Wiebendorf: Unterschied zwischen den Versionen

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==Kurzbeschreibung nach Rabe 1857==
 
==Kurzbeschreibung nach Rabe 1857==

Version vom 2. September 2020, 14:55 Uhr

Allgemeines

  • Name (heute): Wiebendorf
  • Frühere Ortsteile: Bretzin und Beckendorf
  • Regionale Einordnung (heute):
  • Gemeinde: Bengerstorf
  • Postleitzahl 19258
  • Verwaltungsamt: Boizenburg-Land
  • Landkreis: Ludwigslust-Parchim

Geographische Lage

Wiebendorf

 * N 53° 24' 12 
 * E 10° 49' 15 

Bretzin

 * N 53° 24' 57 
 * E 10° 48' 51 

Beckendorf

 * N 53° 26' 01 
 * E 10° 48' 24

Kurzbeschreibung nach Rabe 1857

„Wibendorf, an der Schale, 1 ¼ Meilen nordöstlich von Boizenburg, Hof mit 68 Einw., Allodialgut der Erben des Oberhauptmanns von Witzendorf, steuert von 673 Scheffeln und umfasst 121.934 Quadratruthen mit ergiebigem Acker und ansehnlicher Heuwerbung, Landesherrliches Vorkaufsrecht. Bretzin Hof, nördlich Wibendorf, mit 27 Einw., Allodialitätscognition zahlendes Allodialgut, steuert von 978 Scheffeln und umfaßt 127.381 Quadratruthen. Das Dorf Bretzin mit 3 Bauern gehört zu Badekow.“

"Bekendorf, 1 1/2 Meilen nordöstlich Boizenburg, Hof mit 103 Einw., Lehn. und seit 1834 Baron von Stenglin'sches Fideikommißgut, steuert von 1481 Scheffeln und enthält 228727 Quadratruthen. Jetziger Besitzer ist der Rittmeister a.D. Baron von Stenglin"

Chronik der alten Gemeinde Wiebendorf mit den Ortsteilen Bretzin und Beckendorf

bearbeitet von Dieter Greve Schwerin 2015 bis 2020

Inhaltsverzeichnis

  • 1. Entstehung der Kulturlandschaft S.1
  • 2. Ursprünge der Besiedlung und erste Entwicklung der Dörfer 1
  • 3. Entwicklung des ritterschaftlichen Gutes Wiebendorf 5
  • 4. Geschichte des Dorfes Bretzin 22
  • 4.1. Die erste Erwähnung des Dorfes Bretzin 22
  • 4.2. Entwicklung des Dorfes in der Geschichte 23
  • 4.3. Besetzung der verbliebenen Bauernhufen 34
  • 4.4. Die Schule in Bretzin 35
  • 5. Geschichte des Rittergutes und späteren Dorfes Beckendorf 39
  • 5.1. Erste Erwähnung und frühe Geschichte des ritterschaftlichen Dorfes 39
  • 5.2. Entwicklung des Dorfes im Laufe der älteren Geschichte 39
  • 5.3. Entwicklung des Dorfes zwischen 1918 und 1945 47
  • 6. Besitzer der Dörfer Wiebendorf, Beckendorf und Zahrensdorf 62
  • 7. Wiebendorf nach dem Zweiten Weltkrieg 66
  • 7.1. Die Bodenreform in Wiebendorf 66
  • 7.2. Die neuere Geschichte Beckendorfs nach 1945 68
  • 7.3. Die Maschinenausleihstation (MAS) 70
  • 7.4. Entwicklung der Gemeinde Wiebendorf nach 1945 71
  • 7.5. Die Landwirtschaft in den 1950er Jahren 74
  • 7.6. Die weitere kommunale Entwicklung in Wiebendorf 78
  • 7.7. Der „sozialistische Frühling“ und seine Folgen 79
  • 7.8. Die Gemeinde und die Konsolidierung der LPG 80
  • 7.9. Die weitere Entwicklung der kommunalen Arbeit in den 1970/80er Jahren 82
  • 8. Wiebendorf nach dem „Wendejahr 1989“ 86
  • 8.1. Die kommunale Entwicklung 86
  • 8.2. Geschichte der Freiw. Feuerwehr Wiebendorf 101
  • 9. Zeittafel zur Geschichte der Dörfer Wiebendorf, Bretzin und Backendorf 103
  • 10. Flurnamen auf den Gemarkungen 109
  • 1o.1. Wiebendorf, einschl. Hof Bretzin 109
  • 10.2. Bretzin 113
  • 10.3. Beckendorf 116
  • 11. Quellen und Literatur 120
  • 12. Besitzer der Hausgrundstücke im Jahre 2008 122

*Wiebendorf 122 *Bretzin 124 *Beckendorf 124

1. Die Entstehung unserer Kulturlandschaft

Unsere Heimat ist durch die Eiszeit geformt worden. In einer älteren Eiszeit, nämlich im Warthe-Stadium der Saale-Eiszeit, entstanden unter dem lagernden Eis lehmige Grundmoränen. Als sich das Eis zurückzog und dann in der Weichseleiszeit erneut vorstieß, türmten sich die Schuttmassen vor dem Eis zu den großen Endmoränenzügen auf, die sich von Schleswig-Holstein über Mecklenburg bis in die Uckermark erstrecken. Die südliche Endmoräne befindet sich in unserem Raum an den Südenden des Schaalsees, des Dümmer Sees und des Schweriner Sees. Als das Eis abtaute wälzten sich gewaltige Wassermassen zum Urstromtal der Elbe. Auf ihren Bahnen durchschnitten sie die Lehmplateaus und schufen auf diese Weise die Täler der Boize, Schaale, Schilde und der oberen Sude (bis etwa Redefin). In diesen Tälern lagerten sie gewaltige Sandmassen ab. Weil in dieser Zeit sich noch keine Pflanzendecke gebildet hatte, konnten die Winde den Sand weit transportieren. So wurden auch die verbliebenen lehmigen Hochflächen noch übersandet. Außerdem war die Versickerung und Erosion der Niederschläge in den noch unbewachsenen Böden sehr stark, so dass zusätzlich Lehmbestandteile fortgeschwemmt wurden. Auf Grund dessen findet man in unserer Heimat sowohl lehmige als auch sandige Hochflächen, sandige Talniederungen, wie das Schaaletal, und auch moorige Bildungen besonders dort, wo in den Tälern ständig das Wasser staute. Auf den sandigen Böden siedelten sich Eichen-Birken-Wälder an, wie wir sie noch heute finden, wo die Wälder durch natürliche Bildung entstanden sind. Dort wo ständige Feuchtigkeit vorhanden war, siedelten sich Bruchwälder an, die in erster Linie von Erlen (plattdeutsch Ellern) bestockt waren. Diese Bruchwälder (plattdeutsch Ellerbraucks) finden wir am Übergang von der Höhe zu den Schaalwiesen sowie auch an der Möllerbäk.. Natürlich wird es auch Buchenbestände gegeben haben, aber nicht in Reinkultur. Sie sind ebenso wie die Kiefernwälder ein Teil der vom Menschen geformten Kulturlandschaft. Unsere Heimat ist eine Landschaft, die sich natürlicherweise immer wieder bewalden wird. Äcker und Wiesen sind ein Produkt der Arbeit des Menschen.


2. Die Ursprünge der Besiedlung und erste Erwähnung der Dörfer

Eine Landschaft, die reichlich mit Vegetation und Wasser ausgestattet ist, ist auch für die Tierwelt ein Paradies. Diese Bedingungen haben auch den Menschen bereits in frühen Zeiten gute Lebensbedingungen geboten. Zeugnisse für die frühe Besiedelung in der Bronzezeit, die etwa bis 600 vor der Zeitenwende gedauert hat, sind die reichlich vorhandenen Gräberfelder sowie die Kegelgräber in Bretzin und im Düstern Busch.

