Johannes Kohl; Dorfchronik von Bahlen-Bahlendorf, Bahlen 1966

Aus Ortschroniken
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Johannes Kohl, Dorfchronik von Bahlen-Bahlendorf, Bahlen 1966

Die Dorfchronik von Johannes Kohl war in altdeutscher Schrift verfasst. Die Transskription besorgte Frau Ölze. Dabei haben sich auf Grund der nicht genügenden Kenntnis der altdeutschen Schrift und der enthaltenen Begriffe, evtl. teils auch undeutlichen Schriftbildes Übertragungsfehler eingeschlichen. Soweit möglich wurden diese in den Erläuterungen am Ende des Textes der Chronik erfasst. Der Text der Chronik wurde original übernommen. Es wurden nur Zwischenüberschriften zur Gliederung des Textes eingefügt. Das erfolgte mit Zustimmung der Tochter von Johannes Kohl, Frau Anneliese Sühr, durch Dieter Greve.

Bahlen II,,,Kohl, Sühr,.jpg

Das Gehöft des Landwirts Johannes Kohl, nun im Besitz seiner Tochter Anneliese Sühr, 2021


D o r f c h r o n i k

von Bahlen- Bahlendorf, verfasst von Johannes Kohl, Bahlen (ca. 1966)

Die Gemarkung der Gemeinde Bahlen

Bahlen- Bahlendorf ist eine, während der Eiszeit entstandene typische Landschaft der Endmoräne. Geologisch gesehen bildet sie den Abschluss einer im Raum Schwerin, Ludwigslust, Hagenow beginnenden sandigen Ablagerung („griese Gegend“) über Hagenow- Heide, Jabeler Heide, Neuhaus, Dellien, Preten, Forst Blücher, Gülze, Gothmanner Berge zur Elbe. Auf einem von Gülze abzweigenden flachen Höhenrücken, der „Hohen Breite“, liegt westlich des Bahler Waldes das Dorf Bahlen. In Fortsetzung desselben über „Bahler Camp“, „Bahlendorfer Camp“ in 1 km Entfernung Bahlendorf. Unmittelbar anschließend die Niederung der Boize und Elbe. Seitlich begrenzt wird die Feldmark Bahlen- Bahlendorf durch die während der Eiszeit entstandenen Urströme und Abschlusstäler, im Süden der Bahler Wiesen im Norden Stadtgamm, Bahler Gamm, Neu Gülzer Gamm. Der Urcharakter dieser Landschaft ist im Bahler Wald weitgehend erhalten geblieben. Von Menschen besiedelt war das Gebiet schon lange vor unserer Zeitrechnung, das beweisen zahlreiche Funde der Steinzeit und der Bronzezeit.

Die Frühe Zeit in der Region bis zum Ende des Dreißigjährigen Kriegs

Im Jahr 1912 übergab der damalige Bahler Lehrer Hermann Lohse ein Steinbeil und einen Bronzespeer, beide waren kurz vorher auf Bahler Gebiet gefunden worden, dem Landesmuseum in Schwerin. Weitere Funde, hauptsächlich Steinbeile und Steinschaber, sind immer wieder gemacht worden. Ein ziemlich geformter Steinspeer wurde vor einigen Jahren dem Boizenburger Altertumsforscher und Lehrer Hans Vick übergeben. Soweit unsere Vermutungen über die Urbevölkerung dieses Gebietes, welche diese Gegenstände einmal benutzt haben.

Unsere unmittelbaren Vorfahren waren Wenden (Slaven). Es ist anzunehmen, dass unser Dorf zu Zeiten des Wendenfürsten Niklot um 1100 u.Z. schon in seinen Anfängen vorhanden war. Hier einmal besiedeltes Gebiet, die Gegenstände der Stein- und Bronzezeit beweisen es, wird niemals wieder ganz verlassen. Es sei denn, dass andere Stämme sie verdrängen oder sich mit ihnen vermischen, also durch Assimilation. Die ursprüngliche Form und Anlage von Bahlen, die Kreis- bzw. Hufeisenform, ist bei den Bauerngehöften zum größten Teil noch heute vorhanden. Ein Beweis, dass die Erbauer Wenden waren. Es ist auch bekannt, dass die Wenden gerade den leichten Sandboden bevorzugten und Fischereimöglichkeiten suchten wie an Elbe und Sude. Urkundliche Nachweise, seien es Familiennachweise aus Kirchenbüchern oder behördliche Urkunden zum Beispiel für den Ortsteil Bahlendorf, welcher zu der Zeit noch Bahlerhof hieß und ähnlich wie Metlitzhof und Bügerhof zur Stadt Boizenburg gehörte, sind etwa seit dem Jahre 1600 vorhanden. Es handelt sich dabei um Inventarverzeichnisse für den jeweiligen Pächter von Bahlerhof, die noch in Boizenburg im Stadtarchiv vorhanden sind.

Vom Dreißigjährigen Krieges bis zum Beginn des des 19.Jahrhunderts

Zu dieser Zeit bestand das Dorf Bahlen aus drei Bauern und fünf Kätern (Kossaten). Es sind dies:

1. Bauernstelle: Lüneburg, Jehring, Hinrichs (jetzt Sühr) 2. „ : Riebe, Wieske, Steffen (jetzt Kohl) 3. „ : Steffens (jetzt Niemann)

1. Kossaten : Konow ( ) 2. „ : Elvers ( ) 3. „ : Lemm, Schlage (jetzt Schlage) 4. „ : Brockmüller, Konow (Bergweg 1, R. Konow) 5. „ : Mahnke, Elvers, Jenkel, Ketzin, Kossen (Alte Str. 34, J. Zielke)

Seit 1613 ohne Unterbrechung im Besitz der Familien sind Bauernstellen 2- Kohl. Die heutige Bauernstelle 3- Konow, Bauernstelle 6- Elvers und Bauernstelle 7- Schlage. Die übrigen vier Stellen sind an andere Familien übergegangen. (Welche sind dies ???)

Die Ahnenfolge von Bauernstelle 2- Konow ist folgende: (Neue Str. 26, A. Sühr) 1. Hans Riebe 1603, ihm folgt 2. Joachim Riebe 1646, ihm folgt 3. Joachim Wieske 1657, ihm folgt sein Schwiegersohn 4. Claus Steffen 1684, ihm folgt sein Sohn 5. Hans Joachim Steffen 1713, ihm folgt sein Sohn 6. Hans Joachim Steffen 1737, ihm folgt sein Sohn 7. Joachim Jürgen Steffen 1766, ihm folgt sein Sohn 8. Hans Jochen Steffen 1794, ihm folgt sein Sohn 9. Joachim Heinrich Steffen 1813, ihm folgt sein Schwiegersohn 10. Wilhelm Kohl 1856, ihm folgt sein Sohn 11. Johann Kohl 1895, ihm folgt sein Sohn 12. Johann Kohl 1927, seine Tochter Anneliese heiratet Claus-Jürgen Sühr 1959

Die Ahnenfolge Elvers, Bauernstelle 6 ist folgende: (Bergweg 7) 1. Hans Peter Elvers 1704, ihm folgt sein Sohn 2. Peter Elvers 1715, ihm folgt sein Sohn 3. Peter Carsten Elvers 1739, ihm folgt sein Sohn 4. Hans Peter Elvers 1769, ihm folgt sein Sohn 5. Johann Jakob Elvers 1805, ihm folgt sein Sohn 6. Wilhelm Johann Elvers 1839, ihm folgt sein Sohn 7. Johann Elvers 1872, ihm folgt sein Sohn 8. Gustav Elvers 1912, ihm folgt seine Tochter 9. Annemarie Elvers 1953, welche 1948 den Bauern Emil Schlage, Bgt. 7 Bahlen, geheiratet hat,

   ihr folgt ihr Sohn  

10. Helmuth Schlage 1975

Die Ahnenfolge von Bauernstelle 3- Konow ist folgende: --- (Auflistung fehlt)

Die Ahnenfolge von Bauerngut 7- Schlage ist folgende: --- (Auflistung fehlt)


Etwa bis 1750 bestand die ungleiche Größe der 3 Bauernstellen und der 5 Kossaten. Zu einer Aufteilung und gleich großen Abmessung kam es um diese Zeit durch folgenden Vorfall:

Der Amtmann in Boizenburg beauftragt die fünf Kossaten in Bahlen, zwei Kirchenglocken aus Lüneburg mit dem Fuhrwerk zu holen, die für die Kirche in Boizenburg bestimmt sind. Die Kossaten sind unwillig und erklären: die Bauern haben den meisten Acker und die besten Pferde, wir haben nur wenig und unsere Pferde sind mager. Aber der Amtmann wusste sie zu überzeugen: „Strüwt juch nich, dat is för`t Gottshus. Kümmt deTid, denn sall deilt warden“. Nach Jahr und Tag gehen alle eines Sonntags zur Kirche nach Boizenburg. Zwischen Bahlerhof und Boizenburg hüten einige Schlachterjungen die Schafe ihrer Meister, aus Zeitvertreib spielen sie nahe des Weges „Stäk“. Das ist ein Messerspiel, welches heute nicht mehr bekannt ist. Dabei wird ein offenes Taschenmesser auf den Rücken der geschlossenen Hand gelegt. Durch einen seitlichen Ruck der Hand versucht man, dass das Messer sich überschlägt und möglichst senkrecht im Boden steckt. Ist das der Fall, dann kann der Werfer seinen Pflock eine ganze Messerlänge an den Zielpflock heranrücken. Steht das Messer schräge, dann nur eine halbe Messerlänge. Liegt es auf der Seite, nur eine Messerbreite. Jeder Spieler hat einen Pflock. Wessen Pflock zuerst am festgelegten Zielpunkt ist, hat gewonnen. Dies sehen die Bahler Kirchgänger im Vorbeigehen. Einer von den drei Bauern meint: Kiek einer an, de Pricken taun Vermäten stäkt dor all. Denn sall dor ock woll vermäten warden. Das sollte den Kossaten gelten. Bei passender Gelegenheit erzählten die Kossaten dies dem Amtmann: „Herr Amtmann, sogar up`n Weg nah de Kirch heppt de Buern uns taun Besten.“ „ Is dat wohr ?“, frögt de Amtmann ? „Ja, dat is wohr, sechen de Kossaten.“ „Gaud“,secht de Amtmann, „denn sall deilt warden.“ Und es wurde die Vermessung für alle acht Betriebe vorbereitet und in Gang gebracht.

Nach der Vermessung nannten sich die Inhaber nun mehr Hauswirt. Der Boden und die Gebäude gehörten dem mecklenburgischen Herzog, später Großherzog. Alle zehn Jahre wurden die einzelnen Ackerkoppeln verlost und neu zugeteilt. Starb eine Familie aus, so fiel die Stelle an den Großherzog zurück und der setzte andere Bauern als Hauswirt ein. Waren keine männlichen Erben vorhanden, bedurfte es einer besonderen Genehmigung, den Schwiegersohn als Hauswirt zuzulassen. Diese Hauswirtsbriefe sind wohl noch allgemein bei den Bahler Bauernfamilien vorhanden.

Ein allgemeiner Aufschwung und Umbruch hatte sich angebahnt. Die Schrecken und Brandschatzungen des 30-jährigen Krieges (1618 – 1648) waren überstanden. Eine Epoche der Abgeschiedenheit ging ihrem Ende entgegen. Um den runden Dorfplatz angelegt, mit etwa 50 m Abstand voneinander entfernt und dem Dorfplatz zugewandt hatten je vier Familien einen Backofen. Die Reste der aus großen Feldsteinen errichteten Öfen sind noch heute vorhanden. Mehrere offene Brunnen aus Felsen in den Sandboden gelassen, die ebenfalls in Gemeinbesitz waren und unserer Generation noch als Wasserentnahme dienten, sind noch Zeugen dieser Zeit. Alle Verkehrswege führten am Dorfplatz vorbei. In schützender Lage am Rande des hügeligen Bahler Waldes gelegen und als Wehrdorf angelegt hatte Bahlen ein halbes Jahrtausend überstanden. Das Nachbardorf Gülze sprengte seine geschlossene Lage, Neu- Gülze entstand. Drei Gülzer Bauern errichteten ihre Gehöfte zwischen Bahlen und Gülze, Rietut genannt. Zwei Bauern von Gülze siedelten sich in Schwanheide an, auf Flächen, die bis dahin von Gülze aus bestellt wurden.

Das 19. Jahrhundert. Die Ansiedlung von Büdnern, Arbeiten und Leben im Dorf

Einflüsse von außen zwangen unsere Vorfahren, ihre Abgeschiedenheit von der Umwelt aufzugeben. Das Gesicht des Dorfes änderte sich. 1750 – 1800 war von hannoverscher Seite der Elbe mit der Eindeichung des Stromes begonnen worden. Auch die diesseitigen Gebiete von Neu- Bleckede einschließlich der Teldau bis Dömitz folgten. Nur die Strecke von Bleckederholz über Gothmann bis Boizenburg blieb offen. Während sich vor den Deichbauten die ungeheuren Wassermassen der Elbe vom Oberlauf während der Frühjahrsschneeschmelze und bei Wolkenbrüchen über die gesamte Elbniederung bis Lüneburg hin verteilten, wurden sie nunmehr in das offene Gebiet Boizenburg – Bahlendorf – Bahlen – Gothmann –Bandekow – Gülze –Blücher – Besitz – Preten usw. gedrückt. Hatte Bahlen-Bahlendorf bis dahin kein Hochwasser gekannt, so begann dann eine fast 200 Jahre währende Zeit jährlich wiederkehrender Überschwemmungen, bei zwischendurch etwa 10- jährigen Pausen, sogenannte Hochwasser- Katastrophen. Aus diesem Grunde waren die Bahler Hauswirte gezwungen, ihre Bauernhäuser einige Fuß höher zu heben. Das Konow`sche Gehöft, welches unmittelbar an die Wiesen grenzte, musste ganz abgebrochen werden. Es wurde auf dem runden Dorfplatz wieder aufgebaut. Einige uralte Weiden, die bis heute noch am Weg nach Gothmann neben dem Konow`schen Anner Gordens stehen, sind noch als Erinnerung an die lange zurückliegende Zeit des einstigen Haus- und Hofplatzes vorhanden. Um diese Zeit bei ansteigender Bevölkerungszahl, sah sich die großherzogliche Regierung in Schwerin gezwungen, für die zweiten und weiteren erwachsenen Kinder der Bauern in den Dörfern Ansiedlungsmöglichkeiten zu schaffen und es wurde mit der Errichtung von Büdnereien begonnen.

