Bilder von Caspar David Friedrich in verschiedenen Ausstellungen

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Bilder von Caspar David Friedrich in verschiedenen Ausstellungen

Artikel von Frank Wilhelm im "Nordkurier"

Nordkurier - 30.03.2024
Caspar David Friedrich - Die „Kreidefelsen auf Rügen“ kehren zurück in ihre Heimat



Zum Jubiläumsjahr von Caspar David Friedrich wird sein wohl bekanntestes Werk nach 200 Jahren erstmals im Nordosten zu sehen sein. Warum hat das so lange gedauert?

Das Pommersche Landesmuseum in Greifswald spart nicht mit Superlativen, wenn es um das wohl berühmteste Bild von Caspar David Friedrich (1774-1840) geht, das ab August in der Hansestadt zu sehen sein wird. Die Jubiläumsausstellung zum 250. Geburtstag des am 5. September 1774 in Greifswald geborenen Romantikers warte „mit einem echten Stargast auf“, dem Hauptwerk „Kreidefelsen auf Rügen“, heißt es in der Werbung für die am 18. August beginnende Sonderausstellung. Das weltberühmte Gemälde werde zum ersten Mal überhaupt in Friedrichs Heimatregion ausgestellt. „Ein langersehntes Treffen von Bild und Landschaft nach über 200 Jahren!“

Spannende Geschichte des Bildes

Aber warum hat es zwei Jahrhunderte gedauert, dass das Werk in den Nordosten zurückkehrt? Die spannende Geschichte des Bildes gibt die Antworten. Die heutige Urlauberinsel Rügen galt Ende des 18. Jahrhunderts als „sagenhaft wilde Insel“, schreibt der Friedrich-Biograf Detlef Stapf. Im Sommer 1801 unternahm Friedrich seine ersten beiden Rügen-Reisen, es folgten weitere Wanderungen auf Deutschlands größter Insel. Stapf schätzt, dass in den ersten Jahren einige 100 Blätter, insbesondere Zeichnungen, mit Ansichten der Insel entstanden. „Rügen ist für ihn weniger eine romantische Obsession und mehr die rettende Geschäftsidee.“ Der Fürst zu Putbus und die Prinzessin Marianne von Preußen erwarben mehrere große Sepia-Bilder. Von Anfang an gehörten die Stubbenkammer und Kap Arkona zu den Hauptmotiven von Friedrichs Zeichnungen.

Frühe Darstellungen der Kreidefelsen dienten ihm als Vorlage für die „Kreidefelsen auf Rügen“, das ab 1818 entstand. Im gleichen Zeitraum schuf Friedrich weitere seiner bedeutendsten Werke im Atelier in Dresden: „Der Wanderer über dem Nebelmeer“, „Zwei Männer in Betrachtung des Mondes“, „Auf dem Segler“ und „Klosterfriedhof im Schnee“.

Stapf ordnet diese Werke in die Kategorie Gedächtnisbilder ein, sie würden an den Freund Franz Christian Boll (1776-1818) erinnern. Der Neubrandenburger Pastor war wenige Monate zuvor verstorben. Dementsprechend sieht der Biograf in den drei Figuren Friederike Boll, die Ehefrau des Freundes, den er rechts verortet, sowie sich selbst ängstlich kniend vor dem Abgrund. Andere Friedrich-Forscher interpretieren das Werk als Hochzeitsbild. Am 21. Januar 1818 hatte der Maler die 19 Jahre jüngere Christine Carolina Bommer geheiratet. Sie sei die Frau auf den „Kreidefelsen“, neben Caspar David Friedrich im Zentrum stehe dessen Bruder Christian rechter Hand. Lange Zeit in Friedrichs Besitz.

Friedrich wollte die Bilderserie nicht verkaufen, sondern als „Ausstrahlung einer schönen Seele“ für sich behalten. „In eine Sammlung gehören sie nicht, aber in ein stilles Kämmerlein sind sie auf ihre(m) Platz“, schrieb er zehn Jahre nach der Entstehung des Bildes. Daher dürfte sich die „Kreidefelsen“ lange in seinem Privatbesitz befunden haben. Ob er es noch zu seinen Lebzeiten verkauft hat, als es ihm finanziell immer schlechter ging, oder es seine Nachfahren veräußert haben, liegt im Dunkeln. Das könnte auch damit zu tun haben, dass Friedrichs Werk nach seinem Tod kaum Beachtung fand. „In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts fällt Caspar David Friedrich in der Kunstöffentlichkeit dem Vergessen anheim“, so Stapf. Ausgerechnet ein Norweger, der Kunsthistoriker Andreas Aubert, entdeckte Friedrich und sein Werk Ende des 19. Jahrhunderts wieder. Die öffentliche Anerkennung dokumentierte sich in der Berliner Jahrhundertausstellung 1906, in der der Meister der Romantik mit knapp 100 Bildern vertreten war.