Die Sage hat sich u.a. der Kegelgräber in Bretzin und im Düstern Busch bemächtigt. In Bretzin soll es eine unterirdische Verbindung zwischen den Gräbern geben. Eines der Bretziner Gräber soll ein Königsgrab sein, in dem sich auch eine goldene Wiege befindet. Im Düstern Busch wurde bei Grabungen nach mündlicher Überlieferung eine Hutnadel ausgegraben. Es wird sich sicher um eine nadelartige Fibel gehandelt haben. Scherbenfunde wurden vielerorts gemacht.

Die früheste Besiedelung ist stammesmäßig nicht mehr zuzuordnen. Es ist aber sicher, dass bis zu dem 6.Jahrhundert unserer Zeitrechnung in unserem Gebiet, dem lüneburgischen, lauenburgischen und westmecklenburgischen Raum die germanischen Langobarden ansässig waren, die im Zuge der Völkerwanderung bis nach Norditalien zogen und dort der Lombardei (um Mailand) ihren Namen gaben. Der Name der Langobarden ist aber auch noch in den Ortsnamen Bardowieck und Barförde (Bardenfurt) zu erkennen. Prof. Horst Keiling hat in den 1970er Jahren im Wiebendorfer Wald östlich des Dorfes über 700 langobardische Gräber ausgegraben. In seinem Buch „Wiebendorf – ein Urnenfriedhof der frührömischen Kaiserzeit in Hagenow“ heißt es „Wiebendorf ist der erste vollständig untersuchte frühkaiserzeitliche Urnenfriedhof im Norden der DDR. Von etwa 800 ursprünglich auf dem Platz niedergelegten Bestattungen sind 718 mehr oder weniger gut erhalten geblieben und freigelegt worden.



Abbildung 1. Funde auf dem Wiebendorfer Langobardenfriedhof

Der Bestattungsplatz gehört kulturell in die kleine Gruppe der im Kreis Hagenow verbreiteten Langobardenfriedhöfe, die mit Kulturgut vom Spät-Latene-Charakter einsetzen, das im Unterelbegebiet für die Augusteische Zeit (etwa 30 v.u.Z. bis 20 u.Z.) typisch ist und im 2.Jahrhundert abbrechen.“ In seinem Aufsatz „Das Römischen Reich und die Germanen im Boizenburger Raum um den Beginn unserer Zeitrechnung“ (in „Zur Geschichte Boizenburgs“, Boizenburg 2007) führt Keiling aus: „Als im Herbst 1972 ein gewaltiger Sturm über das Land brauste, entwurzelte er in einem alten Hochwald auf einem Kiesrücken östlich des Tessiner Moores (Wiebendorfer Moor, D.G.) auf der Wiebendorfer Gemarkung zahlreiche dicke Kiefern. Beim Durchstreifen des Windbruchgebietes entdeckte ein Traktorist einen Bronzeeimer im Wurzelloch einer umgestürzten Kiefer. Unmittelbar danach erfolgte die Besichtigung des Fundplatzes durch einen Fachmann sowie die Übernahme des Gefäßes. Dabei bestätigte sich, dass hier ein unbekannter Langobardenfriedhof liegt, der offenbar noch nicht sehr zerstört ist. … Wiebendorf war der erste Friedhof aus dieser Zeit im Nordosten, der planmäßig und vollständig untersucht worden ist. 715 Bestattungen und zahlreiche Einzelfunde konnten ausgegraben und in einem Katalogband (Keiling 1984) der Öffentlichkeit vorgelegt werden. …

Überblickt man das aus den Wiebendorf-Gräbern stammende umfangreiche Fundmaterial, so lassen sich besonders nach dem Formenwandel der Keramik drei aufeinanderfolgende Zeitphasen erkennen. … 1. Wiebendorf setzt mit Bestattungen ein, die mit situlaartigen oft mit einem Henkel versehenen Terrinen mit Punkt- und Strichverzierung niedergelegt sind (Abb. 3 m). Übrigens sind aus solchen Urnen mehrfach Harzstücke bekannt geworden, auf denen sich Zahnabdrücke befinden. Das aus Pech bestehende Harz fand wohl beim Totenbrauchtum Verwendung. Die Mehrzahl der Bronzegefäße, die die Langobarden von den Römern erhalten haben dürften, gehört auch in diese frühe Zeit. Es sind Eimer (Abb. 3 k), flache Becken, Bronzekessel mit Eisenrand und eine besonders schöne Kanne mit Gesichtsmaske mit Henkelansatz (Abb. 3 l). 2. Es folgen vorwiegend schwarze Terrinen, die mit ein- und zweireihigen Rollrädchenmustern verziert sind. (Abb. 3 n) 3. Zum Schluss herrschen Terrinen mit mehrlinigem Rollrädchenmuster und Riefornamenten vor (Abb. 3 o). Auch die Depots aus Waffen und Eisengegenständen, wie sie links der Elbe auf Langobardenfiedhöfen freigelegt wurden, traten in Wiebendorf auf. Lanzenspitzen (Abb. 3 h), Schildbestandteile (Abb. 3 i) und Schwerter sowie die von der Reiterei verwendeten Sporen (Abb. 3 c) weisen auf kriegerische Auseinandersetzungen hin. Eiserne, aber manchmal auch aus Bronze bestehende Gewandhaften, die die Archäologen Fibeln (Abb. 3 a/b) nennen, waren wie die verschieden geformten Schnallen und Gürtelverschlüsse Bestandteile der germanischen Kleidung. Eiserne Pfrieme, halbmondförmige Rasiermesser (Abb. 3 g), Messer (Abb. 3 e) und Scheren (Abb. 3 f) sind häufig auftretende Geberauchsgegenstände.“

In das verlassene fast menschenleere Land zogen dann wendische Stämme ein. In dem von den Langobarden verlassenen Gebiet haben sich die Polaben (Anwohner der Labe = Elbe) angesiedelt. Ihr Stammeszentrum und -heiligtum war in Ratzeburg zu finden. Als um die Mitte des 12.Jahrhunderts die deutsche Besiedelung der von den wendischen Polaben bewohnten westmecklenburgischen Gebiete erfolgte, wurde um den Boizenburger Burg- oder Schlossbezirk auch das Land oder die Vogtei Boizenburg gebildet. Dieses später auch Amt genannte Land Boizenburg wird etwa gleichzeitig mit dem 1154 gegründeten Bistum Ratzeburg, zu dem es kirchlich bis zur Durchsetzung der Reformation etwa 1535 gehörte, entstanden sein. In der weltlich-politischen Organisation gehörte es zunächst bis 1203 zur Grafschaft Ratzeburg, dann zur Grafschaft Schwerin und ab 1358 zu Mecklenburg. Erwähnt wird es erstmalig in einer Urkunde aus dem Jahre 1158 als Heinrich der Löwe dem Bischof von Ratzeburg ein Tafelgut "in Boyceneburg Benin" schenkt. Die Ersterwähnung von Bennin ist somit auch die für die Vogtei Boizenburg. Die Dörfer der Vogtei dürften jedoch alle um diese Zeit entstanden sein, wenn sie denn nicht schon vorher als wendische Siedlungen bestanden haben. Ihre Ersterwähnung in Urkunden liegt aber häufig um vieles später. Das Ratzeburger Zehntenlehenregister von 1229/30, in dem viele Dörfer u.a. des Amtes Wittenburg zum ersten Mal urkundlich erwähnt wurden, ist für das Amt Boizenburg nur unvollständig erhalten. Mit Sicherheit sind aber mit ihren Zehntenlehen genannt:

   Zehnten für den Bischof:
        Granzin               24 Hufen
        Nieklitz         		  12  -"-
        Klimprow      	  	    4  -"- (auf der Tüschower Feldmark)
        Niendorf         	    -
        Bahlendorf   	    -
        Karrentin    	         7  -"-
        Dersenow   	         5  -"-
        Zahrensdorf         12  -„- 
        Blücher                  4  Hufen  
        Lüttenmark            4  -"-
        Leisterförde           4  -"-.

