Karl Boldt "Zur Ortsgeschichte 700 Jahre Dierhagen" aus der Festschrift "1311 - 2011 OSTSEEBAD DIERHAGEN" 2011: Unterschied zwischen den Versionen

Aus Ortschroniken
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Zeile 53: Zeile 53:
 
Nachdem die Spuren des Brandes beseitigt waren, begann der Wiederaufbau des Dorfes. Amtshauptmann Koppe aus Ribnitz leitete den Wiederaufbau.
 
Nachdem die Spuren des Brandes beseitigt waren, begann der Wiederaufbau des Dorfes. Amtshauptmann Koppe aus Ribnitz leitete den Wiederaufbau.
 
Das Dorfbild wurde total verändert. Vorher waren alle Häuser wirr durcheinander gebaut. Es entstand ein Straßennetz mit geraden Straßen. Die verschonten Häuser wurden im neuen Straßenbild eingebunden. In den neuen Straßen wurden die Fußsteige durch Baumreihen von den Fahrbahnen abgegrenzt. Die neuen Wohnhäuser wurden massiv gebaut. Die Bauernhäuser wurden an der südlichen Seite des Dorfes im Still eines niedersächsischen Hallenhauses in einer Reihe errichtet. Das waren Fachwerkhäuser mit Rohrdach. Aus dem Unglück, das der Brand verursachte, war in wenigen Jahren ein schöneres Dorf entstanden. Die Not, die die Einwohner erlitten , hatte durch den Neuaufbau etwas positives für den Ort gebracht.
 
