Warnemünde im Spiegel von Zeitgenossen: Unterschied zwischen den Versionen

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Die Fischer trugen bei der Arbeit eine kurze wollene Jacke, dunkle, wollene Strümpfe, hohe Lederstiefel und als Hose die "Unnerbrauk", die bis zum Knie reichte, darüber die "Spitzbüx" mit der Klappe und den großen silbernen Knöpfen, und beim Netzeeinholen die weite, leinene Oberhose als Nummer drei."
 
Die Fischer trugen bei der Arbeit eine kurze wollene Jacke, dunkle, wollene Strümpfe, hohe Lederstiefel und als Hose die "Unnerbrauk", die bis zum Knie reichte, darüber die "Spitzbüx" mit der Klappe und den großen silbernen Knöpfen, und beim Netzeeinholen die weite, leinene Oberhose als Nummer drei."
  
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Version vom 31. Dezember 2017, 19:47 Uhr

Warnemünde und die Sturmflut am 10. Februar 1625 (Auszug aus H.F.Beckers "Chronik der Rostocker Heide")

Den 10. Febr. 1 6 2 5 stand der Wind von Morgen bis Mittag südlich und es war stilles Wetter, als plötzlich um 8 Uhr vormittags die Ostsee so stark in die Warnow drang daß ohnerachtet der Windstille die derzeit vorhanden sieben Strandbrücken und das ganze Warnowufer bis an die Strandthore zur Überraschung der Meteorologen und Seefahrer überschwemmt wurde. Es herrscht bekanntlich in der Ostsee keine bemerkbare regelmäßige Ebbe und Fluth, jedoch verändert sich der Wasserstand zuweilen in der Art, daß die sonst niedriger liegende Ostsee in den Warnow Fluß eintritt oder wie man sagt der Strom einläuft, welches gewöhnlich bei Nordost oder Nordwind der Fall ist. Es vermutheten daher die Schiffer daß ein Sturm aus Nordost im Meere herrschend sey, und diese Vermuthung ward bald zur Gewißheit. Mittags um ein Uhr trat ein Orkan ein, mit Schnee, Hagel und Regen verbunden. Zuerst kam der Wind aus Osten, dann drehete er sich nach Nordosten. Es stürmte den Nachmittag und die ganze Nacht hindurch bis am Morgen den 11. Febr. Die Warnemünder sahen das Meer in einer so heftigen Bewegung, daß sie die Wellen mit Wasserbergen verglichen die bis an die Wolken reichten. Der Sturm war so heftig, daß Reisende weder fahren noch gehen noch stehen konnten, und sich bei den Schneewirbeln auf die Erde niederwerfen mußten um athmen zu können. Da schönes warmes Wetter voraufgegangen war, so wirkte die eingetretene eisige Kälte so stark auf den menschlichen Körper, daß mehrere Menschen erstarreten und verhindert wurden sich von dem überschwemmten Lande zu retten. Die Fluth erreichte abends 5 Uhr bei Rostock den höchsten Stand, und blieb bis Nachts 2 Uhr also 9 Stunden in dieser Höhe, welche den mittleren Waßerstand 14 Fuß überstiegen hatte. Nach 2 Uhr sank das Wasser, stieg aber am 14. Febr. bei