Drei Jahre zuvor waren die „Kreidefelsen auf Rügen“ wieder aufgetaucht. Der Cottbuser Textilfabrikant und Kunstsammler Julius Freund (1869-1941) hatte das Bild in eine Auktion in Berlin gegeben. Freund konzentrierte seine Sammelleidenschaft insbesondere auf das Werk des Malers Carl Blechen (1798-1840). Laut der Publizistin Nathalie Neumann hat Freund aber auch neun Friedrich-Werke aus dem Nachlass der Familie erworben. Als die „Kreidefelsen“ 1903 auftauchten, wurden sie Blechen zugeschrieben, was daran lag, dass auch er durch Rügen-Darstellungen, vornehmlich auch der Stubbenkammer, bekannt wurde. Erst der Kustos der Berliner Nationalgalerie Guido Joseph Kern schrieb die „Kreidefelsen auf Rügen“ 1920 wieder dem wahren Schöpfer Friedrich zu.

1930 verkaufte Freund das Bild an den Schweizer Kunstsammler Oskar Reinhart (1885-1965) für 50.000 Reichsmark, was einer heutigen Kaufkraft von rund 200.000 Euro entspricht. Viele Jahre später schenkte Reinhart seine Sammlung mit mehr als 800 Werken, zu denen auch Gemälde von Courbet, Daumier, Renoir und Cézanne gehören, seiner Heimatstadt Winterthur beziehungsweise der Schweizerischen Eidgenossenschaft. Mittlerweile gibt es in der Stadt zwei Museen, die die Reinhart-Sammlung präsentieren, darunter die „Kreidefelsen auf Rügen“ sowie die „Frau am Strand von Rügen“ (1818), „Landschaft mit Eichen und Jägern“ (1811) von Friedrich.

Leihgabe endlich erreicht

Solche hochkarätigen Werke außerhalb der angestammten Galerie zu zeigen, ist in der Regel schwierig. Die Transport- und insbesondere die Versicherungskosten für den Ausleiher sind immens. Das Pommersche Landesmuseum Greifswald hatte in den vergangenen Jahren bereits mehrere Anläufe unternommen, um die „Kreidefelsen“ leihweise in den Nordosten zu holen, erklärt Pressesprecherin Julia Kruse. „Lange Jahre durfte dieses Bild das Museum Winterthur auf Geheiß des Stifters nicht verlassen. Doch dann entschied die Stiftung sich dazu, das Bild zu ausgewählten Ausstellungen in renommierten Häusern auszuleihen.“

Schon vor dem 240. Geburtstag von Caspar David Friedrich war eine Delegation, unter anderem mit dem damaligen Oberbürgermeister Greifswalds Arthur König (CDU), der Kuratorin Dr. Birte Frenssen und Tobias Woitendorf vom Tourismusverband MV, nach Winterthur gereist. „Dieser Zusammenschluss von Politik, Kultur, Wissenschaft und Tourismus hinterließ Eindruck und schuf einen ersten guten Kontakt, auch wenn eine Reise des Bildes in den Norden noch nicht verwirklicht werden konnte“, sagt Julia Kruse.

2022 habe es in Vorbereitung auf den 250. Geburtstag die Idee gegeben, prominente „Geburtstagsgäste“ nach Greifswald einzuladen, womit auch die „Kreidefelsen auf Rügen“ wieder in den Fokus gerückt seien. Ein „schnöder Brief“ mit der Anfrage in Winterthur schien ungeeignet. Deshalb hätten sich erneut Vertreter von Hansestadt und Museum auf die Reise gemacht. Die Vorpommern und Schweizer einigten sich auf einen Austausch: Das Pommersche Landesmuseum stellte für die große Friedrich-Ausstellung „Caspar David Friedrich und die Vorboten der Romantik“ 2023 in Winterthur Werke aus dem Fundus zur Verfügung. Dafür verleiht Winterthur die „Kreidefelsen auf Rügen“, so Julia Kruse, die die „Großzügigkeit“ des Kunst-Museums Winterthur hervorhebt.

Zunächst in der Nationalgalerie Berlin

Schon seit Dezember 2023 befindet sich das Werk, das als eines der Hauptwerke der Romantik gilt, auf „Deutschlandtournee“. Zusammen mit 60 weiteren Gemälden und etwa 100 Zeichnungen hat es in Hamburg einen Friedrich-Hype ausgelöst. Die am 1. April endende Ausstellung in der Kunsthalle ist seit Wochen ausverkauft. Im Anschluss sind die „Kreidefelsen“ zusammen mit mehr als 100 weiteren Friedrich-Werken bis Anfang August in der Nationalgalerie Berlin zu sehen, danach in Greifswald. Angesichts der zu erwartenden Besucherströme zu den Sonderausstellungen im Friedrich-Jahr hat das Pommersche Landesmuseum schon jetzt seine Öffnungszeiten erweitert. Insbesondere für die „Sehnsuchtsorte“-Ausstellung sei aber eine vorherige Anmeldung ratsam, sagt Julia Kruse. Dann werde auch der Montag als Schließtag gestrichen.

Caspar David Friedrich ist aber nicht nur in seiner Heimat gefragt. So startet im südkoreanischen Seoul im Mai die Ausstellung „Das goldene Zeitalter der deutschen Romantik“, für das Winterthur ebenfalls zwei Leihgaben beisteuert: „Stadt bei Mondaufgang“ (1817) und „Hafen bei Mondschein“ (1811). Das Metropolitan Museum of Art in New York zeigt 2025 mit „Die Seele der Natur“ die erste umfassende Friedrich-Ausstellung in den USA. Die „Kreidefelsen auf Rügen“ reisen nicht über den großen Teich. Sie gehen nach der Ausstellung in Greifswald zurück nach Winterthur.