Das Dorfbild wurde total verändert. Vorher waren alle Häuser wirr durcheinander gebaut. Es entstand ein Straßennetz mit geraden Straßen. Die verschonten Häuser wurden im neuen Straßenbild eingebunden. In den neuen Straßen wurden die Fußsteige durch Baumreihen von den Fahrbahnen abgegrenzt. Die neuen Wohnhäuser wurden massiv gebaut. Die Bauernhäuser wurden an der südlichen Seite des Dorfes im Still eines niedersächsischen Hallenhauses in einer Reihe errichtet. Das waren Fachwerkhäuser mit Rohrdach. Aus dem Unglück, das der Brand verursachte, war in wenigen Jahren ein schöneres Dorf entstanden. Die Not, die die Einwohner erlitten , hatte durch den Neuaufbau etwas positives für den Ort gebracht.
 +
 +
 +
 +
=== Die Erwerbszweige der Dierhäger ===
 +
 +
==== Die Landwirtschaft ====
 +
 +
Für die Siedler im 13./14. Jahrhundert mag es nicht einfach gewesen sein, in einem bisher unerschlossenen Gebiet, neu anzufangen. Es wurden Flächen gerodet, Unterkünfte geschaffen, Felder angelegt. Die Erträge der einfachen Böden reichten aber kaum zur Eigenversorgung. Schwierig war es auch, Vorräte für den Winter anzulegen. Getreide war das wichtigste Nahrungsmittel – Roggen zum Brot backen, aus Hafer wurde Brei gekocht und aus Gerste Grütze für die Tiere. Reichten die Ernteerträge nicht aus, wurde das Vieh im Winter in den Wald getrieben und musste dort sein Futter suchen.
 +
 +
Die Inventarien des Klosters Ribnitz geben Auskunft über die Größe des Ortes Dierhagen und über die Anzahl des gehaltenen Vieh's, die Größe der Gebäude, die Menge des benötigten Saatgutes und die Anzahl der Fuder Heu, die eingefahren wurden. Genannt werden auch der Kohlhoff (Garten) sowie die Umzäunung der Hofstellen, mit einem Hakel oder Aderzaun.
 +
Laut Inventarium von 1620 wohnen in Groß Dierhagen 22 Familien. Die wirtschaftlichen Verhältnisse eines der Gehöfte wird dabei wie folgt näher beschrieben. „Hans Gardener, der Schulze, gibt 12 ß 6 Pfg Pacht. Das Haus ist in 6 Gebinden. Vorn bei der Tür und Heck auf beiden Seiten, auch in beiden Seiten Ställe. In der Lucht 2 Glasfenster. Bei der kleinen Türe in der Abseite eine Stube mit 8 Tafel Glasfenster, mit Lehmwänden und Wickelboden. Dabei ein Backofen, eine Kammer von 3 Gebinden, ein Stall  umher mit Lehmwänden unter einem ziemlichen Dach. Das Holz und Ständerwerk am Haus, Wände und Dach sind gut. Bei dem Haus ein Stall mit 3 Türen; umher geklemet und die Ställe mit Lehmwänden unterscheiden; unter einem guten Strohdach. Ein Torf und Heuschober; beide auf Stützen; umher gezäunet. Unter ziemlichen Dach. Hinten und vorne ein Hakelwerk. Ein Kohlhoff umzäunet. Ein Sod. An Viehe: 6 Pferde, 14 Häupter Rindvieh, darunter 6 Milchkühe, 4 Schafe, 5 Faselschweine, 4 in der Mast, 5 Gänse, 10 Hühner. Kann 10 Scheffel aufs höchste säen. Kann 4 Fuder Heu werben.“
 +
 +
Bezogen auf den hohen Pferdebestand ist zu erklären, dass die Tiere nicht so leistungsfähig waren wie heute.
 +
Das Gestüt von Klein Dierhagen wird 1620 nicht mehr genannt, es ist zu einem Hof , der von einem Pächter bewirtschaftet wurde umstrukturiert worden. Der Pächter bekam Schwierigkeiten, den Hof musste er aufgeben.
 +
Die Bauern aus Dierhagen pachteten die Felder und Wiesen, bis zur Regulierung der Feldmark im 19. Jahrhundert. Die Gebäude, sie wurden nicht mehr gebraucht, sie sind abgerissen worden.
 +
Über den Hof sind wirtschaftliche Verhältnisse bekannt. Die Anzahl der Rinder
 +
betrug 120, es wurden ca. 50 Fuder Heu eingefahren, soviel wie im Dorf.
 +
Das ausgesäte Getreide übertrifft in seiner Menge, dass von den Dierhägern ausgesäte erheblich, (etwa 340 zu 140 ) Scheffel.
 +
