Arbeitsordner Neue Heidegeschichten
- NHG
"Noch ein paar Geschichte(n) aus der Rostocker Heide
Ein Wort voran
Aus frühesten Zeiten
- Untertitel - Geschichten von Feuersteinen und Amuletten über Saxo, König Erik, Dänenburg bis Hansezeit
- Burgen und Hafen in der Heide
Graal-Müritz
Todte beschwören.
(NHG) ? Das fürstliche Amt, welches jetzt in Ribnitz ist, war früher in Hirschburg. Damals fungirte in Hirschburg ein Candidat, welcher die Kunst verstand, Geister zu citiren. Einmal wollte derselbe die zwölf Apostel citiren. Als er bereits drei herangelesen hatte, da sagte der dritte, welcher Petrus war ›Ich ruhe nun schon viele Jahrhunderte in der Erde; warum störst du meine Ruhe?‹ Da hielt der Candidat für diesmal mit dem Citiren inne. – Um diese Zeit starben einem Bauer in Dänschenburg zwei Töchter, worüber der Vater sich viel grämte und späterhin den Wunsch hegte, die Kinder noch einmal sehen zu können. Als er dies dem Candidaten mittheilte, machte derselbe um sich und den Bauer einen Kreis und fing an zu lesen. Da erschienen die beiden Töchter. Sie hatten sich beide an der Hand gefaßt und sahen so recht bös aus. Nachdem der Bauer sie genugsam beschaut, las der Candidat sie wieder weg. Der Bauer aber hat darauf geäußert, er verlange die Kinder in diesem Leben nie wieder zu sehen. Lehrer Schwartz nach Mittheilung der Weberfrau Thiel in Klockenhagen.
Der Schatzwächter von Graal.
Im Mühlenberge von Graal liegt ein großer Schatz verborgen, der von einem riesigen schwarzen Hunde gehütet wird. Er kann zur mitternächtlichen Stunde nur von solchen Leuten gehoben werden, die lautlos ihre Arbeit machen. Einst stiegen zwei Sucher nach saurem Graben und Schaufeln auf einen großen Topf voll schimmernder Goldstücke Schon griffen sie gierig darnach. Da erschien plötzlich der unheimliche Wächter. Unwillkürlich schrei einer der Männer laut auf. Jetzt verschwand der Topf mit den herrlichen Dingen auf Nimmerwiedersehen in der Tiefe. (Karl Krambeer 1927)
- Jungbrunnen
(NHG)
Vor der Reformation unterhielt das Klarissenkloster Ribnitz, zu dem ja auch der Müritzer Klosterhof gehörte, enge Beziehungen nach Dänemark, die nicht selten in engen verwandschaftlichen Verhältnissen der Konventualinnen begründet waren. Dazu erzählt der Volksmund: "Als der Müritzer Klosterhof dänisch war, brachte man aus Dänemark oft schwangere, unkeusche junge Mädchen in den Klosterhof, damals noch abseits in der Einöde. Bald darauf kehrten sie als Jungfrauen wieder in ihre Heimat zurück. Man sprach davon, das es viele "Dänen" in Müritz gäbe. Erzählt von Klaus Witt 1997
Aus schlechten alten Zeiten
- Untertitel - Wie die Warnemünder entmündigt wurden
- Eine Zarin aus der Heide
1584 Die Hexe Trina Benckens
Geschichten rund um den Willershäger Landkrug - Der Mord an Tagelöhner Boldt
NHG