Die Büdnereien: 1. Stier, Martens, Bonatz, jetzt Langenberg (jetzt Schröfel) 2. Bandow, Schlage, Hinzmann, Luck, Röhrup (jetzt Meyer) wurden auf dem runden Dorfplatz errichtet.

Weitere Büdnereien: 3. Hinzmann (jetzt Duwe) 4. Eggert (jetzt Basedow) 5. Garber, Porthun (jetzt Konow) 6. Mahnke, Konow (jetzt Hardes) wurden außerhalb des Dorfplatzes am Rande zum Bahler Wald errichtet. Alle Wege, die bis dahin am Dorf vorbeigingen, wurden nunmehr durch das Dorf geführt und kreuzten sich auf dem bis dahin runden Dorfplatz. Die alten ausgefahrenen Wegprofile sind in den Ackerkoppeln noch zu erkennen. Zwischen dem Hauswirt Lemm und dem Hauswirt Elvers wird im Stil der bisherigen Bauernhäuser eine Schule errichtet, mit einem Klassenzimmer, Wohnraum für eine Lehrerfamilie und Wirtschaftsräumen- etwa einer Büdnerei entsprechend.

Da die Dorflehrer nur wenig Gehalt bekamen, waren sie gezwungen, (nebenbei) Landwirtschaft zu betreiben. In der Koppel hielten sie sich zwei Milchkühe. Pflug- und Saatarbeiten, Dungfahren, Anfuhr von Heu und Getreide, die Anfuhr des Schulholzes und Brenntorf für die Klasse und den Lehrer, zusammen etwa 28 rm, mussten von den acht Hauswirten unentgeltlich ausgeführt werden. Die Zerkleinerung des Holzes und Nebenarbeiten oblag den anderen Dorfbewohnern.. Für die Kirche in Boizenburg hatten die Hauswirte jährlich Wurst und Brot zu liefern. Erst in unserem Jahrhundert wurde dies in Geldleistung umgewandelt.

„In Bahlen is nix tau halen“, Auswärtige haben diesen Satz einmal geprägt, wohl nicht ganz zu Unrecht. Die Lage.der Bahler Hauswirte war alles andere als rosig. Der leichte Sandboden brachte nur niedrige Erträge. Die besseren Böden waren zu oft der Vernichtung ihrer Kulturen durch das Hochwasser ausgesetzt. Aus den damals guten Wiesen waren saure und sumpfige Wiesen geworden. Für die nur als Hauswirte fungierenden Bauern hatte die großherzogliche Regierung in Schwerin kein offenes Ohr. Im Gegensatz dazu wurde im Nachbarland Hannover, wo weniger Großbesitz vorhanden war, von den Königen der Welfen wohlwollende Bauernpolitik betrieben. Die Rückständigkeit der Bauern in Mecklenburg gegenüber denen in Hannover war offensichtlich. In Mecklenburg war der Großgrundbesitz dominierend und stets bevorzugt. Ein Beispiel unserer Gegend war die Teldau: Hier hatten die Edelleute ihre Weidegüter. Herrn von Lücken aus Zahrensdorf gehörte Amholz, zu Badekow gehörte Weitenfeld. Von Stenglin aus Beckendorf war Besitzer in Franzhagen und von Bülow aus Rodenwalde-Goldenbow gehörte die Gosau. Timkenberg, Grabenau, Sprengelshof, alle in den Händen von Gutsbesitzern. Das Gebiet der gesamten Teldau bekam im Zusammenhang mit der hannoversche Elbeindeichung von mecklenburgischer Seite einen Winterdeich. Von den Dörfern umher wurden Sommerdeiche gezogen. Bahlen- Bahlendorf hatte seinen Stübberdeich und den Röthdeich, die nur bei niedrigen Überschwemmungen Schutz boten.

Ein Amtmann in Boizenburg äußerte einmal bei einer Hochwasserbesichtigung: „Diese Bauern, die seien die reinsten Wasserratten.“ Wie gab es einen Ausweg aus dieser Lage? Irgendwie musste er gefunden werden. Es war den Bahler Hauswirten aufgefallen, dass von Zeit zu Zeit Leute von auswärts kamen, welche die Wasserläufe und Kuhlen nach Blutegeln absuchten. Sie gingen barfuß in das warme Wasser, die Egel saugten sich an die nackten Füße und wurden dann abgenommen und in eine Flasche getan. Dies war an und für sich nichts Außergewöhnliches, denn in jedem Haushalt hielt man ein paar Egel auf Vorrat für den Krankheitsfall. Die Anwendung als Heilmethode war einfach und meist auch erfolgreich. Der Egel wurde auf eine leicht angeritzte Stelle der Haut angesetzt. Wenn er sich prall vollgesaugt hatte, wurde er abgenommen und ein wenig mit Salz überstreut, damit er das Blut wieder ausspie. Erst dann wurde derselbe in die mit etwas Torf und wenig Wasser am Grund bedeckte Flasche zurückgetan. Um ihn am Leben zu erhalten, musste der Egel das Blut erst wieder von sich geben. Die mit einem Leinenlappen verbundene Flasche, meistens vor dem Küchenfenster stehend, war vor 50 – 60 Jahren in unserem Dorf noch anzutreffen. Doch nun zurück zu den fremden Sammlern. Auf die Frage, wozu sie so viel Egel brauchten, antworteten sie nur ausweichend. Unsere Bahler Hauswirte kamen dahinter, dass diese Egel in Hamburg Stück für Stück für teures Geld verkauft wurden. Um sich zu vergewissern, gingen einige junge Bahler Bauern mit einem kleinen Vorrat die `sieben Meilen` nach Hamburg und konnten die Egel teuer verkaufen. Und man bat sie, mehr zu bringen. Von Hamburg aus gingen sie als sogenannte Medizinegel in die ganze Welt. Ein guter Nebenverdienst war erschlossen. Eifrig begann man, diese Egel zu sammeln. Sobald eine genügende Menge vorhanden war, übergab man sie dem Händler in Hamburg. Dadurch bekamen unsere Vorfahren Geld in die Hand konnten andere Bauern veranlassen, für sie zu sammeln. Im Laufe der Jahre entwickelte sich ein regelrechter Blutegel-Handel. Immer weiter östlich führte das Verkaufsgebiet. Johann Elvers der 1872 die Bauernstelle von seinem Vater übernahm, erzählte mir, als ich noch jung war: „Die Vorderachse von diesem Wagen ist noch mit nach Kioff (Kiew, Ukraine) gewesen . Bis nach Polen und in die Ukraine hatten sie ihre Aufkäufer. Jährlich einmal wurde eine monatelange Reise in diese östlichen Gebiete unternommen und man kehrte mit reichem Einkauf nach hier zurück. Aus den kleinen hölzernen Tonnen entleerte man die Egel in sogenannte „Ilenkulen“, welche man zu diesem Zweck ausgeworfen hatte.

Diese „Ilenkulen“ sind noch heute hinter dem Bahler Wald vorhanden, sog. Bülten. Durch diesen Handel waren einige Bahler Familien reich geworden. Ein Lehrer Kreutzer hat im vorigen Jahrhundert zwei kleine Bücher über diese Zeit verfasst: „De Ilenhannel“ und „De Tatminsch“. Leider sind diese beiden kleinen Schriften, die sich in einer Bahler Bibliothek befanden, während des zweiten Weltkrieges verloren gegangen. Durch die Verbesserung der Heilkunde ging der Absatz von Blutegeln nach und nach zurück, so dass sich das Geschäft nicht mehr lohnte. Da sich die Hauswirte an lange Fahrten auf den Landstraßen gewöhnt hatten und Pferde und Wagen besaßen, befassten sie sich in der Folge mit dem Gütertransport. Zu der Zeit, wo es noch keine Eisenbahnen gab, bot sich Gelegenheit genug, hiermit Geld zu verdienen. Aus Erzählungen von Eltern, Großeltern und Urgroßeltern geht hervor, dass sie damals Weinfässer aus dem Rheinland nach Schwerin und Lübeck transportierten, Salz aus Lüneburg holten und bis an die Ostsee brachten und die Waren von Kaufleuten auf Jahrmärkten und Messen fuhren. Der Hauswirt Brockmüller aus Bahlen brachte für ei-nen Schuhmacher aus Boizenburg einmal die von ihm gefertigten Stiefel und Schuhe auf den Herbstmarkt. Später wusste er folgendes spaßige Erlebnis zu erzählen, welches unsere Eltern und Großeltern noch oft zum Schmunzeln brachte: Kommen da drei Hofknechte von Rodenwalde an den Stand des Schuhmachers. Der eine von den dreien, der etwas klein von Statur ist, passt sich ein Paar Stiefel an. „Wat kost dei, Meister ?“ „Fief Dahler- nah weil du dat büst- veer un`n halben Dahler“. „Watt“, secht de Lütt, „Ick mak min Arbeit genau so wie de Groten, wenn ick ok man lütt bün. Ick kann mi genau so väl leisten as de Annern“. „Ganz recht“, secht de Meister, „ick hew mi irrt, dat sünd jo ok wek tau fief Dahler“.

Später, nach 1856 befasste sich der Hauswirt Wilhelm Kohl, der aus Bandekow stammte und 1856 in die Steffen`sche Stelle einheiratete, mit Pferdehandel. Unzählige Pferde holte derselbe aus Dänemark. Zu Anfang nahm er den Fußweg, einen Snor zusammengekoppelt, die Pferdemärkte in Hamburg, Hannover und Uelzen besuchend, sie dort zu verkaufen. Später lieferte er besonders den großen Gütern im südwestlichen Mecklenburg die schwarzen Pferde. Von seinem Sohn Johann Kohl, der 1895 die Stelle übernahm, wurde das Geschäft noch erweitert. Skanderborg, Aarhus und Randers in Dänemark waren die Haupteinkaufsmärkte. Ein 1885 erbauter großer Pferdestall ist noch heute auf dem Gehöft vorhanden. So versuchte jeder, sich auf seiner Stelle zu halten. Es soll auch nicht verschwiegen werden, dass auch ungesetzliche Mittel angewandt wurden. Die Not zwang unsere Vorfahren, davon Gebrauch zu machen. Eines war der Schmuggel mit Elbschiffern. Diese kamen, wenn sie für die Nacht auf der Elbe Anker geworfen hatten, zu ihren bekannten Bauern und boten Weizen, Weizenmehl, Zicker usw. an. Für einen Schinken, eine Seite Speck usw. tauschten sie diese Produkte aus ihrer Schiffsladung. Zwei Pferde vor den Vorderwagen gespannt, der ganze Wagen hätte zu viele Geräusche gemacht, sind sie nachts an das Elbufer gefahren und brachten eine tüchtige Fuhre heim. So musste die Elbe für ihre Schäden auch ihren Tribut zahlen. Auch beim Wintertransport (Weintransport?) waren unsere Vorfahren nicht schüchtern. Sollten sie dursten, wenn sie den guten Wein fuhren? Unbemerkt wurde ein Fass mit dem Fritbohrer angezapft, angesogen, einige Flaschen gefüllt und mit Wasser wieder ausgeglichen und dann mit einem kleinen Holzpflock wieder verschlossen. Mitunter sind sie dann wohl sternhagelbesoffen gewesen. Unsere Großeltern übermittelten uns von ihren Eltern folgenden Vorfall: Auf großen Fahrten wurde ein Ersatzpferd mitgenommen, um bei schlechten Wegen und bergan als Vorspann zu dienen. Nach einer größeren Fahrt heimwärts diesseits Hagenow sagt plötzlich einer der Hauswirte: Wäder un Blitz, hebbt wie denn Schimmel stahn laten in Walsmählen in`n Stall ? Notgedrungen musste einer zurück und den Schimmel holen. Zu der Zeit, da in Bahlen die 6 Büdnereien erbaut wurden, es war vor 1800, wurde auch Bahlerhof in Büdnereien aufgeteilt. Folgende, noch heute vorhandene Büdnereien wurden errichtet:

1.Hennings, Lüneburg, Hein, Behnke, Schlage (jetzt Wieczoreck) 2.Lüdemann, Thymian (jetzt Stolz) 3.Bädker (jetzt …) 4.Kien, Mahnke, Behnke, Schlage (jetzt Wiese) 5.Pinnow (jetzt … ) 6.Severin, Nieland (jetzt Wegelin) 7.Krahn, Frank,Till, Lieschewski (jetzt … ) 8.Gnaust, Simon, Konow (jetzt …) 9.Wöhlke, Gehrke, Koch (jetzt … ) 10.Schlage, Paschen (jetzt Machhein) 11.Eckhard, Buck (jetzt …) 12.Behnke, Schlage (jetzt abgebrannt) 13.Basedow, Stroyny (jetzt Hieke) 14.Levermann, Nieland ( ) 15.Goosmann, Bleck (jetzt Rogge) 16.Tiedemann, Sprenger (jetzt Paeseler) Folgende Büdnereien sind noch im Besitz der der Familien ihrer Gründer: Büdnerei 2, 3, 5, 10, 12, 13, 14 und 15. Amtlich hieß Bahlerhof nun Bahlendorf. Es bekam seinen eigenen Dorfschulzen. Dieses Schulzenamt hatte der damalige Besitzer der Büdnerei 12- Behnke. Nach dem Krieg 1870 – 1871 wurde Bahlendorf mit Bahlen zu einer Gemeinde zusammengelegt. Der Bahler Schulze Lüneburg übernahm das von dem Bahlendorfer Schulze Behnke verwaltete Schulzenamt mit.

Im Jahre 1874 wurde Bahlendorf von einem Großfeuer heimgesucht. 6 Büdnereien wurden eingeäschert (brannten ab) Es waren dies die Büdnereien 10, 12, 13, 14, 15, und 16. Alle wurden massiv wieder aufgebaut. Alle anderen mit Ausnahme von Büdnerei 3, welche 1946 abbrannte, sind noch die im Anfang errichteten Strohdachgebäude. Die Büdnerei 12- Otto Schlage brannte 1947 ab und wurde in den folgenden Jahren am Totenweg (Schwarzer Weg, richtig Heckenweg) wieder aufgebaut.

