Nustrower Dorfgeschichte von Hans Erichson 1949

Aus Ortschroniken
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Hans Erichson 1949 zur Geschichte von Nustrow

Zur Geschichte des Dorfes Nustrow

Unter dem Titel "Das Dorf Nustrow ‑ sein Raum und sein Entwicklungsgang im Hinblick auf die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Verhältnisse“ verfaßte ich 1950 meine schriftliche Examensarbeit für die 2. Lehrerprüfung. Zwei Exemplare lieferte ich bei der Prüfung ab, ein Exemplar übergab ich 1950 der Gemeindeverwaltung in Nustrow, aus einem kaum lesbaren Durchschlag habe ich diesen Auszug zusammengestellt.

Die vorgeschichtliche Zeit

Zu welcher Zeit in unserer Gegend zuerst Menschen gewohnt haben, wird wohl immer ein Geheimnis bleiben. Aus den Hünengräbern erkennen wir, daß unsere Gegend in der Steinzeit schon besiedelt war. Im Nustrower Wald haben sich bis auf den heutigen Tag zwei Hünengräber erhalten, leider kann man an ihnen nicht mehr die frühere Form erkennen. Auch sollen in der Nähe bronzezeitliche Kegelgräber vorhanden gewesen sein, die alle dem Pflug zum Opfer fielen. Als die Germanen im Verlauf der Völkerwanderung unser Gebiet verließen, drangen um das Jahr 600 die Wenden hier ein. Aus jener Zeit sind uns zahlreiche Burgwälle bekannt, die meist im Sumpf angelegt waren. In der Nähe von Behren-Lübchin, unserm Nachbardorf, befindet sich ein solcher ovaler slawscher Burgwall. Unser Gebiet gehörte damals zum Land Circipanien, welches östlich der Recknitz lag. In der Wendenzeit mag die Geschichte unseres Ortes beginnen. Uns ist aber weiter nichts überliefert worden als der Name. Kühnel leitet den Namen des Dorfes, das in den ersten Urkunden Nutzerow genannt wird, von dem altslawischen Personennamen nuk ab, Nustrow ist also der Ort des Nucera.

