Karl Boldt "Zur Ortsgeschichte 700 Jahre Dierhagen" aus der Festschrift "1311 - 2011 OSTSEEBAD DIERHAGEN" 2011

Aus Ortschroniken
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Vorbemerkung:

Die nachfolgende Chronik von Karl Boldt, Ehrenbürger der Gemeinde Ostseebad Dierhagen, wurde von Mitgliedern der Arbeitsgruppe Dörpgeschicht der Gemeinde Ostseebad Dierhagen hier in das Portal eingestellt.



700 JAHRE DIERHAGEN


Die Entstehung Norddeutschlands

Vor ca. 10 000 Jahren formte die letzte Eiszeit Norddeutschland und so auch das Küstengebiet, auf dessen Areal Dierhagen liegt. Das Binnengewässer, der Bodden, gehörte zum Recknitzdelta. Die heutige Halbinsel „Fischland-Darß-Zingst“ war durch mehrere Mündungsarme der Recknitz in drei Inseln geteilt. Die Mündungen sind durch Menschenhand, aber auch durch die Natur zerstört worden, so dass die Halbinsel in ihrer jetzigen Form entstand. Durch Überflutungen, die in einigen Phasen einsetzten, füllte sich die Fläche des heutigen Boddens mit Wasser, so dass die hier bereits entstandenen Siedlungen aufgegeben werden mussten.

Es gibt Zeugen dieser frühen Besiedlungen. Auf der Dierhäger Feldmark sind Geräte und Werkzeuge aus der mittleren Steinzeit gefunden worden, hergestellt aus dem hier häufig vorkommenden Feuerstein, der auch Flintenstein genannt wird. Der Feuerstein ist ein sehr hartes Material, das gut spaltbar ist. Die Spaltstücke weisen scharfe Kanten und Schneiden auf.

Von dieser Dierhäger Feldmark hatte die Dierhägerin Ida Alm in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts eine große Anzahl steinzeitlicher Werkzeuge zusammengetragen. Die Sammlung ist leider am Ende des Zweiten Weltkrieges teilweise zerstört worden. Der Rest des Fundus wurde von der Enkelin der Sammlerin einem Rostocker Museum übergeben.

1961 wurde nördlich des Dierhäger Hafens, ca. 70 Meter vom Ufer entfernt, Boden für den Deichbau ausgebaggert. Mit dem Baggergut kamen schwarze Feuersteine an Land, darunter mittelsteinzeitliche Geräte, wie Kern- und Scheibenbeile, Klingen, Schaber, Pfeilspitzen und zahlreiche Abschläge. Auch hieraus ist zu entnehmen, dass die Wasserfläche des Boddens vor 5000 bis 7000 Jahren Festland gewesen sein muss. Die meisten Fundstücke übernahm das damalige Heimatmuseum Ribnitz-Damgarten. Die Fundstücke weisen auf Siedlungen mittelsteinzeitlicher Menschen hin. Funde aus der Bronzezeit sind in Dierhagen nicht gemacht worden. Auch wurden keine Urnenfelder in der Gegend von Dierhagen gefunden, wobei diese auch im Zuge des Küstenabtrags von der Ostsee „verschlungen“ worden sein könnten.

Im 6. Jahrhundert wurden die norddeutschen Gebiete von den Slawen, auch Wenden genannt, besiedelt. Sie ernährten sich vorwiegend von der Jagd und vom Fischfang. Die großen Wälder und die vielen Seen boten gute Gelegenheit dazu. Ackerbau wurde nur im geringen Maße betrieben. Im östlichen Teil unserer Region wurden die Wilzen sesshaft, die sich in mehrere Stämme gliederten. Die nördlichste Gruppe waren die Kessiner (Fischhüttenbewohner), deren Ausbreitungsgebiet im Osten an der Recknitz endete. Die slawischen Einzelstämme wurden zu einem Gesamtverband zusammengeführt - nur so war es möglich, einen Staat unter einer monarchistischen Führung zu bilden.

Einer der herausragenden slawischen Fürsten war Niklot, der 1160 im Kampf gegen Heinrich den Löwen, den Herzog von Sachsen und Bayern, fiel. Die Regentschaft von Mecklenburg übernahm nunmehr Heinrich der Löwe.

1167 erhielt Obodritenfürst Pribislav die Regentschaft (außer Grafschaft Schwerin) als Vasall des sächsischen Herzogs Heinrich des Löwen zurück und nahm den christlichen Glauben an.

Der traurige Zustand des Landes im Ergebnis der andauernden kriegerischen Ereignisse machte eine Neukultivierung und den Zuzug deutscher Kolonisten erforderlich. Sie besiedelten ab 1200 auch das Ribnitzer Gebiet. Ribnitz war ursprünglich eine slawische Siedlung (ryba, riba = Fisch). Die Siedler, die in den Nordosten Mecklenburgs kamen, stammten aus den übervölkerten Gebieten in Westfalen, Friesland, Niederrhein und den Niederlanden. Die noch heute in Dierhagen vorkommenden Familiennamen Fehling und Westphal weisen auf ihre Herkunft aus Westfalen hin. Obwohl in Überlieferungen immer behauptet wird, dass es eine Familie Fretwurst war, die den Ort Dierhagen gründete.

Es kam im Laufe der Jahrhunderte zu einer Verschmelzung der Stämme der Wenden und der Neusiedler, es entstanden die Mecklenburger westlich der Recknitz und die Pommern östlich der Recknitz.


Die Ersterwähnung von Dierhagen und die Zugehörigkeit zum Kloster

Dierhagen wird als Deerhagen am 16. August 1311 in einer Urkunde erstmalig genannt. Darin bestätigt der Dänenkönig, der im Besitz der Herrschaft Rostock war und deren Grenze bis an die Recknitz reichte, der Stadt Ribnitz, dass ihre Waldungen bis zur Grenze von „Deerhagen“ reichen. Bei Historikern gilt der Tag der Ersterwähnung eines Ortes als dessen Gründungstag.

Fürst Heinrich II. von Mecklenburg erhielt 1323 die Herrschaft Rostock zu erblichen Lehen. Im selben Jahr stiftete er in Ribnitz ein Nonnenkloster. Die Gemahlin Heinrichs schenkte dem Kloster 1327 das Dorf Dierhagen und den abseits gen Dändorf liegenden Hof Klein Dierhagen mit dem Gestüt. Die Dierhäger waren damit dem Kloster verpflichtet, sie mussten dem Kloster Abgaben leisten. Von 1324 bis 1327 waren beide Orte an einen Herrn von Moltke verpfändet.

Die Bezeichnung Dier“hagen“ weist auf einen ehemals umfangreichen Waldbestand hin, der zur Anlage der Siedlung gerodet wurde (Rodungssiedlung). Konkret wurden vom Wald abgegrenzte Stücke mit „hagen“ bezeichnet.

In einer Erklärung vom 20. Juni 1549 bekräftigt der Landesherr den Übertritt zum evangelisch-lutherischen Glauben. Hierbei wurde das bestehende Klostergut eingezogen und unter herzogliche Verwaltung gestellt. Die Stände, das heißt der Adel und die großen Städte, erhoben auch Anspruch auf den frei werdenden Besitz mit der Begründung, dass auch sie zur Stärkung der Kirche erheblich beigetragen hätten. Allein der klösterliche Besitz in Ribnitz wurde vorerst nicht übergeben, da die Äbtissin sich hartnäckig weigerte, den katholischen Glauben aufzugeben. Sie starb 1586. Die Verhandlungen schleppten sich bis 1599 hin, bis dann am 6. Dezember die Übergabe des Klosters Ribnitz an die Stände erfolgte.

Der Besitz des Klosters ist in Inventarien von 1595 und 1620 festgehalten. 1595 wird das Gestüt in Klein Dierhagen noch erwähnt. Es wurden 52 Stuten und zwei Hengste gehalten. 1620 wird das Gestüt nicht mehr genannt. Es ist Ende des 16. Jahrhunderts eingegangen. Genannt wird dafür der Hof Klein Dierhagen, auf dem ein Pächter Ackerbau und Viehzucht betrieb. In Groß Dierhagen werden 22 Anwesen aufgeführt, die von Großfamilien bewohnt wurden. Diese Großfamilien ernährten sich von der Viehzucht, dem Ackerbau und dem Fischfang. In den genannten Inventarien werden die Anzahl des gehaltenen Viehs, die Größe der Gebäude und die Einfriedung der Hofstellen aufgeführt. Genannt sind auch die Gärten, die mit „Kohlhoff“ bezeichnet werden. Erwähnt wird, dass am Ende des Dorfes die Kapelle steht.

Wenige Jahre nach der Überlassung an die Stände begannen die Bemühungen der Landesfürsten, den Besitz des Klosters Ribnitz zurück zu gewinnen. Eine Einigung über den Rückkauf konnte erst im Jahre 1669 erzielt werden. Der Landesherr Christian Ludwig I. kaufte Groß- und Klein-Dierhagen zurück. Dierhagen war nun herzogliches Amtsdorf. Herzoglicher Verwalter war der Amtshauptmann in Ribnitz. Dem unterstand der Dorfschulze, der für die Verwaltung des Dorfes verantwortlich war.

Der Pächter vom Hof Klein Dierhagen bekam Schwierigkeiten, er musste den Hof 1675 aufgeben. Im selben Jahr pachteten die Dierhäger Hauswirte (so wurden die Bauern genannt), gemeinsam den Hof für drei Jahre. Der Vertrag ist immer wieder verlängert worden bis zur Regulierung der Feldmark am Anfang des 19. Jahrhunderts.

In einem Beichtkinderverzeichnis Dierhagens aus dem Jahre 1704 vom Kirchspiel Ribnitz werden 92 erwachsene Bürger genannt, die in Großfamilien auf den bereits 1620 genannten 22 Gehöften lebten. Dierhagen hatte sich bis dahin also nicht wesentlich verändert.


Die Entwicklung des Dorfes im 18. und 19. Jahrhundert

Begünstigt durch einen herzoglichen Erlass, der die Einrichtung kleinbäuerlicher Betriebe, der Büdnereien, gestattete, erlebte Dierhagen im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts einen erheblichen Zuwachs an Gebäuden und Bevölkerung. So ist überliefert, dass sich der Schiffer Christow Fehling 1785 ein massives Haus mit einem „duwellten Tungendach“ (Biberschwänze) baute.

Am Ende des 18. Jahrhunderts gab es in Dierhagen 18 Bauernhäuser und 34 Büdnerhäuser. Das Schulhaus war schon vorhanden. Die Kapelle stand seit 1595/96. Die Gebäude waren Fachwerkhäuser, bestehend aus Balken, Lehmwänden und Rohrdächern. Nach 1800 wurde mit dem Bau des Binnendeiches begonnen. Das Dorf und die Feldmark mussten vor den Überflutungen, die das Hochwasser des Boddens in regelmäßigen Abständen verursachte, geschützt werden. In diesem Zusammenhang erfolgte auch die Regulierung der Dierhäger Feldmark, d.h. es wurde jedem Bauern- und Büdnergrundstück die gleiche Fläche zugeordnet. Die Abgaben an das herzogliche Amt konnten nun einheitlich erfolgen.

Es gab nach erfolgter Regulierung 13 Bauernstellen, die alle bewirtschaftet wurden, und 102 Büdnereien, von denen bis 1859 nur 83 in Nutzung waren. Die restlichen Grundstücke sind später bebaut worden. Zu einer Büdnerei gehörten ein Garten, ein Acker, zwei Wiesen und Weiderecht für eine Kuh auf einer Gemeinschaftsweide. Eine Büdnerei bildete für eine Familie die Ernährungsgrundlage. Darüber hinaus konnte der Schulze im Ort (Bürgermeister) als Vergütung für seine Tätigkeit ein weiteres Stück Acker, den Schulzenacker, und eine weitere Wiese, die Schulzenwiese, nutzen. Der Lehrer erhielt den Schulacker und die Schulwiese zur Bewirtschaftung und der Küster den Küsteracker. Auch die Hebamme bekam eine separate Wiese. Ein in der Gemeinde vorhandenes Lehmvorkommen war allen zugänglich, die den Lehm als Baustoff brauchten.

Am 10. August 1859 brach kurz nach Mittag auf einem Gehöft ein Feuer aus. Kinder hatten mit Feuer gespielt. Es griff schnell um sich und vernichtete in zwei Stunden 10 Bauerngehöfte und 42 Büdnereien. Der größte Teil der sehr guten Ernte wurde fast vollständig vernichtet.

In einem Brief, den der Lehrer des Ortes an den Großherzog Friedrich Franz II. sandte, wurde der Hergang des Brandes genau geschildert. Der Großherzog eilte herbei und mit besorgter Miene sagte er zum Dorfschulzen: „Hier kriegen wie kein Dörp wedder hen“, worauf der zuversichtliche Schulze antwortete: „Ja wie kriegen hier ein wedder hen“.

In dem Bericht teilt der Lehrer mit, welche Maßnahmen ergriffen wurden, damit die Not der Betroffenen gelindert wurde. Die Geschädigten wurden alle bei denen, die nicht von dem Unglück betroffen waren, untergebracht. Eine Kommission aus drei Einwohnern wurde berufen, die über alle anfallenden Probleme Entscheidungen treffen musste. Für das Vieh wurden Gemeinschaftsställe gebaut, zum Schutz vor dem nahenden Winter. In Mecklenburg war eine Spendenaktion angelaufen, die die Not der Betroffenen linderte. Vernichtet waren fast alle Vorräte an Lebensmitteln, das Futter für das Vieh und das Saatgut.

Nachdem die Spuren des Brandes beseitigt waren, begann der Wiederaufbau des Dorfes. Amtshauptmann Koppe aus Ribnitz leitete den Wiederaufbau. Das Dorfbild wurde vollständig verändert (im positiven Sinne). Glich das Ortsbild bisher eher einem ungeplanten Durcheinander, entstand nunmehr ein Straßennetz mit geraden Straßen, wobei die verschonten Häuser eingebunden wurden. In den Straßen wurden die Fußsteige durch Baumreihen von den Fahrbahnen abgegrenzt. Die neuen Wohnhäuser wurden massiv gebaut, wobei die Bauernhäuser an der südlichen Seite des Dorfes im Stil von niedersächsischen Hallenhäusern in einer Reihe errichtet wurden (heute: Neue Straße). Dieses sind große rohrgedeckte Fachwerkhäuser, bei denen die Wohnung, der Stallraum und das Erntelager in einem großen Hauskörper zusammengefasst wurden. Trotz allem Unglück, das der Brand verursachte, war der Neuaufbau des Ortes in wenigen Jahren vollzogen.


Die Landwirtschaft

Für die Siedler im 13./14. Jahrhundert mag es nicht einfach gewesen sein, in einem bisher unerschlossenen Gebiet neu anzufangen. Es wurden Flächen gerodet, Unterkünfte geschaffen, Felder angelegt. Die Erträge der einfachen Böden reichten aber kaum zur Eigenversorgung. Schwierig war es auch, Vorräte für den Winter anzulegen. Getreide war das wichtigste Nahrungsmittel – Roggen zum Brotbacken, aus Hafer wurde Brei gekocht und aus Gerste Grütze für die Tiere. Reichten die Ernteerträge nicht aus, wurde das Vieh im Winter in den Wald getrieben und musste dort sein Futter suchen.

Die Inventarien des Klosters Ribnitz geben Auskunft über die Größe des Ortes Dierhagen und über die Anzahl des gehaltenen Viehs, die Größe der Gebäude, die Menge des benötigten Saatgutes und die Anzahl der Fuder Heu, die eingefahren wurden. Genannt werden auch der Kohlhoff (Garten) sowie die Umzäunung der Hofstellen mit einem Hakel oder Aderzaun.

Laut Inventarium von 1620 wohnen in Groß Dierhagen 22 Familien. Die wirtschaftlichen Verhältnisse eines der Gehöfte wird dabei wie folgt näher beschrieben: „Hans Gardener, der Schulze, gibt 12 M 6 Pfg Pacht. Das Haus ist in 6 Gebinden.

Vorn bei der Tür und Heck auf beiden Seiten, auch in beiden Seiten Ställe. In der Lucht 2 Glasfenster. Bei der kleinen Türe in der Abseite eine Stube mit 8 Tafel Glasfenster, mit Lehmwänden und Wickelboden. Dabei ein Backofen, eine Kammer von 3 Gebinden, ein Stall umher mit Lehmwänden unter einem ziemlichen Dach. Das Holz und Ständerwerk am Haus, Wände und Dach sind gut. Bei dem Haus ein Stall mit 3 Türen; umher geklemet und die Ställe mit Lehmwänden unterscheiden; unter einem guten Strohdach. Ein Torf und Heuschober; beide auf Stützen; umher gezäunet. Unter ziemlichen Dach. Hinten und vorne ein Hakelwerk. Ein Kohlhoff umzäunet. Ein Sod. An Viehe: 6 Pferde, 14 Häupter Rindvieh, darunter 6 Milchkühe, 4 Schafe, 5 Faselschweine, 4 in der Mast, 5 Gänse, 10 Hühner. Kann 10 Scheffel aufs höchste säen. Kann 4 Fuder Heu werben.“ Bei allen hohen Zahlen muss man beachten, dass die Tiere damals weit hinter der Leistungsfähigkeit ihrer heutigen Artgenossen standen.