Aus den Daten ist zu sehen, dass die Dierhäger durch die Pachtung ihr Areal verdoppeln konnten.
 +
Gering war der Ertrag einer Kuh, im Jahr brachte sie 18 kg Butter.
 +
Schweine konnte nur wenige gehalten werden, dass Futter für die Schweine waren Eicheln und Getreide, es war nicht reichlich vorhanden. Die Kartoffeln wurden in Dierhagen erst am Ende des 18. Jahrhunderts angebaut.
 +
Es wurden mehrere Schafe gehalten , aus der Wolle wurde Kleidung angefertigt.
 +
Der Lebensstandard der Bevölkerung erhöhte sich, die Einwohner vermehrten sich. Nach dem regulieren der Feldmark, durch der auch der Binnendeich entstand, wurden auf der Feldmark Gräben gezogen. Der Hauptgraben war durch ein hölzernes Sperrwerk zum Bodden verschlossen. Ein Windrad konnte Wasser aus dem Graben in den Bodden pumpen.
 +
Ein Teil des Ackers wurde nicht bestellt, es blieb als Brachland, das jährlich ausgewechselt wurde, liegen. Diese Wirtschaftsart blieb bis ins 20. Jahrhundert
 +
erhalten. Beackert wurden die Felder mit dem mecklenburgischen Hakenpflug.
 +
Ein Gerät, mit einem glatten Streichbrett, dass beim pflügen schräg gehalten wurde. Mit dem Hakenpflug konnten die leichten Böden gut bearbeitet werden.
 +
Am Anfang des 19. Jahrhunderts begannen die Landwirte ihre Felder mit dem Sturzpflug zu pflügen. Mit der Brachwirtschaft wurde aufgehört.
 +
 +
Verbessertes Saatgut und Kunstdünger brachten bessere Ernten. Das Getreide wurde Jahrhundertelang mit dem Dreschflegel gedroschen. Der Dreschflegel besteht aus einem starken Stiel an dessen Ende ein Klöppel beweglich befestigt ist. Zum Dreschen wurden die Garben auf den Boden der Scheune gelegt und dann mit dem Dreschflegel bearbeitet, bis alles Korn aus den Ähren „rausgeschlagen“ war. Die ab 1880 aufkommenden Dreschmaschinen und Häckselmaschinen waren die ersten technischen Geräte, die in der Landwirtschaft eingesetzt wurden.
 +
Angetrieben wurden die Geräte mit einem Göpel. Ein Göpel ist eine mechanische Vorrichtung zur Erzeugung einer Antriebskraft. Dabei gehen die Antreiber des Göpels, oft Pferde, im Kreis und drehen eine senkrecht stehende Welle. Riemen oder Wellen übertragen die Kraft auf die jeweiligen Arbeitsmaschinen. Ein aufwendiges Vorhaben, was allerdings eine erhebliche Arbeitserleichterung mit sich brachte. Der Göbel wurde nach 1923 von dem Elektromotor abgelöst.
 +
 +
Angeschafft wurden Schrotmühlen, Grasmäher, Drillmaschinen, Mähbinder und Gummiwagen.
 +
 +
Nach Fertigstellung der Chaussee nach Wustrow 19xx fuhren die Bauern die Milch zur Molkerei nach Wustrow. Die Milchablieferung diente als wichtige stetige Einnahmequelle.
 +
 +
Die bäuerliche Einzelwirtschaft existierte bis 1961. Den politischen Verhältnisse folgend, schlossen sich die Bauern zu Genossenschaften zusammen.
 +
 +
 +
 +
Das Vieh der Bauern wurde auf eine gemeinsame Weide getrieben, es wurde von einem Hirten gehütet.
 +
Die Gemeinschaftsweide der Bauern war nördlich des Badesteiges. Die Weide wurde später aufgeteilt. Jeder hielt sein Vieh separat in Koppeln. Die Kuhweide der Büdner war südlich des Badesteiges, sie reichte von den Dünen bis zum Acker des kleinen Haufs, das Moor wurde ebenfalls beweidet.
 +
Zu einer Büdnerei gehörten ein größerer Garten, ein Morgen Ackerland und zwei Wiesen. Die Erträge reichten aus, zur Ernährung einer Familie, zur Haltung einer Kuh und zwei Schweinen.
 +
Jeder Büdner hatte einen Bauern, der dass Land bearbeitete und alle Fuhrdienste ( Heu fahren, Holz fahren ), erledigte. Als Gegenleistung half der Büdner bei den Bestellung- und Erntearbeiten.
 +
Die Büdnerwirtschaft hat in der modernen Zeit gänzlich aufgehört. Die Äcker und Wiesen wurden den Bauern verpachtet.