Nustrow im Mittelalter

Anfang des 13. Jahrhunderts beginnt die Einwanderung der deutschen Bauern aus Nieder-sachsen, Westfalen und anderen norddeutschen Ländern nach Mecklenburg. Während die Wenden den leichten Boden für den Ackerbau bevorzugten, begannen die deutschen Bauern, die schon in ihrer Heimat durch Rodung und Eindeichung an die planmäßige Urbarmachung großer Flächen gewöhnt waren, den Urwald, der damals noch die größten Flächen des Landes einnahm, zu roden und das Land urbar zu machen. Sie legten neue Dörfer an, übernahmen aber auch die alten wendischen Ortschaften. Die wendische Bevölkerung aber, durch viele Kriege sehr geschwächt, übte keinen wesentlichen Einfluß auf die Gestaltung der neuen Verhältnisse aus. Als die Bauern, geführt von den Lokatoren, ins Land kamen, war das Land nicht frei, sondern gehörte dem Fürsten. Dieser belehnte dann seine Ritter als Anerkennung für ihre Dienste mit Grund und Boden. Von dem Fürsten oder von einem Ritter bekam nun der Bauer sein Land zugewiesen. Die Größe der Bauernhöfe war sehr verschieden. Durch die Rodung finden wir den Acker meist in Gemengelage, jeder Bauer hatte an den einzelnen Schlägen seinen Anteil. Die Bestellung und Ernte konnte nur gleichzeitig durchgeführt werden. Wir finden allgemein die Form der Dreifelderwirtschaft: Winterung, Sommerung und Brache. Es wurde vor allem Roggen, Gerste und Hafer angebaut. Die Bauern waren im Mittelalter frei, die persönliche Unfreiheit entwickelte sich erst viel später. Sie mußten an ihren Grundherren eine jährliche Pacht zahlen, der Landesherr erhielt die Bede und die Kirche den Zehnten. Die zunächst geringste Last waren die Dienste. Der Bauer leistete dem Grundherrn bei der Saat und der Ernte einige Hilfe. Da der Ritter im Mittelalter nur einen kleinen eigenen Hof besaß, fiel es den Bauern nicht schwer, dessen Acker mitzubestellen, zumal oft mehrere Dörfer zu einem Rittersitz gehörten. Neben diesen zwischen den Rittern und den Bauern vereinbarten (gemessenen) Diensten mußte der Bauer dem Landesherrn im Falle der Landesgefahr bei Burg- und Brückenbau, bei Wegebesserung usw. Fuhr- und Handdienste leisten. Diese konnten natürlich nicht auf bestimmte Tage im Jahr festgelegt werden, sondern mußten eben in jenen Notlagen „ungemessen“ geleistet werden. Die Dienste wurden dann in den folgenden Jahrhunderten eine drückende Last. Neben seiner persönlichen Freiheit besaß der Bauer in Ostelbien auch ein günstiges Besitzrecht. Er besaß das Erbzinsrecht, und die Stelle wurde immer wieder von dem Vater auf den Sohn vererbt. Es wird aber auch Bauernstellen gegeben haben, die der Bauer nur zu Erbzeitpacht besaß. Die Stelle wurde gewohnheitsgemäß an den Sohn weitergegeben, aber sie gehörte dem Grundherrn, und dieser konnte dem Bauern kündigen. Die Gerichtsbarkeit war ursprünglich Sache des Landesherrn, der sie durch seinen Vogt ausüben ließ. Geringe Strafsachen schlichtete das Schulzengericht. Diebstähle und leichte Kör-perverletzungen wurden vor dem "sidest gericht", dem niederen Gericht, verhandelt. Vor dem Hochgericht, das alle schweren Strafsachen verhandelte, ging es um Hals und Hand, also um Todes- oder Verstümmelungsstrafen. Da die Gerichtsbarkeit, wie alle anderen Rechte vom Fürsten verkauft werden konnte, geriet diese allmählich in die Hand der Ritter. Dieses war der verhängnisvolle Schritt zur Verschlechterung der bäuerlichen Verhältnisse. In Nustrow lagen die Verhältnisse im Mittelalter sicher ähnlich.