Im kalten Januar des Jahres 1812 suchten acht Ribnitzer Bürger einen Vermissten zwischen Ribnitz und Rostock, dabei vor allem im Waldgebiet unweit westlich von Willershagen. Gesuchter Tagelöhner Boldt war dort im Landkrug zwei Tage zuvor zuletzt gesehen worden. Seine Familie befürchtete bereits Schlimmstes, denn er hatte längst wieder zu Hause sein müssen. Und sie sollte recht bekommen. "Vom Eingang des Dorfes nach Rostock hin, von hier von einer Entfernung von 1200 Schritt, in die rechter Hand gelegene Holzung, etwa so wie man es abmaß, 72 Schritte vom Landwege ab, entdeckte man den Vermissten brutal ermordet." Man fand dass die Stelle im Umkreise ganz mit Blut bedeckt war. Man sucht zwar hier und in dem nächst gelegenen Umkreise, ob sich noch Spuren finden möchten, die mit diesem Morde in Verbindung ständen; allein man konnte nichts finden, und es war dies auch wegen des gefallenen Schnees nicht möglich." In Akten des Rostocker Stadtarchivs finden sich Obduktionsbericht, Zeugenaussagen und Zeitungsannoncen in denen das grausige Geschehen festgehalten ist. Der Tagelöhner Boldt galt als unbescholtener Mann, hatte eine Frau und mit ihr vier schon erwachsene Kinder. Zwei von den drei Söhnen fuhren zur See, Boldts Tochter und ihr jüngerer Bruder mussten die Leiche des Vaters identifizieren. Sie erkannten ihn an Gesicht und Kleidung. In den Taschen fand man unter anderem einen leeren ledernen Geldbeutel. Über den Hergang bis zum Auffinden des Toten wurde Folgendes festgehalten. Boldt hatte den Auftrag von Ribnitz aus eine Kuh zum Schlachter Simon Krumbiegel nach Rostock zu führen. Das heißt, er sollte sie nach Möglichkeit im Willershäger Landkrug an Crumbiegel übergeben, der wiederum gleich bezahlen wollte. Zu allem Unglück entlief das Tier - sein Schicksal wohl ahnend - dem Boldt unterwegs ein paar mal. Einige nette Leute halfen ihm immer wieder, den Ausreißer einzufangen. Ein Bote des Schlachters wartete indes über die vereinbarte Zeit hinaus geduldig auf das Eintreffen von Tier und Führer. Es war ja ein Sonntag. Endlich kamen beide ganz entkräftet an. So geschah dann also der Waren- und Geldtausch gegen Mittag im Willershäger Wirtshaus. Zeuge Lorenz, Bruder des Wirts, sagte aus: "Boldt war über die Güte des Geldes ungewiß, zeigte es also dem anwesenden Husaren Deithmann und beruhigte sich nur dann dabey, als dieser ihm versicherte, es sey gut. Boldt trank noch einige Gläser Branntwein bey uns und ging darauf um halb 2 Uhr wieder zurück. Außer mir, dem genannten Deithmann, dem bemerkten Bothen war nochm der gute Levin aus Ribnitz, ein alter Mann mit schiefen Füßen, Peters aus Rövershagen und unser Dienstmädchen und endlich noch ein fremder Franzose, Joseph, außer einem anderen französischen Soldaten zugegen." Die Ribnitzer Familie wußte ja von dem inzwischen gelungenen Geschäft zunächst nichts und beruhigte sich, als das Familienoberhaupt am Dienstag noch nicht da war, damit, dass der Vater mit der Kuh wohl bis nach Rostock hat traben müssen. Aber auch der Ribnitzer Auftraggeber, Besitzer der Kuh, wurde unruhig und ritt am Dienstag nach Rostock zum Schlachter. Von dieserm erfuhr er nun, dass die Übergabeschon zwei Tage zuvor stattgefunden hatte. Schon auf dem Rückritt von Rostock nach Ribnitz, die Land- und Waldwege benutzend, fand der Tierhalter Hut und Mütze des Tagelöhners Boldt. Nun waren alle in Sorge, und die umfangreiche Suche begann. Im Obduktionsprotokoll des Arztes heißt es unter anderem: "Wir finden ihn auf Stroh liegend, bekleidet, aber das Beinkleid gleich zugeknöpft bis auf die Knien heruntergezogen, so wie er gefunden worden. Nachdem er auf einen Tisch an hellen ort gebracht, ihm