Version vom 23. Oktober 2022, 06:21 Uhr

Vorbemerkung:

Die nachfolgende Chronik wurde von Mitgliedern der Arbeitsgruppe Dörpgeschicht der Gemeinde Ostseebad Dierhagen hier in das Portal eingestellt.

Es handelt sich dabei um das Original von Karl Boldt, Ehrenbürger der Gemeinde Ostseebad Dierhagen.

Für den Abdruck in der Festschrift wurde diese 2011 geringfügig redaktionell bearbeitet.



700 JAHRE DIERHAGEN

Die Entstehung Norddeutschlands

Vor ca.10 000 Jahren formte die letzte Eiszeit Norddeutschland. Das Küstengebiet, auf dessen Areal Dierhagen liegt, ist ein Geschenk der Natur. Die starken westlichen Winde haben den Verlauf der Küste laufend verändert. In jüngster Zeit konnten durch Menschenhand die Veränderungen aufgehalten werden. Das Binnengewässer, der Bodden, gehörte zum Recknitzdelta. Die heutige Halbinsel „Fischland-Darß-Zingst“ war durch mehrere Mündungsarme der Recknitz in drei Inseln geteilt. Die Mündungen sind durch Menschenhand, aber auch die Natur zerstört worden, so dass die Halbbinsel „Fischland-Darß-Zingst“ in ihrer heutigen Form entstand. Durch Überflutungen, die in einigen Phasen einsetzten, füllte sich die Fläche des heutigen Boddens sich mit Wasser, so dass auch die hier bereits entstanden Siedlungen aufgegeben werden mussten. Es gibt auch Zeugen der frühen Besiedlung. Auf der Dierhäger Feldmark sind Geräte und Werkzeuge aus der mittleren Steinzeit gefunden worden, hergestellt aus dem hier häufig vorkommenden Feuerstein, der auch Flintenstein genannt wird. Der Feuerstein ist ein sehr hartes Material, das gut spaltbar ist. Die Spaltstücke weisen scharfe Kanten und Schneiden auf. Von dieser Dierhäger Feldmark hatte die Dierhägerin Ida Alm in den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts eine große Anzahl steinzeitlicher Werkzeuge zusammengetragen. Die Sammlung ist leider am Ende des Krieges teilweise zerstört worden. Der Rest des Fundus wurde von der Enkelin der Sammlerin einem Rostocker Museum übergeben. 1961 wurde nördlich des Dierhäger Hafens, ca. 70 Meter vom Ufer entfernt, Boden für den Deichbau ausgebaggert. Mit dem Baggergut kamen schwarze Feuersteine an Land, darunter mittelsteinzeitliche Geräte, wie Kern- und Scheibenbeile, Klingen, Schaber, Pfeilspitzen und zahlreiche Abschläge. Daraus ist zu schlussfolgern, dass das Ufer muss vor 5000 bis 7000 Jahren Festland gewesen sein. Die meisten Fundstücke vereinnahmte das damalige Heimatmuseum Ribnitz-Damgarten. Die Fundstücke weisen auf eine Siedlung mittelsteinzeitlicher Menschen hin. Funde aus der Bronzezeit, der darauf folgenden Eiszeit, sind in Dierhagen nicht gemacht worden. Auch sind Urnenfelder in der Gegend von Dierhagen nicht gefunden worden, wobei diese auch im Zuge des Küstenabtrags von der Ostsee „verschlungen“ worden sein. Unter dem Begriff Völkerwanderungen verstehen wir Bewegungen, in der Menschen genötigt waren, aus verschiedenen Gründen sich nach anderen Gefilden umzusehen. Geschichtliche Funde sind in der Umgebung von Dierhagen nicht gemacht worden. Germanische Stämme siedelten zwischen Oder und Elbe. Die wanderten in andere Gebiete aus.

Im 16. Jahrhundert konnten die Gebiete von den Slaven, sie wurden auch Wenden genannt, besiedelt werden. Sie ernährten sich vorwiegend von der Jagd und vom Fischfang. Die großen Wälder und die vielen Seen boten gute Gelegenheit dazu. Der Ackerbau wurde nur im geringen Maße betrieben, ihre primitiven Geräte eigneten sich am besten für die Bewirtschaftung einfacher Böden. Im östlichen Teil unserer engen Heimat saßen die Wilzen, die sich in mehrere Stämme gliederten. Der nördlichste waren die Kessiner (Fischhüttenbewohner). Die östliche Grenze war die Recknitz. Die slawischen Einzelstämme wurden zu einem Gesamtverband zusammengeführt, nur so war es möglich einen Staat unter einer monarchistischen Führung zu bilden. Einer der herausragenden Fürsten war Niklot, der 1160 gegen „Heinrich den Löwen“, dem Herzog von Sachsen und Bayern, fiel. Die Regentschaft von Mecklenburg übernahm Heinrich der Löwe. Die Bevölkerung ist in den vorangegangenen Kämpfen stark dezimiert worden. In das dünn besiedelte Gebiet wurden von Heinrich deutsche Bauern gerufen. Durch kriegerische Ereignisse wurde die Besiedlung unterbrochen. Ab Mai 1201 war Fürst Heinrich Borwin I. Alleinherrscher in Mecklenburg. Der traurige Zustand des Landes machte eine Neukultivierung und den Zuzug deutscher Kolonisten erforderlich. Sie besiedelten auch das Ribnitzer Gebiet. Ribnitz war eine slawische Siedlung. (ryba, riba= Fisch). Die Siedler die in den Nordosten Mecklenburgs kamen, stammten aus den übervölkerten Gebieten in Westfalen, Friesland, Niederreihn und den Niederlanden. Die noch heute in Dierhagen vorkommenden Familiennamen Fehling und Westphal, weisen auf ihre Herkunft aus Westfalen hin. In den Überlieferungen wurde immer behauptet, dass es Fretwurst waren, die den Ort Dierhagen gründeten.

Der Name weist auf einen umfangreichen Waldbestand hin. Der mußte gerodet werden, damit für eine Siedlung Platz war.