Die erste Nachricht aus dem Mittelalter

Unser Dorf wird erst verhältnismäßig spät in den Urkunden erwähnt. Während Behren-Lübchin schon 1184 und Kowalz 1236 in Urkunden genannt werden, berichtet die erste Nachricht über die Zerstörung des Schlosses Nustrow im Jahre 1420. 1420 wurde der Marschall Degener Buggenhagen aus Stralsund in einer Mühle am Sund ermordet. Die Männer von Stralsund und Greifswald vermuteten zunächst die Mörder in dem Schlosse Usedom. Die mittelniederdeutsche Chronik des Rufus berichtet dann weiter: „Do achte dage vergan weren, do wart den Sundischen vermeldet, dat de handtadigen (Handtätigen) des mordes weren uppe den slote Nosserowe (Nustrow), den togen se ute der stad mit haste unde bestelleden de veste (Feste) all umme, unde wunnen dat mit storm. Dar uppe grepen se sostein (16) wapenere (Bewaffnete) und schutten (Bogenschützen), de vorden (führten) se all gevangen mit sick to deme Sunde unde dat slot breken se an den grund. De hovetmann (Hauptmann) des slotes, do he sach, dat he den borgeren (Bürgern) nicht konde wedderstan, he satte sik in enen kahn unde wolde achter af voren over dat meer (Wasser, Teich), man dat schepken sluch mit em umme, unde he verdrank in synen wapen (Rüstung). Den sochten darna de Sundeschen in deme watere unde leden em al dot up en Rad (er wurde also noch gerädert). Do wast ok gevangen en gud man geborn Johann Bere geheten, de de hovetmann des mordes was, de slepeden se dorch de stad unde stotten em mit eene rade." Auf der Seite der Stralsunder war Johann Moltke auf Strietfeld der Führer. Es tobte noch mehrere Jahre später eine Fehde zwischen den Moltkes auf Strietfeld und den Behrs auf Nustrow. Erst neun Jahre später versöhnten sich Gerd Behr zu Nustrow, der Bruder des Geräderten, mit den Brüdern Heinrich und Johann Moltke auf Strietfeld wegen des Totschlags an Degener Buggenhagen und wegen der Fehde, die sie miteinander hatten. Die Streitigkeiten mit den Stralsundern gehen aber noch weiter. In einer Urkunde vom 16. März 1425 bekennt Gerd Behr für sich und seines verstorbenen Bruders Kinder, daß er allen Ansprüchen an die Städte Stralsund und Greifswald wegen des Gerichts über seinen Bruder und der Brechung des Schlosses Nustrow entsagt. Er erklärt weiter, daß er die auf dem Burgwall von Nustrow nach der Brechung des Schlosses aufgeführten Gebäude wieder abbrechen und nie wieder aufführen will. Diese Verpflichtung wird im Laufe der Zeit aber wieder aufgehoben sein. Wir werden also hineingestellt in einen sehr bewegten Abschnitt der Nustrower Geschichte. Wir erfahren, daß in Nustrow eine mittelalterliche Burganlage besteht, die seit Anfang des 15. Jahrhunderts im Besitz der rügenschen Familie von Behr ist. Auch Grammow und Stassow gehörten zu diesem Besitztum, d.h. die Bauern dieser Dörfer mußten an den Ritter von Behr ihre Abgaben bezahlen und ihm Dienste leisten. Doch von den Bauern jener Zeit habe ich keine Nachrichten gefunden. Es ist ja so, daß in dieser Zeit nur die Namen häufig genannt wurden, die im Zeitgeschehen eine gewisse Bedeutung besaßen, und das waren auf den Dörfern die Ritter. Je größer ihr Einfluß und ihre Macht waren, desto früher und öfter wurden ihre Namen genannt. Deshalb sind uns aus jener Zeit leider nur die Nachrichten von den Streitigkeiten, Verpfändungen, Verträgen und ähnlichen Ereignissen der Ritter überkommen. Von den Bauern hören wir wenig.

Die mittelalterliche Burg Nustrow

Karte der Wasserburg Nustrow

Nach der Erstürmung der Burg Nustrow durch die Stralsunder im Jahre 1420 wurde diese im Laufe des 15. oder zu Anfang des 16. Jahrhunderts wieder aufgebaut, denn 1532 führt sie der Franziskaner Lesemeister des Ribnitzer Klosters Lambert Slaggert unter den 31 namhaften und wichtigsten Burgen, Schlössern und Höfen des Adels auf. Das Schloß Nustrow war von künst-lichen Gräben und Wällen umgeben, von denen noch heute der letzte Rest, der sogenannte Wallgraben, erhalten ist. Nach dem Grundriß auf der Direktorialkarte von 1758, der noch gut die alten Verhältnisse zeigt, ist die eigentliche Burginsel von der Insel der Vorburg durch einen Graben getrennt, über den unmittelbar vor dem Schloß eine Zugbrücke führt. Das Schloß besaß in älteren Zeiten einen geschlossenen Hof und soll einer Sage nach sieben Türme gehabt haben. Wann die den inneren Teil des Hofes umgebenden Teile verschwunden sind, läßt sich nicht ermitteln. Über der Eingangstür standen die Wappen der Behr und derer von Ribbeck, von zwei Schildhaltern getragen, mit der Inschrift: Der Herr segne deinen Eingang und deinen Ausgang. Diese Wappen ließ Christoph Behr (gest. 1637) und seine Gemahlin Hedwig von Ribbeck (gest. 1638) setzen, als das Gebäude restauriert wurde. (Das Wappen der Behrs ist ein aufrecht gehender Bär). Diese mittelalterliche Burg ist bis 1825 erhalten geblieben und war bis zu ihrem Abbruch bewohnt. Im Schlie (Baudenkmäler Mecklenburgs) ist dieses Schloß abgebildet.