In der Curie (bischöflicher Hof) "Bunserstorpe" sind von 6 Hufen Zehnten an den Bischof zu zahlen. In Übereinstimmung mit dem Mecklenburgischen Urkundenbuch darf man davon ausgehen, dass es sich bei Bunserstorpe um Bengerstorf handelt, da auch kein anderes Dorf mit ähnlichem Namen historisch belegt ist. Über die Zehnten für den Bischof hinaus sind Zehntenlehen für andere Personen in Granzin, Tessin und Gallin sowie zwei weitere nur unvollständig lesbare (der jeweils erste Buchstabe des Namens fehlt) und bisher nicht identifizierte Dörfer erwähnt. Es könnte sich bei ".ebande" um Nebande, das sagengafte Nebein auf der Gemarkung Bennin, handeln und bei ".amnetin" um Gamnetin, verkürzt zu Gamm, um das Vorwerk an der Boize, das 1255 Graf Gunzelin III. an die Bürger zu Boizenburg verkauft hat. Der Name Gamm existiert nach wie vor für die Ausbaugehöfte in Boizenburg, Schwartow und Neu Gülze sowie als Flurname für die zwischen diesen liegenden Flächen. Bennin ist aufgeführt als "freigemacht für den Bischof in Feldern und Wäldern, Weiden und Wiesen, welche Herzog Heinrich (der Löwe) für den Bischof von allen Diensten befreit hat".

Bretzin ist das ersterwähnte Dorf der ehemaligen Gemeinde Wiebendorf. Im Landeshauptarchiv liegt eine Urkunde vor, in der im Jahre 1297 der Verkauf des Dorfes durch den Grafen Nicolaus von Schwerin an das Kloster Zarrentin erfolgt. Der Ortsname ist als Birkenort zu deutenDas ritterschaftliche Gut Beckendorf wird im Jahre 1323 erstmalig erwähnt, als die Ritter Wipert und Hermann von Blücher die Einkünfte von sieben Hufen einer von ihnen gestiftete Vikarei in der Wittenburger Kirche widmen. Der Ortsname ist als Ort am Bach zu verstehen. Die erste Erwähnung findet der Ort Wiebendorf im Jahre 1479 im Landbederegister als Wybendorpe. Aus dem Dorf wird in diesem Jahr keine Landbede gezahlt. In der Karte von Hoinckhusen etwa 1700 wird der Ort als Widendorf bezeichnet. Der Name dürfte deutschen Ursprungs sein (z.B. aus Wiew oder Wieb = Weib, bzw. aus dem weiblichen Vornamen Wiebe).















3. Die Entwicklung des ritterschaftlichen Gutes Wiebendorf vom 15. bis in das 20. Jahrhundert

Wiebendorf war bereits am Ende des 15. Jahrhunderts ein ritterschaftliches Gut im Amt Boizenburg ohne Hüfner. Wahrscheinlich ist ein ehemaliges ritterschaftliches Bauerndorf an diesem Ort bereits im Mittelalter wüst gefallen und dann an seiner Stelle ein Gutshof eingerichtet worden. Möglicherweise war der Rittersitz Wiebendorf auf einer der im Jahre 1453 im Landbederegister erwähnten wüsten Feldmarken entstanden. Zu diesen zählten wohl auch Beckendorf, Zölkow, Wendisch Granzin, Tüschow, Schild (später Schildfeld genannt) und Karrentin.

Die erste bildliche Darstellung von Wiebendorf findet sich in Freeses Abriss der Schaalfahrt aus dem Jahre 1587. Ob diese aber den tatsächlichen Gegebenheiten entsprach, ist kaum noch zu klären. Dargestellt ist ein Gutshof. Dazu sind die Grenzen des Blücherschen Besitzes. angegeben. Ebenso sind Bengerstorf und Zahrensdorf dargestellt. Die erste etwa exakte Karte ist die Direktorialvermessungskarte aus dem Jahre 1771, aus der in den Abbildungen 3 und 4. jeweils ein Ausschnitt wiedergegeben ist. Diese bildete auch die Grundlage für die Mecklenburg-Karte von Wiebeking und dann von der Schmettauschen Karte (Ausschnitt in Abb. 2). Diese gibt u. a. die Grenzen der Gemarkung im 18. Jahrhundert wieder. Außerdem ist die Lage des Gutshofes mit seinem Grundriss im Jahre 1771 in den Karten dargestellt.

Wiebendorf hatte eine reine Gutsflur, die in der Direktorialvermessungskarte 1773 in Koppeln eingeteilt war. Die Feldmark erfuhr durch Zuerwerb von Hof Bretzin, dass durch die Legung von sechs Bretziner Bauern und Neuordnung der Feldmark entstanden war, im Jahre 1797 eine Erweiterung. Die Feldmark Hof Bretzin wurde später in die Wiebendorfer vollständig integriert. In der Direktorialvermessung wurde sie im Jahre 1770 mit dem Hauptgut Badekow zusammen vermessen. Mit dem Gut Zahrensdorf erfolgte im 19. Jahrhundert ein Austausch von Flächen.

1545 und 1562 werden in der Rossdienstrolle alle Blücher zu Wiebendorf erwähnt, d.h. dass mehrere Angehörige des Geschlechts Rechte in Wiebendorf hatten. 1575 wird nur „Hanß Blucher zu Wibendorf“ genannt. 1584 zahlt auch laut dem Boizenburger Amtsregister unter Bretzin „die alte Blüchersche von der sandtmuhlen 4 ß (Schillinge) Pacht, wie auch 1593. Hier besteht die Möglichkeit, dass die „alte Blüchersche“ in der Familie des Beckendorfer Gutsbesitzers Hans Blücher zu finden war, der sein Hauptgut in Waschow hatte. Möglicherweise war Beckendorf der Witwensitz für die Mutter von Hans Blücher. Die Angabe kann sich aber auch auf den Wiebendorfer Zweig der Familie Blücher beziehen. Dafür spricht, dass die „alte Bluchersche“ auch bereits im Landbederegister 1570 genannt wird, einem Zeitpunkt zu dem Beckendorf noch wüst lag und zu dem die Witwe eine Bretziner Hufe nutzte und dafür keine Landbede zahlte.

Im Pachtverzeichnis des Gutes Wiebendorf (LHA Schwerin, Rep. 77, Lehnkammer, Gut Wiebendorf) ist zu lesen: „1582 Mai 8. Georg Blücher zu Suckow verkauft seinem Vetter Hans Blücher zu Boddin für 5000 fl (Gulden) die ihm vom Vater Thonnies Blücher zugefallenen Güter „zu Wibendorff, uf der Teldow, und in der Auwe … die halben baw- und wonhoefe sampt dem halben zugehörigen ackerwerke der halben feldtmarcken, pauren-rechte und –dienste so darzu belegen“ Dazu gehören - zu Blücher: 10 Halbhufen und 5 Katen geben Rauchuhn, Pacht, Gänse, Futterhafer, Pachthafer und Pachthuhn.

  „Von diesen baw und katenleuten den gewonlichen und vollen dienst sampt der pacht alleine.“ (für Hans Blücher)

- zu Schwartow: eine Hufe

„Dieses rockhuen, pacht, pachthafer und pachthuen kompt und gebuert mir halb zu, und dienet dieser huefner meinen vettern mit nahmen Merten, Hartwig und Hans gefettern den Bluchern das eine und mich das ander jar.“

- zu Bickhusen:

 Hier handelt es sich wohl um die Pacht für die Aue (jetzige Feldmark Horst).
 „Ime dorfe Bickhausen, dorein mein gnediger furst und herr, herr Ulrich, hertzog zu Meckelnburgk, zum ampte Boitzenburgk den burckdienst und das rockhuen zu heben hat.“ Pacht, Futterhafer, Pachthuhn und Wiesenpacht von 10 Bauern, von weiteren vier nur Wiesenpacht.
  „Diese obenberurte Bickheuser oder paurschaff semptlich geben 1 fl weidegelt. Von diesen obengesetzten pacht, pachthuenern, heurewischgelt und 1 fl weidegeltt in diesem dorfe die helfte“.

