Rostocker-Wulfshagen - Das Schiffsmodell

Aus Ortschroniken
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Das Schiffsmodell "Sophie" in der Kirche von Rostocker-Wulfshagen und der fromme Schiffer von Bartelshagen

(Der Text wurde bewußt im Duktus und der Orthographie der Zeit und seines Autors belassen um deren Autentizität zu bewahren.)


Das Schiffsmodell in der Kirche von Rostocker-Wulfshagen


An der Decke der Kirche in Rostocker Wulfshagen, im südöstlichen Teil der Heide hängt ein Schiffsmodell, das Vermächtnis des Seemanns Suhrbier aus Bartelshagen. Er stiftete es in der Mitte des 19.Jahrhunderts und steckte eine kleine Schrift hinein die uns über die Herkunft des Seglers aufklärt: "als Ballast bey des Schiffes Sophie". Er schrieb darüber "Zum Andenken", und was er darin mitteilt, das mag hier festgehalten sein; denn die Schrift ist dem Verfall nahe. Ihr Inhalt aber ist es wert, daß er der Nachwelt in seiner autentischen Schreibweise jener Zeit überliefert wird, wegen der eigenartigen Lebensauffassung und Frömmigkeit eines Seemannes und wegen der kulturgeschichtlichen Informationen aus jener Zeit. Suhrbier erzählt:

„In meinem dreizehnten Jahre batt ich meine Eltern, mich doch dazu zu verhelfen, daß ich ein rechter Seemann würde, dieweil ich oft davon gehört habe, aber nichts davon gesehen habe. Meine Eltern redeten mich ab davon, weil ich noch confirmirt werden mußte. Als ich damit durch war, als dan fing ich meine Seefahrt mit Gottes Hülfe und Beistand an und machte 22 Monathen ehe ich meine Eltern wiedersah, und die Reise gefiehl mir gut. ...(unleserlich) als mein Lieber Herr Präpositus mir heute am 17ten Februar 1861 noch erinnerte, das Schief müßte Ballast ein haben, und ich sollte allens aufschreiben, es würde zum Andenken in das Schieff aufbewahrt.

So habe ich es auch vür sehr recht anerkannt diesem befehl zu leisten. Zwar habe ich vorher selbst daran gedacht, aber leider die Zeit wölte es mir nicht Eher erlauben. Jetzt habe ich auch noch viel Zeit übrig, allens ein wenig auf zu Schreiben und habe mich vorgenommen Wen der Herr wiel und ich leebe zu diesen bevorstehenden Buß- und Bättag als am 22ten Februar zu rechter Zeit wieder mit Andacht in das Gotte Haus zu gehen und mein Schief mit diesen Ballast zu beladen. Ich kann mich aber auch nicht sicher sein, den ob ich auch noch so lange hier bin, den Mein Schief, wo ich mit gewesen bin das liegt in Stetien, Theodor Reimers, Capt. maß auch mit der vollen Ladung, wen das Wetter günstig wierd, so muß ich und mein jüngster Bruder wieder dahin, den wir wärren nicht zu Hause gekommen, waqn unser Schief nicht wer Eingefroren.

Sollte es sein das wier noch eher fortmüßen, so wiel ich es zuletzt noch anführen, auf welchen Datum ich mein Schieff beladen habe mit diesem Buche. ...Meine Elter haben mich diese kurtze Zeit, wie ich diesen Winter zu Hause war, angetrieben, ich sollte nun nichts versäumen und das Schieff fertig zu machen, weil sie alschon längst darum gebeten haben, das es zum Andenken in der Kirche solte, und Ich habe auch keiner müher daran gespart. Sie wünschten gerner, Es mit anzusehen, wan das Schieff in die Kierche gebracht wierd, und ich wolte es Ihr auch gerne gönnen, weil sie sich immer sehr viel dazu gefreut haben, aber leider, acht Tage vorher bekam mein Vater einen schlimmen Fuß und mußte deshalb zu Hause bleiben und mußte uns mit weinenden Augen nachsehen, was mich sehr betrübte. Meine Mutter ist aber mitgewesen.

Ich habe auch eine Schwester, die hat mich gebeten, ich sollte das Schieff ihren Namen geben. Das freuet mich sehr, das sie daran Anteil nahm, und ich versprach es ihr gleich, und das Schieff heißt nach meiner Schwester Sop(h)ie und ich habe deshalb das Schieff mit einer Krone geschmückt, dieweil ich viel von ihr halte und ich ihr Betragen bis dieser Zeit vür sehr gut anerkant habe. Sie ist 19 Jahre alt. - Da ich zehn Jahrre zur See gewesen bin, so wiel ich doch noch anführen, was das schlimste in die 10 Jahrren für mich gewesen ist.

1859 habe ich meinen 2ten Bruder bey mir auf, der zum Ersten mal wegging und die 2te Reise, die wier machten nach Riega. Und als wier zu Bollera ankamen, es war am Sontag, den 11ten July 1860, und das Schieff festhaten, so warren wier alle müde, dieweil wir um schlechtes wetter halben in 3 Tage keinen Schlaf bekommen haten. So legte ich (mich) schlafen, und auch noch andere Matterosen, und mein Lieber Bruder mußte Wache gehen. Der komt aber bey, ohne dem ich es wüßte, und badete sich. An das Bodt hat Er sich angefaßt und ein ander Jung thut desgleichen auch. Zu dem hat er noch gesagt, Er solle sich festhalten, dieweil du nicht schwimmen kanst. Wie er das wort ausgesagt hat, geht mein lieber Bruder unter, warscheinlich hat er den Schlag gekricht. Da machte der andere Jung gewalt, und das hörte der Steuermann, der schlief nicht. Der rief mit lauter Stimme: „Komt heraus, komt heraus !“ Und das hörte ich im schlaffe und wußte so geschwint gar nicht, wie ich aus der Kooy kommen solte, und wie ich herauskam - o Gott ! Da ward mein Lie(ber) Bruder im Wasser. Ich wante gleich die möglichsten mühe an, daß er wieder herauskam, und ich krigte ihm auch gleich wieder heraus, aber, o Gott ! Er war schon Todt.

Ja es ist leicht zu denken, was für einen Grozen schmerz es vür mich war, da wir uns so recht inbrünstig liebten. Kurz vorher erzählte er mich noch von seiner Conformatsion, was Er gelernt hat. ... Der Capt. Maß aus Wustrow, wo hier bey waren, hat ihm auch deshalb, weil Er ein guter Junge war, sehr feierlich in Riga begraben lassen. Aber was half es, ich hate doch keine Ruhe auf das Schief. Der gute Schieffer tröste mich genug, aber da half kein trösten zu. Ich stellte ihn mich immer lebhaft vor. Der Schieffer hat auch gebeten, das dritte Jahr auch wieder mit ihm zu kommen. Er wolte meinen Jüngsten Bruder auch mitnehmen, aber das schlug ich ihm rund ab.

Mein verstorbener Bruder ist 16 Jahre und 4 Mon. und 5 Tage alt geworden

Carl-Heinerich Suhrbier“


Schiffe in den Kirchen wurden gespendet als VOTIVSCHIFFE.

Es soll ein Gelübte eingelöst werden, was meist in Not oder Krankheit an Gott versprochen wurde.

  • Buch: Votivschiffe - Schiffsmodelle in Kirchen zwischen Wismarbucht und Oderhaff von Wolfgang Steusloff, Hinstorff Verlag 1981