seine vier Jacken samt des Hemdes und dem Halstuch, welches alles mit vielem Blut befleckt war, vom Leibe gezogen, ergeben sich äußere Data: "Der ganze Körper war gefroren. An der rechten Schläfe war eine Wunde 1 Zoll lang. schräg Zoll tief. 1-2 Zoll unter dem Kinn zeigte sich eine zwei Zoll breit klaffende Wunde, die in die Tiefe bis auf die Halswirbel drang. An der rechten Seite 5 Zoll vom Brustbein auf der 5ten Ribbe sah man eine Zoll lange, stark geschnittene Wunde. In der linken Hand am 1ten, 2ten und 3ten Finger sah man starke Schnitte in einer Richtung, die bis in die Sehne drangen." "Daß der Unglückliche durch den Schnitt am Halse sein Leben verlohren habe; und das er durchaus und das er durchaus von einer anderen Persohn mörderischer Weise ums Leben gebracht worden sey." Auch weitere Umstände wie der "gute Gesundheitszustand", der Fundort der Leiche, das geraubte Geld und "das eigene zusammengeschlagene blutleere Messer in seiner linken Tasche der untern Jacke" sprachen für eine Ermordung. Der mehrseitige Bericht endete mit den Unterschriften der Ärzte, Dr. Crull und G. Mühlenbruch. Die etwa zehn Zeugen des Tauschgeschäfts aus dem Willershäger Landkrug wurden peinlich genau befragt. Einige schienen wirklich verdächtig, allerdings konnten alle ein Alibi glaubhaft machen. Letztendlich schließt die Akte ergebnislos mit einer Annonce: "Mecklenburg-Schwerinsche Anzeigen, Mittwochen, den 11ten März 1812: ...I. Am 19ten (Januar) ist in der Willershäger Hölzung, diesseits des Dorfs Willershagen, unweit der Landstraße, der Tagelöhner Boldt aus Ribnitz Nachmittags zwischen 1 und 3 Uhr, ermordet und seines aus etwa 18 Rthlr. bestehenden Geldvorrats beeraubt. Da wir, der genauesten Untersuchung ungeachtet, dem Mörder bis jetzt nicht so haben auf die Spur kommen können, so offeriren wir dem eine Belohnung von 100 Rthlr., der bey Unterschriebenem so sichere Nachrichten angeben kann, daß wir des Thäters habhaft werden und ihn des Verbrechens überführen können; und wird sein Name auf etwaiges Verlangen sicher verschwiegen bleiben." Offensichtlich führte auch dieser Aufruf nicht zum Erfolg und der Mord blieb am Ende ungesühnt.
Das älteste erhaltene Kirchenbuch Mecklenburgs stammt aus Rövershagen
Es befindet sich im Rostocker Ratsarchiv. Pastor Johann Gryse zeichnet darin kirchliche Ereignisse in der Zeit von 1580 bis 1605 auf.
älteste Dorfansicht von Rövershagen auf der Lust´schen Reiterkarte von 1696
älteste Dorfansicht von Rövershagen auf der Lust´schen Reiterkarte von 1696
Das Kirchdorf Rövershagen, 12 Kilometer östlich von Rostock am Eingang zur Heide gelegen, wird 1305 zuerst in den Urkunden erwähnt. Ehemals aus Ober-, Mittel- und Niederhagen bestehend, bildete es mit den zugehörigen Heideortschaften und Wohnstätten die einzige Landgemeinde unter der Schutzherrschaft der Stadt Rostock und soll ursprünglich eine Filiale von St. Marien gewesen sein. Seine Kirche, die vielfach baulich verändert worden, entstammt dem Anfang des 14. Jahrhunderts. die Tafel mit dem Pastorenverzeichnis hinter dem Altar nennt als zweiten Pfarrherrn M. Johann Griese (Gryse), und ihm verdanken wir ein altes Kirchenbuch, das er während seiner Amtszeit, 1580-1605, mit großer Sorgfalt geführt hat.
