Gelbensande als fürstliche Residenz - Das Jagdschloss

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Das Jagdschloss Gelbensande - Residenz der mecklenburgischen Landesfürsten

Von jeher war die östliche Hälfte des mit 11.000 Hektar größten Küstenwaldes Deutschlands ein bevorzugter Aufenthaltsort für die mecklenburgischen Landesfürsten. Hier, in ihrem wohl schönsten Hofjagdrevier, der fürstlich Gelbensander Forst, suchten und fanden Großherzog Friedrich Franz III. und seine Gemahlin Anastasia Großfürstin von Russland den Standort für ihre Sommerresidenz.
Einen besonders wichtigen Aspekt bei der Wahl bildeten die Klimaeigenheiten dieser am Meer gelegenen Waldlandschaft. Das für Deutschland in seiner Spezifik einzigartige Gemisch aus Wald- und Seeklima bot dem lungenkranken Großherzog im Gegensatz zur Residenzstadt Schwerin erträgliche Lebensbedingungen. (B21)

Die Baugeschichte

Zu Beginn der achtziger Jahre des 19. Jahrhunderts beauftragte der regierende Großherzog Friedrich Franz III. den in jener Zeit in Dresden wirkenden Baumeister Gotthilf Ludwig Möckel mit der Projektierung des Baues. Als ersten Neubau-Auftrag in der nun neuen Heimat begann er 1884 mit der Arbeit am Jagdschloss. Grundsätzlich war das neue Haus in einer Architektur konzipiert, deren Vorbild aus dem England der Shakespeare Zeit stammt, dem Cottage- oder englischen Landhaus-Stil.
Am 1. Mai 1885 fand die Grundsteinlegung für das neue Haus statt. Großherzogin Anastasia, Ehefrau Friedrich Franz III. war eine Enkelin des russischen Zaren Nikolaus I. Ihrem Wunsch entsprechend wurden einige Änderungen am Ursprungsprojekt vorgenommen. So fügte man in Anlehnung an russische Schlösser- und Bojarenhaus-Architektur die hölzerne Überdachung des Haupteinganges hinzu. Auch wurde an verschiedenen Stellen des Gebäudes der russische Zarenadler als Zierelement hinzugefügt.
Während im unteren Hauptgeschoss Ziegelrohbau mit roten und gelben Verblendsteinen aus der Brennerei Saniter Verwendung fanden, wurden die Obergeschosse in hintermauertem Fachwerk aus den Holzbeständen der umgebenden Forsten hergestellt. :(B22)
Die Tageszeitungen des Landes berichteten in jener Zeit laufend über den Baufortschritt. So finden sich in den „Mecklenburgischen Nachrichten“ die Namen vieler Beteiligter, nachfolgend einige Wichtige ausgewählt:
Bauführung während des Roh- und Ausbaues: Bauführer Diesend und Vogel
Erdarbeiten: Maurermeister Müller/ Schwaan
Zimmerarbeiten: Hauszimmermeister Krüger/Rostock
Lieferung Mauer- und Verblendsteine: Fa.Saniter/ Rostock
„ Kalk-, Zement, Eisenträger Fa.Jürß und Crotogino/ Rostock
„ Fußbodenbretter Fa.Brüggmann und Sohn/ Lübeck
Dachdeckerarbeiten: Dachdeckermeister Walter/Laage
Tischlerarbeiten: Tischlermeister Kröger, Stephan, Stötzel/Rostock; Tischlermeister Krüger/ Doberan
Bildhauerarbeiten: Bildhauer Garding und Kasch jun. / Doberan
Kunstschmiede-, Kupfer- und Schlosserarbeiten: Schlossermeister Jardin und Kehr/ Rostock; Hofschlosser Beckmann/ Doberan; Schlossermeister Flint/ Doberan; Kupferschmiedemeister Steusloff/Doberan;
Schmiedearbeiten: Schmiedemeister Kielgast/ Gelbensande; Schmiedemeister Stüve/ Schwarzenpfost
Glaser- und Verbleiungsarbeiten: Glasermeister Krenzien/ Rostock, Hofglaser Beckmann/ Doberan
Bau der Zentralheizung: Ingenieur E.Kelling/ Dresden, Berlin
Bau der gemauerten Kamine u. Teil der Öfen: Fa.Lübcke und Hornemann/ Wismar
Maler- und Anstreicherarbeiten Hofdekorationsmaler Michaelsen und Dekorationsmaler Krause/ Wismar
Bereits am 24.September desselben Jahres feierte man das Richtfest und im März des Folgejahres, nach nur zehnmonatiger Bauzeit war das eigentliche Gebäude fertig. Ein weiteres Jahr benötigte man noch für Innenausbau und -ausstattung.
Böhmische Manufakturen fertigten einen Teil der Glaswaren.
Porzellanwaren kamen aus der Königlichen Porzellanmanufaktur Berlin.
Für die Kaminzimmer wurden Gobelins mit Jagdmotiven und Möbel nach Entwürfen Möckels gefertigt.