- zu Rensdorf: „Im dorfe Rensdorf darein die Sprengel den dienst und das rockhuen zuheben haben“ , Pacht; Futterhafer Pachthuhn und Wiesenpacht von drei Bauern. „Dieser Hans Burmeister und Heinrich Mundt wohnen unter Franz Sprengeln und seint desselben unterthanen. Noch gibt die itztgemelte dorff- und paurschaft daselbst einen halben gulden weidegeldt. Von dieser specificierten pacht, pachthuenern, wisch und weidegelt … die helffte.“ - zu Gehrum:

  Von zwei Bauern Pacht, Futterhafer und Pachthuhn, „Von diesem allem die helfte.“ 



Abbildung 2. Feldmark Wiebendorf in der Schmettauschen Karte aus dem Jahre 1788. Die Karte ist auf der Grundlage der Direktorialvermessungskarte aus dem Jahre 1771 entstanden. Die Feldmark Wiebendorf befand sich nur östlich der Schaale. Die jetzt aufgeforsteten Flächen waren seinerzeit noch Heide. Der Acker umschloss noch teilweise das Wiebendorfer Moor. An der Rämenbäk, die die Grenze zu Tessin bildet, befand sich ein Ackerstreifen. Im Jahre 1585 wird wieder „Hans Blucher zu Wiebendorf“ in der Rossdienstrolle mit 1 Pferd aufgeführt. Im Kirchenvisitationsprotokoll 1590 wird vermerkt: „Hanß Blucher gibt dem pastorn jerlich 1 Schl., dem custer aber ½ Schfl.“ Messkorn. Das entspricht der Abgabe einer Hufe für die ein Scheffel entrichten war. 1597 lesen wir in einer Akte des Landeshauptarchivs (Rep. 77, Lehnkammer, Gut Wiebendorf) „Hanß Blucher zu Wibendorf (hat einen bauhof zu Blucher und einen bauhof in der Awe) 1598 noch einmal den Vermerk „Hans Blucher zu Wibendorf“ in der Rossdienstrolle mit einem Pferd.

Im Jahre 1616 kauft Joachim Blücher auf Wiebendorf das Gut Zahrensdorf von Sigismund Heldorfs Erben. Zahrensdorf wird nun ein Nebengut zu Wiebendorf und bleibt es für fast 200 Jahre bis zum Jahre 1800. Die beiden Güter haben nun einen häufigen Besitzerwechsel zu verzeichnen. Im Jahre 1633 gehen sie aus der Hand der Familie von Blücher. Sie werden an den Hamburger Bürgermeister Hieronimus Vogeler verkauft, der sie im Jahre 1639 an den Bürgermeister Barthold Möller verschenkt. Von diesem kauft im Jahre 1651 Oberstlieutenant Joachim Sander die Güter. Im Kontributionsregister dieses Jahres wird der Pensionarius (Pächter) Dieterich Meyer auf Wiebendorf aufgeführt. Somit hat Sander Wiebendorf verpachtet. Der Pächter Meyer hatte für seine vierköpfige Familie, für 3 Knechte, 3 Mägde und 1 Jungen Kontribution zu entrichten. Außerdem waren 4 Pferde, 13 Kühe, 7 Ochsen, 12 Schweine 3 Ziegen und 19 Bienenstöcke zu versteuern.

Bereits 1655 wird das Gut wiederum verkauft, an Erich von Wördenhofen. Gleichzeitig wird es allodifiziert, d.h. dass es von einem Lehnsbesitz in Volleigentum überführt wird. Im Jahre 1659 erwirbt Joachim Tellien das Gut. Er heiratet Joachim Sanders Witwe, die wahrscheinlich noch in Wiebendorf gewohnt hat. Im Jahre 1668 heiratet Generalmajor Heinrich von Delwig die Witwe Joachim Telliens und erscheint nun als Eigentümer der Güter.

Aus dem Kopulationsregister der Pfarre Zahrensdorf ergeben sich weitere familiäre Veränderungen bei den Delwigs. Es heiraten (copulierten): 19.11.1696 v. Dellwig, H. Wolter, Erbherr auf Wiebendorf und Zarrenstorf Großvater: Hans, Vater: Otto, und v. Dellwigen, Frl. Catrina (beider Urgroßvater war Gebhard v. D. Großvater: Wolter, Vater: Hinrich) 11.05.1703 v. Stöterogge, H. Statius Fridr., Herr auf Wiebendorf und Zarnstorf und v. Dellwichen, Frl. Sophia Elisabeth.

Stöterogge hatte das Gut im Jahre 1700 von Kapitän Wolter von Delwig erworben. Offenbar hatte zwischenzeitlich innerhalb der Familie eine Eigentumsübertragung von Heinrich auf Wolter von Delwig stattgefunden. Es bleibt durch die Heirat Stöterogges im weiteren Sinne folglich bei den Delwigs.

Im Kopulationsregister werden darüber hinaus aufgeführt: 13.01.1679 Wernike, Heinr., Dersenow und Burmeisters, Ingeborg Maria, Wiebendorf 23.11.1680 Burmeister, Frantz, Wiebendorf und Papen, Marg. Elisabeth 27.06.1683 Möller, Joch. Wilhelm, Verwalter auf Wiebendorf und Griesen, Anna 30.11.1685 Peterßen, Laurentius und Heyen, Ilsabe zu Wiebendorf 08.10.1694 Scharnwefer, Heinrich, Wiebendorf und Trappen, Cathrin, Tessin 10.11.1696 Fröcht, Jürgen und Püstrichs, Anna zu Wiebendorf

Somit war das Gut Wiebendorf im Jahre 1683 von Joachim Möller verwaltet worden. Möglicherweise haben die Delwigs nicht in Wiebendorf gelebt. Aus diesem Register ergibt sich auch, dass in Wiebendorf die Familien Burmeister, Möller, Peterßen, Heye, Scharnwefer (Scharnweber), Fröcht (Früchten?) und Püstrich sowie möglicherweise auch Pape und Griese gewohnt haben.

Im Beichtkinderverzeichnis aus dem Jahre 1704 führt der Zahrensdorfer Pastor Schrader aus: „Der Hof Wiebendorf, wobey eine Schäferey liegt, und gehört dieser Hof und das … Dorf Zarrenstorf mit allen Bauren und Schäferey dem H. von Stöterogge Patricio Luneburg: Die Namen und Alter von diesem Hofe habe nicht erhalten können. v. Stöterogge, Statius Friderich, Besitzer, Ehefrau: Sophia Elisabeth eine Schwester v. Stöterogges sowie Dorthie ? Magd Susanna Ilse Grefen Magd -- Christian Kutscher Wieske, Hans Knecht Petersen, Jürgen Junge ? Kuhhirte Hart vor dem Hofe liegt eine kleine Schäferey, auf welcher wohnet: Brum, Claus 45 Schäfer Ehefrau: Ann Lehn 37.“ Vermerk zum Beichtkinderverzeichnis: „Der Hof Wiebendorf gibt 1 Schfl. Messkorn, der Hof Zahrensdorf 4 Schfl. an den Pastor“.


Abbildung 3. Der Hof Wiebendorf auf der Karte der Direktorialvermessung aus dem Jahre 1771. Sie zeigt nur einen Gutshof und die nahebei nordöstlich des Gutshofes belegene Schäferei. An der Schaale ist das Wohnhaus der Gutsherrschaft zu erkennen. Dessen Lage entspricht etwa der des im 19. Jahrhundert errichteten Schlosses.


Im Zahrensdorfer Kopulationsregister werden für die Jahre 1700 bis 1751 folgende Wiebendorfer genannt: 1710 Ann Margreth Garbe, Mädgen am Hof Wiebendorf, die den Zahrensdorfer Krüger Meyer heiratet, 1724 Obrist-Lieutenannt Herr von Both, der die Witwe Status Friedrichs von Stöterogge Sophia Elisabeth, geb. von Delwich heiratet, 1724 heiraten der Weber Paasch Müller und Regina Ahnicke, 1734 der Gärtner Johann Mathias Fließ.

