Chronik des Galopprennsports in Doberan:
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- 1793: Doberan wird herzogliche Sommerresidenz; Gründung des ersten deutschen Seebades "Am Heiligen Damm" bei Doberan durch Herzog Friedrich Franz I. von Mecklenburg-Schwerin
- 1804: Erste Pferderennen der Badegesellschaft auf freiem Feld zwischen Doberan und Heiligendamm
- 10.08.1807 Rückkehr des Herzogs nach Doberan aus dem durch die napoleonische Besetzung weiter Teile Deutschlands erzwungenen, siebenmonatigen Exil im dänischen Altona; Empfang des Herzogs durch die Bevölkerung mit Reitvorführungen in Reddelich bei Doberan
- 1815: Friedrich Franz I. wird durch den Wiener Kongreß zum Großherzog von Mecklenburg-Schwerin; Fürst Blücher läßt sich die Rückgabe des berühmten Hengstes "Herodot", der von Napoleon in Mecklenburg requiriert worden war, von Frankreich schriftlich zusichern.
- 08.07.1822: Die Einwohner bereiten dem Erbgroßherzog Paul Friedrich und seiner jungen Gemahlin Alexandrine, einer preußischen Prinzessin, einen triumphalen Empfang in der Sommerresidenz Doberan
- 10.08.1822: Erstes Galopprennen mit Vollblutpferden auf der Doberaner Rennbahn nach festen Regeln; Sieger: Wilhelm von Biel mit "Pamina"; den Preis in Form eines silbernen Zierbechers überreicht Erbgroßherzogin Alexandrine; fortan finden jährlich mit dem Preis eines vergoldeten Silberbechers sowie eines Silberbechers zwei "Alexandrinenrennen" statt; es handelt sich damit wahrscheinlich um die ältesten klassischen Vollblut-Galopprennen auf dem europäischen Kontinent
- 13.08.1822: Gründung des "Doberaner Rennverein"; Präsident wird Erbgroßherzog Paul Friedrich; als Wappentier wählt man den englischen Hengst "Highflyer"
- 10.02.1823: Bestätigung der Renngesetze für den Doberaner Rennverein durch Großherzog Friedrich Franz I.; Festlegung, daß der jeweils erste Renntag der 13. August zu sein und mit einem "Bauernrennen" für Pferde der Landbevölkerung zu beginnen hat; der Doberaner Rennverein wird damit vermutlich zum ersten Sportverein in Deutschland mit offizieller fürstlicher / behördlicher Sanktionierung
- 1826: Stiftung des "Friedrich-Franz-Rennens" um die "Goldene Peitsche" des Doberaner Rennvereins; das Rennen wird mit geringfügigen Unterbrechungen bis 1936 durchgeführt; erster Sieger war 1826 Graf von Plessen-Ivenack mit dem 6-jährigen braunen Wallach "Typhon", letzter Sieger 1936 das Gestüt Ebbesloh mit dem 3-jährigen braunen Hengst "Norddeich"
- 1837: Stiftung des "Paul-Friedrich-Rennens" um die "Goldene Peitsche" des Doberaner Rennvereins; das Rennen wird mit geringfügigen Unterbrechungen bis 1934 durchgeführt; erster Sieger war 1837 Graf von Plessen-Ivenack mit dem 3-jährigen braunen Hengst "Fright", letzter Sieger 1934 Graf Wuthenau mit der 2-jährigen schwarzen Stute "Rheinwacht"
- 1827/28: Bau einer Zuschauertribüne aus Holz, belegt durch den Engländer James Apperley-Beaurepaire
- ca. ab 1830: Anlage einer Steeple-Chase-Bahn nach englischem Vorbild auf und angrenzend an das Doberaner Rennbahngelände
- 1854: Ersatz der Zuschauertribüne von 1827/28 durch eine Größere mit Steinfundamenten und Holzaufbau im Stil der sog. Bäderarchitektur und einer Kapazität von 400 Zuschauern
- 1872: 50 Jahre Doberaner Rennverein; die 69-jährige Großherzogin-Mutter Alexandrine als erste Stifterin eines klassischen Galopprennpreises in Europa sowie der erste Sieger dieses Rennens von 1822, Wilhelm von Biel, wohnen den Jubiläumsfeiern bei; alle 50 bisher als Preise von Alexandrine ausgehändigten "Alexandrinenbecher" sind gemäß Überlieferung auf der Rennbahn ausgestellt
- 1874: Der Sieger des "Deutschen Derbys" von 1872, der Hengst "Hymenaeus", siegt im "Friedrich-Franz- Rennen" um die goldene Peitsche
- 1876: Die Stute Kincsem siegt im 50-jährigen Jubiläum des "Friedrich-Franz- Rennens" um die goldene Peitsche
- 1886: Nach Fertigstellung der Eisenbahnstrecke Rostock - Doberan - Wismar im Jahr 1883 wird 1886 eine Schmalspurbahnstrecke Doberan - Heiligendamm mit Haltestelle an der Rennbahn gebaut. Das erleichtert den Transport der Pferde zur und von der Rennbahn erheblich. Die Strecke ist heute noch mit Dampflokomotiven in Betrieb.
