Bengerstorf

Aus Ortschroniken
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Kenndaten des Orts
Name (heute)Bengerstorf
Regionale Einordnung (heute)
Postleitzahl19258
VerwaltungsamtBoizenburg-Land
LandkreisLudwigslust-Parchim
Zahlen
Einwohner555 (31. Dez. 2015)
KoordinatenBreite: 53.416667 / Länge: 10.85


Bengerstorf ist eine Gemeinde im Landkreis Ludwigslust-Parchim in Mecklenburg-Vorpommern. Sie wird vom Amt Boizenburg-Land mit Sitz in der nicht amtsangehörigen Stadt Boizenburg/Elbe verwaltet. Das Gemeindegebiet gliedert sich in die Ortsteile Klein Bengerstorf, Groß Bengerstorf und Wiebendorf. Keinen Ortsteilstatus haben die Siedlungen Beckendorf, Bretzin, Karrentin, Köterbusch, Rehmen, Saathorst, Steinfurt, Strittkamm und Zölkow.


Geographische Lage

Kurztext nach Quade

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Kurztext zur Gründung

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Bengerstorfer Chronik - Gemeinde Klein Bengerstorf mit den Dörfern Groß Bengerstorf und Klein Bengerstorf von Dieter Greve, Schwerin 1997




B E N G E R S T O R F E R

    C    H    R    O    N    I    K
     
                 
     Gemeinde Klein Bengerstorf
         mit den Dörfern Groß Bengerstorf und Klein Bengerstorf                  




verfasst von Dieter Greve in den Jahren 1996 bis 1997


Vorbemerkungen des Verfassers

Die Beschäftigung mit der Geschichte des Heimatortes ist keine rückwärtsgewandte Tätigkeit. Sie enthält ebenso eine nach vorn gerichtete Komponente. Vielmehr ist für die Gestaltung der Gegenwart und der Zukunft das Wissen um die vergangene Entwicklung notwendig und hilfreich. Es ist das Wissen um das „Woher kommen wir“ und wer gestaltete die Vergangenheit in unserer Heimat, das uns hilft die Entwicklung zu verstehen und diese weiter zu befördern. Das Wissen um die eigene Herkunft und die Herkunft der Mitbewohner unseres Ortes schafft Identität, die uns befähigt, bewusster das künftige Leben in unserem Wirkungskreis zu gestalten. Das ist umso notwendiger als durch den im Laufe des vergangenen Jahrhunderts zunehmend zu beobachtenden Austausch der Bevölkerung viel Wissen um die Vergangenheit verloren geht. Während bis in das 20. Jahrhundert hinein eine ziemlich hohe Stabilität der in Dörfern wohnenden Familien beobachtet werden konnte, ist die Mobilität bereits im 20. Jahrhundert gewachsen. Viele ehemalige Bewohner folgten den besseren Arbeits- und Erwerbsmöglichkeiten in anderen Regionen. Andererseits kamen vermehrt Bürger aus anderen Regionen in die Dörfer. Zu erwähnen ist insbesondere der Bevölkerungszuwachs durch Flucht und Vertreibung aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten aber auch die durch den politischen Willen der DDR-Regierung initiierte Aktion „Industriearbeiter aufs Land“, die die „Nordlandfahrer“ aus den südlichen Bezirken der DDR in die mecklenburgischen Dörfer brachte. Die politische Wende von 1989/90 führte zu weiteren Abwanderungen und Neuansiedlungen. Die Veränderungen betreffen nicht nur die wirtschaftlichen Verhältnisse sondern angefangen von den täglichen Verrichtungen in der Landwirtschaft, der Organisation des dörflichen Zusammenlebens und den Bräuchen bei der Arbeit und beim Feiern, auch die Arbeit allgemein, das Dorfbild, die Sprache, die Schule und vieles Andere.