Der Hof Klein Dierhagen wurde um 1675 aufgegeben. Die Bauern aus Dierhagen pachteten und bewirtschafteten die Felder und Wiesen bis zur Regulierung der Feldmark im 19. Jahrhundert. Die vorhandenen Hofgebäude wurden nicht mehr gebraucht und somit abgerissen. Über die Bewirtschaftungsverhältnisse des ehemaligen Hofes sind Einzelheiten bekannt. So betrug die Anzahl der Rinder 120. Jährlich wurden ca. 50 Fuder Heu eingefahren, so viel wie bisher im ganzen Dorf zusammen. Und das ausgesäte Getreide übertraf in seiner Menge das von den Dierhägern bis dato ausgesäte erheblich (etwa 340 zu 140 Scheffel). Grundsätzlich gering waren die Erträge der Kühe. So brachte eine Kuh nur 18 kg Butter im Jahr. Schweine konnten, nur wenige gehalten werden, da Futter in Form von Eicheln und Getreide nur begrenzt vorhanden war. Kartoffeln wurden in Dierhagen erst am Ende des 18. Jahrhunderts angebaut. Auch Schafhaltung wurde betrieben, wenn auch nur im begrenzten Maße, vornehmlich zur Fertigung von Bekleidung aus der Wolle.

Mit Regulierung der Feldmark nach 1800 entstand boddenseitig der Binnendeich, auch um die Überflutungen der Felder einzuschränken. Auf der Feldmark wurden Gräben gezogen, wobei der Hauptgraben durch ein hölzernes Sperrwerk zum Bodden verschlossen war. Ein Windrad konnte Wasser aus dem Graben in den Bodden pumpen.

Ein Teil des Ackers wurde jeweils nicht bestellt. Er blieb als Brachland, das jährlich ausgewechselt wurde, liegen. Diese Wirtschaftsart erfolgte bis ins 20. Jahrhundert. Beackert wurden die Felder mit dem mecklenburgischen Hakenpflug, ein Gerät mit einem glatten Streichbrett, das beim Pflügen schräg gehalten wurde. Mit dem Hakenpflug konnten die leichten Böden gut bearbeitet werden. Der den Hakenpflug ablösende Sturzpflug findet in Dierhagen um 1920 Erwähnung.

Das Getreide wurde jahrhundertelang mit dem Dreschflegel gedroschen. Der Dreschflegel besteht aus einem starken Stiel, an dessen Ende ein Klöppel beweglich befestigt ist. Zum Dreschen wurden die Garben auf den Boden der Scheune gelegt und dann mit dem Dreschflegel bearbeitet, bis alles Korn aus den Ähren „rausgeschlagen“ war. Die ab 1880 aufkommenden Dreschmaschinen und Häckselmaschinen waren die ersten technischen Geräte, die in der Landwirtschaft eingesetzt wurden. Später kamen Schrotmühlen, Grasmäher, Drillmaschinen und Mähbinder dazu.

Angetrieben wurden viele Geräte mit einem Göpel. Ein Göpel ist eine mechanische Vorrichtung zur Erzeugung einer Antriebskraft. Dabei gehen die Antreiber des Göpels, oft Pferde, im Kreis und drehen eine senkrecht stehende Welle. Riemen oder Wellen übertragen die Kraft auf die jeweiligen Arbeitsmaschinen. Ein aufwendiges Vorhaben, was allerdings eine erhebliche Arbeitserleichterung mit sich brachte. Der Göpel wurde nach 1923 von dem Elektromotor abgelöst. Auch brachten verbessertes Saatgut und Kunstdünger bessere Ernten.

Das Vieh der Bauern wurde auf eine gemeinsame Weide getrieben und von einem Hirten gehütet. Die Gemeinschaftsweide der Bauern war nördlich des Badesteiges. Die Weide wurde später aufgeteilt, so dass jeder sein Vieh separat in Koppeln hielt. Die Kuhweide der Büdner war südlich des Badesteiges gelegen, sie reichte von den Dünen bis zum Acker des „Kleinen Haufs“, einer Fläche westlich der heutigen Bäderstraße und südlich des Friedhofes gelegen. Auch das Moor wurde beweidet.

Jeder Büdner hatte einen Bauern, der das Büdnerland bearbeitete und alle Fuhrdienste (Heu und Holz fahren u.ä.), erledigte. Als Gegenleistung half der Büdner dem Bauern bei den Bestellungs- und Erntearbeiten. Die Büdnerwirtschaft hat in der modernen Zeit gänzlich aufgehört. Die Äcker und Wiesen wurden den Bauern verpachtet.

Die bäuerliche Einzelwirtschaft existierte bis 1961. Den politischen Verhältnisse folgend, schlossen sich die Bauern zu Genossenschaften zusammen.


Die Fischerei

Da die Erweiterungsmöglichkeiten der Landwirtschaft beschränkt waren, stellte die Fischerei seit jeher eine wichtige Nahrungs- und Erwerbsquelle dar.

Die ersten Fanggeräte waren Geflechte aus Weidenruten, Binsen und Schilf, aus denen Wehre und Fangkörbe hergestellt wurden. Durch die Zunahme der Bevölkerung wurde es nötig, bessere Fangmethoden zu entwickeln und Boote anzuschaffen, aber auch die Infrastruktur, vornehmlich das Wegenetz, zu verbessern. Aus dem Fischfang für die Eigenversorgung wurde ein Haupterwerbszweig der Dierhäger.

In der Ostsee am Dierhäger Strand standen zeitweise zwei größere Reusen, die Teihmannsrüs und die Twölfmannsrüs. Es mag sich aufgrund des Aufwandes, so muss angenommen werden, nicht bewährt haben, mit den Reusen zu fischen, da beide später verkauft wurden. In der Ostsee wurde auch mit Waden gefischt. Eine Wade ist ein „Umschließungsnetz“, bei dem die Fische durch Umschließen mit einer Netzwand (der Wade) am Entweichen gehindert werden. Zu einer Wade gehörten eine Anzahl Männer, die die Besitzer der Wade waren. Ludwig Dolberg berichtet in seinem 1885 erschienenen Buch „Eine Küstenwanderung von der Warnow bis Wustrow durch die Rostocker Haide, Grahl, Müritz, Dändorf und Dierhagen wie das Fischland“, dass es bis 1850 sechs Waden in Dierhagen gegeben hat. Mit der Wade wurde jährlich von Mitte März bis Ende Juni gefischt. Fast die gesamte männliche Dorfschaft war daran beteiligt.

Auch die Bauern beteiligten sich an der Fischerei. Sie stellten u.a. die Fuhrwerke, mit denen die Fische im Land verkauft wurden.

Die Wadenfischerei war Saisonarbeit, reichliche Fänge gab es dann, wenn die riesigen Fischschwärme zum Laichen in die Küstengewässer kamen. Der Hering war für die Fischer der wichtigste Fisch. Daneben wurde in der Ostsee auch Dorsch, Flunder, Scholle, Lachs, Lachsforelle, Hornfisch und Aal gefangen, meist mit Netzen, aber auch mit einfachen Angelschnüren.

Die teilweise riesigen Heringsfänge wurden mit den Fuhrwerken oft vierspännig bis Bad Sülze, Laage, Güstrow und auch noch weiter gefahren. Es kamen auch Aufkäufer aus Mitteldeutschland, um die Fänge abzuholen.

Auf einer Sanddüne, die noch heute „ Rökerbarg“ genannt wird, stand ein Räucherhaus, in dem die Händler die Fische durch Räuchern und Salzen haltbar machten.

Die Fischfänge wurden auch von Händlern aus Ribnitz aufgekauft. Bekannt ist noch heute der Dierhäger Fischhändler Jan Lehmus, der bis 1915 mit seinem Hundegespann die am Strand erworbenen Fische in Ribnitz und Umgebung absetzte. Noch heute ist sein Name ein Begriff in Dierhagen, ranken sich um seine Person doch verschiedene Anekdoten. So wird erzählt, dass er alle „duzte“. Auch die Ehefrau eines neu nach Ribnitz zugezogenen Amtsrichters wurde von Lehmus mit „du“ angesprochen, worauf die Frau ziemlich erschrocken meinte, dass sie sich beide doch lieber „siezen“ sollten. Lehmus hierauf: „dat kannst du ja daun, ick segg öwer du“.

Im Dünengebiet an der Ostsee standen viele Jahrzehnte die Fischerhütten, dei „Olle Baud“ und dei „Niege Baud“, worin die Fischfanggeräte aufbewahrt wurden und die Fischer in den Pausen Unterkunft fanden. Die Hütten konnten auch beheizt werden. Zum Einholen der Waden mit ihren oft großen Fängen wurden Winden, so genannte „Windböken“, benutzt, mit deren Hilfe die Leine der Wade aufgerollt wurde. Mit den Winden wurden auch die schweren Strandboote auf Land gezogen.

Die Fischerei der Dierhäger in der Ostsee hatte ihren Höhepunkt in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Sie nahm langsam aber stetig ab. So berichtete der Rostocker Anzeiger in seiner Ausgabe am 17.12.1909 „In Dierhagen steht wegen des Rückgangs der Ostseefischerei kein größeres seetüchtiges Boot zur Verfügung“.

In wirtschaftlich schlechten Zeiten – Inflation, Weltwirtschaftskrise, Nachkriegszeiten – lebte die Strandfischerei in Dierhagen kurzfristig immer mal wieder auf. Sobald „Normalität“ eintrat, gingen alle Männer aber wieder in ihre angestammten Berufe zurück.

Der Fischfang im Bodden war für die Versorgung der Dierhäger Bevölkerung seit jeher von großer Bedeutung. In der Zeit, als es noch keine Gespinstfasern gab, aus denen Garn zum Netze herstellen gefertigt wurde, mussten die Fische mit einfachen Mitteln überlistet werden. Auf überfluteten Flächen wurde durch Wehre aus Geflechten von Weideruten und Schilf den Fischen der Rückweg versperrt, so dass sie ohne große Mühe gefangen werden konnten.

Aus diesen einfachen Materialien wurden auch die ersten Reusen gebaut. Das aus Binsenbuschwerk, Weidenruten und Schilf erstellte Wehr wurde fest in den Seengrund gesteckt, wobei es an einer Stelle unterbrochen wurde. Dahinter wurde ein Fangkorb gebaut, aus dem die Fänge dann entnommen werden konnten. Im Bodden war der Zander der beliebteste Fisch, es wurden aber auch Barsche, Brachsen, Hechte, Kaulbarsche, Plötze und Aale gefangen. Erst nachdem das Netzwerk aus Fasern hergestellt werden konnte, wurde das Fischen lohnender, weil größere Wassertiefen genutzt werden konnten.

Schwerpunkt wurde das Fischen mit Reusen. Zu einer Reuse werden mehrere Haselnussruten zu Reifen geformt, die mit Netzen umspannt werden. Am vorderen Teil bilden zwei Flügel einen Trichter, an dem die Fische bis in die Reuse entlang gleiten, an deren Ende ein Gebilde ist, das die Fische am Entweichen hindert.

Es gab auf dem Bodden noch andere Fangmethoden: Zeitweise wurde mit Waden gefischt, wobei es das gleiche Gerät war wie die Ostsee-Waden, nur kleiner. Sie wurden von zwei Booten ausgesetzt, von watenden Fischern gezogen. Und es ist noch das Grundschleppnetz zu nennen, die Zeese. Diese wurde im Bodden in zwei Varianten verwandt, als so genannte Fischzeese und als Aalzeese, die sich nur durch ihre Maschenweite unterschieden. Außerdem gab es die Stellnetzfischerei, wobei die Netze hierbei vom Boot in möglichst großer Wassertiefe ausgesetzt werden. Ausgeübt wurde auch die Angelfischerei. Die Angeln wurden von einem Boot ausgesetzt, wobei eine Angel aus einer langen Baumwollschnur bestand, an der im Abstand von zwei Metern kurze Schnüre von 35 cm Länge befestigt waren, an deren freien Ende ein Angelhaken saß. Die Haken waren im Ruhezustand auf einen Klufstock aufgereiht, der 180 Haken aufnahm.

Erwähnenswert ist auch die Eisfischerei, die auch von den Dierhäger Fischern betrieben wurde, da der Bodden vor 50 Jahren regelmäßig zugefroren und stets monatelang mit einer festen Eisschicht bedeckt war. Bei der Eisfischerei wurden Stellnetze ausgesetzt. Das machten alle Fischer aus dem Ort gemeinsam. Zwei von ihnen schlugen jeweils in Abständen von einer Netzlänge Löcher von ca. 30 cm x 30 cm in das Eis. An einer zusammengesetzten Stange, sie musste so lang wie ein Netz sein, wurde das Netz befestigt und mit der Stange unter Wasser zum nächsten Loch geschoben. An der Stange konnte eine weitere Schnur befestigt werden, mit der die Stange mit dem Netz weitergezogen wurde. Die Netze mit dem Fang wurden dann tags darauf eingeholt.

Eine andere Art des Eisfischens brachten nach 1945 aus ihrer Heimat vertriebene Fischer mit – das Klappern. Auch hierbei musste ein allerdings größeres Loch in die Eisdecke geschlagen werden. In diesem Loch wurden über Kreuz die Netze gesetzt, unter das Eis eine Planke geschoben, die am Ende aus dem Wasser ragte. Hierauf wurde mit zwei Klöppeln geklopft, um die Fische aufmerksam zu machen. Die Fische spüren, dass im Eis eine Öffnung ist und versuchten hier an Sauerstoff zu gelangen. Auf diese Weise verfingen sie sich in den Netzen.

Die größeren Fischerboote waren in Klinkerbauweise gebaut. Dabei wurden die Planken nicht Kante an Kante, sondern überlappend angebracht. Jeweils die obere Planke überlappt die untere Planke. Die Boote hatten die gleiche Größe wie die Strandboote für die Ostsee einschließlich Schwert und einen Fischkasten. Daneben wurde im Bodden auch mit dem Polt gefischt. Der Polt war ein Boot mit einem glatten Unterboden, ohne Schwert, welches nur zum Rudern gebraucht werden konnte.

Um 1880 siedelten in Dierhagen die vier Fischerfamilien Fürstenberg (zweimal), Otto und Lettow aus dem Gebiet des Stettiner Haffs. Der damalige Fischreichtum in unserer Gegend war Grund für sie, die angestammte Heimat zu verlassen. Sie brachten ihr Handwerkszeug mit, welches praktikabler und effektiver war als die bis dato von den Dierhägern genutzten Gerätschaften. Auch ihre Boote, die von anderer Bauart waren als die in Dierhagen gebräuchlichen, wurden von Stettin überführt.

Derzeit gibt es in Dierhagen noch zwei Fischer. Vom damaligen Haupterwerbszweig ist wenig geblieben.


Die Seefahrt

Die wirtschaftliche Erschließung des Ostseeraumes durch die angrenzenden Länder war eng mit der Entwicklung der Schifffahrt verbunden. Die Städte waren nicht immer in der Lage, ihre Schiffe mit den Einwohnern aus ihren Städten zu besetzen. Sie warben Mannschaften aus den benachbarten Dörfern. Es ist anzunehmen, dass junge Dierhäger auf Schiffen der größeren Städte ihren Dienst verrichteten.

Der damalige gebräuchlichste Schiffstyp war die Jacht. Überliefert ist, dass auch die ersten Schiffer in Dierhagen Jachtschiffer gewesen sind. Am Ende des 18. Jahrhunderts gab es in Dierhagen 8 Schiffer, später wurden sie Kapitäne genannt. Einer von ihnen war Christow Fehling, der 1795 bei dem Schiffsbaumeister Joh. Friedr. Meyer in Rostock die Galeasse „ Tugend“ in Auftrag gab. 1833 ließ der Schiffer Christow Staben aus Dierhagen auf der Werft des Schiffsbaumeisters Joh. Karl Peters in Ribnitz die Galeasse „Sophie Elise“ bauen. Das Schiff trug 82 Lasten zu je 2900 kg. Das Einsatzgebiet der „Sophie Elise“ reichte von Nord- und Ostsee bis über den Atlantik. So kam die Galeasse zum Einsatz, als Anfang April 1837 mehrere Schiffe mit Mecklenburger Weizen von Warnemünde nach Baltimore segelten, Getreide, welches die USA aufgrund einer Missernte in Mecklenburg aufkaufte. Dieses war nicht die einzige Reise des Schiffes nach Amerika. In einer Zeitungsanzeige vom 20.04.1836 ist zu lesen, dass das neue schöne Schiff „Sophie Elise“, geführt von Kaptitän Staben, nach New York abgeht. Und weiter: „Das Schiff hat bequeme Gelegenheit für Passagiere, es wird günstige Mitnahme empfohlen.“

Seinerzeit sehr bekannt war auch der Dierhäger Kapitän Joachim Peter Voss, der mit seiner 1841 gebauten Brigg „Friederike“ die vom Ägyptologen Lepsius von 1842 bis 1846 gesammelten ägyptischen Altertümer von Alexandria nach Berlin brachte. 1823 findet der Dierhäger Kapitän Peter Fretwurst große Aufmerksamkeit, als er mit seiner Galeasse „Charlotte“ zweimal nach Archangelsk (Russland) segelte. „Eine so schnelle Reise nach einem so entfernten Hafen ist noch nicht vorgekommen,“ vermerken die regionalen Zeitungen hierzu.

Die Partenreederei war die gebräuchlichste Geschäftsform in den Seedörfern. Hatte ein angehender Schiffer die Absicht ein Schiff bauen zu lassen oder es zu erwerben, erhielt er das dazu erforderliche Kapital oft von Verwandten und Freunden. Der Betrag, mit dem diese Geldgeber sich somit an dem Schiff beteiligten, wurde als Part ausgewiesen. Sie hatten also feste Anteile an dem jeweiligen Schiff, waren Partenreeder.

Für die Parten zahlte der Schiffer nach der Jahresabrechnung einen Betrag an die Gläubiger.