Anfang 1887 fand auch das seinen Abschluss und der „Ribnitzer Stadt- und Landbote“ berichtete über die rauschenden Einweihungsfeierlichkeiten.

Der Baumeister

Am 22.Juli wurde Gotthilf Ludwig Möckel in Zwickau als Sohn eines Kupferschmiedemeisters geboren. Sein Bildungsweg führte ihn über die Königliche Baugewerkenschule Chemnitz an das Polytechnikum Hannover. Der Vorläufer der heutigen Technischen Universität galt in jenen Jahren als eine progressive Ausbildungsstätte. Dort studierte er Baukunst bei Conrad Wilhelm Hase. In dieser Zeit war Möckel auch Mitarbeiter in den Architektenbüros Erwin Oppler in Hannover und Julius Rasch in Göttingen.
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Im Jahre 1866 kehrte Möckel nach Zwickau zurück und legte in Dresden die Prüfung als Bauhandwerker ab. Bis 1875 übte er die Doppelfunktion als Gewerksmeister und freier Architekt aus, um sich danach nur noch mit Entwurf und Bauleitung zu befassen. Der Bau der Johanneskirche Dresden nach dem Gewinn eines Wettbewerbes (Möckels bedeutendster Sakralbau ) führte 1875 zur Umsiedlung nach Dresden. Begünstigt durch die gute Auftragslage gründete er dort ein Architektenbüro.
Der Auftrag zur Wiederherstellung des Doberaner Münsters durch Großherzog Friedrich Franz III. von Mecklenburg-Schwerin wurde der formale Anlass, nach 10-jähriger Tätigkeit in Dresden 1885 erneut den Wohnort zu wechseln. Kurz zuvor hatte er auch den Auftrag zur Projektierung des Gelbensander Jagdschlosses erhalten.
In Doberan wurde Möckel erst kommissarisch und 1889 hauptamtlich als Baurat und technischer Beirat der Großherzoglichen Kammer von Mecklenburg-Schwerin und des dortigen Oberkirchenrates berufen. Diese Stellung verschaffte ihm bedeutenden Einfluss. Hinzu kam, dass die Anstellung in den Staatsdienst ihm die Möglichkeit ließ, weiterhin freiberuflich tätig zu sein.
Möckel wurde 1881 zum Ehrenmitglied der Akademie der bildenden Künste in Dresden ernannt und gehörte den Architektenvereinen in Sachsen und Hannover sowie der „Bauhütte zum weißen Blatt“ in Hannover an. Die Ernennung zum Geheimen Baurat erfolgte 1887 nach dem Bau des Jagdschlosses, die zum Geheimen Hofbaurat im Jahre 1900 aus Anlass der abgeschlossenen Wiederherstellung des Doberaner Münsters. Im Oktober 1915 trat Möckel in den Ruhestand. Am 26.Oktober 1915 erlag er in Doberan einer Herzschwäche.
Ein großer Teil seiner Bauten war sakraler Natur, dazu zählen die Versöhnungs- und Samariterkirche in Berlin, die Lutherkirche in Danzig, die Johanneskirche in Smyrna (dem heutigen Izmir) in der Türkei. Zu den wichtigsten Profanbauten zählen das Ständehaus in Rostock, das Blindenheim in Königs Wusterhausen und das Jagdschloss in Gelbensande.

