Karl Boldt "Zur Ortsgeschichte 700 Jahre Dierhagen" aus der Festschrift "1311 - 2011 OSTSEEBAD DIERHAGEN" 2011: Unterschied zwischen den Versionen

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=== Die Entstehung Norddeutschlands ===
 
=== Die Entstehung Norddeutschlands ===
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Vor ca.10 000 Jahren formte die letzte Eiszeit Norddeutschland. Das Küstengebiet, auf dessen Areal Dierhagen liegt, ist ein Geschenk der Natur. Die starken westlichen Winde haben den Verlauf der Küste laufend verändert. In jüngster Zeit konnten durch Menschenhand die Veränderungen aufgehalten werden.
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Das Binnengewässer, der Bodden, gehörte zum Recknitzdelta. Die heutige Halbinsel „Fischland-Darß-Zingst“ war durch mehrere Mündungsarme der Recknitz in drei Inseln geteilt. Die Mündungen sind durch Menschenhand, aber auch die Natur zerstört worden, so dass die Halbbinsel „Fischland-Darß-Zingst“ in ihrer heutigen Form entstand. Durch Überflutungen, die in einigen Phasen einsetzten, füllte sich die Fläche des heutigen Boddens sich mit Wasser, so dass auch die hier bereits entstanden Siedlungen aufgegeben werden mussten.
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Es gibt auch Zeugen der frühen Besiedlung. Auf der Dierhäger Feldmark sind Geräte und Werkzeuge aus der mittleren Steinzeit gefunden worden, hergestellt aus dem hier häufig vorkommenden Feuerstein, der auch Flintenstein genannt wird. Der Feuerstein ist ein sehr hartes Material, das gut spaltbar ist. Die Spaltstücke weisen scharfe Kanten und Schneiden auf. Von dieser Dierhäger Feldmark hatte die Dierhägerin Ida Alm in den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts eine große Anzahl steinzeitlicher Werkzeuge zusammengetragen. Die Sammlung ist leider am Ende des Krieges teilweise zerstört worden. Der Rest des Fundus wurde von der Enkelin der  Sammlerin einem Rostocker Museum übergeben. 1961 wurde nördlich des Dierhäger Hafens, ca. 70 Meter vom Ufer entfernt, Boden für den Deichbau ausgebaggert. Mit dem Baggergut kamen schwarze Feuersteine an Land, darunter mittelsteinzeitliche Geräte, wie Kern- und Scheibenbeile, Klingen, Schaber, Pfeilspitzen und zahlreiche Abschläge. Daraus ist zu schlussfolgern, dass das Ufer muss vor 5000 bis 7000 Jahren Festland gewesen sein. Die meisten Fundstücke vereinnahmte das damalige Heimatmuseum Ribnitz-Damgarten.
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Die Fundstücke weisen auf eine Siedlung mittelsteinzeitlicher Menschen hin. Funde aus der Bronzezeit, der darauf folgenden Eiszeit, sind in Dierhagen nicht gemacht worden. Auch sind Urnenfelder in der Gegend von Dierhagen nicht gefunden worden, wobei diese auch im Zuge des Küstenabtrags von der Ostsee „verschlungen“ worden sein.
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Unter dem Begriff Völkerwanderungen verstehen wir Bewegungen, in der Menschen genötigt waren, aus verschiedenen Gründen sich nach anderen Gefilden umzusehen. Geschichtliche Funde sind in der Umgebung von Dierhagen nicht gemacht worden.
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Germanische Stämme siedelten zwischen Oder und Elbe. Die wanderten in andere Gebiete aus.
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Im 16. Jahrhundert konnten die Gebiete von den Slaven, sie wurden auch Wenden genannt, besiedelt werden. Sie ernährten sich vorwiegend von der Jagd und vom Fischfang. Die großen Wälder und die vielen Seen boten gute Gelegenheit dazu. Der Ackerbau wurde nur  im geringen Maße betrieben, ihre primitiven Geräte eigneten sich am besten für die Bewirtschaftung einfacher Böden. Im östlichen Teil unserer engen Heimat saßen die Wilzen, die sich in mehrere Stämme gliederten. Der nördlichste waren die Kessiner (Fischhüttenbewohner). Die östliche Grenze war die Recknitz. Die slawischen Einzelstämme wurden zu einem Gesamtverband zusammengeführt, nur so war es möglich einen Staat unter einer monarchistischen Führung zu bilden.
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Einer der herausragenden Fürsten war Niklot, der 1160 gegen „Heinrich den Löwen“, dem Herzog von Sachsen und Bayern, fiel. Die Regentschaft von Mecklenburg übernahm Heinrich der Löwe. Die Bevölkerung ist in den vorangegangenen Kämpfen stark dezimiert worden.
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In das dünn besiedelte Gebiet wurden von Heinrich deutsche Bauern gerufen. Durch kriegerische Ereignisse wurde die Besiedlung unterbrochen. Ab Mai 1201 war Fürst Heinrich Borwin I. Alleinherrscher in Mecklenburg.
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Der traurige Zustand des Landes machte eine Neukultivierung und den Zuzug deutscher Kolonisten erforderlich. Sie besiedelten auch das Ribnitzer Gebiet. Ribnitz war eine slawische Siedlung. (ryba, riba= Fisch). Die Siedler die in den Nordosten Mecklenburgs kamen, stammten aus den übervölkerten Gebieten in Westfalen, Friesland, Niederreihn und den Niederlanden. Die noch heute in Dierhagen vorkommenden Familiennamen Fehling und Westphal, weisen auf ihre Herkunft aus Westfalen hin. In den Überlieferungen wurde immer behauptet, dass es Fretwurst waren, die den Ort Dierhagen gründeten.
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Der Name weist auf einen umfangreichen Waldbestand hin. Der mußte gerodet werden, damit für eine Siedlung Platz war.