- 1890: Bau einer neuen, massiven Zuschauertribüne mit Funktionsräumen (Waage, Umkleide, Buffet usw.)
- 1915-1921: Bedingt durch den Ersten Weltkrieg und die politischen sowie wirtschaftlichen Nachkriegswirren keine Galopprennen in Doberan
- 1921: Doberan erhält den Namenszusatz "Bad" u.a. in Vorbereitung der Jubiläumsfeier des deutschen Turfs "100 Jahre Galopprennsport in Deutschland - Vollblutzucht in Mecklenburg"
- 1922: 100 Jahre Doberaner Rennverein; mehrtägige Jubiläumsrennen in Bad Doberan
- 1923: Von Inflation mit einhergehender Vernichtung des Rennvereinsvermögens erzwungener Verzicht auf das Durchführen von Galopprennen; Herzog Adolf Friedrich von Mecklenburg-Schwerin wird Präsident des Doberaner Rennvereins und unterstützt ihn finanziell
- 1926: 100 Jahre "Friedrich-Franz-Rennen", was im Rahmen von mehrtägigen Galopprenntagen gefeiert wird
- 25.07.1927: Reichspräsident von Hindenburg (Zitat Doberaner Tageblatt: "Unser Vater Hindenburg") unter großer Anteilnahme der Bevölkerung zu Gast bei den Galopprenntagen in Doberan
- 1928: Die Atlantikflieger Köhl und von Hünefeld bieten vor einer großen Zuschauerzahl auf der Rennbahn eine Flugvorführung und landen dort
- 1931: Nutzung des Geläufs für ein vom ADAC veranstaltetes Grasbahn-Motorradrennen; wegen zu hoher Schäden am Geläuf bleibt dies eine Episode
- 1939: Letzter Galopprenntag vor dem Zweiten Weltkrieg; das Rennbahngelände wird Ausweichflugplatz der deutschen Luftwaffe
- 1940/43: "Doberan in Karlshorst" - Durchführung einiger Jagd- und Flachrennen auf der Rennbahn in Berlin-Karlshorst durch den Doberaner Rennverein
- 03.06.1945: Sowjetische Armee veranstaltet vier Wochen nach Ende des Zweiten Weltkrieges erste Galopprennen auf der Doberaner Rennbahn, jedoch ohne Wiederholung
- 1946/47: In einem strengen Winter Verheizen der hölzernen Tribünenteile durch Rote Armee, Flüchtlinge und örtliche Bevölkerung; Abriß der massiven Tribünenteile und Nutzung als Baumaterial andernorts
- 1954: Pläne zum Wiederaufbau einer Zuschauertribüne durch Architekt Elbrecht; aus Kostengründen vom Rat der Stadt Bad Doberan nicht weiterverfolgt
- 1956/62: Jährlich ein "Bauernrenntag" für Halb- und Warmblutpferde auf der Doberaner Rennbahn
- 1963: Motorradrennen auf der Doberaner Rennbahn
- 1964: Rennbahngelände wird in landwirtschaftliche Nutzung genommen; ein Teil wird Bauschuttdeponie
- 1991: Gründung des "Doberaner Rennverein e.V. von 1822"; erster Vorsitzender wird der Bürgermeister Bad Doberans, Berno Grzech, verantwortlich für den Galopprennsport wird das Vorstandsmitglied und vom Direktorium für Vollblutzucht und Rennen mit der Wiedervereinigung des deutschen Galopprennsports beauftragte Hans-Heinrich von Loeper
- 07.08.1993: Im Rahmen der Jubiläumsfeier "200 Jahre Seebad Heiligendamm" erster Galopprenntag mit Vollblutpferden seit dem Zweiten Weltkrieg auf der Doberaner Rennbahn vor ca. 12.000 Zuschauern und mit reger Anteilnahme von Presse, Funk und Fernsehen
- 1997: "175 Jahre Galopprennsport in Deutschland" werden an fünf Renntagen u.a. mit einem Festakt im Kurhaus Heiligendamm unter Teilnahme von Honoratioren aus der Politik und dem deutschen Galopp- rennsport in Bad Doberan gefeiert; die Festrede hält Altbundespräsident Walter Scheel.