Nach dem Tode Stöterogges im Jahre 1723 erbt Sophia Elisabeth die Güter. Sie heiratet im Jahre 1724 den Oberstlieutenannt Friedrich von Both und nach dessen Tod dann im Jahre 1737 Joachim Werner von dem Knesebeck, dessen Familie auch im Besitz von Gresse ist. Nach dessen Tod und dem seiner Gemahlin im Jahre 1749 erbt Frau Oberstlieutenant Hedwig Juliane von Kirchner, geb. von Delwig die Güter. Nach deren Tod im Jahre 1772 fallen die Güter an Otto von Kirchner und nach dessen Tod an eine Erbengemeinschaft von Delwig/von Kirchner. Im Jahre 1782 gehen die Güter aus den Händen der Famile von Delwig durch einen Verkauf an Reinhold von Rosen. Im Mecklenburg-Schwerinschen Staatskalender wird Major Robert Gottlieb, Baron von Rosen genannt.

Im Beichtkinderverzeichnis aus dem Jahre 1751 werden als freie Leute in Wiebendorf - der Verwalter zu Wiebendorf und Zarrenstorf Bartold Wolter mit der Ehefrau Maria Juliana Fischern, den Söhnen Johann, Carl und Hans Jürgen und der Tochter Christina - sowie ein Gustav Johann Hackert genannt. Bartold Wolter hat das Gut offenbar für Frau von Kirchner verwaltet, die möglicherweise nicht am Ort wohnte.

In dem Kopulationsregister der Zahrensdorfer Pfarre werden zwischen 1751 und 1800 zweimal Wiebendorfer genannt: 1786 Christina Hanna Wilde vom Hofe Wiebendorf, die einen Boizenburger Brauknecht heiratet. 1799 Johann Wilhelm Wieske, Tagelöhner.

Zu den Bauerndörfern der Nachbarschaft gab es auf verschiedenen Ebenen Beziehungen. So waren nach dem Dreißigjährigen Krieg die ritterschaftlichen Bauern aus Tessin und Klein Bengerstorf in die Abhängigkeit des Gutes Wiebendorf gekommen und zum andern gab es an den Grenzen einige Streitigkeiten über deren Verlauf. In Klein Bengerstorf werden 1640 als "Der vom Adel Leute" die Hufner Chim Schröder (Schröer), Clas Wieseke und Chim Dalenborch genannt. Ob diese bei von Züle in Marsow, der auch die halben Jagdanteile hat, oder wie später in Wiebendorf Dienste leisten, ist nicht erwähnt. Hermann Behnke (Schröer-Behnk) wusste noch 1997 aus Erzählungen seiner Vorfahren von Diensten mit Prügelstrafen in Wiebendorf zu berichten.

Auf das Jahr 1691 datiert ein Kaufvertrag zwischen Gustaff Adolph, Hertzog zu Mecklenburg usw. und Generalleutnant Freiherr von Dellwig, der zu diesem Zeitpunkt Wiebendorf und Zahrensdorf besaß, über den Kauf von zwei Hufen in Klein Bengerstorf. Dieser ist offenbar nicht vollzogen worden, denn noch 1776 bekommt die Wiebendorfer Gutsherrin, Frau Obrist- Lieutenantin von Kirchnern aus dem Communion-Dorf Lütten Bengerstorff „zur contributuablen Hälfte eine Hufe, vier Zwölf Sechzehnteltheil Scheffel, in Tessin 1777 eine Viertel Hufe, Zwanzig Eilf-Zwei-und Dreyßigtheil Scheffel“. Hier ist die Hufe ein steuerlicher Begriff, der 300 Scheffel Einsaat beinhaltete, d.h., dass durchaus mehrere Hüfner die zugehörigen Flächen bewirtschaftet haben können, z.B. als Drittelhüfner. Im Jahre 1782 bietet Baron von Rosen auf Wiebendorf der Reluitionskommission bei der herzoglichen Kammer die Hufen in Klein Bengerstorf und Tessin zum Kauf an.

Die Akten des Landeshauptarchivs beinhalten auf das gleiche Jahr ein „Lütken Bengerstorfer Schlag-Register“ mit dem Titel „Wie denen dreyen Adel. Unterthanen, so nach dem Adel. Guthe Wiebendorff gehören, ihre Korn-Länder, und Wiesen, nach Stück weise aufen Felde belegen sind; und zwar wie folgt“ : Es folgt eine Aufstellung, aus der hervorgeht, dass die Ackerstreifen der ritterschaftlichen Bauern in Gemengelage sich zwischen denen der domanialen Bauern befunden haben. 1784/86 werden die vier hofpflichtigen Bauernstellen (Hufe 3 in Tessin, Hufen 2, 8 und 13 in Klein Bengerstorf) an die Reluitionskommission verkauft.

Ein Edict des Herzogs Friedrich-Franz aus dem Jahre 1785 bestimmt die Übernahme an die Reluitionskommission (Entschuldungskommission) für

a.  Zwei ¾ Hüfner          Hans Jochen Rehse (Hu. 2, Nachfolger des Joachim Pinck)
                                            Hans Jacob Köster (Hu. 8, Nachfolger des  Clauß Wiesecke)   
     b.  3/8-Hüfner 	          Jochen Brockmüller
                               und Schneider Hans Behncke in Klein Bengerstorf, der bei Rehse wohnte
c.  ¾-Hüfner in Tessin   Jochen Peter Schwarz  (Hufe 3)

Die Grenzstreitigkeiten betrafen: - Eingriffe der Güter Zahrensdorf und Wiebendorf in die herrschaftliche Forst auf dem Klein Bengerstorfer Felde (1778/80) - Die von Seiten des Gutes Wiebendorf beeinträchtigte Amtsgrenze der Klein Bengerstorfer Feldmark in der Gegend der Kuhlstücke und des Strukkamps (wohl Strittkamps), 1782/84 Die Grenzstreitigkeiten zwischen Klein Bengerstorf und Wiebendorf sind beigelegt worden, wie ein Vergleich alter und neuer Karten am Strittkamm (schon der Name deutet auf einen strittigen Kamp hin) beweist. Eine Akte aus dem Jahre 1817 im Landeshauptarchiv enthält denn auch die Kostengenehmigung der Kammer für „Ziehung des Scheidegrabens zwischen Kleinen Bengerstorff und Wiebendorff“ sowie für die Erbauung einer steinernen Brücke im Wittenburger Weg. Die Streitigkeiten betreffen aber nicht nur die Grenzen der Feldmarken, die auch immer Amtsgrenzen zwischen den Domanialämtern und den ritterschaftlichen Ämtern waren, sondern auch die Weidegerechtigkeit, die Jagdgerechtigkeit und die Holznutzung. So übte 1761/80 Baron von Kurzrock, genau wie seine Nachfolger auf Beckendorf, Koch und Dunkelmann, die Jagdgerechtigkeit in der "Solkau" auf der Feldmark Groß Bengerstorf, obwohl es ihm nach längeren Verhandlungen untersagt wurde, trotzdem weiter aus. Überliefert sind auch die Archivalien: - Das den Wiebendorfer Gutsuntertanen zu Klein Bengerstorf aus der herrschaftlichen Forst anzuweisende Bau-, Nutz- und Pfahlholz (1746/80) - Streitigkeit mit dem Untertanen Brockmöller (1739) Um eine skurrile Affäre handelt es sich bei der „Streitigkeit mit dem Untertanen Brockmöller“. Offenbar hat 1739 der Gutsherr, wohl von dem Knesebeck, eine Eiche auf dem Hofe des Untertanen an einen Boizenburger Müller verkauft. Dazu stand ihm als Grundeigentümer das Recht zu. Die Eiche war wohl Bestandteil der sogenannten Hofwehr. Offenbar verteidigte aber ein selbstbewusster Bauer sein Recht als Nutzeigentümer des Hofes. Das deutet darauf hin, dass die leibeigenen Hauswirte sich trotz aller Repressalien ein bäuerliches Selbstbewusstsein bewahrt hatten.