Durch Unfälle auf See sind jeher viele Segelschiffe untergegangen oder gestrandet. In solchen Fällen verloren alle ihr Kapital, das sie in dem Schiff angelegt hatten.

Mitte des 18. Jahrhunderts wurde in Dierhagen offiziell eine Navigationsvorbereitungsschule eingerichtet. Hier erteilten erfahrene Schiffer den angehenden Steuerleuten in den Wintermonaten, wenn die Schifffahrt ruhte, gegen ein geringes Entgelt Unterricht in Nautik. In Dierhagen unterrichtete ein Steuermann Lubs. 1836 wurde in Ribnitz eine Prüfungsbehörde für Schiffsführer eingerichtet, den Vorsitz hatte der Amtshauptmann Koppe aus Ribnitz.

Im Jahr 1845 wandten sich acht Wustrower Schiffer mit der Bitte an den Großherzog, einen geregelten Navigationsunterricht einzuführen. Das Vorhaben fand große Unterstützung beim Amtshauptmann. Im Oktober 1846 wird die Großherzogliche Navigationsschule feierlich eröffnet. Das Schulgebäude wurde 1847/48 errichtet. Die Baukosten trug zur Hälfte der Großherzog, die andere Hälfte die fünf Seedörfer des Fischlandes (Althagen, Niehagen, Wustrow, Dierhagen und Dändorf).

Im 19. Jahrhundert war der Ort ein Seefahrerdorf. 1824 wohnten in Dierhagen 8 Schiffer (Schiffsführer – Kapitäne). 1848/50 wurden im Dorf bereits 48 Schiffer gezählt, neben weiteren Steuerleuten und Matrosen, bei wohlgemerkt gerade einmal 80 Häusern. Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts fuhr fast die gesamte männliche Bevölkerung des Ortes zur See, auch die Söhne der Bauern.

1879 wohnten noch 42 Segelschiffer in Dierhagen, wobei die ab 1880 aufkommende Dampfschifffahrt die Segelschifffahrt stärker verdrängte, als es vorherzusehen war. Die Dampfschiffe waren größer, schneller, vom Wetter unabhängiger, die Frachten wurden günstiger angeboten. Der Zeit angepasst, fuhren die Dierhäger Seeleute vermehrt auf den Dampfschiffen der großen Reedereien mit Sitz in den Seestädten Rostock, Hamburg, Kiel und Bremen. In vielen Fällen zog die Familie nach und verließ den seit Generationen ange stammten Heimatort. Die Dampfschiffe hatten oft ihre festen Routen, so dass die Seeleute mit ihren Familien während des Löschens im Heimathafen (Entladung), welches oft Tage dauerte, zusammen sein konnten.

Einige Kapitäne waren auch als Lotsen am Nord-Ostsee-Kanal oder in Rostock-Warnemünde tätig. 1913 wohnten in Dierhagen noch 13 Kapitäne. Bis 1945 waren im Ort 15 Kapitäne und Steuerleute, 2 Maschinisten sowie mehrere Matrosen heimisch.


Das Beherbergungsgewerbe

Nach dem Rückgang der Segelschifffahrt suchten und fanden die Dierhäger eine neue Einnahmequelle – das Beherbergungsgewerbe. Schnell war man sich einig, dass der Ort, um ihn attraktiver zu machen, aus- und umgestaltet werden musste. Die Rostocker Zeitung schreibt am 6. Sept. 1885, dass es in Dierhagen Diskussionen zur Errichtung eines Badeortes gibt. Die gleiche Zeitung schreibt am 23. Januar 1898: „Im Dorfe herrscht große Rührigkeit, um dasselbe zu einem angenehmen Badeort raus zu putzen. Viele Bäume sind gepflanzt, Planierungen gemacht und der Badesteig in Angriff genommen.“

Am 21. April desselben Jahres wirbt Dierhagen in der Rostocker Zeitung mit dem folgenden Artikel. „Allen denen, die in stiller Zurückgezogenheit zu leben wünschen, ist der Ort Dierhagen zu empfehlen. Mit aller Energie sind die Einwohner tätig, um ihr Dorf zu einem Badeort herzustellen, es ist bereits manche Arbeit verrichtet, die zur Verschönerung beiträgt. Prunkvolle Villen zieren das Dorf nicht, aber die netten massiven Häuser mit ihren Gärten vor und hinter dem Haus verwandeln Dierhagen in einen einzigen Blumengarten im Sommer, wo sich jeder Fremde bald heimisch fühlen wird. Der Ort hat zwei zeitgemäße Gasthäuser, in denen für solide Preise und aufmerksame Bedienung Speis und Trank verabfolgt werden. Was den Sport betrifft, ist hervorzuheben: Bootssegeln in der Ostsee und auf dem Ribnitzer Binnensee. Dem Angelsport und der Jagd auf Enten können sich die dafür interessierenden Fremden widmen. Für günstige Verbindungen wird zur Badesaison gesorgt sein.“

In einer Werbung des Bäderkomitees heißt es: „Miete für ein Zimmer wöchentlich ab 5 Mark, volle Kost im Gasthaus ab 3 Mark pro Tag.“ Der Bäderverein wirbt weiter: „(…) still, ländlich, hübsche Wohnungen, in neuen Schifferhäusern, alle Lebensbedürfnisse billig. reiner Strand, mächtige Dünen.“

Am 08.07.1898 berichtet der Anzeiger: „In Dierhagen hat sich ein Badeverein gebildet, der das Bestreben hat, den Ort, der ebenfalls durch den Niedergang der Segelschifffahrt hart betroffen wurde, zu einem Badeort zu machen“.

Die gleiche Zeitung meldet am 13.07.1901, dass die vorjährigen Dierhäger Badegäste in diesem Jahr fast alle wiedergekommen sind – ein Zeichen, dass es ihnen gefallen hat, dass sie zufrieden waren. Der im vorigen Jahr von 10 Berliner Familien gegründete „Verein Strandmütze“ ist wieder vollzählig eingerückt. Unter den Klängen der Ribnitzer Stadtkapelle bewegte sich der festliche Zug vom Bahnhof zum Hafen. In Dierhagen fand der Umzug auch mit Musik statt.

Es gab Bemühungen, den Fremdenverkehr gemeinschaftlich zu organisieren. Dahinter stand die Hoffnung, dass durch gemeinsame Werbung größere Erfolge bei den Erholungssuchenden zu erzielen sind. Nach mehreren Aussprachen und Diskussionen wurde der örtliche Badeverein am 03.03.1902 gegründet. Nachfolgend die Gründungsschrift:

„Geringes ist die Wiege des Großen. Das lehren uns die tausendfältigen Erfindungen des letzten Jahrhunderts, die das Leben der Menschheit, der Völker, des einzelnen Menschen von Grund aus verändert und umgestaltet haben. Zu den Erfindungen, die unendlich wichtige Veränderungen im Leben und Treiben der Menschen bewirkt haben, gehört unstreitig die Dampfmaschine. Ist aber der Nutzen für manche Erfindungen im Allgemeinen offensichtlich, so üben sie im ersten Stadium auf Städte, Dörfer und Menschen oft einen höchst nachteiligen Einfluß aus, z.B. die Dampfschiffe auf unser Dierhagen. Von den 44 Segelschiffen, die vor 30 Jahren von Dierhäger Schiffern als Eigentum geführt wurden, sind fast alle von der Bildfläche verschwunden, ein ungeheures Kapital ist dabei verloren gegangen, und mancher brave Kapitän hat nutzlos seine Hände fallen lassen. Gedenkt man dabei der vielen Unglücksfälle, die Dierhäger Seeleute meist auf älteren Segelschiffen betrafen, ist dabei ein Bild gezeichnet, von der Lage unseres Ortes zum Ende des vorigen Jahrhunderts. Wo nun Rettung finden? Ackerbau und Fischfang konnten den Verlust nicht ausgleichen. Zum Glück schlummerten in unseren Einwohnern noch Gottvertrauen und Schaffenskraft, um den Kampf um das Dasein aufzunehmen.

Wir richten uns als Badeort ein, mögen einige auch Kleinlaut auszusprechen gewagt haben. Gleich auf der ersten Versammlung konstituierte sich ein Badeverein, etliche hundert Mark wurden gezeichnet, alle Einwohner, Jung und Alt, Mann und Weib, ergriffen Schaufel und Spaten, bald war der Badesteig fertig gestellt, der teilweise gleich bepflanzt wurde, es wurden auch eine Badeanstalt mit acht Zellen angefertigt. Das erste Jahr 1898 brachte uns 28, 1899 35, 1900 236, 1901 371 Gäste. Der Anfang war über Erwarten günstig. „Möge unserem fernen Streben der Erfolg nicht fehlen.“, gez: B. Hauth, H.Voss, W. Fretwurst, P. Jahnke, C. Ahrens.“

Aufgrund der naturschönen Lage des Ortes, in unmittelbarer Nähe zur Ostsee, ließen die ersten Badegäste nicht lange auf sich warten. Als Wege zum Strand dienten anfangs die Lindenstraße, der Klaasweg, der Bolandsweg und der Wiesenweg – alles Wege ohne separate Fußwege, genutzt von Fuhrwerken, zum Viehtrieb - eben für den alltäglichen Verkehr. Auch waren die Wege zum Strand meist sandig, zum Teil morastig und völlig ohne Bewuchs.

Nach umfänglichen Überlegungen wurde beschlossen, einen Badesteig beginnend vom Dorfausgang einzurichten, als Kiesweg angelegt und alleeartig auf beiden Seiten mit Bäumen bepflanzt. Von dem Kreuzungspunkt Wustrow/Ribnitz-Damgarten weiterführend, entspricht der heutige Wegeverlauf der historischen Trasse, welche auf Weideland der Dierhäger Büdner verlief, entlang der Gemeinschaftsweide der Dierhäger Bauern. Hier begann das eigentliche große Vorhaben. Zuvor eine freie Fläche ohne Bäume und Sträucher und teilweise morastig, sogar ein Wasserloch befand sich auf der geplanten Wegetrasse. Überwunden werden musste auch ein Graben, der unter den Namen „Schleusengraben“ heute noch bekannt ist. Das Ziel der Entwicklung zu einem Badeort, wozu auch die Anlage eines Badesteiges gehörte, einte aber alle Dierhäger, ob Mann oder Frau, ob jung oder alt. So wurden für die umfangreichen Planierarbeiten größere Mengen Boden benötigt, der von den Helfern mit Schiebkarren herangefahren wurde! Der Badesteig wurde von den Gästen begeisternd angenommen, aufgrund dessen in den kommenden Jahren weitere Um- und Ausbauten erfolgten. So wurden die Flächen südlich des Badesteiges bis zum Dünengebiet bepflanzt, man zog Gräben, in denen das Regenwasser abfließen konnte. Sitzbänke am Wegesrand luden zu Entspannungs- und Ruhepausen ein.

Angelegt wurde dorfmittig auch ein Kurpark, der noch heute existiert, wenngleich er sich mittlerweile nur noch als weitestgehend freie Grünfläche darstellt. Repräsentative Staudenbeete und Gehölzgruppen, markierte Eingänge und gestaltete Wege – alles, was einmal vorhanden war, sucht man heute vergebens. Nach Ende des Ersten Weltkrieges wurde in der Mitte des Platzes ein Denkmal für die gefallenen Dierhäger Soldaten errichtet. Es wurde im Jahre 1948 zerstört. An gleicher Stelle entstand ein Mahnmal für die Opfer der Naziherrschaft.

Bedingt durch die Kriegsjahre 1914-18 und die anschließend wirtschaftlich schwierigen Zeiten mit Weltwirtschaftskrise und Inflation blieben alle Bemühungen, Interessierte zu finden, die bereit waren, Häuser oder Pensionen am Strand zu bauen, anfangs ohne Erfolg. Es bestanden sogar Überlegungen im Gemeindevorstand, das bereits parzellierte Gelände kostenlos abzugeben. Erst ab 1928 waren konkrete Anfänge der Besiedlung zu verzeichnen.

Auf Wunsch der Badegäste zur leichteren Orientierung erhielten die Straßen im Dorf 1904 Namensbezeichnungen. Folgende Straßennamen wurden nach Vorschlag der Gäste vergeben: Kirchstraße, Strandstraße, Lindenstraße, Wallstraße, Seestraße, Hafenstraße, Grüne Straße sowie für die Grünanlage im Zentrum/Kurpark. Seitens der Einwohner kamen die Vorschläge: Grüner Weg, Kirchweg, Kronswinkel und Bauernreihe (später: Neue Straße).

1908 wurde am Strand der „Strandpavillon“ in Verbindung mit einem Warmbad errichtet. Er lag direkt auf der Düne, ungefähr 30 Meter von der Böschung entfernt, und diente vorrangig der Versorgung der Badegäste mit Speisen und Getränken. Im Uferbereich gab es eine Herren- und eine Damenbadeanstalt, die von einem Pächter betrieben wurden.

Die Zahl der Gäste vergrößerte sich, 1904 wurden 515 Gäste gezählt, 1906 bereits 545 Gäste, wobei 1907 nur noch 493 und 1908 473 Urlauber den Weg nach Dierhagen fanden. Der Besorgnis erregende Rückgang der Gästezahlen veranlasste den Badeverein, aktiver in der Presse Werbung für das Ostseebad zu machen. Der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten. Bereits 1909 kamen wieder 576 Gäste, und 1911 wurden 800 Erholungssuchende gezählt. Am 18.02.1909 trat der Badeverein dem Verband deutscher Ostseebäder bei und im November 1911 dem Mecklenburgischen Verkehrsverband.

Der Bekanntheitsgrad des Osteseebades erweiterte sich stetig. So weilte in den Jahren 1911, 1912 und 1913 der spätere Komponist und Dirigent Kosaku Yamada in den Sommermonaten im Dorfe. Kosaka Yamada war seinerzeit Musikstudent und wohnte in Berlin bei einem Professor der TU Berlin.

Yamada ist in seinem Heimatland Japan eine Berühmtheit geworden. Geschrieben hat er viele Musikstücke, insgesamt ca. 800 Werke und 140 Symphonien. Auch gründete er in Japan das erste Symphonieorchester. Stark beeinflusst von seinen Aufenthalten in Dierhagen, handelt seine erste Symphonie, „Krieg und Frieden“, von dem Leben und den Lebensgewohnheiten der einfachen Leute in Dierhagen. Der morgendliche Austrieb der Kühe, das Tuten des Hirten, das Bellen der Hütehunde, dass Läuten der Kirchenglocken und die plattdeutsche Sprache – unter diesen Eindrücken entstand bei Kosaku Yamada die Idee, hieraus eine Symphonie zu schreiben.

Im Februar 1913 ging der Badeverein in die Regie der Gemeinde über, und wurde in eine „Sonderkasse“ für Hafen- und Badewesen umgewandelt. Der Badebetrieb war damit Gemeindesache geworden.

Der Fremdenverkehr kam durch den Beginn des Ersten Weltkrieges fast zum Erliegen. Auch in der Nachkriegszeit blieben viele Gäste aus. Größerer Aufschwung in den Gästezahlen war ab Mitte/Ende der 1920er Jahre mit dem Aufbau des Ostseebades Ribnitz und dem Bau der Strandkolonie (Dierhagen-Strand) zu verzeichnen.


Das Gewerbe in Dierhagen

In Dierhagen waren und sind vielfältige Gewerbe ansässig. Der wohl älteste größere Gewerbebetrieb in Dierhagen war die Schiffswerft, die auf der Sanddüne im Bereich des heutigen Wäldchens (Straße „Am Wäldchen“) ihren Platz hatte.

Noch heute sind Gastwirtschaften und Pensionen im Ort stark präsent. Vormals war in dem Bauernhaus Neue Straße 1 ein Saal eingerichtet, in dem die Festlichkeiten, die im Ort gefeiert wurden, stattfanden. Im Bauernhaus Neue Straße 11 betrieb der Erbpächter Johann Paetow einen Ausschank mit einer Herberge, im Volksmund „Zur Krim“ genannt.

In der Büdnerei 2 in der Strandstraße war im 19. Jahrhundert in einem angebauten Raum ein Krämerladen mit einem Ausschank. Das Gasthaus Hillbrandt wird 1866 das erste Mal genannt, ebenfalls mit einem Krämerladen und einem Ausschank. Die Gaststättenräume wurden ausgebaut, mehrere Fremdenzimmer eingerichtet. Der Betrieb wurde später durch den Handel mit Kohlen sowie durch eine Tankstelle erweitert, der bis 1967 von der Familie Hillbrandt geführt wurde. Anschließend wechselten die Besitzer mehrmals. Heute wird die Gaststätte unter dem Namen „Taun Dörp Kraug“ geführt.

In den 1870er Jahren eröffnete die Familie Hauth in einer Büdnerei in der Lindenstraße einen Krämerladen und einen Ausschank. Durch den Anbau von einem Tanzsaal sowie durch die Vergrößerung des Hauses durch den Eigentümer Bernhard Hauth entstand das „Gasthaus und Pension Hauth“. Angebaut wurde ein Pferdestall zur Unterstellung der Pferde von Durchreisenden. Bernhard Hauth verunglückte 1908. Der Betrieb wurde von Willi Voss bis 1932 unter dem Namen „Voss Hotel“ weitergeführt. Neuer Besitzer wurde anschließend ein Förster im Ruhestand, der das Haus unter dem Namen „Hotel Hubertus“ bis 1962 betrieb. Übernommen wurde es dann vom FDGB Feriendienst, der es als Verpflegungsstelle und für Unterkünfte der Urlauber nutzte. Die Einrichtung wurde 1995 abgerissen; auf dem Grundstück entstand eine Wohnsiedlung.