Mit zunehmender Bevölkerungszahl wurde auch die vorhandene Nutzfläche an Acker und Wiesen knapper. Mancherlei Konflikte zwischen den angrenzenden Gemeinden sind noch lange in der Erinnerung wach geblieben. So hat einmal ein Ratsherr aus Boizenburg beim Schulzen Lüneburg in dessen Haus mit dem Krückstock gegen ein Kätelzwang, eine eiserne Stange mit Haken an dem der Kessel über dem offenen Feuer im Swibagen hing, geschlagen und übermütig erklärt: „Bit hieran hört dat uns“. Tatsächlich ging die Grenze von Boizenburg, da Bahlerhof Stadtgut war, bis etwa 100m an Bahlen heran. Einige kegelförmige Markierungen in den Wiesen sind noch heute erkennbar. Als zwischen Bahlen und Gothmann die Grenze vom Amtsmesser genau festgelegt wurde, waren die Bahler Hauswirte mit der eingeschlagenen Richtung der Grenze nicht zufrieden und sagten: „Gothmann hett so väle Wischen, un wenn dat so wieder geiht, nähmt sei uns de Bahler Wischen ok noch weg“. Das bestimme ich“, sagte der Vermesser. „Na, dat lat wie uns nich gefallen“, sagten die Bahler Hauswirte. „Da künnt ji nix an ändern, ick föhr na Swerin“, sagte der Hauswirt Konow, „un beswer mi“, drehte sich um und ging weg. „Kamen sei mol her, Konow und bliewt sei hier“, eine andere Richtung wurde eingeschlagen. Dieser Winkel in der Grenze ist noch heute vorhanden. Dadurch kam die Grenze bis an den Rand der Gothmanner Tannen. In dieser Zeit kam ein Gesetz der mecklenburgischen Regierung in Schwerin heraus, dass die Hauswirte die innehabenden Stellen in Erbschaft (richtig Erbpacht) übernehmen konnten. Ein volles Eigentum wurde ihnen dadurch noch nicht gegeben. Eine hypothekarische Belastung wurde aber möglich. Weiter fiel die 10- jährige Neuzuteilung des Ackers fort. Mit einer jährlichen Pacht waren die Zinsen für eine staatliche, unkündbare Hypothek zu zahlen. In Bahlen betrug diese Pacht für den nunmehrigen Erbpächter etwa 120 Goldmark. Bis 1860 gingen 7 Hauswirtstellen in Bahlen in Erbpacht. Da beim Hauswirt Mahnke keine Erben vorhanden waren, wurde diese Stelle als Büdnerei vermessen. Die Jagd und eventuelle Schätze im Boden für die gesamte Feldmark blieben Eigentum der mecklenburgischen Regierung. Der Erbpächter Wilhelm Johann Elvers bricht nach der Erbpachtung sein altes Bauernhaus im Dorf ab und baute sich auf seinem Gamm-Stück ein neues. Durch die Erbpachtung und Neuvermessung wurden in allen Dörfern Flächen an Acker und Wiesen nicht zugeteilt und als sogenannte Amtsreservate für spätere Ansiedlungen vorgesehen. Diese Flächen sind dann in den folgenden Jahrzehnten zur Errichtung von Häuslereien verwandt worden. In Bahlen wurden in der ersten Phase 6 Häuslereien errichtet. Mit staatlichem Zuschuss entstanden die folgenden Häuslereien: 1.Scheer, jetzt Pingel ( ) 2.Stöckmann, z.Zt. bewohnt von Perschke ( ) 3.Köster, jetzt Rump ( ) 4.Buck und Ahlers, dann Keim (jetzt Klopp) 5.Zählke, jetzt Dühring (jetzt Hundl) 6.Jahnke, Dittmer, Reinke, Thiele ( )

Diesen in den achtziger Jahren des vorigen Jh. errichteten Häuslereien folgten Anfang des jetztigen Jh. weitere 8, es sind dies:

7.Iserloth, Klatt, Röhr, Lemke (jetzt König) 8.Kiehn (jetzt Herpich) 9.Lange, Tiedemann, Bädker (jetzt leer) 10.Messling, Schlubeck, Sump (jetzt Phillip Thiel) 11.Schlage, jetzt Retzlaff ( ) 12.Paschen (jetzt Burmeister) 13.Niemann (Alte Str., jetzt Friderike Seemann) 14.Nieland ( ) Alle Häuslereien sind seit ihrer Errichtung als 1- Kuh- Wirtschaft vermessen. Wie bei den Büdnereien ist ja eine gemeinsame Weide vorhanden. Wie die Alten sich ausdrückten: „Wie driewt uns Kauh in Kommün“. Bahlen-Bahlendorf ist größer geworden.

Doch nun zurück zu wichtigen Ereignissen des vorigen Jh.. Das 19.Jh. brachte im Anfang viel Not und Entbehrung. 1806 – 1813, die sogenannte Franzosenzeit blieb nicht ohne Einfluss auf die Entwicklung von Bahlen- Bahlendorf: Truppendurchzüge, Einquartierungen, Requisitionen und Drangsale haben noch lange die Gemüter unserer Vorfahren bewegt. Enkel und Urenkel erfuhren und behielten diese Zeit noch lange im Gedächtnis. Unserer älteren Generation sind noch manche Episoden überliefert worden. Um die schlimmste Not zu lindern, wurde in der Kirche zu Boizenburg, für die umliegenden Dörfer eine behördliche Verteilung von Brot eingerichtet. Bloß keinen Krieg, `Leiwer in Frädenstied drög Brot äten`, wussten unsere Vorfahren von ihren Eltern und Großeltern zu berichten. In Bahlen wohnte zu dieser Zeit ein Schneider Scheer in der Nebenwohnung der Büdnerei 4. Russische Truppen hatten sich östlich von Bahlen zurückgezogen. Ihnen folgten von Westen her französische Einheiten. Schneider Scheer, den sie auf der Dorfstraße erwischten, nahmen sie sich vor, nun von ihm mehr über die Russen zu erfahren. Doch eine Verständigung war schlecht zu erreichen. Scheer der von früheren Einquartierungen der Franzosen nur einige Brocken Französisch im Gedächtnis hatte, sagte: „ Vons boche“, „Zehn Schläge“, sagte der französische Korporal und der Scheider erhielt mit der Reitpeitsche zehn Hiebe. „Vons boche, vons boche“ stammelte der Schneider. Nochmals zehn, nochmals zehn. „Vons boche, vons boche“ sagte Scheer und wusste nicht, dass dies ein französisches Schimpfwort war. Die französischen Soldaten mochten zuletzt annehmen, der hat wohl nicht seine fünf Sinne und ließen ihn laufen. „Wie har mi dat gahn, wenn ick kein französisch künnt har, de harden mi jo woll dot schaten“, wußte der Schneider später zu erzählen. In der französischen Marketenderei in Boizenburg waren eines Nachts sämtliche Silbersachen, Bestecke usw. gestohlen worden. Eine groß angelegte Suchaktion wurde von der französischen Kommandantur angeordnet. Es erging eine kurzfristige Androhung einer Kontribution, wenn das Silberzeug nicht wieder beschafft werden konnte. In Bahlen hatten einige Einwohner in Erfahrung gebracht, dass die Spitzbuben die Silbersachen in der Ziegelei Gresse versteckt hatten. Die Ziegelei an der Straße, unmittelbar an der Grenze Schwartow – Gresse gelegen, existiert heute nicht mehr. Die meldeten dies, Das Silberzeug wurde gefunden und die Kontribution konnte vermieden werden. Sehr oft mussten Bahler Hauswirte für die französische Bagage Fuhren unternehmen. Das dauerte meistens Tage, manchmal auch Wochen, ehe sie zurück durften. Durch List gelang es dem Bahler Hauswirt Johannes Jakob Elvers einmal, in einem unbeobachteten Augenblick zu entwischen und auf Umwegen frühzeitig nach Bahlen zurückzukehren. Während der Franzosenzeit und danach wurde die alte Heerstraße Hamburg – Berlin zur Chaussee ausgebaut und 1826 fertiggestellt. Wie der Volksmund wissen will, soll die Anregung zum Ausbau der Straße von dem Kaiser Napoleon I ausgegangen sein. Jahre kamen und gingen und allmählich waren auch die Wunden und die Not, welche die Franzosenzeit hinterlassen hatte, vernarbt. Das Leben ging weiter. Saat und Ernte, Geburt und Tod wechselten einander ab. Am Horizont beginnen sich die Umrisse einer neuen Zeit bemerkbar zu machen. Die Dampfmaschine wurde erfunden, zwischen Hamburg und Berlin wird in den Jahren die Eisenbahn-Linie gebaut und im Dezember 1846 fertiggestellt - für unsere Bahler Hauswirte, die ihr Geld auf den Straßen durch Fuhren verdienten, ein ernsthafter Konkurrent. Durch den Beginn des Anhutschen ? Zeitalters bleibt der Arbeitsablauf der Dorfbewohner vorerst noch unberührt. Sense, Holzpflug und Dreschflegel waren seit jeher die notwendigen Ackergeräte gewesen und sollten es für dieses Jh. und noch darüber hinaus bleiben.

Der Schreiber dieser Zeilen erinnert sich noch sehr gut daran, als Kind morgens von dem gleichmäßigen Klipp- Klapp, mitunter auch von einem Klipp- Klapp- Klapp geweckt zu werden, wenn zwei oder drei Leute mit ihren Dreschflegeln in der Nähe arbeiteten. Die gesamte Getreideernte wurde schon immer auf diese Art gedroschen. Und unsere Vorfahren, so schwer die körperliche Arbeit auch war, haben sich nur zögernd und ungern der maschinellen Entwicklung angepasst. Wie ich schon einige Jahre zur Schule ging, diskutierten zwei alte Drescher über den Dreschsloope. Wöhlke behauptete, es sei zweckmäßiger, den Dreschflegel schwerer und klobiger zu fertigen, da durch das größere Gewicht das Korn besser herausginge. Tiedemann dagegen war der Meinung, wenn der Flegel leichter wäre, könnte man mehr Schwung dahinter setzen. Sie wurden sich nicht einig und hatten wohl beide recht. Von ihrem alten Holzpflug konnten sie sich auch nur schwer trennen. Von tüchtigen Schmieden und Stellmachern gebaut arbeiten sie auch gut: `Gah mi los mit`n isern Plaug, ick holl dat mit de ollen`, war lange Zeit das Motto. Schließlich musste der `Hölzerne` dann doch weichen. Auch der gute alte mecklenburgische Haken, der hauptsächlich bei der Brache-Bearbeitung Verwendung fand, hat sich noch lange als unentbehrlich behauptet. Ein Exemplar ist in Bahlen noch beim Bauern Niemann vorhanden, wird aber nicht mehr benutzt. Vom preußisch-österreichischen Krieg 1864 gegen Dänemark ist hier folgendes bekannt: Österreichische Kavallerie war in Boizenburg ausgeladen worden und setzte sich in Marsch Richtung Lauenburg in Bewegung. Das Herzogtum Lauenburg gehörte damals zu Dänemark. Kurz vor Horst, dem heutigen Zonenkontrollpunkt (ehemaligen Grenzkontrollpunkt), etwa 50 m vor der Gastwirtschaft Köster bäumte sich das Pferd eines österreichischen Fähnrichs auf, überschlug sich und begrub den Fähnrich unter sich, der dabei zu Tode kam. An dieser Stelle stand noch während meiner Schulzeit ein kleiner Gedenkstein mit eingemeißeltem Kreuz. Einen zweiten Krieg bescherte das vorige Jahrhundert: die deutsch-französische Auseinander-setzung 1870 – 1871, groß an Opfern auf beiden Seiten. Für Bahlen-Bahlendorf hat er weniger nachteilige Folgen gehabt. Als einziger aus Bahlendorf musste der Büdner Heinrich Nieland daran teilnehmen. Bei der Gefangennahme des Generals Mac Mahon war seine Truppeneinheit mit beteiligt. Nieland kehrte 1871 wieder zurück. Eine schwere Hochwasserkatastrophe gab es (März 1876- 6,63 m; März 1881- 6,56 m) 1888 (April- 6,22 m) und sieben Jahre später (April- 6,70 m) eine weitere. Beide Male wurde das Militär eingesetzt, um Menschen und Vieh zu retten. Hamburger Pioniere versorgten ganze Dörfer mit Lebensmitteln, die vom Wasser umgeben waren. Das Vieh, soweit es nicht fortgebracht werden konnte, musste in den Ställen hochgedämmt werden. Sämtliches Saatgut wurde vernichtet. Einige Jahre vergingen, ehe diese Schäden überwunden waren. Auch die Häuser und Wohnungen, in denen das Wasser mehrere Wochen stand, waren stark beschädigt worden. Totale Hochwasserjahre waren auch 1920, 1926, 1940 und 1954. Erst 1954 sind die Schäden, welche die Bewohner der betroffenen Gebiete durch Hochwasser hatten, durch die deutsche Versicherung? aus eigener Kraft überwinden, was die uneingedeichte Elbe an Schäden verursacht hatte. Nur ein einziges Mal, im Jahre 1926, als das Sommer-Hochwasser Getreide, Kartoffeln, Rüben und sämtliches Wiesenfutter vernichtet hatte, sah sich die mecklenburgische Regierung gezwungen, den Dörfern im Katastrophengebiet Kredite zu geben, hierauf wird an späterer Stelle noch eingegangen.

Ein etwas düsteres Kapitel des vergangenen Jh., welches auch noch in dieses Jh. hineinreicht, wollen wir nicht auslassen und zwar das des Aberglaubens der Leute. Durch den harten Daseinskampf waren unsere Vorfahren diesem Irrglauben wohl leichter zugänglich geworden. Jeder Verlust an Vieh traf sie besonders hart. Jede Krankheit in der Familie bedrohte unmittelbar ihre Existenz. Irgend eine Versicherung, wie sie heute als selbstverständlich gilt, gab es noch nicht. Welchen Wahnvorstellungen die Menschen sich damals hingaben, mögen einige Episoden aus unserem Dorf beleuchten. Etwa 1915 erzählte mir der letzte, der aus der Familie Lüneburg das Bahler Dorfschulzenamt innehatte, Hermann Lüneburg, folgende selbsterlebte Begebenheiten: „Die achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts sind dafür bekannt gewesen, dass sie mit ihren niedrigen Verkaufserlösen für das Bauerntum äußerst ungünstig waren (Caprivizeit). In diesen Jahren“, so erzählte er, „hatte mein Vater noch obendrein sehr viele Verluste beim Vieh, mal war es bei den Kälbern, dann bei den Kühen und dann bei den Schweinen, auch wertvolle Fohlen wollten nicht gedeihen. Da riss meinem Vater die Geduld: `Dat geiht doch nich mit rechten Dingen tau, morgen föhr ick tau Carmohn na Hagenow`“.