Die fürstlichen Bewohner

Hauptsächlich als ganz privates, zurückgezogenes Familiendomizil gedacht, bot die Waldlandschaft mit ihrem einzigartigen Klima dem lungenkranken Großherzog nur hier erträgliche Lebensumstände in seinem Land Mecklenburg. Mit seiner Frau hatte Friedrich Franz III. drei Kinder. Die Erstgeborene erhielt bei ihrer Geburt im Jahre 1879 den Namen Alexandrine nach der Großmutter des Großherzogs, der Tochter des Preußenkönigs Friedrich Wilhelm III. und der Königin Luise.
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Das zweite Kind war dann endlich im Jahre 1882 der ersehnte Thronerbe, der seinem Vater später als Friedrich Franz IV. nachfolgen sollte. Schließlich wurde im Jahre 1886 Cecilie geboren. Komplizierte Verwandtschaftsverhältnisse ergaben sich aus Kindschaften und Heiraten. Letztendlich waren die Herrscherhäuser jener Tage alle in irgend einer Weise verwandt. So war Anastasia die Enkelin des Zaren Nikolaus I. von Russland, während im Gegenzug wiederum die älteste Schwester des Großherzogs , Marie (Pawlowna) den Zarenbruder Wladimir Alexandrowitsch Großfürst von Russland geheiratet hatte. Des Großherzogs jüngerer Bruder Heinrich ehelichte Prinzessin Wilhelmina, die spätere Königin der Niederlande (sie sind die Großeltern der heute regierenden Königin Beatrix ). Zahlreich ist die Prominenz der Fürstenhäuser, die in den folgenden Jahren als Gäste des Großherzogspaares in Gelbensande Aufenthalt nehmen. Den Annalen des in jener Zeit jährlich erscheinenden „Großherzoglich-Schwerinschen Staatskalender“ ist zu entnehmen, dass die herzogliche Familie alljährlich für mehrere Monate in ihrem Gelbensander Sommersitz Aufenthalt nahm. Großherzogin Anastasia war eine leidenschaftliche Tennisspielerin und ließ daher unweit des Schlosses einen Tennisplatz anlegen (verwildert aber noch vorhanden harrt er bislang der Wiederherrichtung). Der berühmte Professional Burke kam regelmäßig jeden Sommer auf einige Wochen nach Gelbensande und gab den fürstlichen Kindern Unterricht.
Auf der „Mecklenburgischen Landes-, Gewerbe- und Industrie-Ausstellung“ in Rostock im Jahre 1892 hat es dem Herzogspaar der Ausstellungspavillon der Firmen E. Wendt und Diedrich Riedel angetan, so dass man ihn kurzerhand kaufte und als Teehaus inmitten der Gelbensander Waldungen auf einer abseits gelegenen Waldwiese wieder aufbauen ließ. Prinzessin Cecilie schreibt dazu in ihren Erinnerungen: „Dorthin machten wir in der ersten Zeit unsere Ausflüge, doch zeigte sich bald, dass die Lage des Häuschens im Walde eigentlich kein rechtes Ausflugsziel bot. Es wurde daher abtransportiert und zwischen den Ostseebädern Müritz und Graal auf dem Kamm einer Düne aufgebaut, von wo man eine wunderschöne Aussicht auf die See genoss. Mit der Zeit wurden auch Paddelboote angeschafft. Ich hatte meist zu dergleichen Unternehmungen hohe Russenstiefel an, mit denen ich weit ins Meer hineingehen konnte. ..In früheren Zeiten kamen mein Großvater ( Großfürst Michail Nikolajewitsch Romanow) oder die Brüder meiner Mutter alljährlich aus Rußland zur Brunftzeit des Rotwildes nach Gelbensande. Auch die Mecklenburger Onkels waren regelmäßige Jagdgäste, vor allem Onkel Paul ( Herzog Paul Friedrich von Mecklenburg- Schwerin).“
Für Cecilies ältere Schwester Alexandrine war Gelbensande ein besonderer Abschnitt ihrer Jugend, erlebte sie doch hier ihre ersten Begegnungen mit ihrem späteren Ehemann dem dänischen Thronfolger Christian.
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Es war eine wahre Familienidylle bis zum mysteriösen Tode des Großherzogs am 10.April 1897 in Cannes /Südfrankreich. Einen Tag zuvor war sei einziger Sohn und Thronerbe, Friedrich Franz IV., fünfzehn Jahre alt geworden und damit zur Thronfolge noch nicht berechtigt. Bis zur Volljährigkeit musste ihn sein Onkel Johann Albrecht als Regent vertreten. Fortan führte die Großherzogin-Witwe ein sehr zurückgezogenes Leben auf ihrem Landsitz Gelbensande und widmete sich der Erziehung ihrer drei minderjährigen Kinder, wobei Alexandrine Gelbensande nach Ablauf des Trauerjahres verließ, um sich am 26.April 1898 mit dem dänischen Thronfolger Christian X. in Kopenhagen zu vermählen.
Nur kurz nach dem Tode des Großherzogs besuchte der in Berlin ansässige Graf Talleyrand-Perigord die Großherzogin in Gelbensande. Das besondere dieses Freundesbesuches war das für damalige Zeit ungewöhnliche Reisegefährt, mit dem er anreiste; ein Automobil. Ein gemeinsamer Tagesausflug ins Grüne begeisterte Anastasia in einem Maße, dass sie selbst eine solche technische Neuerung besitzen wollte, so kaufte man einen Tonneau der Firma Panhard-Levassor, ein französisches Modell. Die anlässlich dieser neuzeitlichen Anschaffung geäußerte Bitte der Großherzogin an den Grafen doch einen Klub Automobilbegeisterter zusammenzubringen, um gemeinsame Ausflüge mit einer gewissen Regelmäßigkeit durchzuführen, hatte schließlich die Folge, dass man sich am 31.7.1899 im renommierten Hotel „Bristol“ in Berlin zusammenfand, um den ersten deutschen Automobilklub, den „Deutschen Automobilklub“ (DAC), zu gründen. Als Schirmherrin des Unternehmens wirkte Großherzogin Anastasia, erster Präsident wurde Graf Talleyrand-Perigord.
Am 9. April 1901 trat Großherzog Friedrich Franz IV. die Regierung für das Land Mecklenburg-Schwerin an. Am 7. Juni 1904 heiratete der junge Großherzog in Schwerin die königliche Prinzessin von Großbritannien und Irland, Alexandra, Herzogin zu Braunschweig und Lüneburg.
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Am 4. September 1904 fand im Gelbensander Schlösschen ein Ereignis statt, das zu jener Zeit in ganz Europa wahrgenommen wurde. Der älteste Kaisersohn, Kronprinz Friedrich Wilhelm von Preußen verlobte sich an diesem Tag mit der jüngsten Großherzogstochter, Herzogin Cecilie. Sie hielt bald darauf als Braut Einzug in Berlin. Mit der Hochzeit im darauf folgenden Jahr wurde sie Kronprinzessin und sollte damit Deutschlands zukünftige Kaiserin werden.