In der Seestraße führte eine Witwe Voss in einem Wohnhaus einen Handel mit einem Ausschank. Im 20. Jahrhundert begann Frau Voss, das Haus zu vergrößern, so dass mehrere Fremdenzimmer mit einem Balkon eingerichtet werden konnten. Bei dem Anbau von Tanzsaal mit einer Bühne übernahm sich die Erbauerin finanziell. Neuer Besitzer wurde Wilhelm Bruss, der die Pension unter dem Namen „Strandmütze“ eröffnete und sie anschließend als „Bruss Hotel und Pension“ weiterführte. 1960 übernahm der HO Kreisbetrieb das Objekt. Bis 1975 wurde die Gaststätte unter dem Namen „Boddenblick“ weitergeführt. Neuer Besitzer wurde das VEG Zingst, wobei es nunmehr als Wohnheim, Lehrlingsinternat und als Verpflegungsstelle genutzt wurde. 1991 wurde das Grundstück verkauft. Der neue Besitzer errichtete darauf ein Gebäude mit Ferienwohnungen.

Eine Drogerie eröffnete Paul Methling in der Kirchstraße 14. Das Haus wurde 1930 vergrößert. Es ent stand ein großer Laden, in dem Lebensmittel und Industriewaren angeboten wurden. Das Geschäft über nahm 1951 die Konsumgenossenschaft, wobei Frau Methling die Drogerie noch bis 1980 führte.

Viele Gewerbebetriebe entstanden nach dem Bau der Strandkolonie (Dierhagen Strand). Die Strandhalle wurde 1908 in Betrieb genommen. Das Restaurant und Gaststätte „Meeresrauschen“ eröffnete 1929. Im selben Jahr eröffneten auch die Pensionen „Kohleck“, „Sonneneck“, „Tanneneck“ und 1930 das „Haus am Meer".

Einen Milchhandel eröffnete Wilhelm Knappe 1935. Mit einem weißen geschlossenen Pferdefuhrwerk mit blauer Schrift: „Molkereiprodukte Wilhelm Knappe“ fuhren er bzw. Luise Knappe morgens durch Dierhagen, Ostseebad Ribnitz, Dierhagen/Strandkolonie und Neuhaus, um Milchprodukte anzubieten.

Nach der Einberufung Wilhelm Knappes 1939 zur Wehrmacht wurden die Molkereiprodukte im Milchladen in der Hafenstraße an die Dierhäger und Neuhäuser verkauft. Im Ostseebad Ribnitz richtete sich Luise Knappe in dieser Zeit in einer angemieteten Veranda eine Milchverkaufstelle ein, zu der sie die Waren mit dem Fahrrad transportierte und in der Mittagszeit verkaufte.

Das Milchgeschäft existierte in Dierhagen bis 1959/60. Nach dem Krieg eröffnete Wilhelm Knappe einen Kleinfuhrbetrieb und betrieb diesen und zeitweise einen Fischhandel bis 1971.

In den Kriegsjahren 1939 – 45 und Nachkriegsjahren entstanden keine neuen Gewerbebetriebe im Ort. Hans Günter Blank schaffte es 1947, in der Büdnerei 11 in der Lindenstraße einen Gartenbaubetrieb aufzubauen.

Nachdem die größte Not gemeistert war und das Leben sich normalisiert hatte, wagten einige Bürger aus der Gemeinde den Weg in die Selbständigkeit. Einen Biervertrieb und Spirituosenhandel eröffnete Fritz Sappendowski am Strande 1949. Im selben Jahr richtete Ernst Kregel ein Geschäft für Modeartikel, Schmuck und Kunstgewerbe am Strand ein. Das Geschäft wurde nach einigen Jahren von Emmi Suhr übernommen. Ebenfalls in Dierhagen Strand richtete Willi Krause ab 1951 einen Strandartikelverkauf ein, der später von Frau Thiel bis 1980 geführt wurde. Von 1954 bis 1958 hatte Frau Singendong einen Fotoladen im Ort. Arno Methling eröffnete 1956 einen Kiosk für Strandartikel am Strandaufgang. An gleicher Stelle hat die Familie Stroka heute ihren Kiosk. Ebenfalls am Strandaufgang betrieb Hansi Oldach einen Kiosk für Schmucksachen, den er vergrößerte und der heute ebenfalls Strandartikel anbietet.

1971 übernahm Bodo Lange von Willi Knappe den Kleinfuhrbetrieb. 1991 eröffnete er einen Getränkestützpunkt „Am Wäldchen“. Das Haus vergrößerte er später und es entstand die Gaststätte und die Pension „Haus am See“.

Die Gaststätte „Schipperhus“ wurde 1993 von Hugo Pophal nach Umbau eines baufälligen Büdnerhauses in der Strandstraße eröffnet. Die Gaststätte wird heute von Bruni Kasper geführt.

Das Haus Kirchstraße 3 wurde 1995 von der Familie Jagla zu der Gaststätte „Fischerstübchen“ ausgebaut. Aus einem ungenutzten Gebäude am Hafen wurde von Erika und Gerhard Melchert 1991 eine Gaststätte errichtet, die von Dirk Deichmüller und Ralf Esdorf übernommen und 2008 umfassend renoviert wurde. Daraus entstand ein schmuckes Gebäude. Die Gaststätte bekam den Namen „Boddenblick“.

1975 wurde die alte Strandhalle abgerissen. In unmittelbarer Nähe wurde ein neues massives Gebäude errichtet und als Eisdiele betrieben. Das Gebäude wurde nach einigen Jahren vergrößert und umgebaut und als „Strandhaus Orange Blue“ neu eröffnet.

Vor allem nach 1989 unterlagen die Gewerbebetriebe vielfältigen Neuerungen und Wandlungen. Im Jahr 2000 wurde die Pension Tanneneck zur Gaststätte „Pfannkuchenhaus“ umgebaut. 1991 wurde aus einer Einrichtung des FDGB die Gaststätte „Cafe Fischland“. In der Peter-Jahnke-Straße entstand aus einem Betriebserholungsheim die Gaststätte mit dem Hotel „Am Moor“ mit einer Bowlingbahn. Aus dem Gebäude der Güterabfertigung und Wartehalle in Dierhagen Strand wurde ein China-Restaurant (bis 2010). Im ungenutzten Strandkorbschuppen am Hauptaufgang wurde bereits vor 1989 der Imbiss „Störtebeker“ betrieben. Das Haus wurde 2008 neu errichtet. In dem Gebäude sind mehrere Ferienwohnungen sowie die Gaststätte „Störtebeker“ untergebracht. Aus dem Gästeheim wurde das „Strandhotel Fischland“. Und am Wiesenweg wurde das „Ostseehotel“ neu gebaut.

Familie Schreiber hatte in Dierhagen Ost ein kleines Ferienhaus zu einer Gaststätte und Pension ausgebaut. Beim Bau des Schutzdeiches musste es abgerissen werden. Die Familie erwarb ein Grundstück im Dünengelände in der Nähe des Wiesenwegs. Auf dem Anwesen entstand die Pension „Cafe Schreiber“.

An der Schwedenschanze wurde 1991 von der Familie Lohse die Gaststätte und das Hotel Blinkfeuer gebaut. Familie Mittelbach betreibt seit 1991 in Dierhagen Ost in dem Haus „Windhook“ eine Gaststätte und eine Pension. Einen Reiterhof, der an dem Fahrradweg nach Dändorf sein Domizil hat, besitzt Guido Lange seit 1995. Familie Störmer bietet in Dierhagen Dorf Dienstleistungen sowie Kleintransportfahrten an. Einen Kunstgewerbeladen mit einer Handweberei führt Frau Christina Sticken in der Strandstraße. Ein EDEKA Neukauf Markt ist in der Strandstraße. Auf dem Marktgelände befinden sich eine Drogerie, ein Imbiss, ein Frisör, eine Eisdiele, ein Zimmernachweis, ein Fahrradverleih und ein Fischimbiss. Ein Aldi Markt ist vor einigen Jahren hinzugekommen. Im Ort wohnen vier Fischer, die ihren Fang zum Verkauf anbieten.

Die Gewerbebetriebe haben zusammen mit den Handwerksbetrieben einen hohen Stellenwert in unserer Gemeinde. Sie sind eine starke wirtschaftliche Stütze des Ortes.


Das Handwerk in Dierhagen

In der dörflichen Gemeinschaft Dierhagens gab es schon in der Vergangenheit eine Vielzahl kleinerer Handwerksbetriebe, deren Inhaber Tätigkeiten verrichteten oder Produkte herstellten, die für die Einwohner unentbehrlich waren.

Die Handwerker waren im Dorfe recht angesehen. So gab es z. B. den Stellmacher, der die Pferdewagen der Bauern herstellte. Er produzierte auch Schiebkarren, die von allen zum Transportieren von Geräten und Gütern gebraucht wurden. Die Eisenteile, die zur Herstellung der Fahrzeuge benötigt wurden, fertigte der Schmied an, der in früherer Zeit in Dändorf ansässig war. Dafür gab es in Dändorf keinen Stellmacher. Weiterhin gab es in Dierhagen keinen Müller, dieser war ebenfalls in Dändorf ansässig. Auch hierbei zeigen sich die Verflechtungen und die enge alltägliche Zusammenarbeit der beiden benachbarten Dörfer.

In den jeweiligen Jahren finden nachfolgende selbständige Dierhäger Handwerksbetriebe Erwähnung:

1859 Weber Brandt, Schneider Brinkmann, Tischler C. Boldt

1888 Stellmacher Bernhard Alm, Bäcker Magnus Thiel (ab 1890 Heinrich Staben), Bäcker Daniel Ahrens

1912 Maurer Carl Schimmelpfennig, Maurer Johann Ziems, Maurer Magnus Dettmann, Schlachter Metzner, Schlachter Albert Severt, Schlosser J. Niemann., Schumacher Wilhelm Reuter, Tischler R. Schröder, Tischler E. Wodrich, Bäcker Carl Boldt, Bäcker Daniel Ahrens, Schneider Brinkmann.

1920 Maurer Johann Ziems, Maurer Magnus Dettmann, Schlachter Albert Severt, Schlosser J. Niemann, Schuster Wilhelm Reuter, Schneider Brinkmann, Bäcker Hermann Ahrens, Bäcker Carl Boldt

1930 Bäcker Hans Boldt, Bäcker Hermann Ahrens, Schlachter Albert Severt, Stellmacher Hermann Thiel, Frisör Richard Lange, Zimmermann Wilhelm Andreis, Tischler Herman Witt, Maurer Johann Ziems, Maurer Magnus Dettmann, Schneider Brinkmann, Schuster Wilhelm Reuter, Maler Klifoth, Schneider Hans Stahl

1940 Bäcker Hans Boldt, Bäcker Hermann Ahrens, Schlachter Albert Severt, Stellmacher Thiel, Frisör Fritz Diekelmann, Schneider Rudolf Diekelmann, Schuster Wilhelm Reuter, Schuster Adolf Düwel, Maler Heinrich Boller

1950 Schmied Hans Denker, Bäcker Hermann Ahrens, Bäcker Hans Boldt, Schlachter Albert Severt, Maurer Johannes Albrecht, Zimmermann Heinrich Medrow, Schuster Adolf Düwel, Schuster Wilhelm Becker, Schuster Gustav Rosowski, Stellmacher Heinz Kosanowski, Frisör Heinz Jürß, Frisör Karl Gebert, Sattler Anton Nowak, Schneider Franz Hubel, Schneider Lang, Maler Erich Fett

1960 Schlosser Ernst Adolf Friedrichs, Bäcker Hans Boldt, Bäcker Hermann Ahrens, Schlachter Albert Severt, Frisör Kurt Meier, Frisör Karl Gebert, Zimmermann Heinrich Medrow, Installateur Willi Singendong, Sattler Anton Nowak, Schuster Gustav Rosowski, Schneider Franz Hubel, Stellmacher Heinz Kosanowski

1970 Schlosser Ernst Adolf Friedrichs, Bäcker Karl Boldt, Bäcker Holz, Frisör Kurt Meier, Frisör Karl Geber, Installateur Willi Singendong, Schuster Gustav Rosowski, Zimmermann Heinrich Medrow, Stellmacher Heinz Kosanowski

1980 Schlosser Ernst Adolf Friedrichs, Bäcker Karl Boldt, Frisör Kurt Meier, Frisör Karl Gebert, Schuster Gustav Rosowski, Installateur Willi Singendong, Tischler E. Mädche, Dachdecker Hermann Behm

1990 Schlachter Hans Alm, Bäcker Karl Boldt, Friseur Kurt Meier, Frisör Rita Thiel, Tischler E. Mädche, Tischler Siegfried Schalow, Maler Uwe Bretzke, Maler Hilmar Grundt, Dachdecker Mario Behm, Dachdecker M. Peiser.

2000 Bäcker Werner Boldt, Schlachter Hans Alm, Tischler E. Mädche, Tischler Siegfried Schalow, Zimmerer R. Merkel, Zimmerer Maik Otto, Fliesenleger Hagen Brass, Fliesenleger Olaf Fietz, Dachdecker M. Peiser, Dachdecker Mario Behm, Fahrradmechaniker Udo Elvers, KFZ-Schlosser Hartmut Westphal 2010 Bäcker Werner Boldt, Tischler E. Mädche, Tischler Siegfried Schalow, Malerei Uwe Bretzke, Malerei Hilmar Grundt, Fliesenleger Hagen Brass, Fliesenleger Olaf Fitz, Dachdecker Mantel Peiser, Dachdecker Mario Behm, Zimmerer R. Merkel, Zimmerer Maik Otto, Fahrradmechaniker Udo Elvers mit Fahrradverleih.


Die Schule in Dierhagen

Durch die „Revidierte Kirchenordnung“ von 1650 wurde das noch ganz auf geistliche Ausrichtung der Jugend abgestellte Schulwesen auf dem Lande begründet. Der Unterricht sollte zunächst nur in den Kirchdörfern durch die Küster erteilt werden. Im 18. Jahrhundert wurden auch in den übrigen Dörfern Schulen eingerichtet.

Das erste Schulhaus in Dierhagen ist wahrscheinlich im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts gebaut worden. In dem Gebäude waren die Wohnung für den Lehrer und ein Klassenzimmer, in dem Schüler bis zur achten Klasse unterrichtet werden konnten. Das Schulhaus hatte ein Rohrdach. Die Deckenhöhe war gering, diese Angabe ist von älteren Bürgern überliefert. Zur Schule gehörte ein Stall. Mit einer kleinen Landwirtschaft konnte der Lehrer sein Gehalt etwas aufbessern.

Im Ribnitzer Kirchbuch ist 1746 Christian Heinrich Wilken als „Pädagoge und Rektor in Dierhagen“ genannt. Im Landesarchiv in Schwerin befindet sich eine Schulgeldabrechnung aus Dierhagen. Das Schreiben ist von Johann Golz, vermutlich der damalige Lehrer, unterzeichnet.

1850 wurde auf dem Platz vor der alten Schule ein kleines massives Schulhaus gebaut. Das Gebäude hatte ein Klassenzimmer. Gab es genügend Schüler im Ort, wurde in zwei Klassen unterrichtet. Ein zweites Zimmer diente als Vorbereitungsschule für den späteren Seefahrtschulunterricht. Das Gebäude wurde Industrieschule genannt.

Der Lehrer Genenz berichtete dem Großherzog in Schwerin über den Großbrand am 10. August 1859 in Dierhagen. Lehrer Genenz war bis 1887 der erste Lehrer in Dierhagen. Er bewirtschaftete die Landwirtschaft, die zu seiner Lehrerstelle gehörte. Die Ländereien wurden später verpachtet. Die Dierhäger Schule war weiterhin einklassig, waren genügend Kinder im Ort, wurde eine zweite Klasse eingerichtet. Das änderte sich jährlich. Die Rostocker Zeitung schrieb am 23. Januar 1887: „Zu Ostern wird Küster-, Organisten- und Schulstelle in Dierhagen frei. Bares Gehalt 600 Mark, Acker und Wiesen sind verpachtet, ergeben eine Pachtsumme von 500 Mark. Für den Nachmittagsunterricht während des Sommersemesters erhält der Lehrer eine Entschädigung von 120 Mark. Mit der Stelle ist außer freier Wohnung, Garten und Feuerungsdeputat eine bare Einnahme von 1220 Mark verbunden. Die Schule ist zweiklassig.“ Der Hauptlehrer unterrichtete die Klassen 5 bis 8, der zweite Lehrer die Klassen 1 bis 4.

Carl Ahrens wurde der Nachfolger vom Lehrer Genenz. Dieser war vorher Lehrer in Stavenhagen. Der Umzug nach Dierhagen machte große Schwierigkeiten. Die Eisenbahn fuhr nur bis Rostock. Sein ganzer Hausstand musste mit Fuhrwerken nach Dierhagen gefahren werden. Carl Ahrens starb 1910 noch vor seiner Pensionierung.

Aus dem Jahrbuch Mecklenburgischer Volksschullehrer von 1906 ist folgende Notiz entnommen: „Haus alt mit Strohdach, Acker 2 ha 18 a, schlechter Sandboden, 5 Minuten entfernt, Wiese 2 ha 16 a, beim Acker, Kuhheu, Garten 32 a, Feuerung 18 Raummeter Buchenkluft, 1200 Soden Torf, Gehalt 315 Mark. Ackerentschädigung 119 Mark, 120 Mark für vermehrten Sommerunterricht. 125 Mark für wöchentlich 5 Stunden an der Navigationsschule, für Kirchendienst (30 Lesegottesdienste) 100 Mark. Acker und Wiese bis 1915 an die Gemeinde verpachtet.“

Die Lehrer in Mecklenburg sollen gut ausgebildet gewesen sein. Es wurde Wert darauf gelegt, dass ihre Gliedmaßen gesund waren, damit sie Musikunterricht erteilen konnten. Sie mussten Geige und Bandonium spielen können.