All das lässt es geboten erscheinen, die Geschichte der Dörfer aufzuschreiben. Das ist umso notwendiger als das Wissen um die erlebte Geschichte des 20. Jahrhunderts immer geringer wird, weil die Sachzeugen den Weg allen Lebens gehen. Da ich selbst prägende Jahre in einer Zeit der noch ziemlich patriarchalischen Verhältnisse im Dorf in der gegenwärtigen Gemeinde Bengerstorf erlebt habe und immer Interesse für die Geschichte hatte, habe ich mich in Abstimmung mit der Bürgermeisterin Frau Hannelore Mahnke entschlossen, diese Chronik zu verfassen. Ich konnte dabei für die 1950er Jahre auf viele eigene Erlebnisse zurück greifen, weil mein Großvater Paul Reusch am Anfang dieses Jahrzehnts Vorsitzender der Gemeindevertretung und in weiteren Gremien aktiv war, so dass ich u.a. viele Botengänge für ihn erledigen musste, aber auch viele Gespräche mithören durfte. Unterstützung habe ich von meiner Mutter Herta Greve, geb. Reusch erfahren, die sich ebenfalls an Vieles erinnerte. Zusätzlich brachten auch Gespräche mit anderen älteren Bewohnern, wie Hermann Behncke, Erich Behnke, Fritz Behrendt, Wilhelm Hagemann, Traute Heiden, geb. Mahnke, Gerhard Marbs, Hartwig Mundt sen., Fritz Rehse, Christa Röther, geb. Rehse und Karl Ludwig von Walsleben der Gemeinde Fakten, die des Aufschreibens wert waren. Andere stellten mir Bilder zur Verfügung. Einen größeren Teil der Bilder habe ich dem Fragment einer Chronik aus DDR-Zeiten (Hermann Rühs) entnehmen können. Besonders erwähnen möchte ich die mir von Frau Hannelore Behncke, geb. Prüß aus dem Nachlass ihres Schwiegervaters des ehemaligen Bürgermeisters Heinrich Behncke zur Verfügung gestellten Unterlagen (Gemeindebuch 1919 bis 1939, und Meldebuch 1919 bis 1944), die mir für die genannten Jahrzehnte viele Fakten geliefert haben. Auch Herrn Frank Wechsler/Hagenow bin ich für die Bereitstellung von Material seiner Grabungen im Bauernhaus der Hufe 14 in Groß Bengerstorf zu Dank verpflichtet. Die eigenen Recherchen im Landeshauptarchiv für die Zeit vom 15. bis zum 19. Jahrhundert sowie im Kreisarchiv für die Zeit von 1950 bis 1970 haben zur Bereicherung mit Fakten beigetragen.

Ich habe versucht, bei Personen, die sich politisch in unterschiedlichen Zeiten sehr engagiert haben, möglichst keine Wertungen vorzunehmen. Dass das nicht in allen Fällen gelingen konnte, wird verständlich sein. Ich hoffe auf das Verständnis der Betroffenen. Es wird auch nicht zu vermeiden gewesen sein, dass ich in der eigenen Wertung der Vorgänge subjektiv geurteilt habe, wie Geschichtsschreibung ohnehin immer nur subjektiv sein kann. Auch dafür hoffe ich auf Verständnis.

Erläuternd sei noch angefügt, dass die zitierten Originaltexte in Kursivschrift, eigene Ausarbeitungen aber in senkrechte Schrift gesetzt wurden.