Eine kleine Geschichte über die die Presse am Rande der Verlobungs-Feierlichkeiten berichtete, verdient noch Erwähnung. Am Morgen des 2.September, gegen 10 Uhr entstand in der Gelbensander Forst, unweit des Schlosses, wohl durch Funkenflug einer Lokomotive ausgelöst, ein Waldbrand. Die Rostocker Zeitung berichtet darüber: „ ...Der Rauch zog sich nach dem nahe gelegenen Großherzoglichen Jagdhause hin. Hierdurch wurde das Feuer von den fürstlichen Herrschaften zuerst bemerkt, worauf sich die anwesenden Familien zum Brandherde begaben. Inzwischen war auch das Forstpersonal mit Löschmannschaften unter Herrn Forstmeister v. Oertzen herbeigeeilt. Anfangs schien es nicht ausgeschlossen, daß durch Flugfeuer eine Weiterverbreitung des Brandes erfolgen und hierdurch auch das Jagdhaus gefährdet werden könne. Man requirierte daher zur größeren Sicherheit Spritzen aus der Umgegend. Herr Forstmeister v. Oertzen konnte aber den fürstlichen Herrschaften mitteilen, daß eine Gefahr für das Jagdhaus nicht vorhanden war, da nur das niedrige Holz und das Gras brannten, wodurch die starke Rauchentwicklung hervorgerufen wurde. ...Auf der Brandstätte waren die Spritzen aus Blankenhagen, Willershagen und Rövershagen erschienen. ...Wie schon erwähnt haben sich die fürstlichen Herren lebhaft an den Löscharbeiten beteiligt. Als die Gefahr, daß das Feuer auf das fürstliche Haus überspringen könne am höchsten stieg, waren der Großherzog, der dänische sowie der deutsche Kronprinz sowie die übrigen Herren selbst mit dem Spaten in der Hand tätig, durch Herstellung eines Grabens eine Isolierzone um das Jagdhaus zu ziehen.“