Griese war Rostocker und kam vermutlich 1579 nach Rövershagen, nachdem er in Sanskow in Pommern verschiedener, nicht bekannter Ursachen wegen seines Amtes entsetzt war. Er war mehrmals verheiratet und wir wissen von sieben Kindern, drei Söhnen und vier Töchtern. von den am ersten Advent 1580 geborenen Sohn Adam, dessen Mutter die Rostockerin Anna Bonsack war, erzählt der Vater 1596 voll Stolz: "Mynn Szöene Adam hefft ihnn III Jahren dhe Bibell 6 mael dorch gelesen, III maell de Latinsche unde III maell dhe Dudesche, alle dage ihnn eyner ideen 8 Capitell. Geendeth ihm havengeschrevenn Jahr, dhen 18. Septembris, Szonnavendes vhor dhem 15. Szondage post Trinitatis."
Rövershäger Leben als lebendiges Kulturbild
Er entwirft in seinem Kirchenbuch ein überaus anschauliches Kulturbild seiner Zeit, denn er beschränkt sich nicht auf Eintragung seiner Amtshandlungen, sondern alles, was ihn und seine Gemeinde bewegt, findet Beachtung. Er hat im ganzen 329 Taufen, 281 Beerdigungen und 87 Trauungen vollzogen. Von den alten Familien leben die Suhr, Hoff und Peters heute noch im Dorf, auch Nachkommen und Verwandte der Keding und Borgwardt.
Von der Taufe
Die Kinder pflegen noch nicht, wie die Kirchenordnung von 1602 vorschreibt, bis zum dritten Tag nach der Geburt getauft zu werden, sondern nach acht oder auch zehn Tagen. Sie haben meist fünf Gevattern und erhalten nur einen Namen. Besondere Beachtung schenkt der Pastor den 1601 geborenen Drillingen eines Gräbers im Moor, aber leider bleibt keins von den Kindern am Leben.
Von der Bestattung
Die Beerdigungen finden gewöhnlich schon am Tage nach dem Tode statt. Wir hören von plötzlichem Sterben durch Seuchen und Unfälle. Ergreifend ist das Schicksal des Harmen Burmeister, Schafhirt zu Oberhagen, der 1597 Frau und 7 Kinder an der Pest verliert. In den drei Krügen des Dorfes, von denen die beiden "bhi dher Kercken" und "bhi dhem Landwege" schon 1305 errichtet werden, kosten Unbeherrschtheit in Trunk und Spiel manches Opfer. Die uralte Sitte, den Getöteten als den Hauptkläger selbst vor Gericht zu bringen, herrscht noch, denn "dhe levendige" wird "bhi dhem dhodenn vhor dath Recht gebracht".
Landsknechte überfallen das Dorf
Am 6. November 1601, kurz vor Abend, zieht ein Trupp Landsknechte raubend und plündernd durch Volkenshagen. Hans Schade meldet es in Rövershagen, die Sturmglocke wird geläutet, und etliche Einwohner eilen den Nachbarn zu Hilfe. Mehrere Landsknechte werden verwundet und drei Leute getötet: Ein Landsknecht, ein Volkenshäger und Chim Westvall (Chim = Joachim) aus Rövershagen, der nach dem geltenden Recht mit den andern in Volkenshagen beerdigt wird. Griese setzt hinzu: "Dhen alße eyner gelevet hefft, sho ihs ock gemeinlich sinn Ende."