Dieter Greve



Inhaltsverzeichnis

                                                                                          Seite

1. Die Entstehung unserer Kulturlandschaft 5 2. Die Ursprünge der Besiedelung und erste Erwähnung der Dörfer 5 3. Die Entwicklung der Dörfer im ausgehenden Mittelalter nach den Abgabenregistern 7

Aus den Bede- und Schloßregistern des Amtes Boizenburg 1453 bis 1496 7 Aus den Bede- und Amtsregistern des Amtes Boizenburg 1538 bis 1585 13 Aus Amts- und Kirchenhebungsregistern des Amtes Boizenburg sowie Pachtregistern des Gutes Gresse 1587 bis 1599 23 4. Entwicklungen des 17. und 18. Jahrhunderts entsprechend den Amtsbeschreibungen 28

             Das Schulzenamt								   32	       	 

Höfe und Gebäude 32 Die Dorfformen 33 Viehbestände und Einsaat 33 Weiden und Hutungen. Hirten und Schäfer 34 Dienste der leibeigenen Bauern, landesherrliche und ritterschaftliche Bauern 34 5. Zugehörigkeit zur Pfarre Zahrensdorf 38 6. Streitigkeiten mit den ritterschaftlichen Nachbarn 39 7. Wegeverbindungen und andere Verkehrswege auf den Feldmarken beider Dörfer 40 8. Auf dem Wege zu veränderten bäuerlichen Verhältnissen 42

     Dorfcontracte sichern die Beziehungen zwischen Grundherrschaft und Hauswirten        43
     Erste Büdnerstellen in Bengerstorf                                                   51	
     Unfreie Stellung der Hauswirte und der übrigen Dorfbewohner                          52	

9. Die Einrichtung von Schulen im 18.Jahrhundert 53 10. Die weitere Besetzung des Schulzenamtes in beiden Dörfern 54 11. Die Forstwirtschaft in Bengerstorf 56 12. Das Feuerlöschwesen 57 13. Die Veränderungen in der Landwirtschaft im 19.Jahrhundert 58 Feldmarksregulierungen - Vorläufer der Flurneuordnung 58

       Die unruhigen Kriegsjahre 1806 bis 1813						   60
       Erste Erbpachtstellen in Bengerstorf, Aufhebung der Leibeigenschaft		   61

Beginn der durchgängigen Feldmarksregulierung mit Separation 66

       Der Beginn der Ansiedlung von Häuslern in den Domanialdörfern			   98  
       Das bäuerliche Leben in den Dorfschaften im 19.Jahrhundert			  103 

14. Das Armenwesen in Mecklenburg, Auswirkungen in Bengerstorf 113 15. Entwicklung von Handwerk und Gewerbe 118 16. Die weitere Entwicklung der Schulen 120 17. Das Leben in beiden Dörfern nach dem 1.Weltkrieg 125

       Die Auswirkungen des 1.Weltkrieges auf die Dörfer				  125
       Die Republik stellt die Gemeinden vor neue Aufgaben		      		  125	  
       Finanzhoheit der Gemeinden, Erhebung von Steuern und Abgaben			  129
       Die Gemeinden verwalten ihre Gemeindeländereien					  134
       Veränderungen bei den Hüfnern							  135
       Das Armenwesen unter der Republik						  135
	Aufrechterhaltung eines Hebammenbezirks						  137
	Jagdverpachtung, Fischereiverpachtung in der Schaale				  138
	Die Dörfer werden elektrifiziert						  139		
	Der Bau fester Straßen								  139	
	Beteiligung im Feuerlöschverband, Gründung der freiwilligen Feuerwehr		  142
	Das Kinderheim „Jugendhof“ in Klein Bengerstorf					  144
	Das dörfliche Leben zwischen den beiden Weltkriegen				  145
	Hermann Rähs’ - ein Slüngelstörper Buerndichter					  146
	Bengerstorf unter dem Nationalsozialismus					  148	  	
	Der Zweite Weltkrieg in Bengerstorf						  149
	Die Einwohnerentwicklung in den Dörfern						  151