gemäßigterem Sturm fast bis zur derselben Höhe. Dies Unwetter traf mit gleicher Wasserhöhe auch Greifswald, Stralsund, Wismar und Lübeck. Die Folgen dieser Sturmflut waren schrecklich. In und um Rostock fand man nach Ablauf des Waßers, daß der Hafen selbst fahrbar geblieben, daß, aber die Waßerwerke, woran man über 20 Jahre gearbeitet, sehr ruinirt waren. Die Dünen, an deren Erhaltung man derzeit erhebliche Kosten verwandt hatte, waren vom Stromgraben bis Warnemünde und von hier bis Diedrichshagen vom Meerwaßer überstiegen, zerrißen und niedergestürzet. Die von Eichenholz mit starken eisernen Klammern verbundenen und mit großen Steinen beschwereten Kisten, sowohl am Meer als im Hafen und am Breitling waren gänzlich umgestürzet, die Steine ins Waßer gefallen, jedoch ohne das Fahrwaßer zu verschütten; das Kistenholz war zerbrochen, gänzlich weggeschwemmt und auf die Ufer von Marienehe und Bramow geworfen. In der Rostocker Heide waren eine große Menge Eichen, Buchen, Kiefern pp. umgeworfen. Die Dörfer Schmarl, Lütten und großen Klein, Marienehe, Redewisch pp. hatten an Häusern, Scheunen, Ställen Obstbäumen pp. sehr gelitten. Mehrere Gebäude waren umgestürzt und weggeschwemmt, viel Vieh ertrunken, Acker und Hausgeräthe weggetrieben. In dem Stadt Dorf Mohr, vermuthlich dem im Walde gelegenen Moorhof, welcher jetzt nicht mehr existirt aber auf die Reiter Charte bemerkt stehet, sind einige Pferde und Ochsen ertrunken. Die Menschen haben sich auf den Boden gerettet und dort drey Tage ohne Speise geseßen. Wie weit das Waßer in die Heide vorgedrungen ist nicht bemerkt worden, nach einer mündlichen Tradition soll es in Niedrigungen bis Blankenhagen vorgerückt seyn. Im Flecken Warnemünde sind von 150 Häusern 74 sehr beschädigt worden. Die Wände sind ausgefallen und nur die Ständer stehen geblieben. Alle Kisten, Betten, Bettstellen, Tische, Schränke pp. sind von den Fluthen weggerißen, 18 Häuser aber an der Nordseite bei der Laterne, gänzlich über den Haufen geworfen. Die steinerne Kirchhofs Mauer ist niedergestürzt, in der Kirche das Waßer drei Fuß hoch gestanden und durch die Vogtei hat man mit Böthen fahren können. Die beiden aeltesten Bürgermeister Tancke und Schütte haben am 12. Febr. den Schaden in Warnemünde in Augenschein genommen und sich die Klagen der Warnemünder, denen von ihren geborgenen Sachen noch manches weggestohlen worden, vortragen laßen. Alle im Hafen gelegenen Schiffe, mit Ausnahme von zweien sind losgerißen, aneinander und gegen die Häuser geschleudert worden. Mehrere sind zertrümmert; 18 haben auf trockenem Boden vor den Häusern und der Voigtei gestanden, unter diesen ein Schiff von 100 Last mit voller Ladung; zwei Schütten hat man auf den Wiesen bei der alten Warnow gefunden.