Trabant des Dänenkönigs beigesetzt
Fast zwei Monate vorher muß er einen Trabanten des jungen Königs von Dänemark zu Grabe bringen, der verunglückt als das Königspaar mit drei Schiffen, angeblich um der Pest zu entfliehen am Moore vor Anker liegt. Er schreibt: "Ihs desße Dode ihnn eynem finen nienn Szarcke ahngeschlagenn to wather bhi dem Moere, Bavenn dath Szarck ihs eyne leddige tunne gebundenn, welcker dath szarck ihm water havenn geholden. Up dhem Szarcke ihs mith Rotstene ein Crutze gemaketh, mith volgender schrifft: Königlicher Maiesteth Dravante Hinrich vhann Hildenßen, up dhem Schepe vhann dher Spelle dodt geschlagenn. Up dath Szarck sßind ok II Daler ihnn eynem plunde vasth genegelt gewest. Dhenn eynenn daler hefft dhe paster, kosther unde vorstender uhnn alles vhor dhe beerdige und Klocken bekamenn, dhenn andern daler hefft dath volck vordrunckenn, dath eynn tho grave gebracht, ihs ok Christlich beerdigeth wordenn,"
Kirchenzucht
Kirchenzucht wird geübt. Claus Wullenböeker, der "godt loße Gadesvorgeter" wird 1593 "ahne ßinenth unde klingenth" begraben, aber auf Fürsprache erhält er doch einen Platz auf dem Kirchhof und nicht an der Mauer.
Jagd für die Hochzeit des Bürgermeistersohns
Der Tod vieler namhafter Rostocker wird berichtet, aber auch frohe Ereignisse aus der Stadt, z.B. die "reiche koste" bei der Vermählung des Bürgermeistersohns Hermann Lemke mit Dr. Markus Luschows Tochter, für die zwei Wochen lang in der Heide gejagt und außer Hasen und Rehen vier stattliche Hirsche erlegt worden sind.
Entwicklung des Kirchspiels
Häufig enthält das Kirchenbuch Eintragungen über bauliche Veränderungen. 1593 wird der "Predigstuell" von Meister Blasius Auer aus Rostock hergestellt. Die Gesamtkosten belaufen sich auf fast 30 fl. (Gulden), die etwa zur Hälfte aus den Beiträgen aller Berteiligten, im übrigen aus dem Kirchenvermögen bestritten werden. Bei dieser Gelegenheit kann der Pastor es sich nicht versagen mitzuteilen, wie tatkräftig er im Kirchspiel gewirkt hat "ihn erbuwing der wedem (Pfarrhaus), Schune, Backhus, Szod und Hackelwerk (Umzäunung), Item ihn dher Kercken, dhen Predigstuell unde dhe andernn stöele, item beide Dörer vhor denn Kerckhoff" und schließt daran den Wunsch: "Myne Nakömlinge mögenn my iho (stets)thor Danckbarheid gnade davor wunschenn unde biddn van Gnade unde myner ock sunsth vor dhenn Mynschenn ihn allem besthen gedencken." - Der Bau des Pfarrhauses, das in seinen ältesten Teilen bis 1870 bestanden hat, beginnt schon 1580. zur Scheune steuert Griese 1589 selbst bei durch Lieferung einer Tonne Bier zum Richtfest und einer Vimme (Ladung) Stroh zum Dach. Fast 40 Jahre später wird sein Sohn und Nachfolger im Dreißigjährigen Krieg von Haus und Hof vertrieben. Von Interesse ist die Bemerkung aus dem Jahre 1589: "Ihnn desßen kamer ihs ok tho Rostock dhe stuve thorm tho S. Jacop affgenamen unnd dath Spitzkenn ßamt eyner nienn stundekloken wedder upgeßetteth." Allerlei Anschaffungen werden gemacht. 1586 erwirbt man in Rövershagen wie in den umliegenden Gemeinden auf Befehl des Herzogs Ulrich vier Bücher für zusammen 8 fl. (Gulden), 4 ß (Schilling) lübsch, nämlich die Bibel und Luthers Hauspostille in deutscher Sprache, die Konkordienformel und ein Buch von den Sakramenten.