18. Das Leben in der sowjetischen Besatzungszone und in der DDR 152

     	Der politische Umbruch unter der sowjetischen Besatzungsmacht			  152
       Die Veränderungen in den Dörfern in den Fünfziger Jahren			  154
       Die Entwicklung der Schulen zur sozialistischen Einheitsschule,                   158
       Auflösung der Schulen in Bengerstorf  						  160
     	Die Weiterentwicklung der genossenschaftlichen Landwirtschaft 
               zwischen 1960 und 1989							  162
     	Entwicklungen in der Gemeindeverwaltung						  163
     	Entwicklung der dörflichen Infrastruktur, Zerfall der alten dörflichen Strukturen 163	  	2
     	Das dörfliche Leben zwischen 1945 und 1990					  166

19. Das Leben in der Bundesrepublik Deutschland 168 20. Flurnamen und ihre Bedeutung 170

           Flurnamen in Klein Bengerstorf	                                          170		
                 Flurnamen im Staatsforst Karrentin					  172	          Flurnamen in der Direktorialvermessungskarte aus dem Jahre 1773         173		 
                 Flurnamen aus einem Schlagregister des Jahres 1782			  174
           Flurnamen in Groß Bengerstorf					          175
           Flurnamen in der Direktorialvermessungskarte 1774		                  176		

21. Hufen, Büdnereien, Häuslereien u. a. Hausgrundstücke und ihre Besitzer 177 2

           Groß Bengerstorf,  Hufen                                                      177
                              Büdnereien                                                 192
                              Häuslereien                                                195  
                              weitere Häuser                                             198
           Klein Bengerstorf, Hufen	                                                  199  	                       Büdnereien	                                          208		                       Häuslereien	                                          209
      	                       weitere Häuser 	                                          212

22. Zeittafel 214



Karten, Bilder, Sondertexte und Dokumente: Seite

 5               	Schmettau-Generalkarte (Auszug) 						

31 Carte von dem communen Bauerfelde Großen-Bengerstorff, 1774 31 Carte von dem Commun Dorff Lütten Bengerstorff, 1773 32 Dorf Groß Bengerstorf, 1774 33 Dorf Groß Bengerstorf, 1853 34 Dorf Klein Bengerstorff, 1773 35 Dorf Klein Benge rstorf, 1920 35 Abriß der Schalfahrt, 1587 (Auszug) 38 - 39 Grundriss Hufen 13 und 14 in Groß Bengerstorf) nach BAUMGARTEN 44 - 46 Grabungsbericht im Haus Hufe 14 (Gr.Bengerstorf) von WECHSLER 54 Niederschrift bezüglich der Abgaben der aufgekauften ehemals ritterschaftlichen Bauern, 1785 57 Schmettau-Karte (Auszug) 69 Alte Schule in Groß Bengerstorf 69 Grundriss der alten Schule Kl.Bengerstorf 77 Franzosenfriedhof 78 Die Hufe in Mecklenburg 108 Haus- und Hofbrief für den Hauswirth Franz Mahnke auf dem Gehöfte Nr.12 (Titelblatt)

     114             	Erbpachtbrief der Hufe 12 in Groß Bengerstorf (1.Seite)
     118             	Wiebeking-Karte, 1786 (Auszug) 							    
     119             	Messtischblatt, 1881 (Auszug)							

