Der erste Dampfer in Ribnitz

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Der erste Dampfer im Ribnitzer Binnensee Das Ostseebad Ribnitz - Ortsgeschichte bis 1958

Im Protokollbuch der 1743 gegründeten Ribnitzer „Fischer-Leichengesellschaft“ findet sich folgende Eintragung: „Am 1.Juli 1858 kam hier zu Ribnitz das erste Dampfschiff von Stralsund an und ging am 7.Juli wieder nach dort.“ Eine kurzen nüchterne Bemerkung nur, und doch Beleg für eine wichtige Zäsur in der Geschichte der Stadt.

Ein leider namentlich nicht genannter zeitgenössicher Augenzeuge hinterließ uns eine detailierte Schilderung jener in den Ribnitzer Annalen so kurz gekommenen Begebenheit: „Am 1.Juli Nachmittag hatten wir das interessante Schauspiel, den ersten Dampfer, der den Binnensee befahren, an unserer Fischerbrücke anlegen zu sehen. Der, weil so nahe liegende, schon lange gehegte Wunsch, die am Binnensee gelegenen Ortschaften mit einem Ostseehafen - zunächst also mit Stralsund - durch Dampfschiffahrt in Verbindung zu sehen, veranlaßte den Herrn W.Vahl zu Stralsund mit dem Schiffe „Landsberg“ zur Prüfung des Fahrwassers eine Probefahrt von Stralsund nach Damgarten zu unternehmen. Das Schiff, welches um 6 Uhr Morgens von Stralsund abgefahren war, legte bei Barth, Wieck, Born, Ribnitz und Damgarten an. In der Rinne bei Neuendorf erhob sich ein anderthalbstündiger Aufenthalt, weil das Fahrwasser mehr oder weniger durch eine Brigg gesperrt war. Ungeachtet das Hinderniß mitten in der Rinne lag, konnte das Dampfschiff, nachdem die Brigg auf die Seite gehiv´t war bequem passieren. Die Landung an der Fischerbrücke ging vortrefflich von Statten, obwohl der Wasserstand zur Zeit der niedrigste ist, den man überall zu beobachten Gelegenheit hat. Die Fahrt in der Recknitz zu Berg ging gut, zu Thal indeß stellten sich, weil das Schiff weder beim Abgang noch unterwegs wenden konnte, so viel Schwierigkeiten heraus, daß die Recknitz unter den gegebenen Verhältnissen für nicht passierbar erklärt wurde. Im Fall des Zustandekommens der regelmäßigen Fahrt würde man an der Mündung der Recknitz eine kleine Landungsbrücke errichten, oder sich von Damgarten aus mit Böten einschiffen müssen. Das Schiff, welches 120 preußische Fuß (ca. 37,5m) lang ist, 40 Pferdekraft entwickelt und einen Tiefgang von 1 Fuß 20 Zoll bis 2 ½ Fuß (ca.40 cm bis ca. 78 cm), je nach dem Maße der Ladung, hat, gehört der Dampfschiffahrts - Compagnie zu Stettin, mit welcher Herr Vahl bereits wegen Aneignung in Unterhandlung getreten ist. - es ist bisher definitiv beschlossen einen regelmäßigen Cours zwischen Stralsund und Barth zu eröffnen und derselben versuchsweise einmal wöchentlich bis Ribnitz und Damgarten auszudehnen. -

Die Probefahrt hatte, wie es in der Regel der Fall zu sein pflegt, neben dem geschäftlichen und technischen, den Charakter einer Vergnügungstour. - Von stralsund aus hatten sich mehrere Passagiere, unter denen der Unternehmer, Herr W. Vahl, der Direktor der Stettiner Dampfschiffahrts - Compagnie, herr Sievert, und der Polizeidirektor von Stralsund, Herr Franke, befanden, mit eingeschifft. In Barth, wo das Schiff festlich empfangen wurde, nahm man ein solennes Frühstück ein, - bei welchem die erneuete Taufe des Schiffes, welches von jetzt ab „Barth“ heißt, vollzogen wurde. Bei der Abfahrt mehrte sich die Zahl der Touristen durch viele Barther, welche ihr städtisches Musik - Corps mit an Bord nahmen. - Auch Ribnitz ließ es nicht an einem feierlichen Empfange fehlen. Man hatte den Stand mit Flaggen geschmückt, hatte einige Böller auffahren lassen und das hiesige Musik - Corps zum Empfange requirirt, - ein zahlreiches Publikum war versammelt, um sich der ungewohnten Erscheinungen zu erfreuen. - Als das Schiff unter Hurrahs, Musik und Böllerschüssen angelegt hatte, begaben sich die Passagiere ans Land, um die Stadt zu besehen und eine stärkende Mahlzeit einzunehmen. Man ordnete sich zu einer Marschkolonne und marschirte, die vereinigten Musik - Corps an der Spitze durch die Stadt nach dem Rathause, wo den Gästen ein Trunk zum Willkom gereicht wurde, bei welchem es manchen fröhlichen Toast von beiden Seiten gab. Man hatte zwar beabsichtigt, noch nach Barth zurückzukehren, so gab man doch dieses Vorhaben wegen der zu weit vorgerückten Tagesstunde auf. Am anderen Morgen um 5 Uhr trat das Schiff seine Rückreise wieder an.“

Einen guten Monat später war es dann soweit: „Am 15.August landete das Dampfboot zum ersten Male nach seiner Probefahrt hier wieder an und brachte uns von Barth und näherer und fernerer Umgegend eine ziemlich bedeutende Anzahl Gäste, welche zum größten Theil von Freunden und Bekannten herzlich empfangen und bewirthet wurden. Wie bei der Ankunft so hatte sich auch bei der Abfahrt des Dampfbootes am Nachmittage eine zahlreiche Menschenmenge auf der Fischerbrücke und am Strande eingefunden, um das hier neue Schauspiel anzusehen.“

Einige Wochen später weiß der Schreiber ergänzend zu berichten: „Am 25.August statteten viele Besucher von Ribnitz und Damgarten der Stadt Barth einen Gegenbesuch ab. Das Dampfschiff „Barth“ war zu dem Zwecke am Sonnabend Abend bei Damgarten angelangt und kam gestern früh um 6 ½ Uhr mit vielen Passagieren von hier an. Die Gesamtzahl der Barth besuchenden Passagiere mag wohl über 200 betragen haben.