Andere Nachrichten aus dem Mittelalter

Aus der nun folgenden Zeit liegen eine ganze Reihe von Nachrichten über Nustrow vor. Lisch berichtet über die Gründung des Hauses Nustrow: "Joachim Behr, Sohn des Heyne Behr auf Deyelsdorf (östlich der Trebel) blieb nach dem Tode seines Vaters im Jahre 1485 zunächst auf Deyelsdorf. Als ihm aber auch noch eine reiche Hinterlassenschaft seines Onkels zufiel, zog er nach Nustrow und wurde Begründer des Hauses Nustrow. Er besaß nun Deyelsdorf mit Bauern-dorf, Bassendorf, Grammendorf, Stremlow, Siemersdorf, Weitenhagen, Hanshagen und Lengen-felde, alles in Pommern. Endlich in Mecklenburg: Nustrow, Grammow, Stassow, Breesen, Lüb-chin und Nütschow." Er besaß also insgesamt 18 Dörfer, das bedeutet, daß diese Bauern ihm als ihrem Grundherrn die Pacht zu zahlen und die Dienste zu leisten hatten. Eine andere Nachricht besagt, daß Vicke Behr zu Nustrow 18 Mark sundische Münze zum Ausbau der Klosterkirche zu Dargun stiftet. Die Ritter saßen aber nicht gern untätig zu Hause, sondern zogen lieber in den Kampf. Dies zeigt auch eine Urkunde vom 3. Mai 1440. Die Herzöge Wartislaw und Barnim von Pommern beschließen, in ihrem Land der Gewalttätigkeit zu steuern und den Frieden wieder herzustellen. Sie schließen dazu mit Gerd Behr auf Nustrow ein Hilfsbündnis, während sie ihm versprechen, ihn vor jedem Kriegsschaden seiner Hilfe wegen schadlos zu halten. Wir hören aber nochmals von einem Streit mit den Stralsundern: Am 9.Mai 1454 ward Vicke Behren nussedrowen mit 40 Reitern und gesattelten Pferden vom Stralsunder Marschall von Bardt, genannt Bugenhagen, gefangengenommen. Erwähnt sei noch die Urkunde vom 9. November 1427, in welcher Gerd Behr, wohnhaft zu Nustrow sich mit den Moltkes auf Strietfeld über die Fischerei auf dem See von Lübchin vergleicht. Zu Beginn der Reformation wurde 1525 der letzte der Linie Neuhof, Marquard Behr, zum Prior des Klosters Marienehe bei Rostock gewählt und erlebte als solcher die Säkularisierung des Klosters. 1559 wurden die Klostergebäude abgetragen und die Steine zum Aufbau des Güstrower Schlosses verwandt. Dieser Prior erwähnt 1552 ausdrücklich die Brüder Gerd und Joachim Behr zu Nustrow als seine "besippte Freundschaft".