122 Häuslerei H.14 Klein Bengerstorf

     123             	Grundbrief  H.13 in Kl. Bengerstorf
     124             	Grundriss H.13 in Kl. Bengerstorf     					
     141             	De dode Tippelbrauder 
    142	           	Katen Hufe 4, Lüdemann  in Groß Bengerstorf
    142              		Katen Hufe 14, Dahlenburg/Karrentin
    143              	Grundriss Katen der Hufe 14 in Klein Bengerstorf (Karrentin) 
    148              	Molkerei						
    149		Walkmühlen
    154		Lehrer Ebel mit Schülern, 1903
                     	derselbe, etwa 1908 
    155		Lehrer Vernunft mit Schülern, etwa 1914
    155 		Lehrer Brockmöller mit Schülern, 1920er Jahre
		derselbe, 1930er Jahre
    156		Lehrer Franz Schulz mit Schülern, 1935
    157		Bild mit Schülern in den 30er Jahren
    157		Schule Klein Bengerstorf, 1960
    157		Umbau der Schule, 1932
    159 		Teilnehmer des 1.Weltkrieges						
    172		Jagdhütte in Groß Bengerstorf, etwa 1962
    172 		Jäger in den 1930er Jahren 
    177 	    	Ortsnetzplan der E-Versorgung Klein Bengerstorf, 1924				
    178		Wegebessern in Klein Bengerstorf
    178		Straßenbau „Swienstraat“ Groß Bengerstorf
    179		Verschneiter Postweg in Klein Bengerstorf 1961
    179		Wasserpfützen im Postweg 1961
    181 		Freiwillige Feuerwehr Klein Bengerstorf
    183		Jugendhof (Hufe 15)
    183		Skizze der Gesamtanlage
    185 - 186	Bilder der Gebäude
    189		Erntefest 1926 in Klein Bengerstorf
    190		Erntefest 1926 in Groß Bengerstorf
    190		Erntefest 1934 in Klein Bengerstorf
    191		Erntefestumzug in den 1930er Jahren in Klein Bengerstorf
    191		Reiter in Groß Bengerstorf
    192		Kinderfest in den 1930er Jahren in Klein Bengerstorf
                     ebenso

ebenso 193 Laienspielgruppe in Klein Bengerstorf in den 30er Jahren 193 Kindergeburtstag bei Lehrer F. Schulz 194 Bauernhochzeit Köster (Hu.8, Kl.B.) 1904 194 Häuslerhochzeit Hermann und Anni Burmeister, geb Behm, ca. 1937

     208		Frau Reichert und Herr Schuldt mit Schülern, 1949
     208		Frau und Herr Below mit Schülern, 1951
     208		Lehrer Rüß und Möller mit Schülern, 1967

211 - 217 Zeitungsartikel „Das ist ein Erntekomplex“ usw. 222 BHG-Gelände in Klein Bengerstorf, etwa 1960 223 Wasserleitungsbau in Groß Bengerstorf, 1960 223 Wasserleitungsbau in Klein Bengerstorf, 1968 223 Bau der Bus-Wartehalle in Groß Bengerstorf, 1968 224 Schneesturm, 1969 224 Zerstörte Schaalbrücke, 1969 227 Handballmanschaft „Traktor“ Wiebendorf, etwa 1950 227 Kinderfest, 1950 227 Kinderfest, 1965 228 Erntefest, 1965 229 Bau des Feuerlöschteiches in Groß Bengerstorf, 1957 229 Feuerwehrhaus in Groß Bengerstorf 229 Gemeindehaus und Schlauchturm in Klein Bengerstorf 233 - 234 Flurnamenkarten 235 - 244 Bilder zu besonderen Flurnamen