Die Ersterwähnung von Dierhagen und die Zugehörigkeit zum Kloster

Dierhagen wird als Deerhagen am 16. August 1311 in einer Urkunde genannt. Darin bestätigt der Dänenkönig, der im Besitz der Herrschaft Rostock war und deren Grenze bis an die Recknitz reichte, der Stadt Ribnitz, dass ihre Waldungen bis zur Grenze von Deerhagen reichen. Bei Historikern gilt der Tag der Ersterwähnung eines Ortes, als deren Gründungstag. Fürst Heinrich II. von Mecklenburg erhielt 1323 die Herrschaft Rostock zu erblichen Leben. Im selben Jahr stiftete er in Ribnitz ein Nonnenkloster. Die Gemahlin Heinrichs schenkte dem Kloster 1327 das Dorf Dierhagen und den Hof Klein Dierhagen mit dem Gestüt. Die Dierhäger waren damit dem Kloster verpflichtet, sie mussten dem Kloster Abgaben leisten. Von 1324 bis 1327 waren beide Orte an Herrn von Molkte verpfändet. In einer Erklärung vom 20. Juni 1549 bekräftigt der Landesherr den Übertritt zum evangelisch-lutherischen Glauben. Hierbei wurde das bei der Säkularisation bestehende Klostergut eingezogen und unter herzoglicher Verwaltung gestellt. Die Stände, das heißt der Adel und die großen Städte, erhoben auch Anspruch auf den frei werdenden Besitz, mit der Begründung, dass auch sie hätten zur Stärkung der Kirche erheblich beigetragen. Allein der klösterliche Besitz in Ribnitz wurde vorerst nicht übergeben, da die Äbtissin sich hartnäckig weigerte, den katholischen Glauben aufzugeben. Sie starb 1586. Die Verhandlungen schleppten sich bis 1599 hin, bis dann am 6. Dezember die Übergabe des Klosters Ribnitz an die Stände erfolgte. Der Besitz des Klosters ist in Inventaren von 1595 und 1620 festgehalten. 1595 wird das Gestüt in Klein Dierhagen noch erwähnt. Es wurden 52 Stuten und zwei Hengste gehalten. 1620 wird das Gestüt nicht mehr genannt. Es ist Ende des 16. Jahrhunderts eingegangen. Genannt wird dafür der Hof Klein Dierhagen, auf dem ein Pächter Ackerbau und Viehzucht betreibt. In Groß Dierhagen werden 22 Anwesen aufgeführt, die von Großfamilien bewohnt werden. Diese Großfamilien ernährten sich von der Viehzucht, dem Ackerbau und dem Fischfang. In den genannten Inventaren werden die Anzahl des gehaltenen Vieh, die Größe der Gebäude und die Einfriedung der Hofstellen aufgeführt. Genannt werden auch die Gärten, die mit Kohlhoff bezeichnet werden. Erwähnt wird, dass am Ende des Dorfes die Kapelle steht. Wenige Jahre nach der Überlassung an die Stände begannen die Bemühungen der Landesfürsten, den Besitz des Klosters Ribnitz zurück zu gewinnen. Eine Einigung über den Rückkauf konnte erst im Jahre 1669 erzielt werden. Die Landesherren kauften Groß- und Klein-Dierhagen zurück. Dierhagen war nun herzogliches Amtsdorf. Herzoglicher Verwalter war der Amtshauptmann in Ribnitz. Dem unterstand der Dorfschulze, der für die Verwaltung des Dorfes verantwortlich war. Der Pächter vom Hof Klein Dierhagen bekam Schwierigkeiten, er musste den Hof 1675 aufgeben. Im gleichen Jahr pachteten die Dierhäger Hauswirte ( so wurden die Bauern genannt), gemeinsam den Hof für drei Jahre. Der Vertrag ist immer wieder verlängert worden bis zur Regulierung der Feldmark am Anfang des 19. Jahrhunderts. In einem Beichtkinderverzeichnis Dierhagens aus dem Jahre 1704 vom Kirchspiel Ribnitz werden 92 erwachsene Bürger genannt, die in Großfamilien auf 22 Gehöften lebten. Dierhagen hatte ich bis dahin nicht verändert.