Das Bauerndorf Nustrow

Von dem Bauerndorf Nustrow habe ich keine Nachrichten gefunden. Die einzige Mitteilung bringt Wessel in seiner "Geschichte der Stadt Tessin". Dort erfahren wir, daß 1628 in Nustrow 18 Bauern und 12 Kossaten saßen. Diese Nachricht stimmt auch mit Hempels Angaben überein, daß ehemals 30 Bauern in Nustrow saßen. Es ist aber nicht bekannt, wo dieses Bauerndorf stand. Auch Flurnamen geben darüber keine Auskunft. Die mündliche Überlieferung, daß die Familie Siggelow (die alte Frau Siggelow zog vor zwei Jahren nach Warnemünde) schon über 300 Jahre hier in Nustrow wohnt, kann zutreffen, denn unter den 16 Bauern in Kowalz wurde 1612 auch ein Chim Siggelow genannt. Im Mittelalter hatten die Bauern günstige Besitzrechte. Zwar gehörte der Grund und Boden immer einem Grundherrn, dem Fürsten, einem Adeligen, der Kirche oder einer Stadt. Aber die Bauern konnten den Hof vererben. Der größte Teil saß zu Erbzinsrecht auf ihren Höfen, nur ein geringer Teil saß auf Zeitpacht. Die Bauern hatten ihrem Grundherrn bestimmte Abgaben zu entrichten und Dienste zu leisten. Diese Dienste waren aber im Mittelalter nicht so drückend, weil die Eigenwirtschaften der Ritter noch nicht umfangreich waren. Im 16. und 17. Jahrhundert verschlechterte sich die Lage der Bauern. Als die mecklenburgischen Herzöge wieder einmal in Geldnot waren, kamen die verhängnisvollen Reversalen von 1621 zustande. Dort heißt es: "Zum Sechzehnten wollen und verordnen wir, daß die Bauersleute die ihnen um gewissen Zins oder Pacht eingetanen Hufen, Äcker und Wiesen, sofern sie keine Erbzinsgerechtigkeit oder derglei-chen, gebürlich beibringen, den Eigentumsherrn, auf vorgehende Loßkündigung unweigerlich abzutreten und einzuräumen schuldig seyn sollen." Durch diese Bestimmung wurden die Bauern in Mecklenburg zu Zeitpächtern erklärt, soweit sie ihren Besitz nicht schriftlich nachweisen konnten. Solche schriftlichen Besitzurkunden waren aber nicht üblich. Jetzt konnten die Ritter ihren Bauern kündigen, und diese mußten Haus und Hof verlassen. Dann brausten die Schrecken des Dreißigjährigen Krieges durch unser Land. Die ersten Jahre des Krieges verliefen für unsere Heimat noch ruhig. Dann kamen im Herbst 1627 Wallensteins Truppen in unser Land. Sie wurden 1630 von den Schweden vertrieben. Dann herrschte wieder Ruhe. Das Elend erreichte seinen Höhepunkt im Herbst 1637 und zu Anfang des nächsten Jahres, als es die kaiserlichen und die schwedischen Truppen in jeder Weise, gleich schlimm trieben mit der Bevölkerung. Neben dem Hunger trat noch die Pest auf. Wie schrecklich der Krieg in unserer Gegend wütete, das zeigt sich am klarsten darin, daß nach dem Kriege im ganzen Amt Gnoien nur 3 Bauern und 3 Kossaten (Kleinbauern) wohnten. Welch schreckliches Bild muß das Darf Nustrow geboten haben, denn 1638 war es wüst. Dagegen waren die Ritter besser durch den Krieg gekommen. Jetzt war das Land menschenleer geworden und die Arbeitskräfte waren knapp. Deshalb wollten die Grundherrn die Bauern und deren Kinder an die Scholle binden. Zu den Reversalen von 1621 kam nun die Gesindeordnung von 1654 hinzu. Der Artikel II ordnet die Dienstbarkeit. Dort heißt es u.a., "daß die Bauersleute und Untertanen sich in dieser Zeit vielfältig unterfangen, sich ohne ihrer Herrn und Obrigkeit Vorwissen und Bewilligung zusammengesellen, sich verlo-ben und befreyen, solches aber, weil sie ihrer Herrschaft dieser unser Lande Fürstentümer kundbarem Gebrauch nach mit Knecht- und Leibeigenschaft, samt ihrem Weib und ihren Kindern, und dahero ihrer Person nicht mächtig noch sich ohn ihrer Herrn Bewilligung sich ihnen zu entziehen und zu verloben solcher maßen nicht befugt. Das wir demnach solches angemaßte heimliche Verloben und Freien der Bauersleute gäntzlich hiermit wollen verbotten und abgeschaffet haben." Durch diese Bestimmung war der Bauer zum Leibeigenen herab-gedrückt worden. Er durfte nicht ohne Bewilligung des Grundherrn heiraten oder verziehen. Außerdem mußten die Kinder im Ort bleiben.

