Zinnowitzer Ärzte
Hier finden Sie Lebensläufe verschiedener Ärzte die in Zinnowitz gewirkt haben. Die Informationen wurden durch die Historische Gesellschaft zu Seebad Zinnowitz auf Usedom e.V. für eine vergangene Ausstellung im Zinnowitzer Museum zusammengetragen.
Friedel, Fritz
- geb. 24. Oktober 1863 in Weißenfels an der Saale, † 31. Oktober 1912 in Wernigerode
- Leben
- Fritz Friedel wurde als Sohn Bäckermeisters Friedrich August Friedel und dessen Ehefrau Alwine geb. Kaempf in Weißenfels geboren. Er absolvierte sein Medizinstudium in Leipzig, München und Greifswald und promovierte 1889 in Greifswald mit dem Thema: „Ein Fall von symmetrischer Gangrän“ (Gewebszerfall).
- 1890 wurde er als erster moderierender Badearzt von der Kurverwaltung des Ostseebades Zinnowitz bestallt. Er praktizierte zunächst in der Villa Köpke, Waldstraße 1a. Er wurde auch in die Gemeindevertretung gewählt. Dr. Friedel setzte durch, dass die Gemeinde für erkrankte Kinder, die in die Greifswalder Universitätsklinik überwiesen wurden, die Kosten übernahm.
- Im Jahre 1895 erwarb Dr. Friedel für 4500 Goldmark die Parzelle XXIX, später Neue Strandstraße 10 vom Forstfiskus und erbaute darauf die Villa Friedel, das spätere Dreyfuß-Heim, heute Villa Gruner, Pier 14. Im April 1899 heiratete er Catharina Ehricke-Schur in Groß-Lichterfelde.
- 1901 zum Kreisarztvertreter nach Swinemünde berufen, ging er später als königlicher Kreisarzt nach Wernigerode. Hier erfreute er sich bald allgemeiner Beliebtheit und erwarb sich eine große Privatpraxis, die er allerdings aus Krankheitsgründen bald aufgeben musste. Er wurde nur 49 Jahre alt. Zu seiner Zeit trat er bereits mit Forderungen für den Umweltschutz auf. So forderte er zum Beispiel gesetzliche Vorschriften zum Schutz vor Manganvergiftungen in Braunsteinmühlen (Braunsteinmüllerkrankheit) im Südharz. Weiterhin trat er für den Schutz von Heilquellen in Kurorten ein (Quellenschutzgesetz).
- Er verfasste 1898 einen „Führer durch Zinnowitz und Umgebung“, Greifswald 1898, bei Julius Abel. 1901 erfolgte eine erweiterte Nachauflage. Er veröffentlichte ebenfalls Artikel über die Hygiene in Kurorten und Sommerfrischen bei Seuchen wie Keuchhusten und Cholera.
Quellen: Gerald Christopeit
Helwig, Otto
- geb. 22.September 1876 in Obertopfstedt (Provinz Sachsen), † 24.01.1965 in Gütersloh
- Leben
- Otto Helwig wurde am 22. September 1876 als Sohn des evangelischen Volksschullehrers Hermann Helwig im (heutigen) thüringischen Obertopfstedt geboren. Nach dem Besuch der heimatlichen Schule wechselte er mit 9 Jahren auf das Thomasgymnasium zu Leipzig und danach auf das Gymnasium Sondershausen, wo er 1896 das Abitur ablegte. Im gleichen Jahr begann er das Studium der Medizin an den Universitäten München, Jena und Leipzig. 1900 wechselte er an die Universität Gießen, wo er 1901 die ärztliche Approbationsprüfung bestand. 1902 promovierte er mit einer Dissertation „Über einen Fall von osteogenesis imperfecta“ (Glasknochenkrankheit).
- Er kam 1908 von Wirges über die Insel Föhr nach Zinnowitz. Seine Frau Hedwig war eine geborene Langemak, deren Mutter Anna zuvor die Hubertusburg als Pension in Zinnowitz betrieben hatte. So kam es, dass er 1908 im Ostseebad Zinnowitz. Dr. med. Helwigs Ärztliches Privatheim Hubertusburg für Frauen und Kinder der gebildeten Stände, Neue Strandstraße 10 (später Dreyfus-Heim) einrichtete. Er war ein international bekannter Kinderarzt und Balneologe. Durch ihn, gemeinsam mit Franz Müller und Bernhard Berliner, wurde Zinnowitz in kurzer Zeit zu einem international bekannten Forschungsstandort zum Einfluss des Seeklimas auf Kinderkrankheiten. Er plante 1910 auf Usedom eine Keuchhustenstation für Kinder, scheiterte jedoch am Widerstand der Usedomer Badeverwaltungen. Deshalb verließ er 1914 die Insel und ging nach Dresden. Später wirkte er auch in Swinemünde und Stettin.