     246 – 313	Bilder zu Hufen, Büdnereien und Häuslereien


     1. Die Entstehung unserer Kulturlandschaft

Unsere Heimat ist durch die Eiszeit geformt worden. In einer älteren Eiszeit, nämlich im Warthe-Stadium der Saale-Eiszeit, entstanden unter dem lagernden Eis lehmige Grundmoränen. Als sich das Eis zurückzog und dann in der Weichseleiszeit erneut vorstieß, türmten sich die Schuttmassen vor dem Eis zu den großen Endmoränenzügen auf, die sich von Schleswig-Holstein über Mecklenburg bis in die Uckermark erstrecken. Die südliche Endmoräne befindet sich in unserem Raum an den Südenden des Schaalsees, des Dümmer Sees und des Schweriner Sees. Als das Eis abtaute wälzten sich gewaltige Wassermassen zum Urstromtal der Elbe. Auf ihren Bahnen durchschnitten sie die Lehmplateaus der Saale-Eiszeit und schufen auf diese Weise die Täler der Boize, Schaale, Schilde und der oberen Sude (bis etwa Redefin). In diesen Tälern lagerten sie gewaltige Sandmassen ab. Weil in dieser Zeit sich noch keine Pflanzendecke gebildet hatte, konnten die Winde den Sand weit transportieren. So wurden auch die verbliebenen lehmigen Hochflächen noch übersandet. Außerdem war die Versickerung und Erosion der Niederschläge in den noch unbewachsenen Böden sehr stark, so dass zusätzlich Lehmbestandteile fortgeschwemmt wurden. Auf Grund dessen findet man in unserer Heimat sowohl lehmige als auch sandige Hochflächen, sandige Talniederungen, wie das Schaaletal, und auch moorige Bildungen besonders dort, wo in den Tälern ständig das Wasser staute. Auf den sandigen Böden siedelten sich Eichen-Birken-Wälder an, wie wir sie noch heute finden, wo die Wälder durch natürliche Bildung entstanden sind, zum Beispiel die Birkensaat am Weg zur Saathorst. Dort wo ständige Feuchtigkeit vorhanden war, siedelten sich Bruchwälder an, die in erster Linie von Erlen (plattdeutsch Ellern) bestockt waren. Diese Bruchwälder (plattdeutsch Ellerbraucks) finden wir insbesondere in Groß Bengerstorf am Übergang von der Höhe zu den Schaalwiesen, z.B. das Heedenholt (Heidenholz) an der Chaussee zwischen beiden Dörfern. Natürlich wird es auch Buchenbestände gegeben haben, aber nicht in Reinkultur. Sie sind ebenso wie die Kiefernwälder ein Teil der vom Menschen geformten Kulturlandschaft. Unsere Heimat ist eine Landschaft, die sich natürlicherweise immer wieder bewalden wird. Äcker und Wiesen sind ein Produkt der Arbeit des Menschen.


    2. Die Ursprünge der Besiedelung  und erste Erwähnung der Dörfer

Eine Landschaft, die reichlich mit Vegetation und Wasser ausgestattet ist, ist auch für die Tierwelt ein Paradies. Diese Bedingungen haben auch den Menschen bereits in frühen Zeiten gute Lebensbedingungen geboten. Zeugnisse für die frühe Besiedelung in der Bronzezeit, die etwa bis 600 vor der Zeitenwende gedauert hat, sind die reichlich vorhandenen Gräberfelder, z.B. am Voßbarg in Klein Bengerstorf, am Grämsberg und an Gräberkuhl in Groß Bengerstorf sowie die Kegelgräber in Bretzin und im Düstern Busch (siehe dazu auch Hinweise bei den Erläuterungen zu Flurnamen). Die Sage hat sich u.a. der Kegelgräber in Bretzin und im Düstern Busch bemächtigt. In Bretzin soll es eine unterirdische Verbindung zwischen den Gräbern geben. Eines der Bretziner Gräber soll ein Königsgrab sein, in dem sich auch eine goldene Wiege befindet. Im Düstern Busch wurde bei Grabungen nach mündlicher Überlieferung eine Hutnadel ausgegraben. Es wird sich sicher um eine nadelartige Fibel gehandelt haben. Scherbenfunde wurden vielerorts in beiden Feldmarken gemacht. Die früheste Besiedelung ist stammesmäßig nicht mehr zuzuordnen. Es ist aber sicher, dass bis zu dem 6.Jahrhundert unserer Zeitrechnung in unserem Gebiet, dem lüneburgischen, lauenburgischen und westmecklenburgischen Raum die germanischen Langobarden ansässig waren, die im Zuge der Völkerwanderung bis nach Norditalien zogen und dort der Lombardei (um Mailand) ihren Namen gaben. Der Name der Langobarden ist aber auch noch in den Ortsnamen Bardowieck und Barförde (Bardenfurt) zu erkennen.