Abbildung 4. Grenze zu Klein Bengerstorf im Jahre 1771. Man sieht den Grenzverlauf nördlich des historischen Postweges weiter in Richtung Bengerstorf und südlich näher an Wiebendorf.

In dieser Zeit wurde die Wiebendorfer Feldmark von einem wichtigen Verkehrsweg durchschnitten, der noch bis etwa 1830 als Postweg diente. Er führte von Boizenburg über Schwartow, Zahrensdorf, Klein Bengerstorf, Schildfeld und Wittenburg nach Schwerin und stellte die Verbindung zur Berlin-Hamburger sowie zur Lüneburg-Celler Post her. Der Weg ist auf der Schmettauschen Karte von 1788 (Abb.2) deutlich zu erkennen. Ein anderer wichtiger Verkehrsweg, der Wiebendorf; Bretzin und beide Bengerstorf berührte, war die Schaalfahrt. Die Lübecker bauten sich am Ende des 13.Jahrhunderts den Stecknitzkanal von Lauenburg über Mölln nach Lübeck, um sich einen billigeren Salztransport von Lüneburg nach Lübeck zu organisieren. Als sie dann begannen, den Lüneburgern ihre Bedingungen und vor allem die Preise zu diktieren, wollten die Lüneburger die alten Verbindungen zwischen Lüneburg und Wismar wieder aufleben lassen. Ein wesentlicher Teil dieser Verbindung sollte der Wasserweg zwischen beiden Städten sein. Dazu wurde zwischen 1561 und 1564 die Schaalfahrt, ein kanalartiger Ausbau der Schaale mit 13 Schleusen, als Konkurrenz zur Stecknitzfahrt geschaffen. Da jedoch die Verbindung vom Schaalsee nach Wismar nicht mehr gebaut wurde, musste das Salz auf Fuhrwerke umgeladen werden. Auf Grund dessen wurde die Schaalfahrt in erster Linie für den Holztransport aus den mecklenburgischen und den sächsisch-lauenburgischen Wäldern für die Saline in Lüneburg genutzt. Im Bereich von Wiebendorf und Bengerstorf haben sich in der Schaale keine Schleusenbauwerke befunden. In den Archivalien finden sich einige Male in den Dörfern Schiffsknechte, die auf der Schaale die Tätigkeit eines Flößers ausführten.

1784 kauft der Rechtsanwalt Johann Hermann Kütemeier die Güter Wiebendorf und Zahrensdorf und behält sie bis 1791. In diesem Jahre kauft sie Heinrich Ludwig Giese, doch bereits im Jahre 1798 wieder Kammerherr Hartwig Ludwig von Bülow. 1797 wird die Feldmark Hof Bretzin von Wiebendorf erworben. Zu Hof Bretzin gehörten 1856 nach Raabe noch 27 Einwohner, später ist nur die Feldmark genannt. Ein Wirtschaftshof zu Hof Bretzin hat noch 1857 jenseits des Weges von Bretzin nach Zahrensdorf bestanden. Dazu gehörte ein Tagelöhnerhaus mit vier Wohnungen gegenüber dem Bretziner Schmiedegehöft. In der Volkszählung 1819 werden nur 10 Einwohner in Hof Bretzin genannt.

Im Jahre 1800 kauft Heinrich Joseph, Graf von Malet die Güter und trennt sie, indem er Zahrensdorf an Dr. Franz Philipp Christian Mecklenburg weiterverkauft. Er behält Wiebendorf nur bis 1802. Dann geht das Gut durch Kauf an Kober, 1804 an Knaudt (Boizenburger Kaufmannsfamilie?) und 1811 an Commerzienrath Johann Friedrich Rüdel. Im Jahre 1818 erwirbt Johann Conrad Oluff Krükmann Wiebendorf und behält das Gut bis 1841.

In der Volkszählung des Jahres 1819 werden in Wiebendorf folgende Familien bei insgesamt 62 Einwohnern erfasst: Badel, Berghan, Brenner, Cordes, Engel, Harms, Kaurtz, Koch, Köster, Krückmann, Krull, Lange, Langhans, Lasch, Levers, Lindemann, Mahncke, Marckwardt, Meinke, Müller, Pagel, Piel, Rotlem, Schütt, Stophenhagen, Stophers, Tolle, Wieske, Witt und Wöhl.

In dem zu Wiebendorf gehörenden Hof Bretzin wohnten nur noch drei Familien, nämlich Melchert, Saß und Schaefer, insgesamt 10 Einwohner.

Unter den Namen ist die Familie des Gutsbesitzers zu finden. Man findet keine Namen, die noch gegenwärtig in Wiebendorf zu finden sind. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gab es noch eine Familie Engel, die dann in den 1920er Jahren auf dem Klein Bengerstorfer Strittkamm eine Häuslerei errichtet hat.

Hier soll nun eine Passage aus der Ausarbeitung des Zahrensdorfer Lehrers Heinrich Garber eingefügt werden: „Wiebendorf hatte auch Tagelöhner im Dienst und es steht fest, daß nicht alle zufrieden und glücklich ihre Tagewerke verrichteten. Ein Brief läßt das erahnen. Er war mir vor wenigen Monaten zugestellt worden und kam aus Australien. Er war geschrieben von einem Nachkommen eines ehemaligen Wiebendorfer Tagelöhners. Dieser Tagelöhner war Schäfer in Wiebendorf, hieß Wilhelm Schmaal, brach hier seine ‚Zelte’ ab und begab sich als 62-jähriger mit Frau und 7 Kindern auf die Suche nach einer neuen Heimat, die er nach 132 Tagen Seefahrt in Australien erreichte. Mit Wilh. Schmaal fuhren noch die Familien Dahlenburg, Hoklas, Meinke und Eckermann, alle aus der Kirchgemeinde Zahrensdorf nach Australien.“

Bedauerlicherweise fehlt hier die Angabe des Jahres der Auswanderung. Im Jahre 1841 kauft Friedrich Gabriel Zarnekow das Gut, behält es aber nur bis 1843. Die Familie des Amtmanns Zarnekow finden wir von 1821 bis 1911 auf Groß Timkenberg. Im Jahre 1843 erwirbt der Oberhauptmann Peter Friedrich Ludwig von Witzendorf das Gut Wiebendorf. In dieser Familie verbleibt es wieder einige Jahrzehnte bis zum Jahre 1877. Im Jahre 1845 hatte Wiebendorf 84 Einwohner und 9 Häuser.

In einer Situationsskizze des Gutsbesitzers von Witzendorff zum Hof Wiebendorf in den Jahren 1845 und 1857 aus den Brandversicherungsunterlagen sind zu finden: 1. Herrschaftliches Wohnhaus, 79,5 x 40 Fuß (f) 2. Flügelanbau, 30 x 41,5 f 3. Wirtschaftshaus, 64,5 x 31 f 4. Ackerwirtshaus mit Zimmern und Kornboden, 50 x 29 f 5. Scheune und Holzstall, 75 x 26 f 6. Pferdestall und Wagenremise, 138 x 42 f 7. Scheure, 125 x 45,5 f 8. Zirkelrunde Scheure, 68 Fuß Durchmesser 9. Schafstall 10. Viehhaus, 120 x 46,5 f 11. Backhaus, 36,5 x 21 f 12. Mehrhieschiger Kathen, 126 x 27,5 f (ist 1857 nicht mehr vorhanden) 13. Vierhieschiger Kathen, 80 x 30 f 14. Stall bei demselben 43,5 f 15. Spritzenschauer und Nutzholzkammer, 42 x 27 f ) die Nummern 15 bis 17 sind 1845 16. Vierhieschiger Kathen ) noch 17. Stall bei den Kathen ) nicht vorhanden