Ich habe den Schulzen Lüneburg noch gekannt, ein energischer alter Mann mit Backenbart. Was der sich vorgenommen hatte, das führte er auch durch. “ Mein Vater setzte sich auf die Bahn, fuhr bis Hagenow- Land und ging dann zu Fuß zu Carmohn. `Na min Jung, nu ward tau dull` begrüßte Carmohn den Lüneburg. `Ja, ja, ick weit bescheid. Ick weit bescheid, wo di de Schau drückt.` Mein Vater brauchte gar nicht viel zu erzählen, das schien Carmohn alles so zu wissen. `Wenn dat so wieder geiht, dor müt man ja een armen Mann warden`, sagte er. `Dat stimmt`, secht Carmohn, `sech mal Lüneborg, hest du all markt, dat sick bi di in`t Hus mannichmal ne frömde Katt uphölt ?` und mein Vater überlegte. `Ja, secht hei, dat hew ick. Gistern noch wier dor ne swarte Katt un de wier all öfter dor. Ja, ja, all tämlich oft.` `Sühst du woll`, secht Carmohn, `denn wull`n wi dat mal up`n Grund gahn. Nu hör mal tau, wenn du tau Hus kümmst und de Katt kümmt werrer, dann giw ehr mal einen ornlichen Denkzeddel. Legg di einen Knüppel prat und denn hau tau, äwers nich dotslagen. Dat wier dat irste und denn sast du mal seihn, in de nächsten Dag` kümmt einer bi di, um sick wat tau leihen. Und dat is de Übeltäter, de dat Veih behexen deiht.` `O man, wat wür ick froh sien, wenn ick dor achter kam`, sagte mein Vater. Er bezahlte seinen Taler, bedankte sich und fuhr wieder nach Hause. Denn nächsten Dag glückte em dat all, dat hei de Katt to seihn kreech un ehr so richtig einen bipuhlen künn. Na, nu wullen wi mal seihn, dacht` hei un wier gespannt, wie dat wieder güng. Na twei Dag röppt Schulden Mudder ehren Mann: `Kümm mal rinn, Johann Bandows Mudder is hier. „Ja, wat giwt?“ „Ach Lüneborg, ick hew ne Bidd, ick wull schrieben, kannst du mi villicht ehn Bogen Papier utleihen ? Ick hew sülbst kein mehr.` dreihte sich um un güng rut. Nahier beobachtet Lüneborg, as sei weg güng, dat Bandows Mudder humpelt hett. Bandows hadden de Bäunerie 2 in Bahlen. De Mann wier Schauster un se wirn achtbore Lüd. Nu wier dat Unglück üwer de Familie rinbraken. Lüneborg glöwte nu tau weten, wer sein Veih behexen deiht. Und dat duerte nich lang, dor wüssen dat uk anne Lüd in Bahlen, dei an dissen Spauk glöwten. Un wat wier dat nu mit disse Begäbenheit. Von alle Siden, as een Dörphex ankäken tau warden, dat künn sei nich öwerwinnen. De ganze Familie har beschloten, na Amerika tau gahn.“

Wie der letzte Lüneburg mir diese Geschichte erzählte, musste ich lachen. „Hermann,“ sagte ich, „was hat die Katze denn hiermit zu tun ?“ „Lache nicht, Junge, wenn du erst älter bist, wirst du es verstehen. Bandows Mutter hat sich in diese Katze verwandelt und dann das Vieh verhext. Diesen Schuften hatten wir all unser Malheur zu verdanken.“ Und das erzählte er eindringlich und überzeugend. Ich versuchte ihm beizupflichten und das alles zu glauben. So hat er mir noch so manche Spukgeschichte erzählt, die sich auf Kreuzwegen zugetragen hat, von alten Sargnägeln in die Schwelle des Hauses schlagen, von `blaach Melk` usw. Eines will ich noch berichten und das ging so zu: In jedem Frühjahr, zum Ende des Winters wurde Holz gefahren: Brennholz für die Schule, Armenholz und auch Schleeten, die auf öffentlichen Auktionen gekauft wurden. An einer bestimmten Stelle in Bengerstorf war es den Bahler Holzfahrern aufgefallen, dass die Pferde scheuten und nicht weiter wollten. Sie sprangen zur Seite und schließlich machten sie einen Satz und dann ging es im Galopp weiter. Und das wiederholte sich auch im Jahr danach. Lüneburg erzählte es auch mal Carmohn in Hagenow und fragte , was man dagegen tun könne. „Hest du keen Äx bi di hatt, Lüneborg ? Ja, denn will ik di mal `n Rat gäben: Blot een Speich von dat Rad an dien Wagen müsst du denn riskieren, dat schad nich, hett Carmohn secht, De Hauptsak is, wie kriegt mal tau wäten, wat dor hinner stäken deit. So, wenn du wedder Holt föhrst, un de Pierd` sik grugen, holl an, nimm de Äx un slag ehn Speich ut dat Rad un denn warst du seihn, wat kümmt.“ Wie ihm Carmohn geraten, bereitete er sich für die nächste Fahrt vor. Wieder an der selben Stelle blieben die Pferde stehen und scheuten. Und nun wurde Carmohns Rat befolgt. Und was geschah nun ? Eine Frau kam angelaufen, mit den Armen gestikulierend. „ Holl up, holl up, mien leiwe Mann, holl up.“ Langsam zogen die Pferde an und gingen weiter, als wäre nichts geschehen. Das war die Hexe, die in Bengerstorf wohnte und jahrelang diesen Unfug betrieben hatte. Hätte mein Vater noch eine Speiche aus dem Rad rausgeschlagen, wäre sie wohl tot umgefallen. Vollständig waren die Lüneburgs in diesen finsteren Aberglauben verfallen. Ich habe später noch oft von älteren Leuten gehört, das war ihr Ruin, daran sind sie zugrunde gegangen. Als tüchtige Bauern waren die Lüneburgs bekannt. Solange sich überhaupt zurückverfolgen lässt, hatte diese Familie das Schulzenamt inne. Mit den ersten Bürgerfamilien in Boizenburg waren sie verwandt und verschwägert (Haupt, Evers). Während der Amtszeit des Schulzen Johann Lüneburg Ende des vorigen Jahrhunderts begann die Technik bei den Bahler Hauswirten, alte Methoden nach und nach zu verdrängen.

Veräderungen des Arbeiten und Lebens im Dorf mit Einführung der Technik in die Landwirtschaft und Veränderungen der Infrastruktur

Die ersten Dreschmaschinen tauchten auf, diese wurden durch Radwerk angetrieben, sogenannte Pferdegöpel. Zum Reinigen des Korns bediente man sich der handbetriebenen Windschüttler, auch Rummel genannt. Spinnräder und Webstühle wurden weniger. Seit jeher hatten Großmutter, Urgroßmutter und deren Ahnen ihren Bedarf an Leinen und Halbstoffen selbst angefertigt und es galt als selbstverständlich, einem jungen Mädchen eine bestimmte Anzahl von gewebten Ballen mit in die Ehe zu geben. Nun hatten andere den damaligen Frauen diese mühsame Arbeit abgenommen. Webereien waren entstanden und es gab Leinen und Stoffe zu kaufen. Die Technik schlug Bresche um Bresche in die Jahrhunderte alten Gewohnheiten unserer Vorfahren. Doch mit den Gewohnheiten ging auch eine Zeit dahin, der man noch lange wehmutsvoll gedachte.

Der Dichter unserer Heimat, Helmut Schröder, wusste den Lauf dieser Zeit den Nachkommen treffend und lebendig zu schildern mit folgenden Fersen:

 Liesing klingt as Abendglocken

mi dörch`t stille Hart dat Leid Größing singt mit achtern Wocken Ach, wo doch de Tid hengeiht.

 Up denn Huker, ihr tau Sieden

Köpping liggt in ihr Schot. Seih denn Faden hen ick glieden as min Läben sünner Not. ???

 Klagend klüngen Schiedeglocken

Größing fünn ihr ewig Rauh. Sing dat Leid ick achtern Wocken, hört min Dochterkind nu tau.

 Wat will`t ward`fn noch un ick wanner,

uk denn Weg, denn alles geiht Achtern Wocken sitt mit`n anner, Sitt de Lütt un singt dat Leid.

Mannigfaltig hat die Technik in den Tagesablauf der Arbeit eingegriffen und ihn verändert und es lohnt sich die Erinnerung an die vergangenen Zeiten wachzuhalten. Damals gab es noch keine eingezäunten Weiden für die Kühe und das Jungvieh. Jeder Hauswirt und spätere Erbpächter, wenn er selbst keine schulentlassenen Kinder hatte, nahm für die Sommermonate einen 14- oder 15- jährigen Jungen zum Kühe hüten. Diese `Kauhhierers` kamen meistens aus Hamburg und es war immer ein besonderes Ereignis im Dorf, wenn diejenigen eintrafen. Diese aufgeweckten Jungen der Großstadt übermittelten den hiesigen Kindern manches Neue und Interessante. Den Eltern in Hamburg war es besonders daran gelegen, ihren Kindern einige Monate frische Landluft und gesunde, kräftige Kost zu bieten. Es ist mehrere Male vorgekommen, dass im hohen Mannesalter diese Hamburger noch einmal nach Bahlen kamen und sich ihrer hier verlebten Jugendzeit erfreuten und Erinnerungen austauschten. Ein Gedicht von ihnen für alle 7 Bauern dürfte den älteren Einwohnern noch heute bekannt sein: Nun danket alle Gott De Bahler Schull makt banrott Johann Kaul hätt nich mehr väl Hermann Konow ritt up`n Bessenstäl Johann Elvers süht sick Jog`n ut`n Sod Wilhelm Kaul smiert sick Fett up`t Brot Hinnerck Slag kikt äwern Tun Johann Niemann- da schweigt des Sängers Höflichkeit De letzte Stroph`ward fläut`t. Oder den kleinen Spottvers brachten sie gelegentlich an: Mecklenburg, du Land des Treun, Muskatüffel un Bottermelk. Mit der Möglichkeit, Draht zum Einzäunen der Weiden zu kaufen, war diese Cowboy- Zeit vorbei. Auch in der Milchverarbeitung hatte sich eine vollständige Umwälzung vollzogen, da die ersten Zentrifugen auftauchten. Bis dahin wurde die Milch im Keller in irdenen Satten zum Abrahmen aufgestellt. In alten Kellern sind noch heute die in die Wand eingelassenen Falzen zum Einschieben der Borde vorhanden.

Im Winter wurden die Satten im `Melkschapp` zum Abrahmen aufbewahrt. Wenn sich genügend Sahne auf der Milch gebildet hatte, musste sie noch ein paar Tage abstehen und konnte dann verbuttert werden. Das war oft eine langwierige Arbeit für die Landfrau: `Dat will un will nich boddern`, hat wohl so manche Frau gejammert und musste dann bis tief in die Nacht das Butterfass drehen. Die Handzentrifuge brachte schon eine wesentliche Erleichterung der aufzuwendenden Arbeit. Doch erst die nach und nach entstandenen Molkereien nahmen den Bauern die mühselige und wohl häufig unhygienische Milchverarbeitung ab. Es hat aber immerhin eine ganze Zeit gedauert, ehe unsere Vorfahren sich dazu entschließen konnten, die Milch zur Molkerei zu bringen. Viele Vorurteile waren zu überwinden:

  Dat mark ick all an`n Dörndrücker, dat sei in de Molkerie sünd. 
  Gah mi los, so backig sünd de von`t Plummaus.
  Ja, ja, de Bandekower hebbt sick all an de Molkerie anslaten, 
  dat rück ick in`n Harwst, wenn de Wind von dor kümmt un sei biet`t Plumenbacken sünd. 

Diese und ähnliche Sprüche mussten herhalten. Es hat aber alles nichts genutzt, heute braucht keine Frau mehr zu buttern und auch kein Brot mehr zu backen. Jahrhunderte alte Fesseln, die zu der Zeit notwendig waren wie das tägliche Brot haben sich zum Wohle aller Menschen gelöst. Wenn die Bahler und Bahlendorfer bei der Einführung neuer Methoden auch nicht gerade immer die Ersten waren, die Letzten waren sie keinesfalls. Der Anwendung von Kunstdünger haben sie sich sehr frühzeitig zugewandt, um die geringen Erträge ihres leichten Sandbodens zu erhöhen. Den ersten Kali-Dünger (Kainit) holten sie sich mit dem Fuhrwerk aus dem Kalibergwerk Lübtheen. Die Dreifelderwirtschaft ging mehr und mehr zurück. Die Umweltverhältnisse ließen es nicht mehr zu, ein Drittel des Ackerlandes brach liegen zu lassen. Weitere Erfindungen beeinflussten auch die persönlichen Anforderungen unserer Dorfbewohner. Nachdem das Veloziped von dem Fahrrad abgelöst wurde, gingen die ersten Waghalsigen daran, sich ein solches anzuschaffen. Eine ganze Weile hatte man diese Teufelsräder verflucht, brachten sie doch bei deren Begegnungen die Pferde zum Schnauben und manchmal auch zum Durchgehen. Im Jahre 1901 erhielt Bahlen die erste Fernsprechstelle. Daraus wurde dann die sogenannte Gemeindeöffentliche Bahlen. In diesem ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts entwickelte sich oft manches was heute nicht mehr wegzudenken ist. In 1 km Entfernung begann der Bau der Wandplattenfabrik Boizenburg. Viele Einwohner aus Bahlen und Bahlendorf fanden beim Bau und bei der späteren Produktion einen guten Verdienst. Die Chaussee Boizenburg-Bahnhof nach Teldau wurde gebaut. Dadurch bekam Bahlen eine feste Straße. In nicht guter Erinnerung sind noch die sehr sandigen Wege entlang des Bahler Waldes. Zum Während des Straßenbaus nutzte der Büdner Wilhelm Konow die Gelegenheit, sämtliche Ziegelsteine für den Bau einer Gastwirtschaft nebst Tanzsaal auf einer gelegten Feldbahn von Gothmann nach Bahlen, auf der die benötigten Chausseesteine angefahren wurden, auch für seinen Bau zu nutzen. Die alte Schule in Bahlen entsprach nicht mehr den Erfordernissen der damaligen Zeit. Die Gemeinde und somit die verantwortlichen Vertreter des Dorfes entschlossen sich, ein neues Schulgebäude zu errichten. Von der alten Schule blieb nur der massive `Dälenen`n. Als Lehrer um die Jahrhundertwende in Bahlen wirkte Carl Betke, der aus Eldena stammte. Er war ein großer kräftiger Mann. Man mochte ihn eher für einen mecklenburgischen Bauern, als für einen Erzieher halten. Angewiesen auf die Erträge seiner Schulkompetenz musste so ein Lehrer recht vielseitig veranlagt sein, 8 Jahrgänge gleichzeitig zu unterrichten. Im Winterhalbjahr wurde vormittags und nachmittags unterrichtet, im Sommerhalbjahr nur vormittags. Vor dem Unterricht Kühe füttern und tränken und während der Pause noch mal hingucken. Als Personal reichte es meistens auch nur für ein schulentlassenes Mädchen. Die Frau hatte ihre Arbeit in der Familie und bei den Mahlzeiten. Man wird nicht umhin können, trotz geringer Schulleistungen und Lernergebnisse die Leistungen eines solchen Landlehrers hoch einzuschätzen und zu würdigen. Dabei fehlte es nicht an (Hohn und) beißendem Spott über die damaligen Landpädagogen: „Wird im Dorf ein Schwein geschlachtet, seht mal wie der Dorfschulmeister lacht. Die erste Wurst soll seine sein, das arme Dorfschulmeisterlein.“ Die ganze Misere der damaligen mecklenburgischen Dorfschulverhältnisse konnte manche Blüte treiben. Es war nichts Außergewöhnliches, wenn der Landlehrer seine Schulaufsicht, welche die ev.-luth. Landeskirche ausübte und in Bahlen ein Pastor aus Boizenburg innehatte, wenn er unerwartet einmal eintraf und in seiner Klasse in Holzpantoffeln umherging. Oder eine Pause für seine Schüler unendlich lang wurde, da eine Kuh sich beim Kalben so viel Zeit ließ. Der Lehrer Betke ging um 1905 nach Greven und übernahm die dortige Schule.