- 1998: Stiftung der "Goldenen Peitsche des Doberaner Rennvereins" als Ehrenpreis eines Vollblut- Galopprennens sowie des "Manfred-Breda-Rennens" für eines der Bauernrennen eingedenk der Verdienste des Leiters des Gutes Vorder Bollhagen, Manfred Breda, bei Wiederanlage der Galopprennbahn 1991 bis 1993
- 1998/99: Auf Druck der Stadtvertreter entledigt sich die Stadt Bad Doberan der Pflicht zur Unterhaltung des in ihrem Eigentum stehenden Rennbahngeländes, indem sie es an den Doberaner Rennverein e.V. von 1822 verpachtet.
- Quellen: Archiv Doberaner Rennverein e.V. von 1822/ Archiv Städtisches Museum Bad Doberan/H. G. Studemund "Doberan wie es war und ist vom Jahr 1186 bis 1833 incl. kurz überschauet" (Landeshauptarchiv, Schwerin)/"175 Jahre Galopprennsport in Bad Doberan - Vollblutzucht in Deutschland" (Edition Temmen Bremen / Rostock 1997)/Arnim Basche "Geschichte des Pferdes" (Sigloch Edition, Künzelsau)
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Glossar zur Chronik des Galopprennsports in Doberan:
- Alexandrinenrennen/Alexandrinenbecher: Alexandrine war die Tochter des preußischen Königs Friedrich Wilhelm III. und dessen Gemahlin Königin Luise, geborene Prinzessin von Mecklenburg-Strelitz. Sie heiratete am 25. Mai 1822 den Erbgroßherzog Paul Friedrich von Mecklenburg-Schwerin und wurde zur Förderin der Vollblutzucht und des Galopprennsports in Mecklenburg. Bereits zum ersten Galopprennen in Doberan am 10. August 1822 überreichte sie dem Sieger Wilhelm von Biel einen silbernen Prunkbecher als Preis. Danach fanden alljährlich zwei Alexandrinenrennen statt. Der Sieger des ersten Alexandrinenrennens erhielt einen vergoldeten Silberbecher und der Sieger des zweiten Alexandrinenrennens einen Silberbecher, jeweils mit eingravierten Daten. Somit handelt es sich bei den Alexandrinenrennen um die ersten klassischen Rennen zumindest in Deutschland, wenn nicht europaweit. Der berühmte preußische Baumeister Karl Friedrich Schinkel entwarf die ursprüngliche Form des Alexandrinenbechers; die Ausführung erfolgte durch den Goldschmied des Preußischen Hofes in Berlin, Johann George Hossauer. Die Form des Alexandrinenbechers änderte sich im Laufe der Zeit entsprechend dem jeweiligen Zeitgeschmack.
- Apperley-Beaurepaire, James: James Apperley war englischer Herrenreiter, verkehrte in höchsten Kreisen der dortigen Vollblutzucht und besuchte im Jahr 1828 Deutschland. Eine wichtige Station dabei war Doberan, wo er als Jockey/Herrenreiter ein Rennen gewann. In einem lebhaften Reisebericht schildert er seine Eindrücke und gibt dabei auch eine Beschreibung des Geläufs sowie der kurz zuvor entstandenen Holztribüne auf der Doberaner Rennbahn.
- Bauernrennen: Das Bestreben des Großherzogs Friedrich Franz I. und seiner Berater, die Qualität der in Mecklenburg gezüchteten Pferde als unverzichtbares Arbeitsmittel in Armee und Landwirtschaft zu sichern und möglichst zu heben, führte 1823 zu dem Beschluß, alljährlich im Rahmen der Doberaner Renntage "Bauernrennen" durchzuführen. Dabei handelte es sich um Galopprennen für Halb- und Warmblutpferde, die den Bauern der Region gehörten. Die Tradition der "Bauernrennen" ist untrennbar mit dem Galoppsport in Doberan verbunden und sichert gestern wie heute dem Ostseemeeting ein tiefes Verankern im Bewußtsein der regionalen Bevölkerung. Für das Jahr 1833 ist von Studemund am 13. August belegt "...Rennen der Landleute. Es liefen 123 Pferde in 12 Abtheilungen. Eine gelbe Stute des Schulzen Hardder aus Rukieten erhielt den Hauptpreis von 20 Fr d'or und eine Peitsche." Heute finden während der Renntage meist zwei Bauernrennen mit insgesamt 20 bis 25 Startern statt.