Am 2. Januar 1910 wurde Hermann Tesch Hauptlehrer an der Schule in Dierhagen. Gustav Frehse wurde der zweite Lehrer. Die Frau des Hauptlehrers erteilte den Mädchen Handarbeitsunterricht.

Am 13. Januar 1910 diskutierte der Gemeindevorstand über einen Neubau des Schulhauses. Zur Debatte standen zwei Vorschläge: 1. die alte Schule abzureißen, 2. beide Gebäude abreißen. In dem Neubau sollten zwei Klassenzimmer, eine größere Wohnung für den Hauptlehrer, eine kleinere für den zweiten Lehrer und ein Zimmer für den Navigationsunterricht geschaffen werden. Die Verantwortlichen entschieden sich für den zweiten Vorschlag. Der Bauplatz für das neue Gebäude reichte nicht ganz. Mit dem Grundstücksnachbarn wurde eine Einigung erzielt, es wurden Teile der Grundstücke getauscht. Der Neubau der Schule wurde ausgeschrieben. Drei Gebote gab es. Den Zuschlag bekam der Maurermeister Magnus Dettmann aus Dierhagen. Das Angebot lautete 20 600 Mark. Die neue Schule war 1912 fertig. Während der Bauzeit wurden die Klassen 4 bis 8 vom Lehrer Tesch in der Gaststätte „Bruss“ in der Seestraße und die Klassen 1 bis 4 vom Lehrer Frehse beim Bauern Schäning unterrichtet. In dessen Bauernhaus gab es einen kleinen Saal. Den Auftrag für die Anfertigung der Schulmöbel erhielt der Tischler Wodrich aus Dierhagen. Das Angebot für eine viersitzige Schulbank lautete 4,50 Mark. Finanziert wurden der Schulneubau und deren Einrichtung von der Gemeinde und vom Großherzoglichen Amt.

Der Gemeindevorstand stellte in Abständen Geld bereit, von dem Lehrmittel, Anschauungsmaterial und Geräte angeschafft wurden. Die Dierhäger Schule war dadurch sehr gut mit Lehrmaterial ausgerüstet. 1925 wurde von der Gemeinde ein Bildwerfer für die Schule gekauft. Mit dem Gerät konnten alle Bilder, auch die aus Zeitungen, auf eine Leinwand projiziert werden. 1936 wurde von der Gemeinde für den Handarbeitsunterricht eine Nähmaschine angeschafft. Der Kaufpreis betrug 110 Mark. Bezahlt wurde die Maschine in monatlichen Raten zu vier Mark. Die Schule bekam auch einen Schmalfilmapparat und einen Bildwerfer für Dias.

Es wurde schon erwähnt, dass die Dierhäger Schule einklassig war, bei Bedarf, das heißt bei der nötigen Anzahl von Schülern, war sie zweiklassig. Als zweiter Lehrer waren an der Schule die Lehrer Lange, Reinke, Voss, Frehse, Fretwurst, Stichnot, Holz, Frl. Hecht, Frl. Leonhardt und Frl. Lettow tätig. Der Lehrer Frehse wurde im ersten Weltkrieg eingezogen und schwer verwundet, daran ist er gestorben.

Hermann Tesch war, seit er in Dierhagen wohnte, Organist in der Kirche. Die erste Schulstunde wurde mit einem gemeinsamen Gebet oder mit einem Gesang aus dem Gesangbuch begonnen, den er oft mit dem Harmonium begleitete. Die Schulkinder wurden von ihm in Religion unterrichtet. 1939 wurde beides von den Nationalsozialisten verboten. Während des Zweiten Weltkrieges, die Anzahl der Schüler erhöhte sich nach 1939 rapide, war Herman Tesch der alleinige Lehrer. Durch den Kriegseinsatz der jungen Menschen bekam er keine Hilfe. 1943 bekam er einige Monate Unterstützung von einer Lehrerin aus Berlin, die wegen der Bombenangriffe Berlin verlassen hatte. Sie war mit ihrer Familie in ihr Wochenendhaus nach Ostseebad Ribnitz gezogen. Im März 1945 hatte Elfriede Lettow, sie wohnte in Dierhagen, ihre Ausbildung zur Lehrerin abgeschlossen. Am 01.04.1945 wurde sie Lehrerin an der Schule in Dierhagen. Nach dem Ende des Krieges wurde Hermann Tesch als Lehrer abgesetzt, er war Mitglied der Nazipartei. Ein sehr aktives Mitglied in der Partei ist er nicht gewesen, es konnte aber nicht anders gelöst werden. Der Schulunterricht fiel mehrere Wochen ganz aus. In den Wirren nach der Beendigung des Krieges war es nicht möglich, den Unterricht weiterzuführen. Auf Anordnung der Sowjetischen Kommandantur, die unsere Gemeinde verwaltete, wurde im Juni 1945 der Schulunterricht durch den Lehrer Tesch fortgeführt. Die Kommandantur und der Antifaschistenausschuss hatten sich darauf geeinigt, denn im Ort war kein anderer Lehrer. In Dändorf gab es auch keine Lehrkraft. Die Schüler wurden so von einem geeigneten Bürger unterrichtet. Der Schulunterricht wurde nach den Sommerferien fortgeführt. Im Dezember 1945 wurde Herman Tesch endgültig nach 35 Jahren als Lehrer in Dierhagen abgesetzt.

Der Schulunterricht konnte erst im Frühjahr 1946 fortgesetzt werden. Demokratische Kräfte und Junglehrer begannen unter großen Schwierigkeiten, die Kinder zu unterrichten. Es gab am Anfang keine Schulbücher, keine Hefte und Schreibgeräte. Das verbesserte sich in kurzer Zeit deutlich. Die Schulen von Dierhagen und Dändorf wurden zur Schulkombination Dierhagen/Dändorf zusammengeschlossen. Durch diesen Zusammenschluss wurde das Unterrichten verbessert und effektiver.

In Dierhagen leitete Frau Schubert die Schule, in Dändorf war Herr Grigo Schulleiter. Die Schulkombination war der Zentralschule in Klockenhagen untergeordnet, diese war mehrklassig. Die Fremdsprache Englisch wurde gelehrt. Die Schüler der Klassen eins bis vier wurden in den jeweiligen Orten unterrichtet. Die Schüler der Klassen fünf und sechs wurden gemeinsam in Dierhagen unterrichtet, die Klassen sieben und acht zusammen in Dändorf.

Die Anzahl der Klassenzimmer wurde durch Umbauten in der Dierhäger Schule erweitert. Die Schüler sollten nach Jahrgängen getrennt unterrichtet werden. Das Vorhaben wurde schrittweise verwirklicht. Die Zahl der Lehrer vergrößerte sich. Im Jahre 1951 wurde mit der Schulspeisung begonnen. Jeder Schüler bekam täglich kostenlos ein belegtes Brötchen. In dem Schulgebäude waren am Ende der fünfziger Jahre fünf Klassenräume, die aber nicht ausreichten. Als zusätzliches Klassenzimmer wurde ein Raum im Kindergarten genutzt. Der Turnunterricht fand im Wesentlichen im Freien statt und ab 1953 an mehrere Jahre im Saal des späteren Ferienheimes „Drei Tannen“ in der Lindenstraße. Seit 1955 wurde in der Schule die russische Sprache gelehrt.

1959 erfolgte der Übergang zur zehnklassigen allgemeinbildenden Oberschule. Ab 1960 gingen die Schüler ab der sechsten Klasse zur Polytechnischen Oberschule nach Wustrow zur Schule. Für die Fahrt der Schüler nach Wustrow wurde ab 1962 ein Schülerbus eingesetzt, der die Kinder von allen Ortsteilen abholte und zurückbrachte.

Die Schulräume wurden durch gusseiserne oder Kachelöfen beheizt. Der Aufwand war sehr groß, es gab immer wieder Komplikationen. 1965 konnte in der gesamten Schule eine Zentralheizung eingebaut werden. Diese wurde bis 1990 mit Kohlen beheizt, danach konnte sie mit Ölfeuerung ausgerüstet werden. 1965 wurde die Schule in Dändorf geschlossen. Die Kinder aus allen sechs Dierhäger Ortsteilen wurden bis zur fünften Klasse in der Teiloberschule in Dierhagen unterrichtet. In der Zwischenzeit, nach der Beendigung des Unterrichts und der Abfahrt des Schülerbusses, wurden die Kinder von Frau Bellack, am Anfang für zwei Stunden, im Hort betreut.

Im Dezember 1972 konnte das neue Hortgebäude eingeweiht werden. In dem Gebäude befanden sich zwei größere und drei kleinere Räume, die für die Betreuung der Hortkinder bestimmt waren. Ein Küchenraum sowie die Sanitärräume befanden sich ebenfalls in dem Gebäude. Die angrenzende Turnhalle wurde erst vier Jahre später fertiggestellt. Für die Betreuung nach dem Schulunterricht waren jetzt ausgebildete Horterzieherinnen zuständig. An der Hortbetreuung nahm ein großer Teil der Kinder teil. Für die Kinder war die Betreuung vorteilhaft, es arbeiteten oft beide Elternteile. Die Zeit bis zur Abfahrt des Schülerbusses wurde durch das Anfertigen von Hausaufgaben, Beschäftigungen, wie gemeinsames Spielen und Basteln genutzt.

Die Eltern wählten aus ihrer Mitte ein Klassenelternaktiv, das für die schulischen Probleme, die auftraten, zuständig war. Die Elternaktive wählten aus ihren Mitgliedern den Elternbeirat der Schule.

Leiter oder Direktoren der Schule in Dierhagen waren von 1946 bis 1950 Johanna Schubert, von 1950 bis 1954 Adolf Hahn, von 1954 bis 1981 Johanna Eichstädt, von 1981 bis 1990 Ursula Fretwurst und von 1990 bis 2002 Hannelore Matthias. Seit 2003 leitet Silke Schley die Grundschule „Schwalbennest“. Lehrer in Dierhagen waren ab: 1946 Johanna Schubert, Elfriede Lettow, Herr Lüneburg, 1948 Adolf Hahn, 1950 Ernst Schröder, Gustav Wegner, Wilhelm Fretwurst, 1951 Werner Wodäge, Johanna Eichstädt, 1953 Herr Klessny, 1954 Frl. Bahn, Frl. Opel, 1965 Ursula Fretwurst, 1966 Monika Kühn, 1970 Waltraut Kannewurf, 1976 Astrid Reimer, 1982 Frau Gielow, 1990 Hannelore Matthias, 1991 Carmen Wolf, Michael Weise, 2000 Silke Schley, 2006 Frau Wöhl, 2009 Frau Stützer. Hortnerinnen waren Frau Bellack, Frau Steinicke, Frau Seddig, Frau Liebschwager, Astrid Reimer, Frau Gielow und Gabriele Schubert. 1990 ist das Schulhaus vollständig renoviert worden. Das Dach wurde neu gedeckt, der Boden wurde ausgebaut.

Nach der Wiedervereinigung veränderte sich das Schulwesen. Die Schule in Dierhagen wird von der Gemeinde verwaltet, sie wird als Grundschule weitergeführt. Die Schule in Wustrow wurde 2005 auch eine Grundschule. Die Schulkinder aus Dierhagen besuchten ab der fünften Klasse Schulen in Ribnitz-Damgarten oder Prerow.

Die Gemeinde renovierte seit 2002 nach und nach das gesamte Schulhaus. Es konnten ein Raum für Computerunterricht sowie ein Kreativraum eingerichtet werden. Die Zentralheizung wurde erneuert und ist auf Gasheizung umgestellt worden. Der Schulhof wird durch eine Wand aus Faschinen vor starken Winden geschützt. Neben dem Schulhof wurde ein Sportplatz gebaut, der Sportunterricht kann so auch im Freien durchgeführt werden. Zum Objekt gehörte ein Schulgarten, der 2010 zu einem Fußballplatz umgestaltet wurde.

Die stark sinkenden Schülerzahlen lösten bei den Verantwortlichen in Mecklenburg-Vorpommern Diskussionen über die Schließung von Schulen aus. Befürchtet wurde, dass die Schule in Dierhagen betroffen war. Das wäre für unseren Ort ein herber Verlust gewesen. Die Bemühungen von Eltern, Lehrern und Gemeindevertretern zum Erhalt der Schule hatten Erfolg. So besuchen die Kinder aus Dierhagen, Wustrow und Ahrenshoop seit 2007 gemeinsam die Grundschule in Dierhagen. 2004 bekam die Schule den Namen „Schwalbennest“ verliehen. Auf dem Platz vor dem Schulhaus steht eine Skulptur mit Schwalben und Schwalbennest, die von Siegfried Kümmel geschaffen wurde.

Schulleiterin ist seit 2003 Silke Schley. Lehrerinnen sind jetzt Astrid Reimer, Carmen Wolf und Frau Stützer. Die Hortkinder werden von Sylvia Gaube und Herrn Förster von der Kindertagesstätte Dierhagen betreut. Auf Wunsch bekommen die Schulkinder auch heute warmes Mittagessen von der Kindertagesstätte.


Entwicklung der Schülerzahlen der Dierhäger Schule

1777 83 Schüler

1912 45 Schüler Klasse 5 bis 8, Kl. 1-4 keine Angaben

1922 38 Schüler Klasse 5 bis 8, Kl. 1-4 keine Angaben

1932 59 Schüler Klasse 1 bis 8

1942 58 Schüler Klasse 1 bis 8

1952 105 Schüler Klasse 1 bis 6, ab Kl.7 in Dändorf

1962 83 Schüler Klasse 1 bis 5, ab Kl.6 in Wustrow

1972 151 Schüler Klasse 1 bis 5, ab Kl.6 in Wustrow

1982 63 Schüler Klasse 1 bis 4, ab Kl.5 in Wustrow

1992 99 Schüler Klasse 1 bis 4, ab Kl.5 in Wustrow

2002 82 Schüler Klasse 1 bis 6, ab Kl.7 in Wustrow

2011 62 Schüler Klasse 1 bis 4, ab Kl.5 in Ribnitz-Damgarten o. Prerow


Der Dierhäger Hafen

In der Zeit, als fast alle Güter auf dem Wasser transportiert wurden, die Fährboote den Personenverkehr durchführten, die Fischer den Fang anlandeten, war am Hafen reges Treiben. Das neueste Geschehen war dort zu erfahren.

Bevor es den Hafen gab, wird ein Anlandeplatz erwähnt. Es ist damit die Stelle gemeint, an der die Last kähne ihre Ladung löschten, die Passagiere in den Fährbooten ein- und ausstiegen. Der Wasserstand veränderte sich ständig, diese Veränderungen schufen immer neue Probleme mit dem Anlanden. Das gesamte Baumaterial, das zum Wiederaufbau des Dorfes nach dem großen Brand 1859 benötigt wurde, ist auf diesem Wege angelandet worden. Der zunehmende Verkehr und die ständig steigenden Bedürfnisse führten zur Diskussion über den Bau eines Hafens.

Am 23.05.1883 stellte der Dorfvorstand beim Großherzoglichen Amt einen Antrag auf kostenlose Überlassung des Anlandeplatzes. Es herrschte Einigkeit darüber, dass bei einer Ablehnung des Antrages der Anlandeplatz gekauft werden sollte.

Der Wustrower Hafen wurde nach 1800 gebaut. Danach wurde Wustrow regelmäßig von einem Dampfer aus Ribnitz angelaufen. Der Vorteil einer derartigen Verbindung wurde in Dierhagen erkannt.

Am 16.02.1884 wurde beim Großherzoglichen Amt der Antrag zum Bau des Hafens gestellt. In dem Zusammenhang wurde um eine Unterstützung beim Bau des Hafens von 5 000 Mark gebeten. Die Planung und der Entwurf zum Hafenbau wurden vom Großherzoglichen Hafenbaudirektor Hemsch ausgeführt. Am 16.12.1885 wurden für den Bau 6 700 Mark veranschlagt. Am 30.01.1886 wurde vom Großherzoglichen Amt eine Beihilfe von 3 200 Mark zugesichert. Mit den wasserbaulichen Arbeiten, dem Rammen der Pfähle, wurde die Schiffswerft Staben in Ribnitz beauftragt. Es sollten der Hafendeich und die Auffahrt zur Brücke gebaut werden.

Im Januar 1887 beschloss der Gemeindevorstand, die nördliche Auffahrt gleich mitzubauen. Vor dieser Auffahrt entstand ein kleines Becken, als Liegeplatz für die Fischerboote, mit einer Schräge zum Hochziehen der Fischerboote. Für diese zusätzlichen Bauten wurde ein Kredit aufgenommen. Der Hafen wurde 1888 übergeben. Wegen der anfallenden Zinsen und Tilgungen wurde von den Einwohnern ein Hafengeld erhoben. Die Schulden waren 1904 getilgt. Es fielen laufend Reparaturen sowie Instandhaltungen an der Hafenanlage an. Das Hafengeld wurde aus diesem Grund weiter erhoben.

Das Löschen und Abfahren der angelandeten Güter war nun einfacher und leichter. Die Ziegelsteine für das 1905 gebaute Gustav-Adolf-Hotel (heute „Strandhotel Dünenmeer“), wurde mit Lastkähnen zum Dierhäger Hafen geliefert. Die Bauern aus dem Ort fuhren die Steine mit ihren Fuhrwerken nach Neuhaus.