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Was die Presse jener Tage nicht erwähnte, nach erfolgreicher Brandbekämpfung begaben sich der Großherzog und die beiden Kronprinzen mit in das Gelbensander Spritzenhaus. Bekanntlich ist es vielerorts eine alte Feuerwehrtradition nach erfolgreicher Brandbekämpfung nunmehr auch den währenddessen in den Kehlen entstandenen Brand zu löschen. Auch daran nahmen die hohen Herrschaften ebenfalls regen Anteil. Bald war man sich persönlich näher gekommen und der Wehrführer der hiesigen Feuerwehr ernannte den dänischen Kronprinzen kurzerhand zum Ehrenmitglied der Feuerwehr. Kuriose Konsequenz: der spätere Dänenkönig machte sich einen Satz zueigen, den er bei verschiedenen Gelegenheiten benutzte. Man sagte dem König Christian eine geradezu volksnahe Regentschaft nach und es heißt, Staatsakte und offizielle Anlässe mit strengem protokollarischen Ablauf seien ihm zuwider gewesen. Häufig musste er dabei langwierige Aufzählungen seiner Titel und Ämter über sich ergehen lassen, was er dann wiederholt mit dem ironischen Nachsatz quittierte, man hätte wieder einmal vergessen zu erwähnen, dass er auch noch Gelbensander Feuerwehrmitglied sei.
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Cecilie, nunmehr kronprinzliche Braut verlegte nach ihrer Hochzeit im Juni 1905 ihren Wohnsitz in die Preußenresidenz Potsdam. Als hier einige Zeit darauf die Aufgabe stand für das an Familienzuwachs reich gesegnete Kronprinzenpaar ( Cecilie hatte zwischenzeitlich vier Söhne geboren, denen in der darauf folgenden Zeit noch zwei Töchter folgen sollten) ein Wohnschloss zu bauen, dem es nicht an neuzeitlichem Wohnkomfort fehlen sollte, äußerte die Kronprinzessin den Wunsch doch ein Haus im Cottage-Stil in Anlehnung an ihre liebgewordene Jugendstätte in Gelbensande, zu konzipieren. Darauf erhielt der Hofbaumeister Paul Schulze-Naumburg den Auftrag ein solches in dieser auch als Landhausstil bezeichneten Architektur zu errichten, das nach der Kronprinzessin benannte Schloss Cecilienhof.

So verließ auch das jüngste der drei Kinder Anastasias Witwensitz.