- Biel, Wilhelm von: Gottlieb und sein Bruder Wilhelm von Biel, gemeinsam mit ihrem Geschäftsfreund Friedrich Pogge, waren Vorreiter der Vollblutzucht in Mecklenburg und unterhielten enge Verbindungen nach England. Aber auch die Grafen Plessen auf Ivenack, die Grafen Hahn-Basedow, die Grafen Bassewitz-Prebberede, die Grafen Moltke-Wolde sowie die Familien von Oertzen und von Maltzahn machten sich um die Vollblutzucht in Mecklenburg verdient. Die Doberaner Siegerlisten der Jahre 1822 ff. werden von vorgenannten Familien dominiert.
- Deutsches Derby: Englischem Vorbild folgend wird ab 1869 in Hamburg-Horn am ersten Sonntag im Juli das "Deutsche Derby" als Zucht- und Leistungsprüfung der besten dreijährigen Vollblüter abgehalten. Erster Derbysieger war der Hengst Investment, der dem Mecklenburger Ulrich von Oertzen gehörte. Trainer und Jockey von Investment waren die Engländer Bateman und Little.
- Grzech, Berno: Erster, 1990 demokratisch gewählter, hauptamtlicher Bürgermeister Bad Doberans nach Zusammenbruch der "DDR". Entwickelte Visionen für ein Wiederbeleben der Galopprennen einschließlich des Neubaus einer Tribüne und unterstützte die Anlage der galoppsportlichen Infrastruktur auf der stadteigenen Rennbahn nach besten Kräften. 1991 zum Vorsitzenden des neugegründeten "Doberaner Rennverein e.V. von 1822" gewählt. 1996 von der Kommunalaufsicht als Bürgermeister maßgeblich mit dem Argument vorzeitig abberufen, er habe bei der Neuanlage der Galopprennbahn mit städtischen Finanzmitteln gegen Hauptpflichten eines Bürgermeisters verstoßen.
- Herodot: Apfelschimmel vermutlich nicht ganz reinen Vollbluts, der keine Rennen lief, aber ein prächtiger Vererber im Gestüt der Grafen Plessen-Ivenack war; Herodots Nachkommen siegten serienweise. Napoleon sandte 1806 eigens eine Schwadron mit der Order nach Mecklenburg, Herodot und die übrigen Hengste und Stuten von Ivenack für die französische Armee und die Pferdezucht zu requirieren. Man versteckte den Hengst in einer der tausendjährigen Eichen Ivenacks. Als Herodot seine Stuten witterte, die von den Franzosen in der Nähe vorbeigetrieben wurden, wieherte er und verriet damit sein Versteck. Fürst Blücher, 1814 gemeinsam mit dem englischen General Wellington Sieger über Napoleon bei Waterloo / Belle Alliance, erzwang von Frankreich 1815 im Rahmen des Wiener Kongresses, Herodot an die Grafen Plessen-Ivenack zurückzugeben. Der Hengst starb im Alter von 35 Jahren im Gestüt Ivenack und soll an einer der dortigen Eichen begraben worden sein.
- Highflyer: Berühmter englischer Hengst, geboren 1774 und fünfjährig als Rennpferd angeblich ungeschlagen in die Zucht gegangen. Er gelangte bereits früh in den Besitz des legendären Pferdehändlers und -auktionators Richard Tattersall, der u.a. mit den von Highflyererzielten Geldpreisen sein Geschäft ausbaute. Sowohl die englische als auch die deutsche Vollblutzucht sind von Highflyer stark beeinflußt worden. Es wird vermutet, daß der Doberaner Rennverein zu seinem Wappentier gelangte, weil die Familie von Biel als eine der treibenden Kräfte der Vollblutzucht in Mecklenburg freundschaftliche Verbindungen zur Familie Tattersall pflegte.
- Kincsem: Die Stute Kincsem aus dem ungarischen Nationalgestüt Kisber gewann zweijährig 1876 das Doberaner "Friedrich-Franz-Rennen". Kincsem "...war möglicherweise das perfekteste Rennpferd der Turfgeschichte. Die Wunderstute gewann alle 54 Rennen, in denen sie als Zwei-, Drei-, Vier- und Fünfjährige aufgeboten wurde..." (Arnim Basche, "Geschichte des Pferdes")
- Schmalspurbahn "Molli": Die Schmalspurbahn wird noch heute mit Dampflokomotiven und fahrplanmäßig betrieben. Als "Mecklenburgische Bäderbahn Molli" ist sie Touristenattraktion und verbindet den Bahnhof von Bad Doberan mit den Ostseebädern Heiligendamm und Kühlungsborn. Zu den Doberaner Renntagen hält der "Molli" auch an der Rennbahn.
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