- So fanden 1912 Untersuchungen zum Einfluss des Seeklimas von Berliner und Fr. Müller in Zinnowitz an der Ostsee an Kindern der Friedenauer Vereins für Ferienkolonien statt und ebenfalls in Zinnowitz von Otto Helwig und Fr. Müller an Kindern angestellten Versuche über Hydrotherapie. Helwig, Otto - Das kranke Kind und das Seeklima; Wolgast Hofmann 1910, und viele andere Publikationen. Das Ostseebad Zinnowitz wurde durch Fachvorträge zu diesem Thema international bekannt. Mehrfach reiste Dr. Helwig zu Vorträgen in das europäische Ausland und die USA und wurde Mitglied internationaler Gremien. So nahm er am „Fourth International Congress on School Hygiene, Buffalo, New York, U.S.A., August 25-30 1913 “ teil. Der Bekanntheitsgrad des Zinnowitzer Heimes in den Vereinigten Staaten mag dazu beigetragen haben, dass es 1922 von der „Bertha und Louis Dreyfus Stiftung“ aus den USA übernommen wurde.
Quellen: Gerald Christopeit
Kleiner, Berthold
- geb. 09.06.1902 in Trautenau – Sudeten, †20.04.1983 in Zinnowitz)
- Leben
- Sanitätsrat Dr. med Berthold Alois Kleiner stammt aus dem Sudetenland. Franz Kleiner, sein Vater, war Immobilienmakler. Berthold Kleiner besuchte dort die Volksschule und das Gymnasium und studierte in Prag in den zwanziger Jahren Medizin und anschließend Zahnmedizin. 1928 heiratete er die Braunerin Anni Tietze und eröffnete in Braunau am Ringplatz (Haus-Unionsbank) eine Zahnarztpraxis, in der er bis 1945 recht erfolgreich wirkte.
- Unmittelbar nach Kriegsende - im Mai 1945 - wurde er nach dem Osten gebracht, von wo er 1947 aus der Sowjetunion kommend nach Stralsund entlassen wurde. Hier erst hat er vom tragischen Tod seiner Familie erfahren, die sich gleich nach seiner 1945 erfolgten Festnahme aus einer verzweifelten Situation heraus das Leben nahm. In dieser furchtbaren Lebenslage mobilisierte Dr. Kleiner alle seine noch vorhandenen Kräfte und schaffte nach und nach den Neubeginn.
- Er ließ sich ab 1.6.1947 als Facharzt in Zinnowitz nieder. Durch seinen unbändigen Fleiß, sein ärztliches Können und sein freundliches, menschliches Wesen genoss er recht bald hohes Ansehen.
- Anfang der sechziger Jahre heiratete Dr. Berthold Kleiner ein zweites Mal, die Zinnowitzerin Elfriede Kleiner (gesch. Wegner, gebn. Springwald, *19.3.1910, †18.4.1992), die ihm bis zu seinem Tode zur Seite stand. Er kümmerte sich um ihre beiden Kinder.
- Bis an sein Lebensende, also über sein 80. Lebensjahr hinaus, übte er seine Praxis aus, widmete sich neben seiner ärztlichen Tätigkeit über Jahrzehnte geistig - wissenschaftlichen Themen und beschäftigte sich voller Hingabe mit der Naturheilkunde. Auch seine alte Heimat hat er nie vergessen.
- Was ihn besonders auszeichnete war neben seiner treuen Pflichterfüllung, neben seinem vielseitigen Wissen, seine große Bescheidenheit. Seine Arbeit, sein Bestreben immer mehr Wissen anzueignen waren ihm stets Lebensinhalt. An seinem Grabe brachte der katholische Pfarrer von Wolgast die Meinung der Zinnowitzer wie folgt zum Ausdruck: ” Wenn man heute von seinem Tode spricht, so hört man sie sagen, ja, der Sanitätsrat Dr. Berthold Kleiner das war noch ein Mann, zu dem konnte man zu jeder Tages - und Nachtzeit kommen. Er war stets für alle da.”
