kohlgärtchen befinden.
- Annotation über das Amtsdorf Sempin
- Über die Ackerwirtschaft
- Mit Acker, den es hier gibt, ist es sehr schlecht bestellt, wegen des üblen Sandgrundes in allen diesen 3 kleinen Ackerfeldern. Doch trotzdem, wenn nasse Jahre sind, soll er ziemlich guten Roggen tragen, aber in trockenen Jahren verbrennt meist alles, außer einem kleinen Stück im Karow und Strandfeit, die etwas feuchtliegender sind.
- Sonst ist hier geringer Kornboden wegen o.g. Ursache, daß man in trockenen Jahren fast nicht einen Halm schneiden kann. Es ist zu beachten, daß in früheren Zeiten hier meist Acker über die ganze Fläche gewesen ist, wo jetzt der Kiefern- und Eichenwald steht. Auch hat der aufgebrochene Acker gleichwohl zu einem guten Teil unter Waldwurzeln gelegen, den die Bauern ausgerodet haben.
- Über Wiesen
- Die Wiese des Dorfes, die neben dem Seestrand des Acterwater liegt, ist vom Aussehen recht gut, soll doch wohl nicht groß trächtig sein. Nach dem Bericht der Einwohner bekommt ein jeder nicht mehr als 10 Fuder Heu, was zusammen wohl 40 Fuder macht. Außerdem [ist] eine kleine Wiese bei dem Strom Die Rick, Kowisch benannt, die sie als Viehweide nutzen, welche wohl über die Maßen zu Wiese eingehegt werden könnte, wenn sie diese als Weideland entbehren könnten.
- Über Wälder und Weideland
- Der Wald, der hier steht, ist zu einem großen Teil [eine] Mischung von Kiefer und Eiche.
Der Kiefernwald ist nur für Stangen und zum Feuern. Hier und da gibt es dazu einiges Nutzholz, das jährlich für die Reparatur umliegender Dörfer gehauen wird. Der Eichenwald ist meistens wegen seiner Mast zu schätzen, weil er knorrig und kurz ist, aber wenn die Jahre kommen, trägt er ziemlich üppige Mast. Deshalb ist es für diese Einwohner sehr beschwerlich, daß sie da entweder dem Amtsherren so viel geben, wie er begehrt, oder sie müssen ihre Schweine vom Hof fortjagen, weil die Eichen so nahe an deren Ackerfeldern stehen, daß sie diese unmöglich von dort fernhalten können. Sonst ist der Wald deren Weidehilfe wegen seines heideartigen Bodenssowie Ekholt mit seinem niedrigen Grund. Im Übrigen lassen sie ihr Vieh auf Dammerow Wisch treiben.
- Die Aussaat
- Hier ist gleichwohl schlechter Acker zu finden. Wie in allen anderen Dörfern kann man also nicht viel mehr als 2 Scheffel in [einem] Morgen säen. So kann ein jeder Bauer auf seinem Acker nicht mehr als bis 14 Sch Roggen und 3 Sch Gerste aussäen und außerdem keine Aussaat haben.
- Über Vieh
- Hier gibt es nicht mehr Wiesen als die eine beim Acterwater. Deshalb können sie wegen des Winterfutters nicht viel Vieh halten. Sonst ist die Sommerweide gut genug, und deshalb könnten sie wohl mehr halten. Aber jetzt geht es für einen Bewohner nicht über 8 Stück Großvieh samt 3 Pferden und die Schafherde nicht über 40 Stück. Gänse und Schweine fast auch so viel von jeder Sorte.
- Auch könnte man wohl mit Schweinen großen Profit haben, wenn ihnen der Eichenwald nicht so hoch aufgetragen wird, so dass sie in diesem Jahr, wo bald reichlich Eicheln zu finden sind, 120 Rthl für den umliegenden Eichenwald geben müssen.
- Über die Arbeitsleute und [den] Dienst
- Die ganze Erntezeit hindurch müssen sie jeder für sich zu Krummin, als seinen Amtshof, 5 Tage Dienst mit 2 Personen und 2 Zugochsen leisten. Aber außerhalb der Erntezeit machen sie 4 Tage mit einem Knecht und 1 Paar Ochsen Dienst. Es ist so hart für sie, daß wenn ein Feiertag, wie Bußtag etc. einfällt, sie diesen ebenso mit Arbeit verbringen müssen wie einen Werktag, auf Befehl des Herrn Schlosshauptmanns. Welcher ihnen auch außer dem gewöhnlichen Dienst auferlegt hat, den Viehhof Damerow aufzubrechen. Und weil man so große Dienste leisten muß, hat ein jeder Bauer meist einen Knecht und eine Magd wegen der Herrenhofarbeitsstätte zu sitzen.