Die Entwicklung des Dorfes im 18. und 19. Jahrhundert

Begünstigt durch einen herzoglicher Erlass, der die Einrichtung kleinbäuerlicher Betriebe, der Büdnereien, gestattete, erlebte Dierhagen im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts einen erheblichen Zuwachs an Gebäuden und Bevölkerung. So ist überliefert, dass sich der Schiffer Christow Fehling 1785 ein massives Haus mit einem „duwellten Tungendach“ (Biberschwänze) baute. Am Ende des 18. Jahrhunderts gab es in Dierhagen 18 Bauernhäuser und 34 Büdnerhäuser. Das Schulhaus war schon vorhanden und die Kapelle. Die Gebäude waren als Fachwerkhäuser aus Balken, Lehmwänden und Rohrdächern gebaut. Nach dem Jahr 1800 wurde mit dem Bau des Binnendeiches begonnen. Das Dorf und die Feldmark mussten vor den Überflutungen, die das Hochwasser des Boddens in Abständen verursachte, geschützt werden. Diese Maßnahme war nötig, weil die Dierhäger Feldmark reguliert werden sollte. Darunter ist zu verstehen, dass zu jedem Bauern- und Büdnergrundstück die gleiche Fläche zugeordnet wurde. Die Abgaben an das Herzogliche Amt konnten nun gleichmäßig erfolgen. Es gab 13 Bauernstellen, die alle bewirtschaftet wurden und 102 Büdnereien, von denen bis 1859 83 gebaut waren. Die restlichen Grundstücke sind später bebaut worden. Zu einer Büdnerei gehörte ein Garten, ein Acker, 2 Wiesen und Weideberechtigkeit für eine Kuh auf einer Gemeinschaftsweide. Eine Büdnerei bildete für eine Familie die Ernährungsgrundlage. Der Schulze im Ort (Bürgermeister) konnte als Vergütung für seine Tätigkeit ein Stück Acker, den Schulzenacker, und eine Wiese, die Schulzenwiese, der Lehrer den Schulacker und die Schulwiese und der Küster den Küstenacker nutzen. Die Hebamme konnte eine Wiese nutzen. Ein vorhandenes Lehmvorkommen war für alle zugänglich, die den Lehm als Baustoff gebrauchten. Das Großherzogliche Amt Mecklenburg war seit 1815 Großherzogtum, wollte mit den Besitzern der Hufen und Büdnereien Erbschaftsverträge abschließen, es sollte ein Kanon bezahlt werden. Die Vereinbarungen wären geregelt gewesen. Die Vereinbarung war, dass jeder seinen Besitz verkaufen konnte, die Landesherrschaft blieb Eigentümer der Grundstücke. Der landesherrschaftliche Besitz wurde 1918 Eigentum des Staates. Gegen eine finanzielle Leistung der Besitzer wurde die Erbpachtvereinbarung aufgehoben. Am 10. August 1859 brach kurz nach Mittag auf einem Gehöft ein Feuer aus. Kinder hatten mit Feuer gespielt. Das Feuer griff schnell um sich. Es vernichtete in zwei Stunden 10 Bauerngehöfte und 42 Büdnereien. Der größte Teil, der sehr guten Ernte, wurde fast vollständig vernichtet. In einem Brief, den der Lehrer des Ortes an den Großherzog sandte, wurde der Hergang des Brandes genau geschildert. Der Großherzog war herbeigeeilt, mit besorgter Miene sagte er zum Dorfschulzen: „Hier kriegen wie kein Dörp wedder hen“, worauf der zuversichtliche Schulze antwortete: „ja wie kriegen hier ein wedder hen“. In dem Bericht teilt der Lehrer mit, welche Maßnahmen ergriffen wurden, damit die Not der Betroffenen gelindert wurde. Die Geschädigten wurden alle von denen, die nicht von dem Unglück betroffen waren, untergebracht. Eine Kommission aus drei Einwohnern wurde berufen, die über alle anfallenden Probleme Entscheidungen treffen mussten. Für das Vieh wurden Gemeinschaftsställe gebaut, zum Schutz für den nahenden Winter. In Mecklenburg war eine Spendenaktion angelaufen, die die Not der Betroffenen linderte. Vernichtet waren fast alle Vorräte an Lebensmittel, das Futter für das Vieh und das Saatgut. Nachdem die Spuren des Brandes beseitigt waren, begann der Wiederaufbau des Dorfes. Amtshauptmann Koppe aus Ribnitz leitete den Wiederaufbau. Das Dorfbild wurde total verändert. Vorher waren alle Häuser wirr durcheinander gebaut. Es entstand ein Straßennetz mit geraden Straßen. Die verschonten Häuser wurden im neuen Straßenbild eingebunden. In den neuen Straßen wurden die Fußsteige durch Baumreihen von den Fahrbahnen abgegrenzt. Die neuen Wohnhäuser wurden massiv gebaut. Die Bauernhäuser wurden an der südlichen Seite des Dorfes im Still eines niedersächsischen Hallenhauses in einer Reihe errichtet. Das waren Fachwerkhäuser mit Rohrdach. Aus dem Unglück, das der Brand verursachte, war in wenigen Jahren ein schöneres Dorf entstanden. Die Not, die die Einwohner erlitten , hatte durch den Neuaufbau etwas positives für den Ort gebracht.