Die Lehrerkompetenz in Greven hatte besseren Acker und vor allem gab es dort kein Hochwasser. Ein verheirateter Lehrer war für Bahlen nicht vorhanden, jedenfalls meldete sich keiner und so mussten zwei Praktikanten aus Neukloster für jeweils ein halbes Jahr die Schule übernehmen, Herr Franz Jonas und Herr Ahrens. Beide sollten sich in der Praxis auf ihren künftigen Lehrerberuf vorbereiten. Wie haben sich in dieser Zeit die ganzen Lehrerverhältnisse geändert, aber es war doch ein ganzes Menschenleben notwendig, um in dieser Zeitspanne Schritt für Schritt die heutige Höhe zu erreichen und die Rückständigkeit zu überwinden. Die kommunale Verwaltung in unseren Dörfern war denkbar einfach, um nicht zu sagen, primitiv. In Boizenburg befand sich das Dominalamt (Domanialamt), welches von dem Amtmann, später Amtshauptmann, geleitet wurde. Diesem standen ein paar Schreibkräfte zur Verfügung. Der Hauptverbindungsmann zu den Dorfschulzen war der Amtslandreiter `Landrieder`, hoch zu Pferd, dessen weite Pelerine reichte noch über die Schulter des Pferdes und war ein bekanntes Bild der Landstraße. Von Dorf zu Dorf, von einem Schulzen zum anderen überbrachte er die Anordnungen des Amtsmannes, kontrollierte die Befahrbarkeit der Landstraßen und Brücken, setzte Termine für die Räumung der Gräben usw.. Diese ehemaligen langgedienten Kavalleristen, die den Posten des Landrieders innehatten, waren richtige Respektspersonen. Der letzte, den ich gekannt habe, namens Oestreid (Oestreich?), sah aus wie ein General auf alten Bildern. Das Exekutivorgan der Staatsmacht war das Amtsgericht in Boizenburg, dessen oberster Vertreter der Amtsrichter war. Ihm oblag die Gerichtsbarkeit sowie auch das Grundbuchamt. Ein Amtsanwalt sowie zwei Gendarmen waren für das Landgericht Boizenburg zuständig. Einer der Gendarmen hatte ebenfalls ein Pferd zur Verfügung. Der letzte Berittene, Wachtmeister Alfred Schwarz, der von der Kaiserzeit bis über den totalen Zusammenbruch hinaus allen Staatsformen treu gedient hat, ist bei den Landbewohnern wegen seiner Urwüchsigkeit und Leutseligkeit noch allgemein in guter Erinnerung. „Schwarz,“ sagte ein alter Bahler Bauer nach der Revolution und dem Kriegsende zu ihm: „denn Dägen harr ick mi öwer nich afnehmen laten.“ „So, finnst du ?“, erwiderte Schwarz. „Du weitst doch, wat in de Bibel steiht: Ein Jedermann sei Untertan der Obrigkeit, die Gewalt über ihn hat.“ Als er etwas später wieder im Dienst war, sagte er einmal: „Ich tue meine Pflicht und all das Rudern kümmert mich nicht.“ Ihre liebe Not hatten die Gendarmen vor dem ersten Weltkrieg mit den Handwerksburschen wie sie in der Dorfsprache genannt wurden. Arbeitslose aller Altersklassen tippelten jahrein, jahraus auf den Straßen von Hamburg nach Berlin und umgekehrt sowie auf den Nebenstraßen, um irgend eine Arbeit zu suchen. Betteln war verboten und sie mussten es doch tun, um nicht zu verhungern. Das war eine Zeit sozialer Ungerechtigkeit. „Was haben wir bloß für eine Last mit diesen Leuten“, sagte der Gendarm einmal bei einem Termin im Landgericht Boizenburg. „Sei doch froh, dass wir da sind“, erwiderte ihm ein Berliner schlagfertig, „sonst wärt ihr auch arbeitslos.“ Die Ära des Schulzen Lüneburg in Bahlen war zu Ende gegangen. An seine Stelle wurde der damalige Schöffe und Erbpächter, Hermann Konow, aus Bahlen vom Amtshauptmann als Schulze für Bahlen-Bahlendorf eingesetzt. Auf die Lehreranwärter Jonas und Ahrens folgte endlich wieder ein verheirateter Lehrer für die Schule in Bahlen, Hermann Lohse. Dieser Lehrer hat für die Kinder unseres Dorfes für ein halbes Jahrzehnt überaus erfolgreich gewirkt. Allgemein hieß es damals: `wenn er auch zu sehr Demokrat ist, aber lernen tun die Kinder in Bahlen mehr als in der Stadt.` und das war keine Übertreibung. Wer das Glück hatte, bei ihm zu lernen, der war für sein ganzes Leben gut gerüstet. Mehrere Schüler brachte er zur Lehrer-Ausbildung, einen zum Ingenieur Studium. Leider verließ Hermann Lohse 1913 unser Dorf. Durch Selbststudium hatte er die Mittelschulprüfung bestanden und ging mit dieser Qualifikation nach Westerstede in Ostfriesland. In unserem Dorf hatte sich ein reges gesellschaftliches Leben entwickelt, ein Gesangsverein wurde gegründet `Einigkeit Bahlen-Bahlendorf`, der alle Schichten der Dorfbevölkerung umfasste. Der Werftarbeiter Franz Detels von Boizenburg-Bahnhof war der hervorragende Dirigent des Vereins, der lange unvergessen blieb. Später übernahm diesen Posten der Plattenfabrikarbeiter Johannes Wartmann. Beiden Dirigenten gelang es, eine beachtliche vierstimmige Sangeskunst zu entwickeln. Im Sängerwettstreit mit Nachbarvereinen konnte mancher Preis ersungen werden. Die ihr dort unten träumt, verschlafet die Stunde nicht. Die Welt steht schon umsäumt von freiem Sonnenlicht. Von seinem Sonnenlicht, wacht auf, wacht auf, Frühling ist draußen, Frühling ist draußen. Bei Hochzeiten im Dorf, auch bei silberne und goldenen Hochzeiten war es Sitte geworden, dass der Gesangsverein ein Stän dchen brachte.

Oh glücklich, wer das Herz gefunden, das nur in Liebe denkt und sinnt und mit der Liebe treu verbunden, ein schönes Leben erst beginnt.

Durch einen Verein wurde eine umfangreiche Leihbibliothek zusammengestellt. Die langjährigen Vorsitzenden waren die Büdner Friedrich Levermann aus Bahlendorf und Heinrich Basedow aus Bahlen. Kassierer des Vereins war Franz Nieland aus Bahlendorf. Im Zusammenwirken mit dem jeweiligen Lehrer fand im Sommer das traditionelle Kinderfest statt. Ältere Bewohner können sich vielleicht noch gut an diese frohe Kinderzeit erinnern. Ein weiterer Verein wurde gegründet, der Faustballverein `Teutonia Bahlen-Bahlendorf. Junge Männer zwischen 17 und 23 Jahren hatten Interesse und fanden sich in diesem Verein zusammen. Weitere Veranstaltungen in der neuen Gastwirtschaft mit Tanzsaal des ehemaligen Maurers Wilhelm Konow trug dazu bei, die Geselligkeit im Dorf zu pflegen. Überhaupt hatte sich der Lebensstandard schon merklich verbessert.

Der Erste Weltkrieg und seine Folgen. Die Weimarer Republik. Der Nationalsozialismus

Da trat eine jähe Wende ein. In Sarajevo waren der österreichische Erzherzog Franz Ferdinand und seine Frau einem Anschlag zum Opfer gefallen. Das führte zu diplomatischen Verwicklungen zwischen zwei mächtigen Kräftegruppen, dem Vereinsbund Österreich, Italien, Deutschland und der `Triple Entende`, also Frankreich, das Vereinigte Königreich und Russland. Ein Ultimatum jagte das andere. Eine gespannte Erregung unter den Menschen entstand und plötzlich begann die Mobilmachung- der erste Weltkrieg begann, es war der 28.Juli 1914. Der Roggen war zur Hälfte gemäht, da mussten die ersten Reservisten ihre Heimat in Bahlen-Bahlendorf verlassen. Auf der Bahnstrecke Hamburg – Berlin die nur etwa 1 km von unseren Feldern entfernt ist, fuhren die ersten Truppentransporte vorbei. Kavallerie, Infanterie und Bagage, das waren damals die aktiven Garnisonstruppen. Die Gespräche bei der Ernte drehten sich nur um dieses eine Thema. Wie wird es in einem Jahr sein, wenn wir wieder beim Roggen sind ? `Dann sind alle wieder hier`, meinten vor allem die Frauen. `Wollen es hoffen`, sagten die Männer. `Krieg kommt schnell, dauert aber`, die Alten hatten ihre eigenen Gedanken. Leider sollten sie recht behalten. Vier Mal wurde der Roggen gemäht, ehe das Völkermorden ein Ende nahm. Von Jahr zu Jahr tobte der Kampf in steigendem Maße. Mit unerhört großem Aufwand auf beiden Seiten tobten die Materialschlachten, zunehmende Not und Lebensmittelknappheit im Lande traten ein. Der Kampf war sinnlos. Eine Revolution der arbeitenden Menschen setzte diesem Wahnsinn im November 1918 ein Ende. Die Regierung Ebert - Scheidemann löste die kaiserliche ab. Aber welch eine traurige Bilanz für unser Land, aber auch für unser kleines Dorf, wieviel Leid und Tränen: 12 gesunde Männer aus Bahlen-Bahlendorf kehrten nicht mehr heim. Väter und Mütter, Ehefrauen und Verlobte und auch Kinder sahen ihre Angehörigen nicht mehr wieder. Ein unerbittliches Schicksal entriss sie ihren Familien. Wir Überlebenden wollen sie in guter Erinnerung behalten und ihnen ein ehrendes Andenken bewahren:

Ernst Bahr, Bahlendorf Willy Jenkel, Bahlen Wilhelm Klatt, Bahlen Willy Kohl; Bahlen Hans Köpke, Bahlen Johannes Pinnow, Bahlendorf Heinrich Rump, Bahlen Paul Scheer, Bahlen Willy Scheer, Bahlen Karl Schlage, Bahlen Willy Schlage, Bahlendorf Heinrich Simon, Bahlendorf

Die Revolution im November 1918 stellte das gesamte deutsche Volk vor neue Aufgaben, die Monarchie musste der Republik weichen. Auch alle Dynastien der einzelnen föderativen Staaten wurden durch parlamentarische Volksregierungen abgelöst. Verfassungen wurden für den Staat und die einzelnen Länder erarbeitet. Eine Organisation der gesamten Verwaltung wirkte sich auch bis auf das kleinste Dorf aus. Die Demokratisierung lief auf vollen Touren und Volkswahlen wurden vorbereitet für Vertreter im Reichstag, in den Landtagen und Gemeinden. Auch für unser Bahlen-Bahlendorf fand im Frühjahr 1919 die erste Wahl einer Gemeindevertretung statt: 6 Sitze fielen auf die im Dorf bestehenden kleineren Betriebe, 3 Sitze auf die größeren.