Raabe hat in seiner Mecklenburgischen Vaterlandskunde im Jahre 1857 die Wiebendorfer Verhältnisse so beschrieben: „Wibendorf, an der Schale, 1 ¼ Meilen nordöstlich von Boizenburg, Hof mit 68 Einw., Allodialgut der Erben des Oberhauptmanns von Witzendorf, steuert von 673 Scheffeln und umfasst 121.934 Quadratruthen mit ergiebigem Acker und ansehnlicher Heuwerbung, Landesherrliches Vorkaufsrecht. Bretzin Hof, nördlich Wibendorf, mit 27 Einw., Allodialitätscognition zahlendes Allodialgut, steuert von 978 Scheffeln und umfaßt 127.381 Quadratruthen. Das Dorf Bretzin mit 3 Bauern gehört zu Badekow.“ Wiebendorf mit Hof Bretzin hatte somit 95 Einwohner. (121.934 Quadratruthen = 265 ha; 127.381 Quadratruthen = 277 ha)

In Wiebendorf wurden für 673 Scheffel und von Hof Bretzin für 978 Scheffel Einsaat Steuern gezahlt. Der Scheffel Einsaat war ein Maß zur Bonitierung der Böden zu Steuerzwecken (ein Scheffel ca. 28 kg Roggen). Die seinerzeitige Annahme war, dass schlechter Boden weniger Korn trägt und deshalb weniger Einsaat benötigt (Einsaat eines Scheffels bei gutem Boden auf 75 Quadratruthen, bei schlechtem Boden auf 250 Quadratruthen). Wiebendorf lag durchschnittlich bei etwa 180 Quadratruthen je Scheffel. Die Aussage Raabes von dem „ergiebigen Acker“ zeugt doch von schlechter Kenntnis des Wiebendorfer Bodens, anders bei Hof Bretzin, wo die Bonität bei 130 Quadratruthen je Scheffel lag, bereits ein recht guter bis mittlerer Boden. Der Hufenstand von 673 Scheffel Einsaat in Wiebendorf entspricht etwa 1,12 Ritterhufen oder 2,3 Bauernhufen, in Hof Bretzin etwa 1,63 Ritterhufen oder 3,3 Bauernhufen als Vollhufen von 600 bzw. 300 Scheffel Einsaat). Die Bauernhufen der Region waren in der Regel keine Vollhufen sondern Viertelhufen mit 75 bis 80 Scheffel Einsaat, so dass der Wiebendorfer Acker dann 10 und der Hof Bretziner Acker 13 bis 14 Viertelhufen in der Größe wie in Bengerstorf entsprechen würde. Die Allodialitätscognition war eine Zahlung, die auch bei einigen Allodialgütern, die ansonsten freies Eigentum waren, an den Landesherrn beim Eigentumswechsel zu zahlen war.

Im Jahre 1877 kauft der Ingenieur Carl Hermann Theodor Haase das Gut. Eine Enkelin Haases berichtete gegenüber Heinrich Garber. Hier die Wiedergabe durch Garber: „Mein Großvater Carl Hermann Theodor von Haase wurde in Stralsund geboren, erlernte dort das Schlosserhandwerk und landete in Persien, wo er sich nicht nur mit Erdöl und Gas bekannt machte, sondern die Erzeugung und den Umgang mit brennbarem Gas zu seiner Lebensaufgabe bestimmte. Er lenkte die Aufmerksamkeit auf sich, wurde in Berlin bekannt, baute die Hamburger Gaswerke auf und aus und erwarb 1877 das kleine Gut Wiebendorf und gestaltete dieses völlig neu. Seine durchgreifenden Erneuerungen fanden Anerkennung. 1890 wurde er geadelt“.


Abbildung 5. Schloss Wiebendorf. Dieses hat C.H.Th. v. Haase in den Jahren 1880 bis 1886 zusammen mit der Gutsanlage nach einem Entwurf des Hamburger Architekten Martin Haller errichten lassen. Es wurde von den Gebrüdern Puls aus Kostengründen 1942 gesprengt.

Haase ließ die alten Gebäude abbrechen. Er errichte nicht nur einen neuen Hof sondern auch neue Tagelöhnerwohnungen. Die Tagelöhnerhäuser wurden in neugotischem Stil nach englischen Vorbildern errichtet (Abb.6). Anklänge an diesen Stil finden sich auch an den Gebäuden des Hofes, die sich nördlich der Achse des Gutes befanden, die durch die Tagelöhnerwohnungen gebildet wurde und im Schloss/Herrenhaus ihren Zielpunkt fand (Abb.5). Südlich dieser Hauptachse befanden sich vor dem Schloss mit der Orangerie und Gewächshäusern und dem anschließenden Park, der die Schaale überschritt. Östlich der Orangerie befand sich jenseits des Wiesenweges das Gärtnerwohnhaus mit einem Anbau, in dem Gas erzeugt wurde. Davor wurde später ein Pumpenhaus für die Wasserversorgung errichtet, in das in den 1950er Jahren die Konsumverkaufsstelle einzog.

Der Hof bestand aus dem Verwaltergebäude an der Südwestecke gegenüber dem Schloss, dem Pferdestall mit Speicher und dem Turm, der das Gebäude im Zusammenklang mit der Architektur (ähnlich einer Basilika) an eine Kirche erinnern lässt, an der Südseite, einer Wagenremise an der Ostseite, dem Kuhstall und der großen Scheune mit Werkstätten (Stellmacherei, Schmiede), Kornboden und Düngerlager an der Nordseite sowie dem Hühnerstall und einem Turbinengebäude an der Westseite (Schaaleufer). Dort wurde nicht nur Strom für das Gut erzeugt, sondern auch über einen Wasserbehälter im Turm des Pferdestalls das Wasser in die Ställe gefördert.


Abbildung 6. Die Tagelöhnerhäuser an der Langen Straße. Im Hintergrund der Pferdestall mit Speicher und Turm. In der Feldmark ließ er eine Reihe von Modernisierungen durchführen. Er ließ eine Brücke über die Schaale und eine daran anschließende befestigte Straße auf den ehemals Hof-Bretziner Flächen bauen, die sich bis an die Badekower Scheide erstreckte. Er ließ die Ackerflächen dränieren, die Schaale oberhalb Wiebendorf begradigen und ein Turbinenhaus oberhalb der Schaalbrücke errichten, in dem Strom für das Gut erzeugt wurde. Auch die Aufforstung der in Abbildung 2 noch erkennbaren Heideflächen gehen auf sein Konto. Im Wiebendorfer Moor ließ er Torf gewinnen, was noch an den zwischenzeitlich weitgehend verlandeten Gewässern im Moor zu erkennen ist, die die ehemaligen Torfstiche darstellen. Zur Entwässerung des Moores wurde eine spezielle Pumpstation mit einer Rohrleitung zur Rämenbäk errichtet.


Abbildung 7. Die Schaalbrücke in Wiebendorf . Auf dem Bild ist im Hintergrund noch die zwischenzeitlich abgebrannte ehemalige Gutsscheune zu erkennen.



              Abbildung 8.   Im Wiebendorfer Moor  


Im Jahre 1888 erwarb C.H.Th.Haase auch das Gut Roggendorf bei Gadebusch mit Dorotheenhof und Klein Salitz. Im Jahre 1894 wurde Haase persischer Generalkonsul. Nach seinem Tode im Jahre 1896 fielen die Güter an Arthur Benno Kurt von Haase. In dieser Zeit - 1901 - hatte Wiebendorf 90 Einwohner, im Jahre 1912 noch 86 Einwohner. In Wiebendorf gab es in dieser Zeit keine Schule. Zunächst wurde offenbar die Schule in Bretzin besucht. Nach dem Ersten Weltkrieg war es die Schule in Zahrensdorf. In der NS-Zeit wurden nach preußischem Vorbild Schulverbände gebildet. Die Gemeinde Wiebendorf bildete gemeinsam mit Klein Bengerstorf den Schulverband Klein Bengerstorf.