Die Erwerbszweige der Dierhäger

Die Landwirtschaft

Für die Siedler im 13./14. Jahrhundert mag es nicht einfach gewesen sein, in einem bisher unerschlossenen Gebiet, neu anzufangen. Es wurden Flächen gerodet, Unterkünfte geschaffen, Felder angelegt. Die Erträge der einfachen Böden reichten aber kaum zur Eigenversorgung. Schwierig war es auch, Vorräte für den Winter anzulegen. Getreide war das wichtigste Nahrungsmittel – Roggen zum Brot backen, aus Hafer wurde Brei gekocht und aus Gerste Grütze für die Tiere. Reichten die Ernteerträge nicht aus, wurde das Vieh im Winter in den Wald getrieben und musste dort sein Futter suchen.

Die Inventarien des Klosters Ribnitz geben Auskunft über die Größe des Ortes Dierhagen und über die Anzahl des gehaltenen Vieh's, die Größe der Gebäude, die Menge des benötigten Saatgutes und die Anzahl der Fuder Heu, die eingefahren wurden. Genannt werden auch der Kohlhoff (Garten) sowie die Umzäunung der Hofstellen, mit einem Hakel oder Aderzaun. Laut Inventarium von 1620 wohnen in Groß Dierhagen 22 Familien. Die wirtschaftlichen Verhältnisse eines der Gehöfte wird dabei wie folgt näher beschrieben. „Hans Gardener, der Schulze, gibt 12 ß 6 Pfg Pacht. Das Haus ist in 6 Gebinden. Vorn bei der Tür und Heck auf beiden Seiten, auch in beiden Seiten Ställe. In der Lucht 2 Glasfenster. Bei der kleinen Türe in der Abseite eine Stube mit 8 Tafel Glasfenster, mit Lehmwänden und Wickelboden. Dabei ein Backofen, eine Kammer von 3 Gebinden, ein Stall umher mit Lehmwänden unter einem ziemlichen Dach. Das Holz und Ständerwerk am Haus, Wände und Dach sind gut. Bei dem Haus ein Stall mit 3 Türen; umher geklemet und die Ställe mit Lehmwänden unterscheiden; unter einem guten Strohdach. Ein Torf und Heuschober; beide auf Stützen; umher gezäunet. Unter ziemlichen Dach. Hinten und vorne ein Hakelwerk. Ein Kohlhoff umzäunet. Ein Sod. An Viehe: 6 Pferde, 14 Häupter Rindvieh, darunter 6 Milchkühe, 4 Schafe, 5 Faselschweine, 4 in der Mast, 5 Gänse, 10 Hühner. Kann 10 Scheffel aufs höchste säen. Kann 4 Fuder Heu werben.“