Von diesen Wahlmännern wurde der Büdner Heinrich Bädker zum Gemeindevorsteher für drei Jahre gewählt. Somit ging eine Jahrhunderte alte Epoche zu Ende. Vom Landesfürsten eingesetzt, hatten bisher die Schulzen das Amt verwaltet. Im hohen Alter gaben sie es an ihren Sohn und Nachfolger auf der Bauernstelle weiter, welches von den vorgesetzten Behörden lediglich zur Kenntnis genommen wurde. Der Erbpächter Hermann Konow, der das Amt des Schulzen in Bahlen-Bahlendorf ein Jahrzehnt lang innegehabt hatte, übergab dieses nunmehr seinem erstmalig gewählten Nachfolger, Heinrich Bädker. Mit Achtung und Würde hat Konow die Bürde dieses Amtes, besonders in den ungemein schweren Zeiten des ersten Weltkrieges getragen. Im Zuge der Zusammenlegung der bisherigen Domanialämter Boizenburg, Wittenburg und Hagenow zu einer Behörde entstand damals der Kreis Hagenow. Ihr erster Repräsentant war der sozialdemokratische Amtshauptmann Dr. Wöhlers. Schwer lasteten noch die Folgen des verlorenen Krieges auf der gesamten Wirtschaft, eine Inflation der deutschen Währung war unausweichlich und führte zu chaotischen Zuständen. Im Jahre 1924 war der Höhepunkt der Geldentwertung erreicht, das heißt eine Billion deutsche Reichsmark entsprach dem Wert einer normalen Mark, das hatte zur Folge, dass alle Sparguthaben und Hypotheken völlig wertlos wurden. Schuldeneinträge von einigen Tausend Reichsmark konnten mit dem Erlös eines einzigen Hühnereis zurück bezahlt werden. Wenn ein Arbeiter am Sonnabend seinen Wochenlohn erhielt, dann war die Entwertung schon wieder so, dass er sich am Montag fast nichts mehr kaufen konnte. Auf dem Höhepunkt dieser Situation entstand dann plötzlich die Goldmark, etwas später die Rentenmark. Da wurde aus 1 Billion wieder eine einzige Mark. Arm waren alle geworden, nur die Sachwerte behielten ihren Wert. Aber die damals entstandenen Finanzämter schöpften auch hieraus die Gelder für die Fortführung der Wirtschaft. Ein Anfang ganz von vorn begann. Während dieser Zeit entstand auch der Spottvers: `Formulare, Formulare, von der Wiege bis zur Bahre`. Alle möglichen neuen Steuern wurden eingeführt. Sehr viel Neues gab es zu bewältigen. Für den Gemeindevorsteher war dies eine Zeit der Bewährung. Doch Heinrich Bädker war allen Anforderungen gewachsen und wurde auch ein zweites Mal wieder als Gemeindevorsteher von Bahlen-Bahlendorf gewählt. Allmählig kam alles wieder in geordnete Bahnen. Die Lüneburgische Bauernstelle, die viele Male den Besitzer gewechselt hatte, wurde durch Anwendung des Vorkaufrechts von der Gemeinde übernommen. Eine Reststelle, die Büdnerei 9 (Wöhlke) blieb erhalten. Die Wiesen und Weiden wurden der Gemeindeweide zugeteilt. Vom Acker übergab man den Büdnern und Häuslern käuflich als Zuwachsland. Das Jahr 1926 brachte wieder einmal eine schwere Hochwasserkatastrophe. Kaum waren die Schäden des Winterhochwassers 1921 überwunden, da kam es mitten im Sommer. Mitte Juni stand alles unter Wasser. Der gesamte Roggen auf den niedrigen Böden stand bis an die Ähren im Wasser. Das Heu in den Wiesen konnte nicht geborgen werden, ein totaler Hochwasserschaden. Das Vieh musste schon während des Sommers woanders weiden. Neustadt-Glewe und Redefin stellten für Bahlen Bahlendorf Weiden zur Verfügung. Für den Winter war kein Futter vorhanden. Vom Kreis Hagenow wurde der Gemeindevorsteher Heinrich Bädker beauftragt, in Schleswig- Holstein Heu zu kaufen und zur Verladung zu bringen. Hunderte Eisenbahnwaggons mit Heu gingen in die Hochwassergebiete und wurden unter den Bauern verteilt. Um die Rückzahlung der Kredite, mit denen das Heu bezahlt wurde, fanden im Mecklenburgischen Landtag noch Jahre später heftige Kontroversen statt. Da die Not der betroffenen Landbewohner zu allgemein war, musste man sich schließlich doch für eine Streichung entscheiden. Eine neue Aufgabe, die Errichtung eines elektrischen Ortsnetzes mit Verbindung zur Überlandzentrale war Bahlen-Bahlendorf 1926 – 27 gestellt. Die Bedingungen für den Bau der Trasse waren schwer. Sämtliche Masten und Leitungen einschließlich der Transformatorenhäuser und Hausanschlüsse mit Zähler mussten von der Gemeinde bezahlt werden und blieben dann Eigentum der Elektrizitätsgesellschaft in Schwerin. Die Anlage im Haus hatte jeder selbst zu finanzieren. Trotz der Schwere der Bedingungen entschloss sich Bahlen-Bahlendorf mitzumachen. Durch Aufnehmen einer Roggenanleihe konnte dieses Projekt dann verwirklicht werden. Das elektrische Licht und die Motorkraft des elektrischen Stromes haben das Leben der Dorfbewohner in der Folge doch sehr erleichtert. Wird Bahlendorf wieder den Bürgermeister stellen können und Heinrich Bädker bleiben? Die anstehende Gemeindevertreterwahl sollte die Entscheidung bringen. Mit einer knappen Mehrheit wurde der Büdner Johann Kletzin aus Bahlen zum neuen Gemeindevorsteher gewählt. Das war das charakteristische, noch nicht ausgereifte Schema der Weimarer Republik: Wählen, wählen, wählen, im Verein, im Betrieb, in der Gemeinde sowie im Kreis, im Land und in der Republik. Und alles in zeitlich kurzen Abständen und zwischen einer Unmenge von Parteien. Da mussten sich die Kräfte zersplittern.

Kein Bestand, keine Muße, damit sich sehr tüchtige Kräfte entwickeln konnten. Die Launen einiger weniger Wähler konnten triumphieren. Manchmal konnte ein einzelner als Zünglein an der Waage ein Parlament dirigieren. Wer war Johann Kletzin? Ein besonnener, tüchtiger Landmann aus der Gegend von Grevesmühlen. Er hatte die Witwe des im Weltkrieg gefallenen Hans Köpke geheiratet. Er musste sich erst einarbeiten in seine neuen Aufgaben, einfühlen in die umfangreichen Aufgaben eines ganzen Dorfes und ein paar Jahre laufen schnell dahin. Und dann steht schon wieder eine neue Wahl bevor. Das hat er wohl im Laufe seiner Amtszeit schnell eingesehen. Noch vor dem Ende der Legislaturperiode entschied er sich, die Ländereien seiner Frau zu verkaufen und eine größere Siedlung in Schwartow zu übernehmen. Zwei weitere Büdner aus Bahlen, Hans Porthun und Franz Hinzmann folgten seinem Beispiel und übernahmen ebenfalls jeder eine Neubauernstelle aus dem früheren, aufgeteilten Rittergut Schwartow. Der damalige Schöffe Hermann Niemann übernahm für die kurze, restliche Zeit bis zur Neuwahl die Amtsgeschäfte des Gemeindevorstehers. Sämtliche Büdner aus Bahlen-Bahlendorf nutzten die Gelegenheit für ihren Betrieb, Zuwachsland aus der Gutsaufteilung zu kaufen. Dadurch wurden ihre Betrieb krisenfester in den oft wiederkehrenden Hochwasserjahren. Wieder musste für Bahlen-Bahlendorf ein neuer Gemeindevorsteher gewählt werden. Die anstehenden Kommunalwahlen standen mit den Kreistags- und Landtagswahlen im Zeichen zunehmender, heftiger politischer Auseinandersetzungen zwischen den Parteien. In unserem Dorf waren die Ergebnisse der bisherigen Wahlen fast immer 1/3 für die KPD und 1/3 für rechte Parteien gewesen. Stets waren auch 2 oder 3 Stimmen für die Demokratische Partei vorhanden. Bei Diskussionen nachher über das Wahlergebnis hörte man dann: `De keemen von`t Schaulmeisterhus`. Auch diesmal war das Ergebnis ähnlich dem der bisherigen Wahlen. Als neuer Gemeindevorsteher ging der Büdner Johann Nieland aus Bahlendorf als Sieger hervor. Seit seiner Schulentlassung war er als Schiffbauer in der Elbewerft Boizenburg tätig. Er war gedienter Matrose bei der Marine. Als solcher kehrte er 1918 aus dem Weltkrieg zurück. Johann Nieland galt als Anhänger der KPD. Er hatte sich, wie man so sagt, den Wind schon um die Nase wehen lassen. Und brachte für das neue Amt ein aufgeschlossenes Wissen mit. Leider sollte sein Wirken als Gemeindevorsteher nicht von langer Dauer sein. Das Jahr 1932 ging zu Ende und es kam 1933 und damit etwas Neues, die Herrschaft des Nationalsozialismus. Wohl niemand wusste so recht, was das bedeutete. Nichts Gutes ahnend, misstrauisch und abwartend verhielten sich unsere Dorfbewohner gegenüber dieser Partei. Bahlen-Bahlendorf war eines derjenigen Dörfer, wo die Propaganda dieser Partei abprallte. Ein Teil glaubte noch an alte Überlieferungen. Der größte Teil der Bewohner war Anhänger der sozialistischen Parteien, wie die bisherigen Wahlen bewiesen hatten. Aber was nützte es, plötzlich war er da. Nach dem Wahlantritt am 31.1.1933 war auch ein Festhalten an einer demokratischen Verwaltung in unserem Dorf nicht mehr möglich. Eine der ersten Maßnahmen der neuen Machthaber war die Auflösung der Gemeindeparlamente. Ein persönliches Schreiben des zweiten Schöffen der Gemeindevertretung, Kohl, an den neu eingesetzten Amtshauptmann Busch in Hagenow, den bewährten Gemeindevorsteher Johann Nieland im Amt zu belassen, blieb ohne Antwort. In Unkenntnis einer bereits eingetretenen, völlig veränderten Sachlage war dieses auch nicht zu erwarten. Jetzt herrschte eine Diktatur, die keinen Widerspruch duldete. Wer glaubte, Opposition betreiben zu können, galt als Staatsfeind. Alles wurde gleichgeschaltet, ob Beamter, Angestellter, Arbeiter oder Bauer. Der Bahler Lehrer August Knop, der als überzeugter Demokrat bekannt war, und 1933 bald ein Jahrzehnt an der Schule wirkte, musste den neuen Kurs mitmachen, um seine Stellung als Lehrer behalten zu können. Innerlich war ihm die ganze Komödie verhasst, das hat man bei gelegentlichen Aussprüchen heraushören können. Als Sohn eines kleinen Handwerkers, sein Vater war Sattlermeister in Neukloster, war er in seinem Denken und Tun als Lehrer dem kleinen Mann im Dorf zugetan. Früher als alle anderen mochte er erkannt haben, welche Aufgaben gerade unserem Dorfe mit seiner sozialistischen Wahrheit drohten. Um alle Bewohner des Ortes, der ihm inzwischen zur zweiten Heimat geworden war, vor Schaden und Verfolgung zu schützen, hat er manche Funktion der neuen Machthaber auf sich genommen. Im Gegensatz zu seinen beiden Vorgängern, den Lehrern Moldt und Schomann, die beide in Bahlen nicht heimisch werden konnten und schon nach einigen Jahren unser Dorf wieder verließen, war August Knop der richtige Mann als Erzieher der Dorfjugend. Als solcher hat er beträchtliches geleistet.

In fast 20 Jahren waren doch fast 3 ganze Schülergenerationen durch seine Klassen gegangen. Als Bürgermeister wurde 1933 der Besitzer der Lüneburgischen Reststelle, der Büdnerei 9, Walter Hinrichs, eingesetzt. Mit Mühe suchte er sich anfangs einige Mitarbeiter aus der Gemeinde zusammen, aber das Regime dauerte an. `Wie konnte es überhaupt soweit kommen?`fragte sich manch einer. Zwischen kapitalistischen Größmächten war 1914 – 1918 der Weltkrieg geführt worden, Deutschland musste kapitulieren und hatte Reparationen zu leisten. Darauf folgte die Inflation der Währung, den Betrieben fehlte Kapital und die Ausfuhr stockte (deren Absatz sank bedrohlich). Entlassungen waren unumgänglich. Es ist bekannt, dass während der Weimarer Republik ein Millionenheer von Arbeitslosen vorhanden war. Auch in Bahlen-Bahlendorf mussten sehr viele Leute stempeln gehen. Es wäre für ein reiches Amerika oder England nicht schwer gewesen, Deutschland unter die Arme zu greifen. Aber sie zeigten dem damaligen Reichskanzler Lütter die kalte Schulter, als er zu ihnen kam. Diese Zustände im damaligen Deutschland waren die richtige Brutstätte für die Ideologie eines Hitlers. Sowjetrussland, das selbst schwer an den Folgen des Krieges litt, handelte anders gegen Deutschland, indem es den Vertrag Rapallo abschloss. Was viele vorausgesagt hatten `Hitler bedeutet Krieg`, trat 1939 auch ein. Österreich, Polen, England, Frankreich, Belgien, Holland, Dänemark, Norwegen, ja fast die ganze Welt geriet in das Visier der von Deutschland, Italien und Japan angegriffenen Völker. Nordamerika, Kanada, Australien, Neuseeland usw. traten später auch in den Krieg gegen Deutschland ein. Der vermessene Schritt, den Hitler tat, war es, die Sowjetunion anzugreifen. Das war die Tat eines wahrhaft Größenwahnsinnigen und sollte zum völligen Ruin unseres Landes führen. 1941 wurde Russland angegriffen und zum Kampf herausgefordert. Für sie war es kein Kampf um die Güter dieser Erde, sondern ein Verteidigungskrieg. `Das Heiligste schützen wir mit dem Schwerte`, sang Theodor Körner und so mussten die Russen den Krieg führen. Ein Verfängnis hatte 1939 seinen Lauf begonnen, eine Tragödie hatte begonnen und wiederholte sich in noch viel schlimmerem Ausmaß, endete dann 1945 mit dem totalen Zusammenbruch des `1000- jährigen Reiches`. Am 14.April 1945 Bahlen- Bahlendorf von amerikanischen Truppen, die von Westen her anrückten, besetzt. Ihnen folgten nach einigen Tagen die Engländer. Zwischen Ludwigslust und Grabow nahmen sie dann mit den Sowjettruppen Fühlung auf. Die Kämpfe gegen die deutschen Truppen waren beendet, soweit eine kurze Darstellung der Endphase des zweiten Weltkrieges in unserem Gebiet. Aber welche Wunden sind in unserem Dorf geschlagen worden? Wo sind die jungen, hoffnungsvollen Söhne der Gemeinde Bahlen-Bahlendorf geblieben? Unter welchen Umständen mögen sie den Tod gefunden haben und wo mögen sie ihr junges Leben ausgehaucht haben? Wir Überlebenden können uns nur in Ehrfurcht vor der Größe des Opfers verneigen und sie in guter und ehrender Erinnerung behalten, so wie wir sie gekannt haben:

1. August Basedow, Bahlendorf 2. Paul Basedow, Bahlen 3. Erich Behr, Bahlendorf 4. Walter Bonatz, Bahlen 5. Helmut Buck, Bahlen 6. Johann Elvers, Bahlen 7. Gustav Elvers, Bahlen 8. Heinrich Gehrke, Bahlendorf 9. Heinrich Goosmann, Bahlendorf ??? 10. Rudolf Hinzmann, Bahlen 11. Herbert Kiehn, Bahlen 12. Karl Kiehn, Bahlen 13. Walter Knop, Bahlen 14. Gerhard Konow, Bahlen 15. Werner Lanenberg, Bahlendorf 16. Herbert Lüdemann, Bahlendorf 17. Otto Meyer, Bahlen 18. Karl Nieland, Bahlendorf 19. Otto Paschen, Bahlendorf 20. Willi Pinnow, Bahlendorf 21. Hans Porthun, Bahlen 22. Hermann Rump, Bahlen