Im Staatshandbuch von Mecklenburg-Schwerin auf das Jahr 1923 ist wiederum Kurt von Haase mit Wohnort Wiebendorf angegeben. Nun nach der mit dem Sturz der Monarchie verbundenen demokratischen republikanischen Verfassung der Weimarer Republik gab es auch einen Dorfschulzen. Diese Aufgabe unterlag jedoch nun der Wahl durch die Einwohnerschaft. 1922/23 übte Paul Beck diese Aufgabe aus. Später war Wiebendorf verpachtet. Das Staatshandbuch Mecklenburg-Schwerin wies in den Jahrgängen 1927 und 1930 den Pächter Kommissionsrat C.H.Belger aus. Dieser übte auch die Funktion des Dorfschulzen aus. In dieser Zeit wird die Feldscheune nördlich des Hofes errichtet worden sein, die um 1990 abgebrochen wurde. Im Jahre 1928 wurde für Wiebendorf nachstehender Viehbestand angegeben: 12 Pferde 50 Rinder 30 Schweine Im Jahre 1931 wird für Wiebendorf im Verzeichnis sämtlicher Ortschaften der Oberpostdirektion Schwerin die Zahl von 100 Einwohnern angegeben.


Abbildung 9. Der Standort des 1942 gesprengten Schlosses. Man erkennt noch Trümmerreste. Im Hintergrund sieht man das Wirtschaftsgebäude und den den Eindruck eines Kirchengebäudes erweckenden Pferdestall/Speicher. In den 1930er Jahren geriet das Gut in finanzielle Schwierigkeiten. Deshalb wurde es von der Landesbank als Pfandbesitz übernommen. Im Jahre 1934 wurde das Gut an Franz Puls verkauft. Aus dieser Zeit finden sich im Landeshauptarchiv zwei Dokumente, die hier inhaltlich wiedergegeben werden sollen:

Ausfertigung Sie werden benachrichtigt, daß auf Antrag des Kommissars für die Osthilfe (Landstelle Rostock) auf Grund des § 14 der Verordnung des Reichspräsidenten zur Sicherung der Ernte vom 17ten November 1931 die Zwangsverwaltung des im Amte Hagenow belegene im Grundbuche für Ritterschaftliche Landgüter auf den Namen des Gutsbesitzers v. Haase in Roggendorf eingetragenen Landgutes Wiebendorf am 3. Dezember 1932 angeordnet ist. Als Verwalter ist Rechtsanwalt Otto Peter Faull bestellt.. Boizenburg a. E. den 4ten Januar 1932 Meckl. Schwer. Amtsgericht gez. V. Laffert


Abschrift Landwirtschaftsministerium Schwerin, den 30. Juni 1934 L.II.3514 Zum Antrage vom 16. V. Monats Das Ministerium genehmigt auf Grund der Bestimmung der Bundesratsverordnung vom 15. März 1918 über den Verkehr mit landw. Grundstücken den Verkauf des im Kreise Hagenow belegenen Gutes Wiebendorf an den Landwirt Franz Puls aus Nienburg a/Weser in Gemäßheit des Vertrages vom 11. Mai 1934. Durch Genehmigung des Kaufvertrages wird die Ausübung des Vorkaufsrechtes aus dem Reichssiedlungsgesetz nicht berührt.

Franz Puls nahm auch seinen Wohnsitz in Wiebendorf. Im Staatshandbuch für das Jahr 1938 wird er als Bürgermeister ausgewiesen. Darin werden als Eigentümer nun die Gebrüder Puls (Franz und Wilhelm, D.G.) genannt. Das Schulzenamt, dem zwei gewählte Schöffen zugeordnet waren, war seit 1936 nach preußischem Vorbild in das Bürgermeisteramt mit zwei Beigeordneten umgewandelt worden. Die Gebrüder Puls waren Kleinunternehmer, die in Nienburg/Weser eine Kaffeerösterei betrieben haben. Ihnen wird in der Region häufig die Nähe zu den Nationalsozialisten nachgesagt. Das wurde aus der Bekanntschaft mit dem NSDAP-Gauleiter und Reichsstatthalter für Mecklenburg Friedrich Hildebrand gefolgert. Nach der Aussage von Wilhelm Puls junior aus Nienburg ergab sich diese Bekanntschaft aber lediglich daraus, dass Hildebrand häufiger auf dem Gebiet des Gutes der Jagd gefrönt hat. Sie waren nicht Mitglied der NSDAP. Das führte sogar zur Ablösung von Franz Puls als Bürgermeister. Im Jahre 1940 wurde vom nationalsozialistischen Staat das Schloss in Beschlag genommen. Wegen der hohen Unterhaltungskosten wurde es im Jahre 1942 gesprengt. Ein wesentlicher Grund soll der marode Zustand der Stahlkonstruktion in der Kuppel gewesen sein. Zuvor wurde die wertvolle Innenausstattung demontiert und anderwärts verwendet. In der Region hieß es Hildebrandt hätte wesentliche Teile in seinem Herrenhaus in Gößlow einbauen lassen. Wilhelm Puls junior spricht davon. dass einiges auch in Berlin verwendet worden sein soll.

An dieser Stelle soll Wilhelm Puls junior selbst zu Wort kommen. Er schreibt: „Das Rittergut Wiebendorf wurde 1934 von den Herren Franz und Wilhelm Puls sen., geboren in Bandekow/Lübtheen, erworben. Beide Herren waren keine Nationalsozialisten sondern absolute Gegner des Regimes. Herr Franz puls sen. wurde als Bürgermeister abgesetzt da ihm das ,richtige‘ Parteibuch fehlte. Das Herrenhaus (Schloss) ist 1940 beschlagnahmt worden. Hierbei muss der Kontakt zwischen Herrn Franz Puls sen. und dem damaligen Gauleiter Hildebrandt zu Stande gekommen sein. Das Herrenhaus sollte nach meinem Kenntnisstand damals unter Denkmalschutz gestellt werden. Nachdem jedoch durch Sachverständige festgestellt wurde, dass der Turm durch Witterungseinflüsse baufällig geworden war. Da kein Material für die Sanierung zur Verfügung stand und auch die Kosten zu hoch gewesen wären, ist die Sanierung nicht durchgeführt worden. 1940 wurde das Herrenhaus von der Wehrmacht gesprengt (mündlich von W.Puls jun. auf 1942 geändert). Vorher sind die Bilder, Inneneinrichtung und der Marmor entfernt worden. Die Abfuhr des Bauschuttes erfolgte im Auftrag von Herrn Hildebrand.“

In der Volkszählung 1939 wurden in Wiebendorf nur noch 50 Einwohner erfasst. Ein Spiegelbild für die abnehmende Einwohnerzahl gibt auch die Hofkarte des Reichsnährstandes:


Abbildung 10. . Hofkarte des Reichsnährstandes – eine Betriebstatistik für 1936 bis 1945 Die Beschäftigtenzahl betrug danach: männlich weiblich (dav. Nichtständige) 1937/38 17 6 (4) 1939 18 11 (9) 1940 13 9 (9) 1945 7 2

Die landwirtschaftliche Nutzfläche betrug 1940 nur 173 ha gegenüber 350 ha Wald.

Viehbestand: Pferde Rinder dar. Kühe Schweine (dar. Mastschw.) Legehennen 1937 9 72 35 35 13 56 1938 9 77 32 8 3 88 1940 5 61 31 8 - 28

Technik 1939: Traktoren mit 15/30 PS 1 Lokomobile 20 PS 1 Verbrennungsmotoren 24 PS 1 Elektromotoren 18 PS 4 Eisenbereifte Ackerwagen 10 Gummibereifte „ 2 Drillmaschine 3m 1 Dreschmaschine 10 dz/Std. 1 Pferdebinder (1937) 2 Zapfwellenbinder 1 Höhenförderer 1 Strohpresse 1 Kartoffelroder 1 Futterdämpfer 1

Nach dem Zweiten Weltkrieg wohnten in den Tagelöhnerhäusern nur noch die Familien Behnke, Hufnagel, Kahl, Lücht und Timm. Die übrigen Wohnungen sollen mit Kriegsgefangenen belegt gewesen sein. Auf einem Schulbild der Zahrensdorfer Schule aus dem Jahre 1923 finden sich außer diesen Namen auch Träger der Namen Engel und Wienrank, die mit Sicherheit Wiebendorfer Kinder waren.