Quelle: Nachruf für den Heimatfreund Dr. Berthold Kleiner von Seff Tietze (Schwager)
Kochs, Max
- geb. 01. Januar 1871 in Jarmshagen bei Greifswald, † 29. Juli 1933 im Ostseebad Zinnowitz
Dr. Max Johann Karl Kochs. Dirigierender und letzter bestallter Badearzt im Ostseebad Nachfolger von Dr. Fritz Friedel. Mitbegründer des Inselclubs (West) Der Vater von Max Kochs war Hegemeister (Förster) Ludwig Kochs in Jarmshagen Kreis Greifswald. Max Kochs besuchte die Schule ab 1880 und erwarb 1889 das Reifezeugnis am Städtischen Gymnasium in Greifswald. Er studierte Medizin in Greifswald und promovierte 1893 an der dortigen Universität mit dem Thema: „Ein Fall von Struma congenita“ (angeborener Kropf). Anschließend praktizierte er als praktischer Arzt in der Stadt Usedom. Seit 1901 war er in Zinnowitz Badearzt als Nachfolger von Dr. Fritz Friedel tätig, welcher als Kreisassistenzarzt des Kreises Usedom-Wollin in die Kreisstadt Swinemünde ging. Als dirigierender Badearzt war er gegenüber den anderen Badeärzten im Ostseebad weisungsberechtigt. Max Kochs heiratete am 28.11. 1906 in Charlottenburg Johanne Ferdinande Nienborg. In fachlichen Gremien widmete sich der Zinnowitzer Badearzt der Hydrotherapie. Dr. Kochs war zudem Mitbegründer des Insel-Clubs Usedom (West), der am 18. Dezember 1910 gegründete wurde. Dieser Club war in Zinnowitzer Gewächs und förderte die Entwicklung des Tourismus. Dr. Max Kochs gehörte neben den Bauunternehmern Carl Sadewasser und Johann Hoppach 1909 zu den ersten Besitzern eines Kraftfahrzeuges in Zinnowitz. Alle drei besaßen Motorräder. Zunächst praktizierte er in der Villa Johanna, Wilhelmstrasse 5, dann in der 1.Etage der Badedirektion Neue Strandstraße 7a. Aus der Schulchronik konnten wir entnehmen, dass er zu den Gründern des Ortsausschusses für Jugendpflege, der am 19. Oktober 1911 gegründet wurde, gehörte. Er übernahm auch die medizinische Ausbildung in der freiwilligen Sanitätskolonne 1911. Als Schularzt wurde er am 1. April 1930 eingesetzt. Um 1930 ließ er seinen Altersitz im Dannweg 2 im zu der Zeit angesagten, aber für den Ort seltenen Bauhausstil erbauen. 1938 lebte dort seine Witwe Nanni (Johanne) Koch. Das Ehepaar Kochs hatte 4 Kinder, alle wurden zwischen 1907 und 1913 in Zinnowitz geboren. Gerald Christopeit
Wendschuh, Günther
- geb. 09. Juli 1928 in Schmölln/Oberlausitz, † 29. Dezember 2013 in Zinnowitz
- Leben
- Dr. med. Walter Günther Wendschuh wurde am 9.Juli 1928 in Schmölln/ Oberlausitz als Sohn des Schneidermeisters Walter Wendschuh und seiner Ehefrau Lisa , geb. Erbert, geboren. Von 1935-1939 besuchte er die Volksschule in Schmölln, anschließend von1939-1944 die Oberschule in Bischofswerda. Im Januar 1944 wurde er als Luftwaffenhelfer eingezogen später zum Arbeitsdienst und zur Wehrmacht einberufen. Vom Oktober 1945-1947 besuchte er wieder die Oberschule in Bischofswerda und legte am 8. Juli 1947 die Reifeprüfung ab. Vom August 1947 bis September 1948 arbeitete er als Praktikant im Stadtkrankenhaus Bautzen. Von 1948 bis 1951 studierte er an der Universität Greifswald Medizin und bestand im Februar 1951 das Physikum mit der Note "Sehr gut". Im April 1951 setzte er das Medizinstudium an der Universität Jena fort und legte am 14.4.1954 das medizinische Staatsexamen ab.
- Vom 1.5.1954 bis 30.6.1954 arbeitete er als Pflichtassistent an der Universitäts-Frauenklinik in Jena und vom 1.7.1954 bis zum 30.6.1955 im Pharmakologischen Institut der Universität Jena. Vom 1.7.1955 bis 31.12.1955 arbeitete er in der Medizinischen-Universitäts-Poliklinik Jena, danach in der ChirurgischenUniversitätsklinik Jena.
- Dr. Günther Wendschuh übernahm am 7.1.1957 die Leitung des Landambulatoriums in Zinnowitz. Zum Ambulatorium gehörten die Arztpraxis, die Zahnärztliche Abteilung mit Zahntechnik und Kiefernorthopädie, die Labor- und Röntgenabteilung, die Massageabteilung, die Gemeindeschwesternstationen, sowie die Betriebssanitätsstellen in größeren Betrieben der Umgebung, Wendschuhs Frau Ursula war im Ambulatorium als leitende Schwester tätig (geb. Grohmann, 1928 - 2010). In den Anfangsjahren wurden durch ihn auch die Grenzsoldaten, das Marineobjekt Peenemünde, die Kinderheime, die Sportschule, die Wismutmitarbeiter mit betreut sowie die Schwangerenberatung durchgeführt.
- Seine große Leidenschaft war die Fliegerei. So war er als GST-Motorfluglehrer tätig und führte flugmedizinische Tauglichkeitsuntersuchungen durch. Er war für die ärztliche Betreuung von flugsportlichen Veranstaltungen verantwortlich. Nach der Wende war er im Fliegerclub Flughafen Heringsdorf e.V. engagiert und führte eine Hausarztpraxis in seinem Haus im Glienbergweg.
Quellen: Histor. Gesellschaft; Brigadebücher Landambulatorium Zinnowitz, Archiv Greifswald, Gerald Christopeit/ Ute Spohler