Das Ende des Nationalsozialismus. Besatzungszeit. Die DDR-Zeit

Ein trauriges Erbe hinterließ der zweite Weltkrieg unserer Generation. 22 Männer kamen nicht mehr zurück und fehlten uns. Zerschlagen und zerbrochen lag alles danieder: keine Versorgung und keine Verwaltung, keine Post und keine Bahnverbindung, zurückströmende Menschen, die durch Bombenangriffe, Kriegshandlungen und Vertreibungen heimatlos wurden. Trecks aus Ostpreußen, Schlesien, Pommern und den Sudeten versuchten seit Ende 1944 auf den Landstraßen wieder heimwärts zu gelangen oder eine neue Heimat zu finden. Bahlen-Bahlendorf hatte damals knapp 300 Einwohner und beherbergte zeitweise über 1000 Menschen. Die erste Anordnung auf Bildung einer zivilen Verwaltung kam von den Besatzungstruppen. In Bahlendorf wurde der Besitzer der Bauernstelle 2, Johann Kohl zur Schule beordert, wo Lehrer August Knop stellvertretend den Bürgermeisterposten in den letzten Kriegsmonaten innehatte. Ein englischer Offizier und eine Dolmetscherin waren anwesend. Der Offizier schlug Kohl vor, den Bürgermeisterposten zu übernehmen. Auf die Erwiderung von Kohl, doch August Knop zu belassen, der doch früher ein guter Demokrat gewesen sei, sagte der Engländer: „ You are a farmer, yes?. Glauben Sie, dass Sie das Amt führen können?“ „ Das schon“, antwortete Kohl. „Gut, Sie sind ab heute Bürgermeister“. Welch eine Wendung in dieser Zeit, vor 12 Jahren entrissen die damaligen Machthaber dem Werftarbeiter Johann Nieland ohne Grund das Bürgermeisteramt. Auch alle Gemeindevertreter mussten ihre Ämter niederlegen. Johann Nieland war inzwischen alt geworden. Der Hauptgrund, ihn nicht wieder in Erwägung zu ziehen war wohl die konservative Haltung des Engländers und seine Forderung, einen Bauern für das Amt zu bestimmen. Diese Einstellung und Grundhaltung des englischen Offiziers finden wir auch in Willy Bredel`s Erzählung und Dokumentation über den späteren Gebietsaustausch zwischen englischen und sowjetischen Behörden. Wie dem auch sei, es war schon so wie ein Fußballspiel in Zeitlupe: Der Ball war dem Linksaußen Johann Nieland zugespielt, da geschieht etwas Außergewöhnliches, der Rechtsaußen Gröfaz kommt entgegen allen Spielregeln über das Fußballfeld gerast und entreißt Nieland den Ball, um sich ein Tor buchen zu können. Ein Sturm der Entrüstung bei den Zuschauern, Angst und Entsetzen bei den Spielern, die an seinem Verstand zu zweifeln beginnen. Mit Gewalt muss der Gröfaz vom Feld gerissen werden. Der Ball wird erneut von August Knop in Richtung des Mittelstürmers Johann Kohl gespielt, der ihn an den linken Stürmer Paul Juckel heranbringt und dem es dann gelingt, ein Tor zu erreichen. Am 1. Juli 1945 übernahmen sowjetische Truppen das von englischen Truppen besetzte mecklenburgische Gebiet bis zur Elbe. Bahlen-Bahlendorf kam vorerst zur damaligen Bezirksbürgermeisterei Boizenburg, welche von Richard Markmann geleitet wurde. Erste verwaltungsmäßige Maßnahmen wurden eingeleitet. Die Hinzuziehung eines zu ernennenden Polizisten war dem Bürgermeister jedes Dorfes von der sowjetischen Kommandantur in Boizenburg anbefohlen worden. Für Bahlen-Bahlendorf war es am Anfang Rudolf Perschke aus Bahlendorf, später ein in Bahlendorf wohnender Ingenieur Ney und nach einem halben Jahr der Zimmermann Hans Paschen aus Bahlen. Mit diesen zusammen hatte der Bürgermeister die von der sowjetischen Kommandantur in Boizenburg, später in Hagenow, geforderte Neuordnung der gesamten Verwaltung in Angriff genommen. Die Aufbringung aller landwirtschaftlichen Produkte lag noch unter Aufsicht der sowjetischen militärischen Organe. Erst 1947 hatte sich die daniederliegende Wirtschaft soweit erholt, dass an parlamentarische Wahlen herangegangen werden konnte. Die beiden Arbeiterparteien KPD und SPD hatten sich in der sozialistischen Einheitspartei vereinigt und diese Partei stellte von Anfang an die Mehrzahl der Gemeindevertreter. Einige parteilose Vertreter kamen hinzu. Kohl und Paschen wurden als Bürgermeister und Gemeindesekretär von diesem Dorfparlament erneut bestätigt und führten die Geschäfte bis zum Herbst 1950. Eine der schwierigsten Aufgaben, die nur unter Mithilfe des ganzen Dorfes zu lösen war, war damals die Unterbringung von etwa 100 Sudetendeutschen in unserem Dorf, die als Folge des Krieges ihre Heimat verlassen mussten. Ich erinnere mich noch an eine Sitzung in Boizenburg, zu der alle Bürgermeister aus der Umgebung geladen waren, und zu der der sowjetische Kommandant von Hagenow erschien und auf uns die bevorstehende Ankunft vorbereitete. Diese Umsiedlung vieler Deutscher, erklärte er, ist keine Maßnahme des Landes, woher sie kommen, auch nicht unserer Länder. Dieser Beschluss ist einstimmig von der ganzen Welt , gegen die Deutschland gekämpft hatte, gefasst worden. Diese Umsiedlung ist nicht auf Zeit, sondern für immer. Wer von unserer Generation in der Schule Goethes `Hermann und Dorothea` gelesen hat, ahnte wohl kaum, dass sie einmal vor eine solche Aufgabe gestellt würden, schwergeprüfte Menschen eine neue Heimat finden zu helfen.

Eine weitere Maßnahme nach dem Zusammenbruch war die Einführung einer Bodenreform. Bislang von den kleineren Betrieben in Pacht bewirtschaftete Ackerflächen vom ehemaligen Rittergut Schwartow und Zahrensdorf sowie umfangreiche Wiesenreservate des Kreises Hagenow im Gothmanner Busch wurden den Büdnern und Häuslern in Bahlen- Bahlendorf als Eigentum übergeben. Ab dem Herbst 1950 übernahm der Vorsitzende der Nationalen Front und Mitglied der SED; Paul Juckel aus Bahlen, den Bürgermeisterposten. Langsam und stetig hatte sich die gesamte Wirtschaft erholt. Eine Schulreform wurde durchgeführt, eine kulturelle Maßnahme ersten Ranges. Bahlen-Bahlendorf wurde den Schulen Boizenburg-Bahnhof und Boizenburg-Stadt angeschlossen. Somit gehörten alle einklassigen Dorfschulen, so auch unsere, der Vergangenheit an. Eine weitere, in die Zukunft weisende Maßnahme für alle Dörfer war die Schaffung größerer Ackerflächen. Einer modernen Technik war es nicht mehr möglich, auf den völlig zersplitterten kleinen Streifen Höchsterträge zu erzielen. Bahlen machte 1953 den Anfang. 4 Bauern gründeten eine landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft. Die beiden besitzlosen Betriebe Hinrichs und Elvers kamen hinzu. Doch die Basis der Genossenschaft war noch zu schmal. Viele blieben noch abseits und verhielten sich abwehrend. Es kam zu ihrer Auflösung 1957. Auf breiter Grundlage wurden 1960 zwei LPG-en Typ I geschaffen, für Bahlen die LPG `Wiesengrund`und für Bahlendorf die LPG `Grüne Aue`. Diese beiden LPG-en wurden 1961 zu einer LPG Typ I vereinigt mit dem Namen `Wiesengrund`. Mit Elan und Wagemut sind die Genossenschaftsbauern und –bäuerinnen seit dem Zusammenschluss an deren Weiterentwicklung herangegangen. Und nach vierjährigem Bestehen konnte der Zusammenschluss als voller Erfolg gewertet werden: 2 eigene Traktoren mit allen Zusatzgeräten , 2 Anhänger, 1 Mähdrescher, 1 Mähbinder, 1 Feldstrohpresse und 1 Siebkettenroder waren bereits vorhanden. Mit eigener Arbeitskraft wurde von den Mitgliedern der Genossenschaft ein neues Unterkunftsgebäude gebaut, sodass alle Maschinen untergestellt werden konnten. Vorsitzender der LPG war seit 1960 Alfred Niemann. Durch die Zusammenlegung vieler schmaler Ackerstreifen wurde eine intensive und moderne Bearbeitung nunmehr möglich. Vor 100 Jahren schrieb unser Landsmann, Fritz Reuter, in seinem `Ut mine Stromtied`: „Dat is wat Schönes up ein groted Feld, wo grote Släg mit prachtvullem Korn dat Landschaftsbild malen. Anners as in de Dörper, wo sick de smalen Ackerstücken as Hungerstriepen äwer den Barg trecken.“ Heute sind diese großen Felder überall in Mecklenburg vorhanden.

Eine weitere Großtat ersten Ranges, die besonders unserem Dorf zu Gute kam, war die Errichtung umfangreicher Deichbauten in der Elbe- und Sudeniederung. Die Elbe, die von Gothmann bis Boizenburg über 200 Jahre ein riesiges Hinterland durch ihr Hochwasser überfluten konnte, war seitdem durch einen starken Deich eingeschränkt worden. Weiterhin wurde der Unterlauf der Sude durch beiderseitige Deiche gesichert, soweit das Hochwasser der Elbe hinaufdrücken konnte. Leistungsstarke Pumpwerke sind für die einzelnen durch Deiche geteilten Polder gebaut worden. Vorflutgräben ziehen sich nunmehr durch unsere Wiesen und Weiden bis zu den Pumpwerken. Durch diese Baumaßnahmen ist eine intensive Bewirtschaftung dieser Flächen erst möglich geworden. Unser Dorf hat daher neben vielen weiteren Gemeinden allen Grund, unserer Regierung zu danken. Allen Mitarbeitern dieses Projektes vom Bezirk Schwerin, besonders dem 1. Sekretär Bernhardt Quant durch seine persönliche Initiative an Ort und Stelle, den Mitarbeitern vom Rat des Kreises Hagenow sowie allen Arbeitern und Ingenieuren der ausführenden Baubetriebe möge unsere Anerkennung und unser Dank gelten: `Projektiert, Organisiert, Finanziert und Realisiert`. Ein Stück wie aus einem Guss- Bravo ! Aufbau überall, auch in unserem Dorf sind weitere Hausgrundstücke entstanden, dies sind: 1. Paul Juckel, erbaut 1945 (Bergweg 5, jetzt Ruine) 2. Feldmann Knobloch, erbaut 1947 (Schulweg 17, jetzt Karlheinz Lübken) 3. Erwin Jäger, erbaut 1955 (Alte Straße 10, jetzt Kührmann) 4. Alfred Kamenski, erbaut 1962 (Alte Straße 19, jetzt …) 5. Willy Albrecht, erbaut 1962 (Alte Straße 15, jetzt …Enders) 6. Rudolf Wild, erbaut 1962 (…) 7. Alexander Kuslowski, erbaut 1962 (Alte Straße 9 ???) 8. Rudolf Jochmann, erbaut 1962 (…) 9. Werner Schwedt, erbaut 1964-65 (Alte Straße 13) 10. Wohngroßbau NVA, erbaut 1965 (Neue Straße 45) (Gaststätte Hardes/ Lilly Achenbach Neue Str. 39)

Da durch die Schulreform das alte Schulgebäude in Bahlen nicht mehr zu seinem Zweck gebraucht wurde, ist dieses umgebaut worden und es entstanden dort 3 Wohnungen, ein Gemeindebüro und ein kleiner Kulturraum. Reformen überall, auch die Finanzverwaltung des kommunalen Sektors ist seit 1950 Schritt für Schritt den aktuellen Gegebenheiten und Erfordernissen angepasst wurden. War es bis dahin die Gemeinde, auch wenn sie noch so klein war, so wurde es dann der der gesamte Kreis mit all seinen Industrien, Betrieben und Unternehmen, die mit ihrer Arbeitsproduktivität die Verwaltungen der Dorfgemeinden aller Größen finanzieren. Während der Posten des Dorfschulzen und später des Gemeindevorstehers früher nebenberuflich verwaltet wurde und mit seiner Acker- und Wiesenkompetenz vergütet wurde, wird der Bürgermeisterposten nunmehr hauptberuflich ausgeübt und in bar honoriert. Bahlen-Bahlendorf hätte mit seinem geringen Einkommen die heutige Verwaltung nicht selbst finanzieren können. Wenn es bis zu dieser Reform trotzdem möglich war, so ging es häufig nur, indem auf wichtige Vorhaben verzichtet wurde und Einschränkungen an allen Ecken vorgenommen wurden. Auch das Talent und die Fähigkeit des Kassierers trug viel dazu bei, den Gemeindehaushalt auszubalancieren. Bei Beratung des Haushaltsplans, bei Anschaffungen und größeren Ausgaben hieß es bei den Gemeindevertretersitzungen gewöhnlich `Kassierer, wie staht de Finanzen, ward dat gahn?` Wie ein vorsorglicher Hausvater, der alle Möglichkeiten kannte und in der Gemeindekasse immer bestrebt war, eine Reserve für Unvorhergesehenes zu haben, hat in Bahlen-Bahlendorf Hans Nieland vorbildlich als langjähriger Gemeindekassierer gewirkt. Nunmehr werden die von den Gemeinden eingereichten Haushaltspläne von den Experten in Hagenow bearbeitet, geprüft, korrigiert und gebilligt. Alles in Allem ein verwaltungsmäßiger Fortschritt. Ein kleines Beispiel möge die veränderte Einstellung und Auffassung gegenüber früher demonstrieren: Aus Sparsamkeitsgründen wurde ehemals von der Gemeinde ein Telefongespräch mit den Kreisbehörden möglichst vermieden. Das tat auch eine Postkarte, wenn es auch etwas länger dauerte. Heute wird eine ausreichende Summe an Gesprächsgebühren im Haushaltsplan eingesetzt, der dann auch im Laufe des Jahres verbraucht werden kann, mehr natürlich nicht. Die staatlichen Telefonanlagen kosten der Allgemeinheit bei voller Ausnutzung nicht mehr als wenn sie nur halb ausgelastet sind. Die Telefongebühren wechseln nur im Kreislauf der staatlichen Einrichtungen, zu denen jetzt auch die Gemeindeverwaltung gehört. Eine Fülle zweckmäßiger Reformen und Verbesserungen und außergewöhnliche Aufbauleistungen in einem guten Jahrzehnt, an denen unsere Gemeinde mit beteiligt ist. Wenn man alle Anfangs erwähnten segensreichen Veränderungen in unserem Dorf seit 1950 anführt, dann wird man nicht umhin können, eines Mannes zu gedenken, der leitend und fördernd mit ganzer Kraft und der Autorität seiner Persönlichkeit alles hat mit entstehen lassen, des Bürgermeisters Paul Juckel aus Bahlen. Sein früher Tod setzte seinem erfolgreichen Wirken ein jähes Ende. Am 16. August 1963 erlag er im 55. Lebensjahr einem Herzschlag.