Das Anlegen von Fahrgastschiffen war möglich. Zwischen Ribnitz und Wustrow verkehrte ein Fahrgastschiff, das auf seinen Fahrten Dierhagen anlief.

Der Gemeindevorstand beauftragte einen fachkundigen Bürger mit dem Amt eines Hafenmeisters. Das Amt war ehrenamtlich. Es wurde von einem Fischer oder Seemann, der im Ruhestand war, ausgeführt. Seine Aufgabe war es, die Liegegebühren zu kassieren, die alle Schiffe zahlen mussten, die eine kurze Anlegefrist überschritten hatten. Vom Gemeindevorstand wurde eine Hafenordnung erlassen, die die Gebührensätze regelte.

Der Ufersaum des Boddens erstreckte sich zu der Zeit bis zum Fuße des Binnendeiches. Der Hafen wurde am Bodden an einer Stelle gebaut, an der der Wasserstand eine geeignete Tiefe hatte. Der Hafen hatte die Form eines Hufeisens. Das Gebiet wurde durch eingerammte Pfähle zur vorgesehenen Form gestaltet.

Zwischen dem Dorf und dem Hafengebiet wurde der so genannte Hafendeich gebaut. Zu diesem Zweck wurden an den Seiten der Verbindung Pfähle bis zum Hafengelände gerammt. Die gesamte Baustelle musste mit Erdreich ausgefüllt werden. Diese Arbeit, so vermute ich, haben die Dierhäger selber ausgeführt. Auf dem Areal am Hafen wurde Gras ausgesät. Der Hafendeich wurde mit Bäumen bepflanzt, beides war nötig zum Schutz gegen Naturgewalten. Zu dem Bauwerk gehörte eine Anlegebrücke, die an der südlichen Seite des Hafenbeckens errichtet wurde. Das Hafenbecken wurde von der nördlichen und von der östlichen Seite durch ein Bollwerk geschützt. Der Hafen war nach seiner Inbetriebnahme der Platz im Ort, an dem immer Betrieb war. Die Motorboote fuhren dreimal täglich nach Ribnitz. Sie beförderten Passagiere und Stückgüter. Lastenschiffe beförderten Baumaterialien und Schüttgüter. Die Fischer landeten ihre Fänge am Hafen an. Die Hausfrauen spülten die Wäsche von einer Waschbrücke im Hafenbecken. Die Ruheständler trafen sich zum Plausch.

Es wurden laufend Instandhaltungen durchgeführt. Die Anlegebrücke wurde mehrmals erneuert, die Pfähle am Rand des Hafenbeckens wurden durch eine Betonmauer erneuert. Das Bollwerk ist laufend repariert worden. 1960 wurde das Bollwerk aus Betonelementen neu gebaut. Die Hafenanlage ist in ihrer Form und Ausdehnung fast 100 Jahre unverändert geblieben. Die Nutzung hat sich durch die eingetretenen wirtschaftlichen Verhältnisse geändert. Der Personenverkehr wurde, nachdem 1929 die Fischlandchaussee gebaut worden war, mit Bussen durchgeführt. Den Güterverkehr erledigten Lastwagen. Die Anlegebrücke, die stark verfallen war, wurde 1987 im Rahmen einer Übung der NVA der DDR erneuert.

An der südlichen Seite des Hafens baute ein Sportbootsverein einen Hafen für Motor- und Segelboote. Der Verein wurde 1985 gegründet. Der Sportboothafen wurde von den Vereinsmitgliedern gebaut. Am Hafen befand sich ein Wirtschaftsgebäude, das 1980 zu einer kleinen Gaststätte umgebaut wurde. Diese Gaststätte wurde 2009 renoviert und mit einem Imbissstand, in dem Räucherfisch angeboten wird, erweitert.

Der Hafen ist 1998 mit Fördermitteln der Europäischen Union zum Wasserwanderrastplatz erweitert und erneuert worden. Die Anlegestelle ist keine Holzbrücke mehr. Sie ist ein massives Bauwerk, ist robuster und haltbarer als die vorherige.

Durch ein zweites Hafenbecken, in dem Boote jeglicher Art anlegen können, erhöhte sich die Anzahl der Liegeplätze. Begrenzt wird das Hafenbecken durch eine Spundwand mit einem Fußgängersteg. Neben dem Hafenbecken ist eine Fläche mit Strandsand aufgeschüttet worden, die von Wassersportlern genutzt werden kann.

Ein modernes Gebäude entstand, in der die Kurverwaltung und der Hafenmeister Diensträume haben und in dem es Sanitärräume gibt. Ein gibt einen Festplatz, auf dem in der Saison Festveranstaltungen stattfinden und von Mai bis September Markttage abgehalten werden.

Angeboten werden Segelfahrten mit Zeesenbooten und Fahrten mit einer Barkasse. Ein Fahrgastschiff fährt in den Sommermonaten zwischen Ribnitz, Dierhagen und Wustrow.

Die Fischer verkaufen den frisch gefangenen Fisch nach dem Anlanden am Hafen. Zum Areal des Hafens gehören ein Parkplatz sowie ein Kinderspielplatz. Etliche Sitzbänke laden zum Verweilen ein. Am Hafen können Urlauber und Einheimische sich entspannen. Im Sommer herrscht wieder reges Treiben und die Ruheständler treffen sich zum Plausch.


Das Gesundheitswesen

In früherer Zeit war in Dierhagen nie ein Arzt ansässig. Der Nächste war erst in Ribnitz erreichbar. Wurde er angefordert, kam er nach Dierhagen mit dem Pferdefuhrwerk. Das war eine teure Angelegenheit, in einer Krankenkasse war damals keiner. Darum wurde ein Arzt nur im äußersten Notfall gerufen. Diese Verhältnisse hielten bis zu der Zeit an, als das Krankenkassenwesen seinen Anfang nahm.

Zum Arzt nach Ribnitz kam man am schnellsten mit dem Pferdewagen, in späterer Zeit mit dem Motorboot. Operative Eingriffe konnten nur in Rostock ausgeführt werden. Hier gab es unter den Universitätsprofessoren sehr gute Chirurgen, die private Kliniken unterhielten. Allein der Krankentransport nach Rostock war eine komplizierte Angelegenheit. Erst musste aus Ribnitz ein Krankenkorb geholt werden. Das war ein aus Weiden geflochtener Korb, der mit Stoff ausgeschlagen war und in den der Kranke gebettet werden konnte. Mit dem Motorboot oder mit einem Fuhrwerk wurde er dann nach Ribnitz gebracht, von wo aus es dann mit dem Zug nach Rostock ging. Für die Fahrten vom Ribnitzer Hafen zum Bahnhof, sowie die Strecke vom Bahnhof in Rostock zur Klinik wurden Fuhrwerke genutzt.

Bekannte Ribnitzer Ärzte waren die Doktoren Bruno Joseph, Trohn, Lemke und Eichstädt.

Nachdem die Chaussee nach Wustrow fertig war, wurde in Krankheitsfällen auch der dort ansässige Arzt Dr. Meier gerufen. In Wustrow hatte er eine Praxis und er hatte auch ein Auto. Nach Dierhagen kam er regelmäßig zweimal in der Woche zu Hausbesuchen. In der letzten Zeit des Krieges und nach dem Krieg kam er mit einem Fuhrwerk, weil es keinen Treibstoff gab. Nach einigen Jahren bekam er von seinem Sohn einen weißen VW Käfer, mit dem er dann über die Lande fuhr und der sein Markenzeichen wurde. In der DDR wurde das Gesundheitswesen einheitlich gelenkt. Alle Bürger waren in der Sozialversicherungskasse, die die Kosten der Behandlungen übernahm. Im Ort wurde eine Arztpraxis eingerichtet, in der Dr. Meier zweimal in der Woche Sprechstunde abhielt. In den selben Räumen hatte auch Dr. Dietrich aus Wustrow und später Dr. Joachim von der staatlichen Arztpraxis in Wustrow zweimal wöchentlich Sprechstunde. Dr. Meier war auch noch nach seinem Eintritt in das Rentenalter viele Jahre als Arzt in Dierhagen tätig.

Eingerichtet war die staatliche Praxis in der Büdnerei 4 in der Lindenstraße, die dann Frau Renck 1972 übernahm und bis zur Wende führte. Nach Auflösung der staatlichen Praxen machte sich Frau Renck selbtständig und richtete ihre Praxis in der Wallstraße 4 ein. Diese musste sie 1998 krankheitsbedingt aufgeben. Übernommen wurde die Praxis kurzzeitig von dem Arzt Dr. Krause. Anschließend wurde einige Jahre in Dierhagen keine Sprechstunde mehr abgehalten, wer einen Arzt aufsuchen wollte, musste nach Ribnitz oder Wustrow fahren.

2001 ließ sich in Dierhagen Dr. Bennien als Arzt nieder und richtete seine Praxis in der Kirchstraße 20 ein, die er am 01. Februar 2006 nach Dändorf in die Neue Reihe 8 verlegte.

Ab 1950 gab es zur Unterstützung der Pflegebedürftigen und Älteren eine Gemeindeschwester im Ort. Die Funktion hatten nacheinander Frau Koch, Frau Alma Krosta und Frau Erika Engler inne. Eine Gemeindeschwester gibt es heute nicht mehr in Dierhagen.

Ein Zahnarzt eröffnete in Dierhagen erst Anfang der 1950er Jahre seine Praxis. Zuvor musste man auch hierzu nach Ribnitz fahren. Ab 1953 hielt der Dentist Herman Nitschke in der Büdnerei 7 (Strandstraße) zweimal in der Woche die zahnärztliche Sprechstunde ab, wobei er später in die Büdnerei 15 (Kirchstraße) wechselte. Nachdem er krankheitsbedingt seine Praxis aufgeben mußte, war der nächstgelegene Zahnarzt in Wustrow zu erreichen, wo Anfang der fünfziger Jahre eine staatliche Zahnarztpraxis eingerichtet und (nacheinander) von Dr. Krempin, Herrn Gutfleisch, und Dr. H. Moye geführt wurde.

In Dierhagen richtete Dr. Steffen Slowikowski 1996 in der Kirchstraße 7 seine Zahnarztpraxis ein.

Eine Hebamme wird in Dierhagen schon im 19. Jahrhundert genannt. So wurde ein Flurstück auf der Feldmark immer als „Hefamswisch“ bezeichnet, welches die Hebamme selbst bewirtschaften konnte. Hebammen waren Bürger der Gemeinde, die in der Geburtshilfe einen Kursus gemacht hatten. Bekannt ist, dass von 1924 bis 1934 eine Frau Stahl in Dierhagen als Hebamme tätig war. Auch nach ihrem Wegzug nach Ribnitz betreute sie die Dierhäger weiter.


Die Straßen und Verkehrsverhältnisse Dierhagens

Der Wasserweg: Dierhagen war mit seiner Umgebung, auch mit der Stadt Ribnitz, nur mit Landwegen verbunden, die sandig und bei Regenwetter matschig waren. Deshalb wurde nach Ribnitz vorwiegend der Wasserweg genutzt.

Ältere Seefahrer hielten mit so genannten Fährbooten den Personen- und Güterverkehr aufrecht. Ein regelmäßiger Fahrplan war nicht einzuhalten, die Fahrten waren immer vom Wind und dem Wetter abhängig. Mit den „ Fährbooten“ wurde meistens gesegelt. Bei Flaute wurden sie gerudert, der Kraftaufwand zum Rudern war riesengroß. Die Fahrten über den Bodden haben immer ihre Bedeutung gehabt.

Ribnitz erreichte man auch zu Fuß. Das war oft nötig, wenn ein Termin wahrzunehmen war. Der streckenweise sehr sandige, bei Regenwetter morastige Weg war kein guter Wanderweg, die Einwohner waren oft auf diesen Fußmarsch angewiesen. Die heutigen Menschen würden es als eine große Zumutung empfinden, die 10 km lange Strecke von Dierhagen bis Ribnitz und zurück zu gehen und die eingekaufte Ware nach Hause zu schleppen.

Im Winter wurden die Segelschlitten als Transportmöglichkeit genutzt. In früherer Zeit war der Bodden in jedem Winter drei bis vier Monate zugefroren. Weil das Wasser kaum Salz enthält, bildet sich schnell eine harte Eisdecke, die sich als Transportweg vorzüglich eignet, wenn nur wenig Schnee darauf liegt. Die Bauart des Schlittens war für die Beförderung von Personen und Lasten ausgerichtet. Die Segelschlitten waren in allen Boddendörfern heimisch. Bei günstigem Wind konnten Geschwindigkeiten bis zu 80 km/h erzielt werden.

Nach der Fertigstellung des Hafens in Dierhagen 1888 lief ein Ribnitzer Dampfboot auf der Fahrt nach Wustrow bei der Hin- und Rückfahrt Dierhagen an. Die Verbindung nach Ribnitz mit dem Motorboot ist von den Dierhäger Bürgern mit Freude angenommen worden, da es regelmäßig verkehrte.

Die Entwicklung des Ortes und die steigenden Bedürfnisse der Einwohner erforderten eine günstige Verbindung zwischen Dierhagen und Ribnitz. Aus diesem Grund wurde 1905 die Motorbootgesellschaft Ribnitz-Dierhagen-Dändorf gegründet. Die Gesellschaft kaufte zwei Motorboote, die „Kronprinz Wilhelm“ und die „Elise“. Die Rostocker Zeitung schrieb am 14. Mai 1905, dass sich die Motorbootgesellschaft Dierhagen-Ribnitz-Dändorf gegründet hat. Mit den Motorbooten wurden fast alle Stückgüter befördert. Der Müller in Dändorf, der Korn dazukaufen musste, ließ das Korn mit den Booten nach Dändorf bringen, denn das in Dierhagen und Dändorf geerntete Getreide reichte nicht.

Kurz vor dem ersten Weltkrieg kam ein moderner Neubau, dass Motorboot „Cäcilie“. Es wurde im Krieg beschlagnahmt, kam in die Stettiner Gewässer, es ist nie wieder aufgetaucht. Die Motorbootgesellschaft löste sich auf. Verbindung nach Ribnitz gab es nicht, die Stadt war nur durch den Fußmarsch zu erreichen.

Nach der Inflation befuhr einige Jahre eine ehemalige Hamburger Barkasse den Weg nach Ribnitz. Die Raiffeisenkasse stellte 1926 das Motorschiff „Onkel Fritz“ in Dienst.

Benannt wurde es nach dem ehemaligen Schiffer Fritz Fretwurst, der auf den vorherigen Booten gefahren war. Die Raiffeisenkasse setzte ein zweites Schiff, den „Störtebeker“ in Fahrt. Der alte Schiffsrumpf der „Elise“ lag auf dem Hafengelände. Der Stellmacher Hermann Thiel baute das Boot wieder auf, es wurde 1935 wieder im Linienverkehr nach Ribnitz eingesetzt.

Nach mehreren guten Jahren, in denen außer dem Personenverkehr auch der Ausflugsverkehr aufblühte, ging der Verkehr mit Motorbooten stark zurück. Den Verkehr nach Ribnitz hatten nach dem Bau der Landstraße Busse übernommen, denn die Busfahrten waren günstiger als die Fahrten mit den Motorbooten. Die Raiffeisenkasse verkaufte die beiden Motorboote.

Nach dem Beginn des zweiten Weltkrieges wurden die Busse für militärische Zwecke abgestellt. Der Ver kehr nach Ribnitz wurde von dem Wustrower Dampfer „Walter“ durchgeführt. 1944 kam ein Berliner Schiff, die „Germania“, zum Einsatz, zwischen Wustrow über Dierhagen nach Ribnitz. Nach dem Krieg verkehrte wieder der „Onkel Fritz“ und später die Barkasse „Fortuna“, bis dann moderne Busse eingesetzt wurden.


Der Landweg: Es wurde schon erwähnt, wie schwierig es war, Ribnitz zu Fuß zu erreichen. Es gab schon immer Bemühungen, von Ribnitz nach Althagen eine Kunststraße zu bauen. So begannen am 10.07.1904 die Stadt Ribnitz und die Gemeinden Körkwitz, Dändorf, Dierhagen, Wustrow und Althagen von Ribnitz bis Althagen eine Kieschaussee zu planen. Am 16.10.1905 wurde von den Gemeindevorständen das Protokoll zum Bau der Kieschaussee unterzeichnet. Begonnen wurde der Bau nicht. Ein Grund wird nicht genannt, es ist anzunehmen, dass es bei der Finanzierung Schwierigkeiten gab.

Am 25.10.1904 stellte Hans Malchin aus Rostock einen Antrag zum Bau einer Kleinbahn von Ribnitz nach Ahrenshoop, bei diesem Antrag ist es geblieben.

Erst 1927 wurde mit dem Bau, nunmehr als Betonstraße, von Ribnitz zum Fischland begonnen. Am 09.10.1929 konnte sie dem Verkehr übergeben werden. Die Stadt Ribnitz beteiligte sich mit 190 000 Mark am Bau, da die Hoffnung bestand, das Fischland fester an Ribnitz zu binden. Sie wurden stark enttäuscht. Lieferten bis dato allein die Großhändler aus Ribnitz ihre Waren auf das Fischland, kamen mit Fertigstellung der Chaussee vielfach auch die Rostocker Händler mit ihren Lastkraftwagen. Einbußen hatten auch die örtlichen Ribnitzer Einzelhändler. Die Gäste, die mit der Eisenbahn anreisten, fuhren zum Fischland, ohne die Ribnitzer Innenstadt aufgesucht zu haben.