Bezogen auf den hohen Pferdebestand ist zu erklären, dass die Tiere nicht so leistungsfähig waren wie heute. Das Gestüt von Klein Dierhagen wird 1620 nicht mehr genannt, es ist zu einem Hof , der von einem Pächter bewirtschaftet wurde umstrukturiert worden. Der Pächter bekam Schwierigkeiten, den Hof musste er aufgeben. Die Bauern aus Dierhagen pachteten die Felder und Wiesen, bis zur Regulierung der Feldmark im 19. Jahrhundert. Die Gebäude, sie wurden nicht mehr gebraucht, sie sind abgerissen worden. Über den Hof sind wirtschaftliche Verhältnisse bekannt. Die Anzahl der Rinder betrug 120, es wurden ca. 50 Fuder Heu eingefahren, soviel wie im Dorf. Das ausgesäte Getreide übertrifft in seiner Menge, dass von den Dierhägern ausgesäte erheblich, (etwa 340 zu 140 ) Scheffel. Aus den Daten ist zu sehen, dass die Dierhäger durch die Pachtung ihr Areal verdoppeln konnten. Gering war der Ertrag einer Kuh, im Jahr brachte sie 18 kg Butter. Schweine konnte nur wenige gehalten werden, dass Futter für die Schweine waren Eicheln und Getreide, es war nicht reichlich vorhanden. Die Kartoffeln wurden in Dierhagen erst am Ende des 18. Jahrhunderts angebaut. Es wurden mehrere Schafe gehalten , aus der Wolle wurde Kleidung angefertigt. Der Lebensstandard der Bevölkerung erhöhte sich, die Einwohner vermehrten sich. Nach dem regulieren der Feldmark, durch der auch der Binnendeich entstand, wurden auf der Feldmark Gräben gezogen. Der Hauptgraben war durch ein hölzernes Sperrwerk zum Bodden verschlossen. Ein Windrad konnte Wasser aus dem Graben in den Bodden pumpen. Ein Teil des Ackers wurde nicht bestellt, es blieb als Brachland, das jährlich ausgewechselt wurde, liegen. Diese Wirtschaftsart blieb bis ins 20. Jahrhundert erhalten. Beackert wurden die Felder mit dem mecklenburgischen Hakenpflug. Ein Gerät, mit einem glatten Streichbrett, dass beim pflügen schräg gehalten wurde. Mit dem Hakenpflug konnten die leichten Böden gut bearbeitet werden. Am Anfang des 19. Jahrhunderts begannen die Landwirte ihre Felder mit dem Sturzpflug zu pflügen. Mit der Brachwirtschaft wurde aufgehört.

Verbessertes Saatgut und Kunstdünger brachten bessere Ernten. Das Getreide wurde Jahrhundertelang mit dem Dreschflegel gedroschen. Der Dreschflegel besteht aus einem starken Stiel an dessen Ende ein Klöppel beweglich befestigt ist. Zum Dreschen wurden die Garben auf den Boden der Scheune gelegt und dann mit dem Dreschflegel bearbeitet, bis alles Korn aus den Ähren „rausgeschlagen“ war. Die ab 1880 aufkommenden Dreschmaschinen und Häckselmaschinen waren die ersten technischen Geräte, die in der Landwirtschaft eingesetzt wurden. Angetrieben wurden die Geräte mit einem Göpel. Ein Göpel ist eine mechanische Vorrichtung zur Erzeugung einer Antriebskraft. Dabei gehen die Antreiber des Göpels, oft Pferde, im Kreis und drehen eine senkrecht stehende Welle. Riemen oder Wellen übertragen die Kraft auf die jeweiligen Arbeitsmaschinen. Ein aufwendiges Vorhaben, was allerdings eine erhebliche Arbeitserleichterung mit sich brachte. Der Göbel wurde nach 1923 von dem Elektromotor abgelöst.

Angeschafft wurden Schrotmühlen, Grasmäher, Drillmaschinen, Mähbinder und Gummiwagen.

Nach Fertigstellung der Chaussee nach Wustrow 19xx fuhren die Bauern die Milch zur Molkerei nach Wustrow. Die Milchablieferung diente als wichtige stetige Einnahmequelle.

Die bäuerliche Einzelwirtschaft existierte bis 1961. Den politischen Verhältnisse folgend, schlossen sich die Bauern zu Genossenschaften zusammen.


Das Vieh der Bauern wurde auf eine gemeinsame Weide getrieben, es wurde von einem Hirten gehütet. Die Gemeinschaftsweide der Bauern war nördlich des Badesteiges. Die Weide wurde später aufgeteilt. Jeder hielt sein Vieh separat in Koppeln. Die Kuhweide der Büdner war südlich des Badesteiges, sie reichte von den Dünen bis zum Acker des kleinen Haufs, das Moor wurde ebenfalls beweidet. Zu einer Büdnerei gehörten ein größerer Garten, ein Morgen Ackerland und zwei Wiesen. Die Erträge reichten aus, zur Ernährung einer Familie, zur Haltung einer Kuh und zwei Schweinen. Jeder Büdner hatte einen Bauern, der dass Land bearbeitete und alle Fuhrdienste ( Heu fahren, Holz fahren ), erledigte. Als Gegenleistung half der Büdner bei den Bestellung- und Erntearbeiten. Die Büdnerwirtschaft hat in der modernen Zeit gänzlich aufgehört. Die Äcker und Wiesen wurden den Bauern verpachtet.