In das verlassene fast menschenleere Land zogen dann wendische Stämme ein. In dem von den Langobarden verlassenen Gebiet haben sich die Polaben (Anwohner der Labe = Elbe) angesiedelt. Ihr Stammeszentrum und -heiligtum war in Ratzeburg zu finden. Als um die Mitte des 12.Jahrhunderts die deutsche Besiedelung der von den wendischen Polaben bewohnten westmecklenburgischen Gebiete erfolgte, wurde um den Boizenburger Burg- oder Schlossbezirk auch das Land oder die Vogtei Boizenburg gebildet. Dieses später auch Amt genannte Land Boizenburg wird etwa gleichzeitig mit dem 1154 gegründeten Bistum Ratzeburg, zu dem es kirchlich bis zur Durchsetzung der Reformation etwa 1535 gehörte, entstanden sein. In der weltlich-politischen Organisation gehörte es zunächst bis 1203 zur Grafschaft Ratzeburg, dann zur Grafschaft Schwerin und ab 1358 zu Mecklenburg. Erwähnt wird es erstmalig in einer Urkunde aus dem Jahre 1158 als Heinrich der Löwe dem Bischof von Ratzeburg ein Tafelgut "in Boyceneburg Benin" schenkt. Die Ersterwähnung von Bennin ist somit auch die für die Vogtei Boizenburg. Die Dörfer der Vogtei dürften jedoch alle um diese Zeit entstanden sein, wenn sie denn nicht schon vorher als wendische Siedlungen bestanden haben. Ihre Ersterwähnung in Urkunden liegt aber häufig um vieles später. Das Ratzeburger Zehntenlehenregister von 1229/30, in dem viele Dörfer u.a. des Amtes Wittenburg zum ersten Mal urkundlich erwähnt wurden, ist für das Amt Boizenburg nur unvollständig erhalten. Mit Sicherheit sind aber mit ihren Zehntenlehen genannt:

   Zehnten für den Bischof:
        Granzin              24 Hufen
        Nieklitz         	12  -"-
        Klimprow      	  4  -"- (auf der Tüschower Feldmark)
        Niendorf         	  -
        Bahlendorf   	  -
        Karrentin    	  7  -"-
        Dersenow   	  5  -"-
        Zahrensdorf        12 -„- 
        Blücher                4  -„-  
        Lüttenmark          4  -"-
        Leisterförde         4  -"-.