Die Chaussee war für die Bewohner der Halbinsel Fischland ein großer Vorteil. Bürger, die in Ribnitz einen Arbeitsplatz hatten, konnten diesen problemlos mit dem Bus oder mit dem Fahrrad erreichen. Die Schüler, die die Oberschule besuchten, mussten sich vorher in Ribnitz ein Zimmer nehmen.

Die Straße sollte ursprünglich von der Dändorfer Ecke bis zur Dierhäger Kreuzung gebaut werden. In Dierhagen und in Dändorf bildete sich eine Interessengemeinschaft, die sich dafür einsetzte, dass der Verlauf der neuen Chaussee durch die beiden Gemeinden führte. Die Einwohner befürchteten, dass die Vorbeileitung der Chaussee an ihren Dörfern ungünstig sei und die Orte somit abseits gelegene Dörfer werden würden. Das Vorhaben wurde genehmigt, die Mehrkosten für die Umleitung mussten die Einwohner tragen. Sie wurden als „Chausseegeld“ in Raten erhoben.

Die Betonstraße war 3 Meter breit, neben der Straße lief ein gleich breiter Sommerweg. Der stark zunehmende Autoverkehr, vor allem die moderneren Linienbusse, überlasteten die Chaussee stark. Diese wurde auf ihrer gesamten Länge verbreitert. Durch die Verbreiterung konnten alle Fahrzeuge dem Gegenverkehr problemlos begegnen. 1961 wurde die Ortsumgehung von der Dändorfer Ecke bis zur Dierhäger Kreuzung übergeben. Die Straße war vorher von Althagen über die Dörfer auf dem Darß bis Barth weiter gebaut worden.

1925 wurde die Kleinbahnstrecke von Rövershagen nach Graal-Müritz fertiggestellt. Vorgesehen war diese Strecke bis Prerow weiter zu bauen. Die Bahnstrecke hätte durch das Ribnitzer Forstgebiet geführt. Ribnitz hatte jedoch durch den Bau der Fischlandchaussee schlechte Erfahrungen gemacht, deshalb beschloss die Ribnitzer Stadtverordnetenversammlung am 28.04.1930, kein Gelände für den Weiterbau zur Verfügung zu stellen.

Straßen- und Verkehrsprobleme der früheren Art gibt es nicht mehr; Dierhagen ist mit seinen Ortsteilen und der Umgebung durch feste Straßen verbunden. Die Radwege, die heute die Ortsteile miteinander verbinden, sind dem europäischen Radwegenetz angeschlossen.


Das Feuerlöschwesen

Den organisierten Brandschutz gab es im Ort seit 1859. In einem Bericht, den der Dierhäger Lehrer Genenz in diesem Jahr an das Großherzogliche Amt schrieb, erwähnte er darin die Handdruckspritze, die Löschmannschaft, den Spritzenmeister und den Brandmeister.

Das war der Anlass, 2009 das 150jährige Bestehen des organisierten Brandschutzes festlich zu begehen. Das waren 150 Jahre ehrenamtliche Mitarbeit von Menschen, die bereit waren und sind, unter dem Einsatz ihrer Gesundheit und ihres eigenen Lebens in Not geratenen Menschen zu helfen.

Der technischen Fortschritt der letzten hundert Jahre ermöglichte es, dass in dem Gerätehaus heute drei moderne Fahrzeuge stehen, die mit neuester Technik, wie Notstromaggregat, Schere /Spreizer, Funkgeräten und Atemschutzgeräten, ausgestattet sind. Die Aufgaben der Feuerwehr sind heute das Retten, Bergen, Schützen und Löschen.

In früherer Zeit war die Brandbekämpfung die Hauptaufgabe der Feuerwehr. Heute sind die Aufgaben vielfältiger. Im vorbeugenden Brandschutz aktiv zu sein, ist eine wichtige Aufgabe der Kameraden. Oft werden sie auch zu Verkehrsunfällen, bei Wetterunbilden, bei der Gefahr durch Hochwasser, eben in allen Situationen, in denen Menschen Hilfe benötigen, gerufen. Vor 150 Jahren war es ein technischer Fortschritt, einen Brand mit einer Handdruckspritze zu bekämpfen. Brände mussten oft mit Wassereimern bekämpft werden. Bei dem Großbrand vom 11. August 1859 konnte aber auch mit der Handdruckspritze wenig ausgerichtet werden. Durch die Bauweise, Fachwerkhäuser mit Rohrdach, die nah beieinander standen, war es fast unmöglich den Brand unter Kontrolle zu halten.

Am 1. November 1878 gründeten die Gemeinden Dierhagen und Dändorf einen Spritzenverband. Das Statut des Verbandes regelte das Verhalten über die gemeinschaftlichen Löschgeräte sowie über die Pflichten bei den Einsätzen. Die neue von Pferden gezogene Handdruckspritze wurde im Spritzenschuppen in Dierhagen stationiert. Für die Instandhaltung war der Spritzenmeister verantwortlich. Für die Einsätze war der jeweilige Brandmeister der Gemeinde verantwortlich. Die technischen Gerätschaften der Feuerwehr, wie die Handdruckspritze, die Schlöpen, die Wassertonnen und die Leitern, wurden in dem „Spritzenhaus“ stationiert. Das Brandschutzwesen wurde 1934 im Ort neu organisiert. Dazu wurde eine neue Satzung erarbeitet, wonach Dierhagen 2/3 und Dändorf 1/3 der Kosten für die Instandhaltung der Feuerlöschgeräte tragen mussten. Die Freiwillige Feuerwehr wurde aufgebaut. Die Bürger, die sich zur Mitarbeit bereit erklärten, wurden Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr, die aus ihrer Mitte den Wehrleiter und seinen Stellvertreter wählten. Das Gerätehaus mit allen Geräten wurde der Wehr zur Benutzung und zur Pflege überlassen. Die Mitglieder bekamen Uniformen sowie persönliche Ausrüstungsgegenstände, wie Hakengurte‚ Schutzhelme, Fangleinen. Schulungen und Ausbildungen wurden nun regelmäßig durchgeführt. Der erste Wehrleiter wurde Richard Lange, sein Stellvertreter Karl Baltschuss.

1937 verhandelte der Wehrleiter mit dem Gemeindevorstand über die Anschaffung einer Motorspritze. Am 12.05.1937 gab der Bürgermeister bekannt, das eine TS3 bestellt sei. Die bekamen die Dändorfer 1939, Dierhagen erhielt dafür eine TS 8, die eine größere Leistung hatte. Wehrleiter von 1937 bis 1945 war Fritz Drews.

In den Wirren der letzten Kriegstage gingen alle Geräte und sämtliche Ausrüstungsgegenstände der Feuerwehr verloren. Nachdem die Not der Nachkriegszeit gelindert war und das Leben sich auf allen Gebieten verbessert hatte, begannen die Bemühungen, die Freiwillige Feuerwehr neu zu gründen. Mehrere Versuche scheiterten. 1955 war es dann so weit, dass die Freiwillige Feuerwehr Dierhagen ihren Dienst aufnehmen konnte. Am 01.09.1955 wurde das Gerätehaus den Kameraden der Wehr wieder übergeben, es war zuvor mehrere Jahre anderweitig genutzt worden. Im September kamen die ersten Ausrüstungsgegenstände, wie Uniformen, Kombis, Schutzhelme. Im selben Monat erhielt die Wehr von der Kommandozentrale Damgarten einen Hänger TSA mit einer TS8, Schläuchen und Geräten. Bei Einsätzen und Übungen musste der Hänger gezogen und geschoben werden. Wehrleiter wurde nach der Neugründung Günter Blank.

Das Transportieren der Löschgeräte mit Muskelkraft war sehr zeit- und kraftaufwendig. Um Abhilfe zu schaffen, stellte die Wehrleitung im März 1957 einen Antrag für ein Löschfahrzeug. Im Juni 1957 bekam die Wehr ein gebrauchtes Fahrzeug vom Typ „Horch Kübel 1“. Das Fahrzeug wurde von den Kameraden zu einem Löschfahrzeug umgebaut.

Schrittweise wurde die Schlagkraft erhöht. 1956 wurde ein Trockenschlauchturm errichtet, im selben Jahr wurde auf dem Dach des Schulhauses eine Sirenenanlage montiert.

Wehrleiter wurde 1958 der Kamerad Harry Lebermann. Das Gerätehaus wurde in den sechziger Jahren erweitert. Das zweite Löschfahrzeug bekam die Wehr 1958, einen gebrauchten LKW „Phänomen K 30“, den die Kameraden zweckgemäß umbauten. Das bisherige Gerätehaus war für die neuen Anforderungen zu klein. 1967 wurde mit der Vergrößerung des Gebäudes begonnen.

Die Arbeiten wurden zum größten Teil in Eigenleistung ausgeführt. Die Fahrzeughalle wurde vergrößert, ein Schulungsraum sowie sanitäre Einrichtungen, Nebenräume und eine Wohnung entstanden. Auch bekam das gesamte Objekt eine Zentralheizung. 1968 bekam die Wehr ein fabrikneues Fahrzeug vom Typ „LF8 TS8 STA“. 1970 erweiterte ein Kleinlöschfahrzeug „B 1000“ die Flotte.

Die Leitung der Wehr übernahm 1982 der Kamerad Peter Grundt. 1984 wurde der „LF8'" ausgemustert, dafür kam ein Tanklöschfahrzeug vom Typ „TLF 16 W 50“. 1988 wurde Kamerad Norbert Bergemann Wehrleiter. 1992 kam als neues Löschfahrzeug ein „LF 16 TS 8“ und danach ein neues Tanklöschfahrzeug „TLF 16/25“. Das Kleinlöschfahrzeug B 1000 wurde durch einen VW „MTW 14“ ersetzt. Wehrführer wurde im März 2002 Matthias Berend, vom Dezember 2004 bis Februar 2006 führte Olav Jordan die Wehr, Frank Eßdorf bis März 2009. Im März 2009 übernahm Dirk Edlich das Amt des Wehrführers.

In den verflossenen Jahren haben die Mitglieder der Wehr Mut und Entschlossenheit bewiesen, wenn es darum ging, das Leben und das Gut ihrer Mitbürger vor Schaden zu bewahren.

Für jeden Feuerwehrmann ist es auch ein Bedürfnis und ein Muss, sich das nötige Wissen für den Dienst in der Feuerwehr anzueignen.


Unser Dorf nach dem Ausbruch des ersten Weltkrieges

Der Ausbruch des Krieges 1914 überraschte alle Einwohner. Das gesamte Leben im Ort veränderte sich plötzlich. Die jungen Männer wurden zum Militär eingezogen. Die Seefahrer, die mit ihren Schiffen oft nach entfernten Ländern unterwegs waren, wurden durch diese Nachricht geschockt. Die Zukunft aller war ungewiss. Die Fahrten von den deutschen Häfen nach den baltischen und skandinavischen Häfen waren durch den Ausbruch des Krieges eingeschränkt. Sie wurden aber weiter geführt. Die auf diesen Linien fahrenden Seeleute konnten ihre Familien ernähren.

Härter traf es die Familien, deren Angehörige auf Fahrt nach fernen Ländern waren. Eine Rückkehr zur Heimat war unmöglich. Die Schiffe wären von den Engländern und Franzosen abgefangen worden. Es gab Länder, in denen die Seeleute sich frei bewegen konnten. In vielen Ländern wurden sie jedoch interniert. In den Ländern, die zum Britischen Imperium gehörten, wurden sie als Gefangene behandelt. Sie mussten die vier Kriegsjahre hinter Stacheldraht in Lagern verbringen. Für ihre Familien konnten die betroffenen Seefahrer nicht sorgen. Betroffen waren viele Familien in Dierhagen, denn es waren viele Seefahrer im Ort. Die Versorgung mit Lebensmitteln, die in den Kriegsjahren immer kritischer wurde, war in Dierhagen stabil geblieben. Die Gärten und Ländereien gaben genug her, so dass keiner Not leiden musste.

Das erste Opfer, das der Krieg forderte, war ein junger Matrose, der seine Frau und zwei kleine Kinder hinterließ. Der Krieg forderte sechzehn junge Menschenleben, die in ihren Familien und im Ort schmerzliche Lücken hinterließen. Die lange Abwesenheit der Seefahrer war nachhaltig zu spüren. Die sofortige Rückkehr nach dem Kriegsende 1918 war oft ausgeschlossen, zur Heimfahrt der Schiffe waren eine Menge Formalitäten nötig. So waren zum Beispiel vier junge Dierhäger mit ihrem Schiff bei Kriegsbeginn in Südamerika. Sie kehrten erst 1922 zurück. Für die Dierhäger, die im Krieg ihr Leben ließen, wurde 1924 eine Gedenktafel errichtet.

Das Fehlen der jungen Einwohner durch die Kriegsverluste und das Abwandern der Jugend wegen der Nachkriegsnot und in der Hoffnung, woanders bessere Chancen im Beruf zu finden, hatten eine fatale Entwicklung zur Folge: es wurden nur wenige Familien gegründet. Dieses führte zu einer Überalterung der Bevölkerung Dierhagens. Ein Dierhäger, der seit seiner Jugend in Hamburg arbeitete, aber seinen Urlaub in Dierhagen verbrachte, sagte einmal zu mir: „Wenn ich Ende der zwanziger Jahre nach Dierhagen kam, hatte ich den Eindruck, der Ort sei vom Aussterben bedroht“. Viele Häuser wurden nur von einer Person bewohnt.

Die Inflation, die als Folge des verlorenen Krieges entstand, hatte ihren Höhepunkt 1923. Der Wert des Geldes wurde in Milliarden genannt. Das Geld, das verdient wurde, war am nächsten Tag wertlos. Durch die Erträge aus den Gärten, von den Feldern und der Viehwirtschaft gab es jedoch keine Not in Dierhagen.

Im November 1923 wurde die Inflation gestoppt. Für eine Billion Papiergeld war der Wert eine Goldmark. Langsam erholte sich die Wirtschaft, einen großen Aufschwung gab es aber nicht.

Mehrere Jahre gab es Bemühungen, Dierhagen mit Elektrizität zu versorgen. Die Bemühungen gerieten ins Stocken. Viele waren unentschlossen oder skeptisch. Die Kosten sollten so gering wie möglich gehalten werden. Aus diesem Grund mussten sich viele Hausbesitzer daran beteiligen. Die Sache zögerte sich so lange hin, bis die Inflation kam. Aktiv in dieser Sache war der Gastwirt Wilhelm Bruss. Er hatte für das Ortsnetz auf eigene Kosten Masten und Leitungsmaterial beschafft. Die Sache war ins Rollen gekommen, sie ging dann zügig voran. 1923 wurde eine Genossenschaft gegründet, der jeder Hausbesitzer, der Strom beziehen wollte, beitreten musste.

In den wirtschaftlich schlechten Zeiten fanden sich Einwohner zusammen, die zeitweise keine Arbeit hatten, um in der Ostsee die Wadenfischerei auszuüben.

1928 begann der Bau der Strandkolonie. In den darauf folgenden Jahren entstand eine Reihe massiver Häuser, in denen Ferienzimmer eingerichtet waren. Gebaut wurden die Gaststätte „Meeresrauschen“ sowie mehrere Pensionen. Nördlich des Badesteiges wurden viele Grundstücke an Bürger verkauft, die in anderen Orten wohnten. Auf diesen Grundstücken sollten Ferienhäuser gebaut werden. Die Erwerber der Grundstücke bekamen die Auflage, die Baubindung in zwei Jahren abzuschließen. Die Wirtschaftskrise, die 1929 begann, verhinderte die meisten Bauvorhaben. Die Betroffenen baten um Verlängerung der Baubindung, die gewährt wurde. Stadtrat a. D. Falkenberg trat an die Stadt Ribnitz 1927 mit dem Anliegen heran, in den Ribnitzer Stadtwiesen eine Ferienhaussiedlung zu errichten. Die Stadtvertreter erkannten die wirtschaftliche Bedeutung, die das Projekt in dieser wirtschaftlich schweren Zeit für die Region hatte. Es gab einige Kritik zu dem Projekt, die aufgegeben wurde. Das Vorhaben machte am Anfang große Fortschritte, stagnierte später. Der Betreiber der Anlage bekam Schwierigkeiten, er hatte Häuslebauern zu viel versprochen. Die Anlage bekam die Stadt zurück, sie wurde von dieser weiter vermarktet. Herr Falkenberg hat die als Ödland ausgewiesene Fläche der Kuhweide vom Wiesenweg bis zur Pappelallee gepachtet, um auch auf diesem Areal Ferienhäuser zu bauen. Entstanden ist darauf die Pension „Kohl-Eck“. Das Vorhaben, das Herr Falkenberg angefangen hatte, konnte er nur zu einem Teil verwirklichen. Auf einer Fläche, die landwirtschaftlich unbrauchbar war, entstand in kurzer Zeit eine Ferienkolonie. Für unsere Gemeinde hat sich der Zustrom der Fremden günstig ausgewirkt. Der Ort hatte einen großen Nutzen durch den Bau der Kolonie.

Von großer Bedeutung für Dierhagen war der Chausseebau von Ribnitz bis Niehagen 1927 bis 1929. Die verbesserten Verkehrsbedingungen wirkten sich sehr zum Vorteil für die neu entstandene Strand kolonie und für das Ostseebad Ribnitz aus. Diese neuen Objekte entstanden in der Zeit der Weltwirtschafts krise, in der Arbeitslosigkeit das größte Problem in Deutschland war. Für die neue Feriensiedlung wurden Hilfskräfte benötigt, die zu überwiegendem Teil aus unserer Region kamen. Dierhagen hat die Jahre der Wirtschaftskrise ohne große Rückschläge überstanden. Vor dem Beginn der Naziherrschaft waren alle entstandenen Probleme überwunden.