Grieses persönliche Verhältnisse
In demselben Jahr bereitet Griese seinere Frau zu Weihnachten eine Freude mit einem neuen Pelz und sich selbst mit einem langen Studierrock. Sehr vertraut ist er mit den wirthschaftlichen Verhältnissen. Auf Pferdezucht wird viel Wert gelegt. Ausführlich berichtet er von den Fällen, die seine Möder (Stuten) "Sterneke" und "Bruneke" zur Welt bringen. Seinem Schwiegersohn Peter Kock überläßt er im ersten Jahr der Ehe mit dem Brautschatz einen jungen Hengst "Sterneberch". Hart trifft es ihn, als 1592 seine größte und beste Stute "Plummeke", die ihm "vhor XX daler nicht veill whaas", und die alle Pferde in Rövershagen übertrifft, erkrankt und stirbt. Als Kind seiner Zeit gibt er dem Gerücht Raum, sie können ihm "uth affgunsth affgetovert (abgezaubert)" sein.
Bösewichte im Dorf
Bösewichte gibt es freilich im Dorf. Mit Genugtuung stellt Griese 1589 fest, das "Hans Plathe, de grothe vorwegenn Schalck tho Rostock ihnn dhenn Thorm geßettet", weil er nach vielen andern Uebeltaten am Osterdienstag während des Gottesdienstes Chim Westvall auf dem Wedenhofe ein Huhn totgeschossen und unter Beistand seines Bruders Benedikt eine Schlägerei begonnen. Sollte die Strafe Erfolg gehabt haben, oder ist der spätere Küster, den des Pastors Tochter Regina im nächsten Jahr ehelicht, ein Namensbruder jenes Benedikt Plate? Wiederholt werden Schädigungen durch Naturgewalten vermerkt, durch Stürme und Ueberschwemmungen, starken Frost, heftiges Gewitter und Feuersbrünste.
Amtsübergabe
Im Frühjahr 1605 entschließt sich der wohl mehr als 70jährige auf mehrfaches Bitten seines Sohnes Daniel, der schon einige Jahre mit seiner Familie auf der Pfarre gelebt hat, diesem sein Amt abzutreten. Von väterlicher Liebe zeugen die letzten Worte des Buches: "Geve ehm untze Godt gelucke altze He idt ahn my ßer woll vorschuldeth unde vordenth hefft, ßampt etlichemandern ßinenn Confortenn, Amenn."
Hexe Gretke Jessen (Hexengeschichten
10. August 1584. Gretke Jessen bekennt, sie habe zaubern gelernt von dem Papen zu Blankenhagen. Ein Satanas, Jenneke, ward ihr zugewiesen, wie ein schwarzer Hund, die Füße wie Hundsfüße, Hände wie Kuhpfoten, mit Klauen. Sie fuhr auf Blocksberg auf einem Besen mit den Worten: Auf und darvon in der dufel nahmen. [Kategorie: Hexe]
Aus Rostocker Niedergerichtsakten übertragen
"19. August 1584. Trina Benckens bekandt, wen sie ein geböthet, darauf ›unsteden‹ gewesen, so spreche sie: Drei möteden, drey böteden, der ein ist der vatter, der ander ist der sohn, der dritte wer der heilig geist. Wenn sie den Kindern den halß gezogen, so hette sie gesagt: Nein stich stedeloß, nein kindt vaderloß, sondern der heilig Cerst allein. Wenn sie den lebendigen wurm gebötet, so hette sie gesagt: der wurme sind 9, den blaen und grawen, den ecken, den stecken, den kellen, den schwellen, den riden, den spliten, den lopen und rondenden, du schalt dith blueth nicht suegen, diße knaken nicht gnaen, die sehnen nicht thanen, dein angel schal in diesem fleische stilstahn alß ich hab in mutterleib gestahn, und hette drumb geschlagen zehr und knobbelock. Wenn sie den zagen wegk