Die Entwicklung zum Gutsdorf

Vor dem Dreißigjährigen Krieg wird es noch keine Gutshöfe im heutigen Sinn gegeben haben. In den Dörfern gab es neben den Bauernhöfen das Hoffeld des Ritters, das aber in der Regel nur so groß war wie ein oder zwei Bauernhöfe. Durch den schrecklichen Krieg wurden viele Bauern-höfe ja, ganze Dörfer wüst. In den ersten Jahrzehnten nach dem großen Krieg waren die Ritter bestrebt, die Bauernstellen wieder zu besetzen, denn mit jedem Bauern vergrößerte sich die Zahl der Hilfskräfte für die Bestellung des Hoffeldes. Es dauerte aber bis gegen Ende des Jahr-hunderts, alle Ackerflächen wieder in Kultur zu bringen. Die Felder des Gutshofes wurden von den leibeigenen Bauern bestellt. Die Frondienste der Bauern waren hart. Aus einer Dienst-ordnung aus dem Jahre 1709 entnehmen wir, daß ein Bauer wöchentlich folgende Dienste zu leisten hatte: im Frühjahr bis zur Heuernte 4 Tage mit dem Gespann, 1 Tag mit der Hand; in der Heuernte täglich mit dem Gespann und 2 Leute mit der Hand, während der Roggenernte täglich 2 Mäher und 2 Binder, beim Einfahren täglich mit dem Gespann und 1 Auflader, im Herbst und im Winter 3mal mit dem Gespann 3mal mit der Hand. Unter dieser hohen Fronarbeit litt die eigene Wirtschaft, der Bauer mußte zusätzlich Arbeitskräfte halten. Während er selbst mit Ochsen sein Land bestellte, zog der Knecht mit den Pferden auf den Hof. Nach 1700 wurde in Mecklenburg die Holsteinische Koppelwirtschaft eingeführt. Während bei der bisherigen Form, der Dreifelderwirtschaft, immer nur 2/3 der Ackerfläche bestellt wurde, wurde bei der mecklen-burgischen Abart der Koppelwirtschaft die Flur in 7 Schläge eingeteilt, davon waren nur 3 Schläge Ackerland, während die anderen als Weide und Brache liegen blieben. Auf den alten Direktorialkarten von Nustrow aus den Jahren 1758 und 1769 finden wir eine Einteilung in 7 Binnenschlägen und 7 Außenschlägen. Wir können deshalb annehmen, daß die Koppelwirtschaft auch in unserm Ort angewandt wurde. Durch diese Einteilung waren weniger Arbeitskräfte nötig, man betrieb eine extensive Viehhaltung. Überall entstanden Holländereien. Holländer waren jene Leute, die sich die Milchwirtschaft und meist auch die Schäferei von den Grundherrn gepachtet hatten. Der Leutemangel, der nach dem großen Krieg sehr spürbar war, war überwunden, und so konnten nun die Bauernhöfe, die oft durch ihre Gemengelage in den Hofschlägen störten zum Hoffeld dazu gelegt werden. Die Ritter nutzten dieses Recht des Bauernlegens redlich aus. So verschwanden im Laufe des 18. Jahrhunderts in unserer Gegend alle Bauerndörfer. Im Doma-nium, dem herzoglichen Herrschaftsbereich blieben die Bauernstellen zum großen Teil erhalten. Wohlweislich sind uns aus der Zeit des Bauernlegens wenig Nachrichten erhalten geblieben. Wir können nicht ermitteln, wann die Nustrower Bauern gelegt wurden und wo ihre Höfe lagen. Wir sehen also, daß aus den mittelalterlichen Bauern, die zu Erbzinsrecht auf ihren Häfen saßen, nach dem Dreißigjährigen Krieg Leibeigene wurden, und aus den Bauerndörfern entstan-den im 18. Jahrhundert Gutsdörfer.

