Der Wallberg

Aus Ortschroniken
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Kleiner Hügel mit großer Geschichte
Der Walberg bei Gelbensande 2004 (Foto Wilfried Steinmüller)


Recht häufig finden sich in Mecklenburg-Vorpommern sogenannte frühdeutsche Burghügel als Zeugnisse eines frühen Kapitels unserer Landesgeschichte.
In der Gelbensander Forst, nur wenige hundert Meter östlich des dort gelegenen Jagdschlosses findet sich ein solcher, kleiner, kreisrunder Hügel.
Er trägt den Namen Wallberg oder Störtebekerberg.
In unmittelbarer Nachbarschaft davon fließt der Wallbach, an seinem Unterlauf auch Körkwitzer Bach bezeichnet, vorbei.
Dieser von Menschenhand geschaffene Hügel weist eine Reihe von Besonderheiten auf, mit der sich Natur- und Geschichtsforscher in unserem Jahrhundert beschäftigt haben.
Bärlauch (Allium ursinum), Foto Wilfried Steinmüller
Jedes Jahr im Frühling sprießt vom Orte des Hügels an, bachabwärts an den Gewässerufern eine wilde Zwiebelart, der Bärlauch (Allium Ursinum).
Es ist der einzige bereits seit Jahrhunderten bekannte Standort jener Pflanze in Mecklenburg.
Seine natürliche Verbreitung hat diese Pflanze an den Gebirgshängen der Alpen und jenseits der Ostsee in Skandinavien.
Im Jahre 1936 unternahm der bekannte Biologe Prof. Dr. Robert Bauch Untersuchungen zu diesem ungewöhnlichen Vorkommen in den Forsten Mecklenburgs vor. Bekannt war, daß bereits die Wikinger in altnordischer Zeit Bärlauch als geschätzte Gewürz- und Heilpflanze auf ihren Fahrten mit sich führten.
Bei seinen Erkundungen fand der Professor auf der Oberfläche des Hügels Keramikscherben aus dem 13. und 14.Jahrhundert.
Im Laufe seiner weiteren Arbeit stieß Prof. Bauch in der Nachbarschaft der Burganlage auf ein altes Grabensystem, die sogenannten „Schiffsgräben“.
Er fand heraus, daß der Wasserlauf vor der im vergangenen Jahrhundert am Bachunterlauf durchgeführten Flußbettbegradigung und der damit verursachten Absenkung des Wasserspiegels, jenes Gewässer durch größere Boote durchaus befahrbar war und befahren wurde.
Etwas später entdeckte der Professor daß vor sehr langer Zeit zwischen dem in den Ribnitzer Bodden mündenden Wallbach und dem weiter westlich fließenden, bei Graal-Müritz in die Ostsee mündenden Stromgraben die Wasserscheide einst durch einen von Menschenhand geschaffenen Kanal überwunden wurde.
Noch auf einer im Jahre 1788 durch den Grafen Schmettau gefertigten Karte, die im Auftrage der mecklenburgischen Landesherren entstanden war, ist diese Wasserverbindung zu finden.
Danach geriet sie dann in Vergessenheit. Bärlauch, Keramikscherben und Gewässerlauf veranlaßten den Wissenschaftler zu der Überlegung daß es Skandinavier waren, die hier einstmals ihre Spuren hinterließen.
Die Geschichtsschreibung weiß nach der Schlacht von Bornhoeved 1227, in deren Fole der dänische Hegemonialanspruch auf das heutige Norddeutschland endete, nur einmal zu berichten, daß Skandinavier, namentlich Dänen, in unserer Gegend Fuß fassten, zwischen 1310 und 1319.
In jener Zeit hatte der Rostocker Herzog Nikolaus den König Erik von Dänemark bei Streitigkeiten, die er mit anderen Fürsten und der Hansestadt Rostock hatte, zu Hilfe gerufen.
Der Dänenkönig kam gern. Seine Hilfe bestand aber schließlich darin, daß er den Fürsten Nikolaus entmachtete und sich selbst zum Oberherren der Lande Rostock, Gnoien und Kalen machte. Oft hat er in Warnemünde residiert und in Rostock herrschten über fast zehn Jahre seine Vögte.
Die Grenzen und Handelswege ließ der neue Landesherr durch Vorposten und neu angelegte Befestigungen die mit dänischen Soldaten besetzt waren sichern.
Erst mit dem Tode von König Erik viel das Land um Rostock wieder an Mecklenburg zurück.
Einzig der Gelbensander Burghügel mit seinem Kanal zum Meer findet sich als Zeugnis jener Ereignisse noch in der Landschaft.
Die Bärlauchpflanze erinnert als erstes junges Grün in jedem Frühjahr an diese Episode in der Geschichte Mecklenburgs.
Viele Jahrzehnte später übernahm jener Burghügel noch einmal eine Rolle in der Regionalgeschichte, als sich im Frühling des Jahres 1391 die hansische Flotte im Bodden eine Schlacht mit den Kriegsschiffen jener Seelandsknechtschaft lieferte, denen auch Klaus Störtebecker und Goedeke Micheel angehörte.
Einige der damals geschlagenen Seeräuber erreichten der Legende nach das Ufer bei Körkwitz und wählten den vergessenen Burghügel im Gelbensander Wald für längere Zeit als ihr Versteck.
Diese Episode trug dem Hügel im Volksmund den Namen Störtebeckerberg ein.
Anmerkung: Immer wieder kann man auf der Oberfläche des Hügels kleine Scherben von "Grauware" finden, einer Keramik-Art die im 13. und 14. Jahrhundert in unserer Region in Gebrauch war.