gewiset, so hette sie gesagt: Diß fleischk solstu nicht bißen, diese knaken solstu nicht gnagen, dein munth sol stil sthan alß Christus am creutze stundt; und wen ers im munde gehebt, so hette sie gesagt: Die hillige viff wunden segen dir das alß aus dem munde. Auf Blocksberg sei sie auf einem Ziegenbock geritten mit den Worten: auf und davon und nergens an, auf und der nedder, umb der dritten stundt hir wedder. Auf dem Berge wäre ein Teich, drin stunde mitten ein roth mummelcken bloth, und wenn man das herauskriegen könnte, ›so muste der düfel drauf kein thunt mehr haben‹. Sie hätten nach der lulcken pfeiffe getanzt. Ferner habe sie den Satan gebadet, dazu Wasser gegen den Strom gefüllt, er sah aus wie ein Kind, der eine Fuß wie ein Gänsefuß, der andre wie eine Ochsenklaue, an den Händen hatte er Krowel. Einem habe sie ein goeth vor die Thür gegossen, ihm dann aber wieder gebötet und hatte gesagt: der gennig, der die es gethan, der benehm es dir wieder in der düfel nahmen und führe es in abgrundt der hellen. – Be- kandt, das sie Meister Clauessen dem zimmerman zugesagt, er solte bei seinem dienste zu Warnemünde wol pleiben, und sie hette ihm derenthalben gelehret, das er des morgens die hende waschen solte und sagen: Ich nehme wasser auf meine hende: Gott und die ware werde hillig lichnam kome my zu hulpe an meinem lesten ende. ich sach blöden 3 gesellen in allen seinen wapen, das alle meine viende schlapen und wesen doff und blindt. Solchs hette sie ihm wol vor 1/2 stige Ihar geleret, und er hette ihr wol ein par kannen bier davor gegeben. – Bekandt, das ein edelman ungefer vor 6 jaren zu sie gekommen und rath bei sie gesucht, das er verdorrete und verquene, den ehr hette ein krügersche verdacht, das ihm solchs angethan, den ehr ihr tochter beschlapen; do hette dies weib gesagt: Die Krügersche hette erde auß seinem fuethsparen genommen und in den Ramen gehenget und gedroget, nun solte ehr wieder erde nehmen auß der Krügerschen fuethsporen in aller † namen und in den rock hengen, so soltes dem weib bestahn und ihm vorgahn, davor hette ihr der eddelman gegeben 21 sch. lbs. Bekandt, das sie Hans Sauren zum Roverßhagen im Uberhagen, wen man nach Ribnitz zicht an die lincke handt, den pferden die füße gewaschen auf den donnerstag in aller düfel nahmen, das dieselbigen wieder gedien solten, die Quaiar hetten ihr das wasser gebracht, darnach hette Hans Saure das wasser bei einen dorenbuschk gegossen, die davon verdorret bei dem Sekenhause. – Sie habe einem Pferd, ›so twerschlaget gewesen‹, mit einem neuen Besen über den Leib gefegt, in aller † namen, und es wäre wieder aufgestanden. – Sie habe den Pferden Salz und Brod übergeworfen und den Satanas davon in Abgrund der Hellen gewiesen. – Endlich, das sie Peter Lüchten ein Poth zugerichtet, den er unter den sül vor der hußthür gegraben, das er guden dege krigen und sein broth wol verkeuffen solte."
( NHG 02 )
1593 - 1821 Die "Schweinevorsteher" - zwischen "Bürgerschweinen" und "fremden Schweinen"
Ab 1675 taucht in Rövershäger Akten immer wieder der Begriff "Vorsteher" im Zusammenhang mit der dortigen Schweinehaltung auf.