Die Zeit der Naziherrschaft

Die Weltwirtschaftskrise war vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 überwunden. Die Dierhäger Bürger, die während der Krise ihrer Arbeit verloren hatten, waren zu der Zeit bereits in ihre Berufe zurückgekehrt. Die Mehrheit der Einwohner glaubte, dass nunmehr eine neue Zeit angebrochen sei, welche für alle viel Gutes bringt. Keiner ahnte, dass die Nazis die ganze Welt in die größte Katastrophe stürzen würden. Es hat im Dorfe sicherlich Einwohner gegeben, die alles skeptisch gesehen haben. Dieses zu äußern hat keiner gewagt.

Die Begeisterung war sehr groß. In den Jugendorganisationen sowie in den Organisationen der SA, der Arbeitsfront, der Frauenschaft und anderen, war alles auf das nationale Gedankengut ausgerichtet. Alle Bevölkerungsschichten sollten überzeugt werden, dass die arische oder die nordische Rasse berufen sei, die übrige Welt neu zu ordnen.

Nach der Machtergreifung Hitlers wurden seine Ansprachen von den Rundfunksendern übertragen. Rundfunkgeräte waren nicht in jedem Haushalt. Wer kein Gerät besaß, versuchte die Rede bei den Nachbarn zu hören.

Ab Juni 1935 musste jeder junge Mann einen sechsmonatigen Dienst beim Reichsarbeitsdienst ableisten. Im selben Jahr wurde ein Ausbildungslager des Arbeitsdienstes an dem Weg zum Strand eingerichtet. Es erhielt den Namen „Walter Schwieger“, nach einem deutschen Marineoffizier des Ersten Weltkrieges. Dass das Lager der Vorbereitung des Krieges diente, ahnte im Ort keiner. Im Gegenteil. Die Anwesenheit der jungen Männer wurde sehr positiv gesehen, diente sie doch auch der sogenannten „Blutauffrischung“. Nicht wenige der Arbeitsdienstler heirateten während ihrer Dierhäger Zeit einheimische Mädchen.

Das Lager befand sich vier Jahre in Dierhagen. In dieser Zeit ist das gesamte Grabensystem der Feldmark erneuert worden; der Schleusengraben wurde verbreitert und vertieft. Eine massive Pumpenstation mit zwei Elektropumpen entwässerte alle Ländereien und Wiesen. Nach der Trockenlegung konnten Flächen, die vorher landwirtschaftlich keine Bedeutung hatten, in Ackerland umgewandelt werden.

Entstanden ist 1935 auch das Flugzeugwerk von Bachmann in Ribnitz. In dem Werk bekamen viele Dierhäger einen Arbeitsplatz. Viele Werksarbeiter kamen oft auch aus entfernten Gebieten, die dann in Dierhagen zur Miete wohnten. Die Einwohnerzahl vergrößerte sich.

Auf der gegenüberliegenden Seite des Boddens (Pütnitz) wurde ein Fliegerhorst eingerichtet. Hier wurden Flugschüler auf Ein- und Doppeldeckern, Wasserflugzeugen und Flugbooten ausgebildet. Die Soldaten kamen beim Ausgang in ihrer Freizeit mit Kuttern und Booten nach Dierhagen. Oft marschierten sie geschlossen zum Strand zum Baden.

Dierhagen wurde als Ferienort immer beliebter. Im Ort waren alle Einwohner bemüht, Ferienzimmer einzurichten. Oft wurden die Unterkünfte über die Organisation KDF (Kraft durch Freude) gebucht. In der Strandkolonie entstanden zu der Zeit mehrere Pensionen. In den Sommermonaten waren alle Quartiere belegt. Zwischen Ribnitz und Dierhagen verkehrten zwei Motorboote, die viele Ausflügler nach Dierhagen brachten. Dierhagen wurde in den 1930er Jahren ein schönes und lebendiges Dorf.

Kaum merklich zog der Krieg auf. Die Einberufung zu „Manövern“, so wurde es begründet, wurde noch nicht mit Sorge aufgenommen. In Dierhagen vermutete keiner, dass diese Maßnahmen Vorbereitungen für den Überfall auf Polen waren. Bevor Deutschland nach dem Einmarsch in das Sudetenland im März 1939 das Reichsprotektorat Böhmen und Mähren bildete, wurden aus den Grenzgebieten Einwohner evakuiert, die in ihre Heimat zurückkehrten. Evakuiert waren vor Beginn des Krieges mit Frankreich auch Bewohner dieser Grenzgebiete, wovon eine Anzahl Familien auch zeitweise in Dierhagen wohnten.

Im Frühjahr 1939 wurde das nächtliche Verdunkeln geübt. In dieser Zeit durfte von draußen kein Licht in den Häusern zu sehen sein. Die Fensterläden mussten dicht sein und die Vorhänge fest an der Wand anliegen. Die Fenster konnten auch zugeklebt werden, es durfte eben nur kein Licht nach draußen dringen. In Althagen war eine Küstenbatterie stationiert, die oft Übungsschießen hatte. Ein Schlepper zog ein Korkschiff (= Ziel), das beschossen wurde. Jeder Schuss wurde von einem lauten Knall begleitet. Vom Fliegerhorst in Pütnitz starteten Flugzeuge, die einen Luftsack zogen, auf den von anderen Flugzeugen geschossen wurde. Diese Geschehnisse wurden von den Einwohnern wahrgenommen, von vielen wurden sie als notwendige Maßnahme angesehen.

Im frühen Sommer 1939 wurden aus Dierhagen 15 Männer im wehrfähigen Alter, die nicht wehrpflichtig waren, zu einer zweimonatigen Ausbildung eingezogen. Der gewohnte Ablauf der Ereignisse war gestört, auch das immer im Juli stattfindende Schützenfest musste ausfallen.

Der Ausbruch des Krieges veränderte das gewohnte Leben im Dorf auf vielen Gebieten.

Gleich zu Kriegsbeginn wurden Teile der männlichen Dierhäger Bevölkerung zum Wachdienst verpflichtet. Dienststelle war eine kleine Station im Dünengelände am Strand. Aufgrund der Zeiten „12 Stunden Dienst und 12 Stunden Freizeit“ war es möglich, alle Betriebe weiterzuführen, d.h. Bauernhöfe, Handwerker, Gastwirte, Fischer und Schneider. Später dann sind alle zum Fronteinsatz abkommandiert worden.

Aus dem Ort wurde außerdem eine Anzahl älterer männlicher Bürger zum Zolldienst einberufen. Ihre Dienststelle hatten sie in der oberen Etage des Zollhauses in Dierhagen Strand (jetzt Peter-Jahnke-Straße). Ihre Aufgabe bestand darin, an der Ostsee die Grenze auf Kontrollgängen zu überwachen.

Aufgrund der fehlenden männlichen Arbeitskräfte mussten junge Männer aus Polen und der Ukraine die Arbeit in der Landwirtschaft erledigen. Aus diesen Ländern waren auch junge Frauen im Ort, die in der Landwirtschaft und den Gaststätten arbeiten mussten. Unterkunft hatten sie auf den jeweiligen Höfen, ihre Mahlzeiten mussten sie separat einnehmen. Es war streng verboten, das Essen gemeinsam einzunehmen.

Die Luftangriffe auf Rostock, die im April 1942 begannen und große Teile der Stadt zerstörten, wurden mit Entsetzen im Ort aufgenommen. Mehrere Familien, die alles verloren hatten, bekamen in Dierhagen eine Unterkunft. Die Luftangriffe der Bomberverbände auf die Großstädte in Deutschland häuften sich. Das Fischland gehörte mit zur Einflugschneise, wenn die Reichshauptstadt angegriffen wurde. Der Rückflug erfolgte über die gleiche Route. Die Angriffe fanden am Anfang in den Nachtstunden statt, später am Tag. Es waren Verbände von hunderten Bombenflugzeugen, die die Dierhäger beobachten konnten. In den letzten Kriegswochen kamen vor der herannahenden Front viele Flüchtlinge in unser Dorf.

Weiterhin wurden in den letzten Monaten des Krieges alle nicht wehrfähigen Männer im Volkssturm erfasst, darunter alle Versehrten. Zum Einsatz ist der Volkssturm nicht gekommen. Von direkten Kampfhandlungen ist Dierhagen verschont geblieben.

Der Machtapparat der Nazis geriet am Schluss stark ins Wanken. Am 1. Mai endete in Dierhagen durch den Einmarsch der Roten Armee die braune Herrschaft, die in vielen Dierhäger Familien großes Leid hinterlassen hat. Ungefähr 35 junge Männer aus Dierhagen verloren im zweiten Weltkrieg ihr Leben.


Der Kindergarten

Eine organisierte Betreuung der Kinder im Vorschulalter gab es vor 1945 in Dierhagen nicht. Für die Betreuung der Kinder waren die Ehefrauen zuständig. Die Ehemänner gingen zur Arbeit, sie verdienten den Unterhalt für die Familien. Oft wohnten mehrere Generationen in Großfamilien in einem Haus. Die Großeltern konnten auf die Enkelkinder aufpassen und sie versorgen. Die Mutter bekam dadurch die Gelegenheit, in der Landwirtschaft oder in den Saisonbetrieben zu arbeiten, andere Arbeitsmöglichkeiten gab es im Ort nicht. Die politischen und wirtschaftlichen Veränderungen, die es nach 1945 gab, machten deutlich, dass zum Aufbau der durch den Krieg zerstörten Heimat viele Arbeitskräfte gebraucht wurden. Durch die Wirren der Kriegs- und Nachkriegszeit gab es viele alleinstehende Frauen, die für den Unterhalt ihrer Familien sorgen mussten.

Die Leitung der Gemeinde traf Vorkehrungen, im Ort einen Kindergarten zu eröffnen. Die größte Schwierigkeit bestand darin, im Ort geeignete Räume zu finden. Ungenutzte Räume gab es im Ort nicht, da viele Flüchtlinge untergebracht werden mussten. In einem kleinen Raum in der damaligen Büdnerei Kirchstraße 67 wurde 1948 der erste Kindergarten des Ortes für ca. 40 Kinder eingerichtet. Am Anfang gab es viele Schwierigkeiten, sanitäre Einrichtungen fehlten, auf die Schnelle konnten diese nicht beschafft werden. Feuerung war auch nicht vorhanden. Die ersten Erzieherinnen Uschi Lenz, Anni Bergholz, Erika Schikowsky und Leni Fretwurst hatten keine Ausbildung. Sie gaben sich aber große Mühe bei der Betreuung der Kinder. Die Einrichtung wurde von vielen Einwohnern unterstützt. Die Kuhhalter spendeten täglich einen Viertelliter Milch, die von einer Mitarbeiterin geholt wurde. Zum Heizen wurde Holz geworben und Torf beschafft. Schwierigkeiten gab es bei der Finanzierung der Einrichtung. Der Anfang war schwer. Durch die Hilfe, die von vielen Seiten kam, wurde alles gemeistert.

Die Zahl der Kinder, die in der Einrichtung betreut wurden, vergrößerte sich. Die Räumlichkeiten in der Kirchstraße reichten nicht mehr aus. 1949 konnte die Gemeinde in der Seestraße 10 eine Büdnerei erwerben.

In dem Haus konnten mehrere Räume genutzt werden, es gab auch einen Schlafraum, in dem die Kinder Mittagschlaf machen konnten, aus dem Garten wurde ein Spielplatz. Frau Mörwitz, Karin Hundshagen und Frau Dencker waren die ersten Kindergärtnerinnen im neuen Kindergarten. Später waren Frau Schumacher und Frau Winter hier tätig. Frau Boller bereitete das Essen zu. Die Betreuung der Krippenkinder wurde separat durchgeführt.

Die Anzahl der zu betreuenden Kinder vergrößerte sich weiter, die beiden Einrichtungen mussten erneut erweitert werden. Aus einem nicht mehr benötigten Stall im Kronswinkel wurden in Gemeinschaftsarbeit Räumlichkeiten für die Kinderkrippe geschaffen. Hier waren seit 1959 Rosemarie Wodäge, Frau Grallap und Frau Lubs tätig. Zu dem Objekt gehörte auch eine Küche. Die Kleinkinder konnten durch Frau Fretwurst gut versorgt werden.

1966 wurde neben dem Kindergarten in der Seestraße 10 ein neues Gebäude gebaut. Das neue Haus war groß und geräumig, darin wurde der Kindergarten eingerichtet. Als Kindergärtnerinnen waren in dieser Einrichtung tätig: Rosemarie Wodäge (seit 1971 auch als Leiterin), Monika Dataschwilli, Waltraut Rojek, Christine Koslowski, Gudrun Krolikowski, Karin Kind. Aus dem vorherigen Kindergarten wurde die Kinderkrippe. Hier wirkten lange Jahre Hanelore Matz, Elfi Beha und Inge Kulat. In den beiden Einrichtungen konnten alle Kinder des Ortes betreut werden. Versorgt wurden die Kinder in der Gemeinschaftsküche der beiden Einrichtungen durch Emmi Elvers. Auch die Kinder der Schule bekamen von hier ihr Mittagessen. Aus der Eigenständigkeit der beiden Einrichtungen wurde die Kombination Kindergarten-Kinderkrippe, sie hatte eine Kapazität für über 100 Kinder. Als Kindergärtnerinnen kamen Beate Schmidt, Sylvia Gaube, Gabriele Schubert, Renate Vorbröcker, Britta Scherping, Christiane Alex (seit 1986 auch als Leiterin), Hanna Kopplow und Regina Urban hinzu. Ab 1987 kochte Erika Sain für die Kinder.

In den neunziger Jahren wurde das Haus, in dem die Kinderkrippe untergebracht war, verkauft. Die Krippenkinder bekamen einen Raum im Gebäude des Kindergartens. Die Einrichtung wurde zur Kindertagesstätte. Die Anzahl der Kinder hatte sich 1991 auf 42 Kinder verkleinert, die Räumlichkeiten reichten für die Kinder aus. Ab 1993 wurden auch die Hortkinder von der Kindertagesstätte betreut, somit wuchs die Zahl der betreuten Kinder auf 80. Die Kindergärtnerinnen bildeten sich zu staatlich anerkannten Erzieherinnen weiter.

2006 wurde auf der gegenüberliegenden Seite der Seestraße ein zweiter Spielplatz mit vielen Spielgeräten und einer Gartenlaube seiner Bestimmung übergeben. Die Einrichtung bekam den Namen „Dierhäger Krabben“.

Die Anzahl der Kinder, die betreut wurden, vergrößerte sich ab 2005 wieder. In den Sommermonaten 2009 wurde deshalb an dem Gebäude des Kindergartens ein Flügel angebaut, in dem ein weiterer Aufenthaltsraum eingerichtet wurde. Bei den Baumaßnahmen wurde das gesamte Dach erneuert und die Wände mit Isoliermatten beklebt. Das Gebäude ist nun gut gedämmt, so dass viel Energie eingespart wird. Die Leiterin der Kindertagesstätte ist seit 2009 Regina Urban, als Erzieherinnen sind Anke Mandel und Birgit Thiede sowie Herr Förster hinzu gekommen.

Als einzige Kindertagesstätte der weiteren Umgebung wird in Dierhagen das Mittagessen noch selbst zubereitet. Die Köchin Kerstin Erzmoneit ist seit vielen Jahren für die gute Versorgung der Kinder von Kindertagesstätte und Grundschule verantwortlich. 2011 wurde die Küche modernisier. 80 Kinder werden in der Kindertagesstätte „Dierhäger Krabben“ und im Hort betreut.


Dierhäger Dorfschulzen und Bürgermeister

So weit deren Amtszeiten zurückverfolgt werden konnten:

• Hans Gardener (genannt 1620)

• Andreas Jahnke (genannt 1704)

• P. Schäning (1859 – 1878)

• Heinrich Voß (1878 – 1918)

• Bernhard Alm (1918 – 1924)

• Adolf Gratopp (1924 – 1932)

• Wilhelm Andreis (1932 –1937)

• Wilhelm Lubs (1937 – 1940)

• Hermann Lorenz (1940 –01.05.1945 )

• Hans Boosmann (27.05.1945 – 11.06.1945)

• Hermann Lorenz (11.06.1945 – 08/1945)

• Johannes Hansch (08/1945 – 10/1945)

• Adolf Gratopp (10/1945 – 27.01.1949)

• Hermann Lorenz (27.01.1949 – 01/1951)

• Ernst Cron (01/1951 – 05.05.1954)

• Hermann Lorenz (05.05.1954 – 1961)

• Sigfried Grallap (1961 – 1966)

• Günter Köpper (1966 – 1969)

• Friedrich Jungnickel (1969 – 1970)

• Siegfried Kannewurf (1970 – 1976)

• Helmut Vierkant (1976 – 1980)

• Ulli Lehmann (1980 – 1983)

• Frank Wendel (1983 – 1987)

• Krimhild Niemeier (1987 – 1988)

• Andreas Völschow (1988 – 1990)

• Otto Palatinus (1990 – 1994)

• Otto Becker (1994 – 1999)

• Siegfried Kannewurf (seit 1999)


Quellen:

Landesarchiv Schwerin

Kreisarchiv Ribnitz-Damgarten

Baumgarten und Benzin „Hof und Wirtschaft der Ribnitzer Bauern“

Kühle „Geschichte der Stadt und des Klosters Ribnitz“

Miethe „Auf großer Fahrt“ und „Das Fischland“

Rahden „Die Schiffe der Rostocker Handelsflotte von 1850 bis 1917“

Rabbel „Rostocker Windjammer“

Dolberg „Eine Küstenwanderung von der Warnow bis Wustrow“