1800 Johann Christian Friedrich Wundemann

(Prediger zu Walkendorf) Auszug aus "Mecklenburg in Hinsicht auf Kultur, Kunst und Geschmack"

"Warnemünde"

"Ich habe zuvor Warnemünde als eines Bellustigungsortes für die Rostocker erwähnt. Zwar bringt er nicht an sich selbst viel Vergnügen mit sich. Der dürre, unfruchtbare Sand, der die beiden Erdzungen füllt, welche auf der einen Seite durch die Ostsee, auf der andern durch einen sehr weiten Busen der Warnow gebildet, und nur durch den dazwischen fließenden Strom getrennt werden; ferner, die kleinen, spitzen Giebelhäuser,welche in zwey Reihen au der Westseite des Hafens stehen, und so auch die Bewohner dieser Häuserchen, welche von dem, was die vornehme Welt vergnügt, nichts wissen, sind an sich eben keine Gegenstände, die den Frohsinn reizen. Indeß hat doch die Wasserfahrt dahin, die Ansicht des Hafens, der weiten Ostsee, der ankommenden oder abgehenden Schiffe für diejenigen, die derselben nicht oft genießen, viel Annehmlichkeit. Für den Hafen selbst hat die Natur eigentlich nichts gethan, als der Warnow hier ihren Ausfluß ins Meer angewiesen. Er würde vermuthlich schon längst versandet und für die Schiffahrt unzugänglich geworden seyn, wenn ihm nicht die Kunst zu Hülfe gekommen wäre, und den beständigen Sandauswurf des Meeres abzuhalten gesucht hätte. Zu dieser Absicht ist er sowohl gegen die Warnow als eine beträchtliche Strecke in die See hin auf beiden Seiten mit einem sehr starken Pilotis und Kisten, die mit großen Steinmassen angefüllt sind, versehen. Selbst bey dieser Vorsicht, die noch immer einen großen Aufwand an Holz und Kosten mit sich bringt, wird an der einen Seite der Oeffnung des Hafens durch den beständig angeworfenen Sand eine Untiefe erzeugt, so daß es alle Behutsamkelt der Lootsen erfordert, die Schiffe an dem Pilotis zur Rechten in den Hafen zu steuern. Er ist aber auch hier, besonders bey auslaufendem Strom nicht so tief, daß er Schiffe von mehr als 80 bis 100 Lasten mit voller Ladung aufnehmen könne. Diese müssen zuvor auf der Rhede löschen. Andere, die die angegebene Größe viel übersteigen, können zum Theil überhaupt nicht in den Hafen legen. Die Gegend um Warnemünde hat übrigens, wie schon erwähnt ist, nichts Anziehendes. Der Boden ist sandig und unfruchtbar, tragt kaum die nöthigen Gartenfrüchte, noch weniger Korn. Selbst für das Vieh hat er an der Seite von Warnemünde kein Futter. Im Sommer muß es täglich durch den Strom nach der andern Seite schwimmen, um dort zu weiden. Alle Bedürfnisse müssen also für die Einwohner dieses Orts aus Rostock herbeigeschafft werden, und täqlich rudert eine Menge derselben dahin, um ihre Fische oder den weißen Seesand zu verkaufen, und sich dagegen mit Mehl, Brod, Bier und andern Nahrungsmitteln zu versehen. So lebt hier in beständigem Kampfe mit dem großen wogigen Element und den Gefahren der täglichen Fischerey auf demselben, im Kampfe mit öftern Stürmen, und mit der Unfruchtbarkeit des Bodens, ein stilles, gutartiges Völkchen, von ohngefähr 620 Menschen, das sich fortwährend von allen andern Menschenarten unvermischt erhält; ein Völkchen, das für Rostock, freilich mit Verschiedenheit der Gewerbe und Nahrungart, ohngefähr das ist, was die Vierlander für Hamburg, und die Sachsenhäuser für Frankfurt sind. An Kleidung, Dialekt der Sprache, und, man kann auch wohl sagen, an Sitten hält es sich noch immer von der Stadt, zu der es gehört, ganz abgesondert. In der Kleidung zeichnen sich besonders die Weiber durch eine nach hinten etwas länglicht rund zulaufende Mütze mit schmalem knapp anschließenden Striche, durch ein rothes oder blaues enges Mieder mit weißen Knöpfen, und ein buntes nur oben am Latz zugebundenes und dann los bis über die Hüften herab, hängendes Camisol, mehrentheils von gestricktem Wollenzeuge; dann durch kurze nur bis auf die Waden reichende und oben dicht gefaltete Röcke aus. In der Sprache desselben finden sich so. viele theils Verlängerungen theils Verkürzungen der Worte, so viele Vertauschungen der Vokale, daß deren ein eigenes Idiotikon gesammelt wer, den könnte. Damit ist noch ein besonderer ziehender oder singender Ton verbunden, der keiner Beschreibung fähig ist. — In den Sitten bleibt dieses Völkchen der hergebrachten Lebensart, die sehr mäßig und enthaltsam ist, fortwährend treu. Vornämlich hält es sich im Punkte der Keuschheit so rein, daß eine Verletzung derselben zu den seltensten Begebenheiten in Warnemünde gehört, und eine unerlaubterweise verdorbene Jungfräuliche Taille den allgemeinsten und bittersten Unwillen erregt. Die Nahrungsart dieser Leute ist, wie sich erwarten läßt, sehr einfach und kärglich. Die Männer dienen als Matrosen zur See — wenn sie durch Sparsamkeit oder andre Glücksfälle so viel gewinnen, sich eigne Schiffe anschaffen zu können, so müssen sie das Bürgerrecht zu Rostock annehmen, und dort wohnen; — in der Abwesenheit derselben nähren sich die Weiber vom Fischfang und dem Sandhandel. Und dennoch lebt dieses Volk in seiner Art zufrieden und glücklich. Die Gewohnheit härtet es ab gegen dle mancherley Unannehmlichkeiten seiner Lage, und eine charakteristische Genügsamkeit bey wenigen Erwerbmitteln zu einem bequemen und weichlichen Leben bewahrt den Fond von Redlichkeit und Treuherzigkeit, der ihm von Alters her eigen ist."