- Über die Fischerei
- Außerdem, daß es ihnen freisteht, ohne Bezahlung in der großen See zu fischen, so versuchen sie auch, die Fischerei im Acterwater unter selbiger Condition und Bedingung wie die in Koserow, nämlich für ein Netz 8 vorpom. Mark und den 3. Teil von allem, was sie bekommen.
In der Zeit, wo sie mit dem Treibnetz fahren können, fischen sie nur mit dem Netz. Sie können also damit, wenn der Herr wohl segnen will, ihre meiste Nahrung haben, wenn sie es nicht vermögen, mit ihrem Ackerwerk so viel zu schaffen, daß sie Brot über das Jahr haben. Und wenn das nicht wäre, so wäre es fast elendig mit ihnen bestellt.
- Anno 1704 ist das Dorf Sempin revidiert und wie folgt befunden
- Das Feld A
- Vom Weideland F 4 aufgenommen, ist sandiges Land, wird doch sooft, wie das Feld besät.
- Das Feld B
- Vom Weideland F4 aufgenommen, aus klarem weißem Sand bestehend, der nicht öfter als jedes 5. oder 6. Jahr besät werden kann.
- Nota
- Zu diesem Dorf kann nicht mehr Acker unter den Pflug genommen werden, im Hinblick darauf, daß der Eichenwald solches verhindert, mit dazu ist der Grund hier überall so sandig, daß es nicht loht, sich die Mühe zu machen.
Auf der Karte (62,9 x 42,7 cm), die im Maßstab 1 : 8150 ausgeführt ist, sind die Bezeichnungen der Wiesen und Felder zu sehen. Die fünf dargestellten Häuser finden wir auf der Erhöhung am Achterwasser. Das Haus Nr. 1 des PETTER SUCKER stand etwa auf dem so genannten „Ziekenberg", gegenüber der heutigen Feuerwehr. Das Haus Nr. 2 von MICHEL REMELL stand auf dem Grundstück der ehern. Gärtnerei Walter. Das Haus von PETTER BEEN, Nr. 3, stand auf dem Grundstück des Ferienhofes Schön. Das Haus Nr. 4 von HANS BEENs Witwe stand auf dem ehemaligen Grundstück des Bauernhofes HEINRICH LÜDER, heute Dorfstraße 5. DerViehhirte JEAN WICHELM wohnte im Haus Nr. 5, etwa heute Dorfstraße Nr. 1, in dem später der Schneider HELLERT wohnte und die Kinder des Dorfes unterrichtete. Dieses Haus wurde nach dem Bau des Schulgebäudes 1833 auch zum Armenhaus der Gemeinde.
Durch die Dienste, die die Zempiner für das Schloss Krummin zu leisten hatten, blieb ihnen wenig Zeit für ihre Bearbeitung der Felder. Oft hatten sie zusätzlich Knecht und Magd, um diesen Dienst erfüllen zu können. Das Schloss Krummin war bis zum Tode des Oberst Joachim von Radeke im Jahre 1687 ein Lehen der schwedischen Krone. Danach wurde es verpachtet.
Eine weitere Aufzeichnung über die Einwohner des Ortes Zempin ist vom 16.06.1716 durch die schwedische Verwaltung erhalten. Es wohnten folgende Familien in Zempin:
- PETER BEHN, Bauer, er hat das beste Haus, 4 Pferde, 1 Ochs, 3 Kühe und 2 Rinder vom vorigen Jahr.
- TIEDEMANNS Wittwer1 Bauer, sein Haus ist im billigen Stand, 5 Pferde, 1 Kuh, 1 Ochs, 2 Rinder.
- JOHANN STEFFEN, Cossäte, die Familie war wohl die ärmste. Johann Steffen hatte kein Saatgetreide und kein Haupt Vieh, der Verwalter war nicht bereit ihm auszuhelfen, die Dorfbewohner waren selbst wohl nicht in der Lage zu helfen.
- HANS KRUSE, Cossäte, sein Haus ist gut, 1 Ochs, 1 Kuh, 1 Stärke. JOHAN SCHEIL, Schulze, Bauer, sein Haus ist in mittelmäßigem Stand, der Stall steht zum Niederfall! Vieh ist nicht angegeben.
So wirtschaften 68 Jahre nach dem Ende des 30jährigen Krieges nur drei Bauern in Zempin, die Anzahl der Bauernhöfe vor dem Krieg wurde nicht mehr erreicht. Durch die vielen Kriegsjahre (u.a. Nordischer Krieg) während der Schwedenzeit konnte sich die Bevölkerung nur schwer von den Lasten erholen. Im Jahre 1720 endet die Herrschaft der Schweden auf der Insel Usedom und sie wird abgelöst durch die der Preußen.