Das Gutsdorf

Die älteste Karte unseres Dorfes ist die Direktorialkarte aus dem Jahre 1758. Nach dem Landesgrundgesetzlichen Erbvergleich von 1755, der ständischen Verfassung Mecklenburgs bis zum 1. Weltkrieg, wurden alle Rittergüter vermessen. Wir erkennen auf dieser Karte noch deut-lich, daß das Gutshaus von einem Burggraben umgeben ist. Auch die eigentliche Burginsel ist von der Vorburg durch einen Graben getrennt. Nachträgliche Verbesserungen in der Karte lassen erkennen, daß der Burggraben zum Wirtschaftshof hin zugeschüttet wurde. Auf dem Tessiner Ende liegen 4 (oder 5) Tagelöhnerkaten, auf dem Basser Ende 4 Katen, auf dem Samower Ende 3 Katen. Die Wirtschaftsgebäude lagen zwischen Schloß und Basser Ende, eine Scheune lag entlang der Dorfstraße, drei andere große Gebäude lagen quer dahinter. Um 1860 sind die Wirtschaftsgebäude durch ein großes Feuer zerstört worden. Danach wurden die jetzt (1948) noch vorhandenen Gebäude errichtet, was man an den daran angebrachten Jahreszahlen erkennen kann. 1794 gingen die Güter Nustrow, Stassow, Grammow und Behren-Lübchin in den Besitz der Familie von Schack über. 1825 begann der neue Besitzer von Schack mit dem Bau eines neuen Gutshauses. Die Burggräben wurden bis auf die jetzt noch vorhandenen Reste hinter dem Guts-haus zugeschüttet. Das alte Schloß wurde abgerissen, und 1830 das neue Gutshaus errichtet.

Die Nustrower Schule in früheren Zeiten

Schulen fand man in früheren Zeiten nur in den Städten. Nach dem Dreißigjährigen Krieg wurde bestimmt, daß "auf den Dörfern der Pastor oder der Küster samt ihren Frauen Schule halten und etlichen Knaben und Mägdelein in Katechismus, Gebet, Lesen, Schreiben, Rechnen unterweisen, damit die jungen Leute nicht aufwachsen wie das unvernünftige Vieh". Zunächst werden sicher die Küster eine Schule eingerichtet haben, da diese von der Kirche angestellt und bezahlt wurden. So waren ja keine Kosten für den Grundherrn damit verbunden. Im Landes-grundgesetzlichen Erbvergleich von 1755 wird jedoch nur von der Schulinspektion der Geist-lichen und von dem Kündigungsrecht des Gutsherrn gegenüber den Lehrern gesprochen. Wann in Nustrow eine Schule eingerichtet wurde, ist nicht mehr nachzuweisen. 1765 wird die Schule in Nustrow zuerst genannt. Bei der Basser Küsterwahl 1789 wird der dem Pastor bekannte Schulmeister T. aus N. (Nustrow?) erwähnt. Die Nustrower Schule könnte also Mitte des 18. Jahrhunderts entstanden sein. Im 19. Jahrhundert stand es schlecht um das Schulwesen in den Gutsdörfern. Pastor Starck schreibt 1867: "Man hat es lange Zeit für seine Pflicht gehalten, die Kinder, die zur Arbeit geboren sind, von der Schreib- und Rechenkunst als einem Gift fernzuhalten." Als 1866 ein Antrag zur Verbesserung des ritterschaftlichen Schulwesens im mecklenburgischen Landtag gestellt wurde, wurde dem Antragsteller vom Landrat von Plüskow auf Kowalz u.a. geantwortet, daß alle Kinder angehalten werden sollen, Gottes Wort soweit zu lernen, daß sie im angemessenen Alter zum Konfirmandenunterricht vorbereitet sind. Dahin gehört außer dem eigentlichen Religionsunterricht noch das Lesen als Mittel zu diesem Zweck, das Rechnen und Schreiben ginge schon darüber hinaus. Man empfahl, den Antrag auf sich beruhen zu lassen. So blieb manches im alten Patrimonial-Staat Mecklenburg auf sich beruhen. Wenn man sich den Stundenplan ansieht, erkennt man gleich die große Bedeutung der Religion. Es wurde sehr viel auswendig gelernt. Der Lehrer war nebenbei gewöhnlich noch Weber, Schneider oder übte ein anderes Handwerk aus, weil er ein sehr niedriges Gehalt bekam. Der Lehrerstand hat sich erst gehoben, als die mecklenburgischen Lehrerseminare eröffnet wurden. Bis 1920 standen die Schulen unter Aufsicht der Kirche, der Pastor inspizierte den Lehrer. Erst nach 1920 wurde die staatliche Schulaufsicht eingeführt.