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Als dann am 1.August 1914 der Erste Weltkrieg ausbrach wurde die Situation für die Großherzogin Anastasia, die ja eine nahe Verwandte des Zaren und damit der gegnerischen Kriegspartei war, unerträglich. Sie verlegte ihren Wohnsitz an die französische Mittelmeerküste nach Cannes, wo die herzogliche Familie ja bereits seit langem die Villa „Wenden“ besaß. Hier verbrachte sie die letzten Lebensjahre bis zu ihrem Tode 1922:Hauptnutzer des Gelbensander Domizils war nun ihr Sohn, der Großherzog Friedrich Franz IV. zunächst bis zu seiner Abdankung und dem Ende auch seiner Monarchie am 14. November 1918. Vorerst gänzlich enteignet nahm die Herzogsfamilie das Gastangebot des dänischen Königs als Schwager an, und lebte auf Schloss Sorgenfri in der Nähe Kopenhagens. Während dieser Zeit führte der Oberhofmarschall Cuno von Rantzau in Schwerin Verhandlungen mit der neu gegründeten Landesregierung und es wurde der "Vertrag zwischen dem Freistaat Mecklenburg-Schwerin und dem ehemaligen Landesherrn, betreffend die Auseinandersetzungen über die vermögensrechtlichen Verhältnisse, sowie die von dem ehemaligen Landesherrn und den Mitgliedern der vormals landesherrlichen Familie abgegebenen Verzichts- und Anerkennungserklärungen" abgeschlossen. Hierin wurde als erstes das Wohnrecht im Jagdschloss Gelbensande zugesprochen, so dass die Familie Ende September 1919 aus dem dänischen Exil nach Mecklenburg zurückkehrte. Unmittelbar nach ihrer Rückkehr waren einige herzogliche Familienmitglieder per Verordnung des Freistaates Mecklenburg für einige Zeit in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt, die einem Arrest gleich kam. Einer der Söhne, Christian Ludwig Herzog zu Mecklenburg schildert zu dieser Zeit: „Als wir in Warnemünde ankamen, warteten Autos auf uns, und zwar waren es die Autos meines Vaters aus Schwerin mit den dazugehörigen Chauffeuren, die inzwischen aber von der mecklenburgischen Regierung übernommen worden waren. Sie trugen keine Livree mehr, sondern normale blaue Anzüge mit einer blauen Chauffeurmütze. ... Die Dienerschaft, die in Sorgenfri bei uns gewesen war, ging zunächst mit nach Gelbensande. ...Mein Vater lebte hier völlig zurückgezogen. Es dauerte längere Zeit, bis er wieder ein Auto bekam, und er durfte sich nur im nächsten Umkreis bewegen, bis Rostock.“ Erst später erhielt er seine Freizügigkeit im Lande wieder. Gelbensande blieb jedoch einer seiner Hauptaufenthalte. Die private Zurückgezogenheit in der die Herzogsfamilie hier lebte, machte nun nur noch selten Schlagzeilen. Lediglich in den dreißiger Jahren weiß die Presse zu berichten, dass der frischgebackene Boxweltmeister Maxe Schmeling nach einem jagdlichen Schießwettbewerb in Heiligendamm einer Einladung zum Besuch der Fürstenfamilie in Gelbensande folgte, wo er mit dem Herzog auf Pirsch ging.

Kleine Episode am Rande; als der für den Besuch gecharterte Bus von der Chaussee aus in den Schlossweg einbog, fuhr sich dieser in dem unbefestigten Sandboden des Weges fest. Unter Anfeuerung der herbeigelaufenen Dorfbewohner schob der Weltmeister den Bus allein aus diesem Malheur heraus. Gegen Ende des Jahres 1944 hielt sich die Familie des Großherzogs letztmalig in Gelbensande auf.