`Rasch tritt der Tod eines Menschen ein, es ist ihm keine Frist gegeben`, Friedrich von Schiller. Durch sein Wirken für Bahlen-Bahlendorf hat Paul Juckel seiner ostpreußischen Heimat und seinen Geburtsort Kuckerneese Ehre gemacht.

Es wurde versucht, in Anlehnung an die Amtszeiten der Bahler und Bahlendorfer Schulzen, Gemeindevorsteher und Bürgermeister sowie der jeweiligen Lehrer in Bahlen eine Chronik für unser Dorf erstehen zu lassen. Wie rote Fäden schlingt sich ihr Wirken um einen bedeutenden Teil aller Geschehnisse unseres kleinen Dorfes. Doch was wären alle Verwaltung, alle Lehren, aller Forschritt ohne die Menschen, für die doch schließlich alles getan wird und getan wurde- von einfachen Menschen des Dorfes, die seit Generationen die Fluren unsere Feldmark bestellten und das Gesicht des Dorfes formten. Jenen charaktervollen Männern und Frauen, die nun schon lange der Rasen des Friedhofes bedeckt und deren Erfahrungen und Lehren noch heute in uns wirken. Mögen die Aufzeichnungen über einzelne Bewohner unseres Dorfes einer vor uns dahingegangenen Generation, über Zeitgenossen eines August Bebel und späteren Geschlechtern ein Gesamtbild ihrer Vorfahren vermitteln helfen.

Wilhelm Lüdemann: er war der Besitzer der Büdnerei 3 in Bahlendorf und als gelernter Maurer seit der Gründung der Boizenburger Wandplattenfabrik dort tätig. Schon frühzeitig erkannte der Besitzer und Erbauer der Wandplattenfabrik, Hans Duensing, die Fähigkeiten und Tüchtigkeit dieses Mannes. Als Maurerpolier hat Lüdemann wohl bei der Hälfte des heutigen, wichtigen VE Betriebes den Aufbau geleitet und alle Versuche und Verbesserungen der kleinen Brennöfen bis zum modernen Tunnelofen mit projektiert und zur Ausführung gebracht. Auch als Kinderfreund bleibt er unvergessen. Wer von unserer Generation erinnert sich nicht noch gern daran, wenn er den damalgen ABC-Schützen auf dem Kinderfest beim Schießen mit dem Gummifluster auf die Königsscheibe behilflich war.

Johann Pinnow: war ebenfalls Maurer, Besitzer der Büdnerei 5 in Bahlendorf und ein ernster Mann. Ein Mann von nicht vielen Worten, die aber Gewicht hatten und besonders in der damaligen Gemeindevertretung wegen ihrer Sachlichkeit sehr oft den Ausschlag gaben. In der Erinnerung ist er noch heute vorbildlich.

Wilhelm Eckard: war Schiffszimmermann und Besitzer der Büdnerei 11 in Bahlendorf. Die damals nicht leichte Zeit des Lebenskampfes mag ihn mitgeformt haben. Unverdrossen half ihm sein goldener Humor über alle Unbilden des Lebens hinweg. Ein kindliches Gemüt war ihm bis ins Alter gegeben; `Dat hest di nich dacht`, pflegte er zu sagen, wenn er (mit einem kräfteigen Hieb) einen Stubben zerteilt hatte. Oder beim Kartoffelpflanzen, wenn er sich den Korb voll Kartoffel schüttete, `nu kamt mal her Jungs`. Ein rechtschaffender, aufrichtiger Mann.

Heinrich Goosmann: er war Besitzer der Büdnerei 15 in Bahlendorf. Schon sein Vater war als tüchtiger Fuhrmann weit über die Dorfgrenzen hinweg bekannt. Die bestgepflegtesten und leistungsfähigsten Pferde hatte Goosmann. In Bahlendorf waren früher weiter keine Pferde. Erst sehr viel später kamen einige Pferdehalter hinzu. Frug man einen Büdner in Bahlendorf, `wer föhrt för di un pläugt för di ?` -`Gausmann`. Ausdauernd bei schwerster Arbeit. In geselligen Kreisen war er einer der Lustigsten.

Frau Ww. Emma Bädker, geb. Mundt: nach dem frühen Tod ihres Mannes und dem Verlust eines Sohnes, die beide zusammen beim Baden in der Sude ertranken, hat sie - auf sich allein gestellt - mit ganzer Kraft für ihre Kinder gesorgt und ihre Wirtschaft fortgeführt. Ein Vorbild einer tapferen Frau. Durch ihren Einsatz konnte die Büdnerei 2 in Bahlendorf der Familie erhalten werden.

Ein gleichschweres Los des frühzeitigen Todes ihrer Ehemänner, den Verlust des Ernährers der Familie hatten vor ihr die Ww. Dorothea Schlage, geb. Stöckmann aus Bahlendorf, die Ww. Rump, geb. Gnaust aus Bahlen, die Ww. Helene Kohl, geb. Schlichting aus Bahlen und die Ww. Buck, geb. … aus Bahlen.

Wer nie sein Brot mit Tränen aß, wer die kummervollen Nächte weinend im Bette saß, der kennt euch nicht, ihr dunklen Nächte.

Der Büdner August Jenkel war Besitzer der Büdnerei 7 in Bahlen. Sein Vater hatte die kleine Landwirtschaft in den neunziger Jahren des 19. Jh. käuflich erworben. Er war vorher Tagelöhner in Banzin bei Vellahn gewesen. Ein Bruder von August, Wilhelm Jenkel, wanderte von hier nach Australien aus. August Jenkel hatte im Laufe der Jahre durch Zupachtung von Acker und Weiden seinen Betrieb vergrößert. Nebenbei betrieb er ein Lebensmittelgeschäft mit Mehlhandel. Der erste Weltkrieg zerschlug ihm alles: der einzige Sohn sowie seine Schwiegertochter kehrten nicht wieder zurück. Mit bewundernswerter Ergebenheit mußten August Jenkel und seine Frau, geb. Gubelke, erleben, wie sein ganzer mühsam aufgebauter Betrieb in andere Hände überging.

Johann Dittmer war Besitzer der Häuslerei 6 in Bahlen. Er stammte aus Neu- Gülze, wo sein Bruder die elterliche Bauernstelle, jetzt Bantin, übernahm. Die Häuslerei erwarb er von dem Erbauer Martin Jahnke. Von Beruf war Johann Dittmer Schneider und diesen Beruf hat er neben seiner kleinen Wirtschaft sein ganzes Leben zu seiner Zufriedenheit und zum Wohle der Dorfbewohner ausgeübt. Zu damaliger Zeit gab es kaum fertige Kleidung zu kaufen. Billig und gut arbeitete Dittmer seine Anzüge . Der Schneiderlohn für einen Anzug eines Erwachsenen betrug mit Zutaten etwa 12 Mark. Das war nur ein geringer Verdienst, kostete doch ein großes Brot beim Bäcker auch schon 1 Mark. Trotzdem ermöglichte er es seinem Sohn, Lehrer zu werden.

Heinrich Schlage war Besitzer der Bauernstelle 7 in Bahlen. Aus Gülze stammend, hatte er in die Bauernstelle Lemm eingeheiratet. Ein einfacher, ruhiger Mann, der seine Felder in bester Kultur hatte. Zu seiner Zeit, wo es ausländische Kraftfutter wie Soja, Erdnussmehl oder Palmkuchen usw. noch nicht gab, hatte er schon immer eine vorbildliche Milchwirtschaft. Die älteren Bewohner werden sich noch erinnern, wenn seine 4 oder 5 schweren Milchkühe von der Weide seinem Hof zustrebten und dort am Sod jede ihren Eimer mit Drang bekamen. Die Bullenhaltung für Bahlen-Bahlendorf lag gesetzlich bei den 7 Bahler Bauern und ging jährlich reihum. Das stattlich beste Tier hatte immer Heinrich Schlage. Wie würden Schlage und seine Genossen uns wohl angesehen haben, wenn wir ihnen hätten weißmachen wollen, dass 1965 über 90% der Rinder künstlich besamt würden. Schlage war zu damaliger Zeit dem Neuen nicht abgewandt: Breitdreschmaschinen, Zweischarpflug, Grasmäher für Pferdezug hatte er als einer der ersten im Dorf. Überhaupt seine Pferde. Man hatte ihn nicht anders gekannt, als dass er seine gängigen Pferde zurück halten musste. Ein souveräner Bauer, wie es ihn heute kaum noch gibt. Die Technik unseres Jahrhunderts hat alles verändert und die Bebauer des Ackers in andere Bahnen gelenkt. Ein Vorgang, vor den alle Völker einmal gestellt sein werden. Dabei ist es die Technisierung und die Höhe ihrer Vollkommenheit noch lange nicht erreicht, und schon kündet ein neues Zeitalter eine revolutionäre Umgestaltung des Bisherigen an, das Zeitalter der Atome. Wie wird es gemeistert werden von der heutigen und kommenden Generationen ?

F.d.R.d.S. ….(Waltraut Öltze, ca. 1966)


Erläuterungen und Berichtigungen zur Abschrift

* ( )				Einklammerungen selbst ergänzt
* Unnerer Garn (S.3):	        Ünnerer Goord’n, Unterer Garten, 
                                auch als Anner Goord’ns bezeichnete Fläche am Weg „An den Gildewiesen“,                                          
                                gegenüber dem Gehöft Niemann
* Rm (S. 4):			Raummeter, gepackt entspricht es etwa 0,7 m³
* Gosau (S.4):			Wiesen bei Timkenberg
* Sommerdeich (S.4):		flacher Deich, der normalem Sommerhochwasser standhält 
* Winterdeich (S.4):		Deich, der dem höchsten angenommenen Wasser standhält
* Stübberdeich (S.4):	        an der Grenze zu Boizenburg am Nebenlauf  der Gammer bäk in vom Schwárzen Weg in Richtung Gothmann
* Röhtdeich (S.4):		wo ?, von der Gülzer Chaussee in Richzung Röhtkuhle
* Snor (S. 5):			Schnur, z.B. Pferde wie eine Schnur hintereinander gekoppelt
* Zicker (S.5):		Zichorie, Wurzelzichorie- zur Herstellung von Kaffee- Ersatz 	???
* Fritbohrer (S.5):		kleiner Handbohrer
* Wärer (S.5):			Wetter
* Swibagen (S.6):	        Schwibbogen, freistehender Bogen zwischen zwei Mauerteilen, speziell  für den Rauchfang am offenen Herd
* Rugisitionen (S.7):		Requisitionen
* Vons boche (S.7):	        vous boche, du bist ein Boche (in Frankreich abwertend für Deutscher)
* Kontribution (S.7):	        Ausgleichsabgabe, Strafabgabe, in Mecklenburg personenbezogene Steuer
* Anhutsches Zeitalter (S.7):	?, gemeint ist wohl mechanisiertes/automatisiertes Zeitalter
* Caprivizeit (S.8):		Caprivi war Reichskanzler 1890 bis 1894
* Dreschsloope (S.8):		Schlagholz beim Dreschflegel 					???
* Bäunerie (S. 9):		Büdnerei
* Blaach Melk (S.9):		Magermilch (blaue Milch)
* Schleeten (S.9):		Derbstangen, armdicke, lange Baumstämme zum Bau von Einzäunungen und Toren  
* Wocken (S. 10):		Knäuel aus Wolle, Flachs o. ä. 
* Veloziped (S. 10):		Hochrad
* Kauhfniers (S.10):		Kauhhierers (Kuhüter), Junge zum Kühe hüten						???
* Pferdegäzel (S.10):		Pferdegöpel, Radwerk zum Antrieb einer Dreschmaschine mit Pferden
* Boddermelk (S.10): 		Buttermilch
* Melkschapp (S.10):		Milchschrank
* Gemeindeöffentliche (S.11):	Öffentlicher Fernsprecher im privaten Haus 
* Däleneun (S.11):		evtl. entkerntes Gebäude 						???
* Dominalamt (S. 12):          Domanialamt, großherzogliches Amt in Mecklenburg, das Besitztum des Regenten, Gegensatz ist 
                               Ritterschaftliches Amt
* LPG Typ I (S. 18):	        Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft, Typ I. Diese bewirtschaftete nur den Acker gemeinsam.
* Sod (S.21):			Ziehbrunnen
* Drang (S.21):			Schweinefutter, zerquetschte gekochte Kartoffeln Wasser, auch mit Schrot

Einige Bilder zum Bozenburger Ortsteil Bahlen

Bahlen VIII, Niemann.jpg

Gehöft Nr. 8 des Bauern Niemann, 2021

Hufe VII Schlage.jpg

Gehöft des Bauern Schlage, ca.1950. Hier noch mit reetgedeckter Scheune

Bahlen Hufe 7 Schlage.jpg

Hallenhaus zur Hufe 7, Emil Schlage ca. 1950, nach Baumgerten,

in Mecklenburgische Volkskunde, Hinstorff, Rostock 1988

Bahlen; Büdnerei 1 bei Hochwasser 1940.jpg

Das Hochwasser des Jahres 1940 hat Bahlen noch sehr getroffen. Hier steht es auf dem Dorfplatz bei der Büdnerei 1, Heinrich Bonatz

FK Bahlen.jpg

Auf diesem Ausschnitt aus dem Messtischblatt, Blatt 2630 Boizenbuurg von 1881 sieht man die Lage von Bahlen und Bahlendorf in dem historischen Umfang. Die eingetragenen Zahlen bezeichnen die Standorte der Flurnamen, in: Dieter Greve, Flurnamen des südlichen Westmecklenburg, Band 1, Stadt und Amt Boizenburg: 1 Kommunionweide, 2 Schwarzer Weg, 3 Postweg, 4 Der Stübber, 5 Büdner Gärten, 6 Doden Wegg (Heckenweg), 7 Drift oder Gautmanner Wegg, 8 Anner Goordens, 9 Gildewiesen, 10 Große Wiesen, 11 Tuchgraben, 12 Schulwiese, 13 Höst, 14 Gemeindeland, 15 Schulland, 16 Röthdeich, 17 Hohe Brei', 18 Achter de D annen, 19 Maurstücken, 20 Dannenkoppeln, 21 Gammstücken, 22 Schulzenkompetenz, 23 Bahlenhöfer Camp, 24 De Braach, 25 Deep Kuhl, 26 Bann'Nkower Wegg, 27 Up'n Barg, 28 Sandkuhl, 29 Im Bülten