Version vom 7. Oktober 2022, 09:14 Uhr

700 JAHRE DIERHAGEN

Die Entstehung Norddeutschlands

Vor ca.10 000 Jahren formte die letzte Eiszeit Norddeutschland. Das Küstengebiet, auf dessen Areal Dierhagen liegt, ist ein Geschenk der Natur. Die starken westlichen Winde haben den Verlauf der Küste laufend verändert. In jüngster Zeit konnten durch Menschenhand die Veränderungen aufgehalten werden. Das Binnengewässer, der Bodden, gehörte zum Recknitzdelta. Die heutige Halbinsel „Fischland-Darß-Zingst“ war durch mehrere Mündungsarme der Recknitz in drei Inseln geteilt. Die Mündungen sind durch Menschenhand, aber auch die Natur zerstört worden, so dass die Halbbinsel „Fischland-Darß-Zingst“ in ihrer heutigen Form entstand. Durch Überflutungen, die in einigen Phasen einsetzten, füllte sich die Fläche des heutigen Boddens sich mit Wasser, so dass auch die hier bereits entstanden Siedlungen aufgegeben werden mussten. Es gibt auch Zeugen der frühen Besiedlung. Auf der Dierhäger Feldmark sind Geräte und Werkzeuge aus der mittleren Steinzeit gefunden worden, hergestellt aus dem hier häufig vorkommenden Feuerstein, der auch Flintenstein genannt wird. Der Feuerstein ist ein sehr hartes Material, das gut spaltbar ist. Die Spaltstücke weisen scharfe Kanten und Schneiden auf. Von dieser Dierhäger Feldmark hatte die Dierhägerin Ida Alm in den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts eine große Anzahl steinzeitlicher Werkzeuge zusammengetragen. Die Sammlung ist leider am Ende des Krieges teilweise zerstört worden. Der Rest des Fundus wurde von der Enkelin der Sammlerin einem Rostocker Museum übergeben. 1961 wurde nördlich des Dierhäger Hafens, ca. 70 Meter vom Ufer entfernt, Boden für den Deichbau ausgebaggert. Mit dem Baggergut kamen schwarze Feuersteine an Land, darunter mittelsteinzeitliche Geräte, wie Kern- und Scheibenbeile, Klingen, Schaber, Pfeilspitzen und zahlreiche Abschläge. Daraus ist zu schlussfolgern, dass das Ufer muss vor 5000 bis 7000 Jahren Festland gewesen sein. Die meisten Fundstücke vereinnahmte das damalige Heimatmuseum Ribnitz-Damgarten. Die Fundstücke weisen auf eine Siedlung mittelsteinzeitlicher Menschen hin. Funde aus der Bronzezeit, der darauf folgenden Eiszeit, sind in Dierhagen nicht gemacht worden. Auch sind Urnenfelder in der Gegend von Dierhagen nicht gefunden worden, wobei diese auch im Zuge des Küstenabtrags von der Ostsee „verschlungen“ worden sein. Unter dem Begriff Völkerwanderungen verstehen wir Bewegungen, in der Menschen genötigt waren, aus verschiedenen Gründen sich nach anderen Gefilden umzusehen. Geschichtliche Funde sind in der Umgebung von Dierhagen nicht gemacht worden. Germanische Stämme siedelten zwischen Oder und Elbe. Die wanderten in andere Gebiete aus.

Im 16. Jahrhundert konnten die Gebiete von den Slaven, sie wurden auch Wenden genannt, besiedelt werden. Sie ernährten sich vorwiegend von der Jagd und vom Fischfang. Die großen Wälder und die vielen Seen boten gute Gelegenheit dazu. Der Ackerbau wurde nur im geringen Maße betrieben, ihre primitiven Geräte eigneten sich am besten für die Bewirtschaftung einfacher Böden. Im östlichen Teil unserer engen Heimat saßen die Wilzen, die sich in mehrere Stämme gliederten. Der nördlichste waren die Kessiner (Fischhüttenbewohner). Die östliche Grenze war die Recknitz. Die slawischen Einzelstämme wurden zu einem Gesamtverband zusammengeführt, nur so war es möglich einen Staat unter einer monarchistischen Führung zu bilden. Einer der herausragenden Fürsten war Niklot, der 1160 gegen „Heinrich den Löwen“, dem Herzog von Sachsen und Bayern, fiel. Die Regentschaft von Mecklenburg übernahm Heinrich der Löwe. Die Bevölkerung ist in den vorangegangenen Kämpfen stark dezimiert worden. In das dünn besiedelte Gebiet wurden von Heinrich deutsche Bauern gerufen. Durch kriegerische Ereignisse wurde die Besiedlung unterbrochen. Ab Mai 1201 war Fürst Heinrich Borwin I. Alleinherrscher in Mecklenburg. Der traurige Zustand des Landes machte eine Neukultivierung und den Zuzug deutscher Kolonisten erforderlich. Sie besiedelten auch das Ribnitzer Gebiet. Ribnitz war eine slawische Siedlung. (ryba, riba= Fisch). Die Siedler die in den Nordosten Mecklenburgs kamen, stammten aus den übervölkerten Gebieten in Westfalen, Friesland, Niederreihn und den Niederlanden. Die noch heute in Dierhagen vorkommenden Familiennamen Fehling und Westphal, weisen auf ihre Herkunft aus Westfalen hin. In den Überlieferungen wurde immer behauptet, dass es Fretwurst waren, die den Ort Dierhagen gründeten.

Der Name weist auf einen umfangreichen Waldbestand hin. Der mußte gerodet werden, damit für eine Siedlung Platz war.