Das Kriegsende

Am 1. Mai 1945 schließlich hatte sich das Kriegsgeschehen auch unmittelbar in den Gelbensander Raum ausgedehnt. Aus dem Odergebiet im Südosten stieß die Rote Armee an diesem Tage über Tribsees, Marlow, Tessin bis nach Rostock und Ribnitz vor. Am Abend dieses Tages stand der erste russische Panzer auf der Warnemünder Westmole und riegelte die Hafeneinfahrt ab. An jenem Tag drangen die russischen Truppen noch nicht in alle Heideortschaften vor, alle nach Westen führenden Verkehrswege waren jedoch für zurückflutende Flüchtlingstrecks und Militäreinheiten abgeriegelt. Auf den Bahngleisen in der Nähe des Schlosses steckte ein aus Pommern evakuiertes, aus zwei Eisenbahnzügen bestehendes Lazarett fest. Am Vormittag war der Zug von Tieffliegern beschossen worden. Der Lazarett-Kommandant hatte von dem ungenutzt stehenden Fürstenschloss erfahren. Kurzerhand ließ er die etwa 750 Verwundeten ausladen und richtete hier ein Hilfslazarett ein. Einer der Lazarettinsassen berichtet darüber fünfzig Jahre später
„Es war der Ort, in dem ich nach fast achtwöchiger Irrfahrt als schwerkranker, junger Soldat endlich erste Hilfe und Geborgenheit erleben durfte, nachdem ich aus dem Zug ausgeladen und hierher verlegt wurde. Dies geschah am 1.Mai 1945 unter dem Lärm krachender Granaten (Anm. Eine in der Nähe befindliche Artilleriebatterie hatte ihren Transport selbst gesprengt) schon in der Dunkelheit. Am Morgen des 2. Mai wurden wir durch Motorengeräusch geweckt und ich wusste, der Russe war da. Bange Minuten des Wartens. Wie werden sich die Sieger verhalten? Vorsorglich hatte ich in der Nacht noch die wertvollere meiner beiden Armbanduhren versteckt und die andere so gelagert, das sie leicht ins Blickfeld viel. Die russischen Soldaten kamen in mehreren Gruppen, mit umgehängten Maschinenpistolen durchsuchten sie den großen Saal nach Beutestücken unter ständigen „Uri, Uri“ Rufen. Ich lag mit hohem Fieber in meinem Lager und machte wohl einen schlechten Eindruck auf sie, Das Plakat mit der Aufschrift „Typhus - Seuchengefahr“ deutsch und russisch geschrieben, verfehlte wohl seine Wirkung nicht. Mit meiner Uhr verschwanden auch die Soldaten wieder. Ein Chefarzt hatte diese Seuchenwarnung wohl veranlasst oder selbst geschrieben, da er der russischen Sprache mächtig war und lange Jahre als Arzt in Petersburg ein Sanatorium geleitet hatte.“

Offenbar aber auch aus Ehrfurcht vor dem augenscheinlichen russischen Kulturgut unterband ein sowjetischer Offizier Plünderungen und ließ den Schlosskomplex durch Wachen schützen. Selbst im Hause befindliche verwundete Wlassow-Soldaten, die man sonst bei Gefangennahme als Landesverräter und Kollaborateure sofort standrechtlich erschoss, überlebten hier. Die an Krankheiten oder Verwundungen Verstorbenen wurden auf dem unweit des Schlosses eigens angelegten Waldfriedhof beigesetzt.

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Die Nachkriegszeit war auch die Zeit der großen Umsiedlertrecks aus Ostpreußen und Pommern. Viele Seuchen wie Typhus, Ruhr und Cholera grassierten. Aus dem Lazarett wurde ein Seuchenkrankenhaus, in dem man Schwererkrankte streng isolierte. Lang ist die Liste derer, für die dieser Ort zur letzten Lebensstation wurde.

In den Nachkriegsjahren machte das Haus dann noch Nutzungen als TBC-Heilstätte, als Krankenhaus bis 1979, als Bauarbeiterunterkunft bis 1985, als Domizil der Gemeindeverwaltung, der kommunaler Wohnungsverwaltung, des Ortspolizisten (ABV), der Seniorenbetreuung und anderem bis zum Jahre 1990, durch. Heute steht es dem Besucher in seinen wichtigen Teilen zum Besuch offen.