In der Curie (bischöflicher Hof) "Bunserstorpe" sind von 6 Hufen Zehnten an den Bischof zu zahlen. In Übereinstimmung mit dem Mecklenburgischen Urkundenbuch darf man davon ausgehen, dass es sich bei Bunserstorpe um Bengerstorf handelt, da auch kein anderes Dorf mit ähnlichem Namen historisch belegt ist. Damit ist für Bengerstorf und Karrentin die Ersterwähnung 1230 sicher anzunehmen. Interessant ist die Erwähnung einer Curie in Bengerstorf. Es könnte sich um eine der zehn im Mittelalter existenten Curien des Bischofs von Ratzeburg gehandelt haben. Wahrscheinlich werden es nur wenige Hufen oder auch nur eine Hufe in Groß Bengerstorf gewesen sein. Möglich ist es auch, dass der von Archäologen (Bastian) vermutete Turmhügel in Klein Bengerstorf (Garten der Hufe I am Rand der Schaalwiese) einen Wohnturm des bischöflichen Statthalters darstellte. Ausgeschlossen ist aber nicht, dass mit „curia“ allgemein der Hof des Grundherrn, der auch ein weltlicher gewesen sein kann, gemeint war. Über die Zehnten für den Bischof hinaus sind Zehntenlehen für andere Personen in Granzin, Tessin und Gallin sowie zwei weitere nur unvollständig lesbare (der jeweils erste Buchstabe des Namens fehlt) und bisher nicht identifizierte Dörfer erwähnt. Es könnte sich bei ".ebande" um Nebande, das sagengafte Nebein auf der Gemarkung Bennin, handeln und bei ".amnetin" um Gamnetin, verkürzt zu Gamm, um das Vorwerk an der Boize, das 1255 Graf Gunzelin III. an die Bürger zu Boizenburg verkauft hat. Der Name Gamm existiert nach wie vor für die Ausbaugehöfte in Boizenburg, Schwartow und Neu Gülze sowie als Flurname für die zwischen diesen liegenden Flächen. Bennin ist aufgeführt als "freigemacht für den Bischof in Feldern und Wäldern, Weiden und Wiesen, welche Herzog Heinrich (der Löwe) für den Bischof von allen Diensten befreit hat". Die Erwähnung im Landbederegister von 1453 ist für beide Dörfer Bengerstorf, wie für viele Dörfer des Landes Boizenburg, die erste umfangreichere Erwähnung mit Nennung der die Bede (Steuer) zahlenden Hufeninhaber. In den Schloss-, Amts- und Landbederegistern des Amtes Boizenburg für die Jahre 1458 bis 1468 wird in Nostorf ein Cossat oder Kother (Kätner) Hinrik Benger genannt, der Pacht und Landbede (Steuer) an das Amt zu zahlen hatte. Ein Mann dieses Namens, der vielleicht aus Bengen, südwestlich von Bonn stammte, wird das Dorf Bengerstorf gegründet haben. Das von diesem gegründete Dorf wird Groß Bengerstorf gewesen sein. Darauf deuten mehrere Tatsachen hin. Zum einen findet sich auf der Feldmark von Groß Bengerstorf der Flurname "Bengers Winkel Rieh". Zum anderen wird Klein Bengerstorf im Landbederegister von 1453 als "Villa Averschalschen Bengerstorp" (das über die Schaale liegende Bengerstorf) und Groß Bengerstorf als "Villa Bengerstorp" bezeichnet, was darauf hindeutet, dass Groß Bengerstorf das eigentliche Bengerstorf war, während in Klein Bengerstorf die wahrscheinlich schon länger bestehende wendische Siedlung zu sehen sein wird. Villa steht im Lateinischen für Dorf. Zum dritten wurden als Namenszusätze im allgemeinen für die deutschen Gründungen Groß und für die wendischen Dörfer Klein verwendet. Die Namenszusätze Groß und Klein werden in den Registern erstmalig 1462 benutzt. Zudem ist in Groß Bengerstorf der Ackerboden der bessere, was auch auf die deutsche Gründung hinweist.

Die Dorfstruktur der Gründungszeit hat sich in Groß Bengerstorf in der heutigen Lindenstraße und der Dorfstraße noch recht gut erhalten. Die Fachliteratur beschreibt es als ein so genanntes Sackplatzdorf, das seine weitgehend geschlossene aufgeweitete Seite der Schaale zugewendet hat. Das Kennzeichen von Sackdörfern ist aber, dass nur ein Weg in das Dorf führt. Das traf wohl für Klein nicht aber für Groß Bengerstorf zu, in das auf Grund seiner geographischen Lage immer drei Wege, nämlich aus Beckendorf/Granzin, aus Bennin und aus Bretzin hineingeführt haben. Es handelt sich um ein kleines Angerdorf mit Dreiecksanger, während Klein Bengerstorf ein mit seinem geschlossenen Ende der Schaale zugewendeten Sackgassendorf war, bestehend aus der heutigen Dorfstraße. Dieses ist jedoch auf Grund der vielen durch die Schaffung von Ausbaugehöften im Zuge der Regulierung der Feldmark verlagerten Höfe nicht mehr deutlich erkennbar. Außerdem bestand zwischen beiden Bengerstorf ursprünglich keine direkte Wegeverbindung, so dass eine größere Geschlossenheit beider Dörfer gerade am sackförmigen Ende gegeben war.

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