1825 Theodor Fontane: "Warnemünde ist gar nicht so übel"

"Warnemünde, seinem Renommeé nach eine Art Aschenputtel unter den Badeplätzen, ist gar nicht so übel. Es gibt einen Warnemünder Baustil. Er besteht darin, daß man an die Fronten der Häuser einen Glaskasten anklebt , der, unter den verschiedensten Namen auftauchend, als Balkon, Veranda, Pavillon, doch immer der alte Glaskasten bleibt, wovon das Sein oder Nichtsein aller Gäste und zuletzt auch ganz Warnemündes abhängt. Mit dem Glaskasten steht es oder fällt es. Diese gläsernen An- und Vorbaue geben dem Ort seinen Charakter und dem Badegast sein Behagen. Sie sind wirklich ein Schatz."

1845 Friedrich Lisch "Die Warnemünder Tracht"

"Die sichere nachhaltige Hauptquelle ist das Meer. Die meisten Männer sind Seefahrer, viele sind Fischer; in gereiften Jahren dienen sie im Hafen als Lotsen. Die Weiber sind äußerst betriebsame, rührige Gehülfinnen, ja Stellvertreterinnen der Männer auf dem Meere und dem Flusse,helfen fischen und Sand holen, besorgen den Verkauf des Gewinnes in Warnemünde und Rostock und den Verkehr des Fleckens mit der Stadt; beständig ist die Warnow mit leichten Böten bedeckt, welche die flinken Warnemünderinnen sicher und gewandt durch die Fluten lenken. Die zahllosen Bedürfnisse der Badegäste haben ihre Tätigkeit noch erhöht. Dies alles, neben dem Volkscharakter und der eigenen Sprache, gibt dem Völkchen, das auch bei dem gesteigerten Badeleben den alten Sitten treu geblieben ist, einen eigenen wohltuenden Anstrich. Wir sehenauf unserm Bilde eine Warnemünderin , wie deren täglich viele in den Straßen Rostocks umhergehen, um Seefische zu verkaufen, und einen Warnemünder Matrosen. Die Tracht der jungen Männer hat sich bereits der allgemeinen Matrosentracht angeschlossen. die Tracht der älteren Matrosen und Fischer hat jedoch noch den Charakter der Strandbewohner an den lebhafteren Küsten des nördlichen Eurpoas. Die Fischer trugen bei der Arbeit eine kurze wollene Jacke, dunkle, wollene Strümpfe, hohe Lederstiefel und als Hose die "Unnerbrauk", die bis zum Knie reichte, darüber die "Spitzbüx" mit der Klappe und den großen silbernen Knöpfen, und beim Netzeeinholen die weite, leinene Oberhose als Nummer drei."

Die Warnemünder Tracht Stich: Tiedemann 1840


um 1870 Julius Woeniger: "Warnemünde - Natur und Kunst haben beide wenig für dasselbe gethan"

"In Warnemünde ist das Badeleben schon in vollem Gange. Es ist ein merkwürdiger Badeort, dies Warnemünde; Natur und Kunst haben beide wenig genug für dasselbe gethan und doch geht der meiste Mann am liebsten dahin; das mehr Demokratische, welches das Warnemünder Badeleben hat, muß es wohl machen."

Carl Von Stein, Auszug aus: "Eine Erinnerung aus Warnemünde"

(Karl Heinrich Friedrich Julius von Stein, 1831 - 1916, von 1868-1870 Vorstand des See-Zollamtes in Warnemünde)

"..In dem kleinen Warnemünde-

Wer es kennt der muß es lieben-

Suchen kühle Sommerfrische

Nach des Winters hartem Dienste

Badegäst´ verschiedner Art:

Alte gelbe Stubenhocker,

Die beim Staub von Folianten,

Lung´und Leber assicirten,

Männer von gelehrtem Stand.

Aber auch Commerzienräthe,

Reiche Strohhutfabrikanten,

Decorirte Officiere,

Und selbst Künstler fehlen nicht.

Auch Berlin, die Metropole,

War in großer Zahl vertreten

Durch Familien, die zu Hause

Ohne Gruß einander kennen,

In der Fremd sich lieben sehr.

Auf der Düne nah am Meere

Lagen nach des Tages Hitze

Hingekauert, wild romantisch

Damen und auch junge Herr´n.

Kleine Wogen plätschern friedlich

Und am fernen Horizonte

Streifen helle, schmale Segel

Die in alter Fischersprache

Man die "weißen Rosse" nennt. .."