Vier mit diesem Amt versehene Rövershäger Bauern hatten zu beurteilen, wieviel Schweine zur Eichen- und Buchenmast jährlich in die Heide getrieben werden durften. Der Ertrag an Eicheln und Bucheckern war ehr verschieden. Manunterschied nach dem Gelde, daas der Besitzer an die Stadt Rostock zu zahlen hatte, zwischen Bürgerschweinen und fremden Schweine. Den Bürgern von Rostock, deren Weidegeld bedeutend niedriger war, als das der fürstlichen oder ritterschaftlichen Untertanen, waren die Bauern der Stadtdörfer gleichgestellt. Freischweine, für die kein Mastgeld bezahlt werden brauchte, hatten die Bürgermeister der Stadt Rostock, die Pfarrer an den vie Hauptkirchen, der Schreiber des Gewetts. Das Gewett war die Behörde, der die Rostocker Heide und die Stadtdörfer unterstanden. Freischweine hatten weiter die beiden Heidevögte (je 2), der Schulze von Rövershagen (3), die vier Bauern, denen die Beaufsichtigung der Mast oblag (je 1), vier Hirten (je 2) und der Pastor von Rövershagen (5 Schweine). Lange Register über die Einnahme an Mastgeld liegen im Rostocker Archiv und zeigen, daß in guten Jahren auchSchweine von jenseits der Warnow in die Mast getrieben wurden. Heute ist nklar, wie man aus diesen hunderten von Schweinen am Ende die eigenen wieder herausfand. Mit einer einfachen Kerbe im Ohr war es da wohl nicht getan. Erst im Jahre 1821 wurde die Schweinemast auf betreiben des Forstinspektors Becker in den Waldungen der Rostocker Heide endgültig abgeschafft. 1791 - 1844 Industrieschule und erste Dorfbibliothek Mecklenburgs
Im Jahre 1791 übernimmt der bis heute berühmte Forstmann Hermann Friedrich Becker die Verwaltung der Rostocker Forsten als Forstinspektor in Rövershagen. Die Zustände in diesem Dorf beschreibt er damals so:
„Es gibt in diesem Ort 25 Einliegerfamilien. Sie hausen in langen Strohdachkaten. Diese Katen stecken voller Menschen, jede Einliegerfamilie hat ein ganzes oder halbes Dutzend Kinder. Die Bettelei ist in den letzten Jahren zu einer wahren Landplage geworden. Die Dorfschaft wurde von Landstreichern geplagt wie der Hund von Flöhen.“
Senator Dr. Schröder, enger Freund Beckers, hatte für die Hansestadt Rostock eine Armenordnung durchgesetzt und eine private Armenanstalt eingerichtet. Die Landstreicher kamen ins Werkhaus und mußten ihr Brot verdienen. Wer den Bettlern fortan etwas gab, machte sich strafbar. Der Rövershäger Forstinspektor eiferte ihm nunmehr auf dem Lande nach, gründete eine ländliche Armenanstalt und ließ bei jeder Bettelei drastisch eingreifen. In der folgenden Zeit lauerten dem Forstmann wiederholt Landstreicher auf, die sich für die Verfolgungen rächen wollten, aber Becker als guter Schütze vermochte es stets, sich ihrer zu erwehren.
Im Jahre 1798 verbündete er sich mit dem Pastor des Ortes und richtete zwei Industrieschulen ein. In seinem schriftlichen Nachlaß findet sich dazu folgende Bemerkung:
„Aber ich versuche, den armen Leuten auf meine Art zu helfen, sie herauszureißen aus ihrem Stumpfsinn. Was tun die Männer nach Feierabend? Sie rauchen schlechten Tobak, verpesten damit die Luft der engen Stube und schlafen ein. Mit den Frauen und Mädchen ist es nicht viel besser. Kaum eine versteht einen guten Faden zu spinnen. Sie machen es so wie ihre Mutter, die es auch nicht verstand. Da habe ich nun für die armen Rövershäger Kinder zwei Industrieschulen eingerichtet, eine für Knaben, welche im Flechten und Holzpantoffel machen, später auch in der Leineweberei und Holzschnitzerei unterwiesen werden, und eine für Mädchen, denen man das Nähen, Stricken und Spinnen beibringt.
Ich habe mir das zum Muster genommen, was im Halleschen Waisenhause erprobt wird und was kürzlich ein gewisser Pestalozzi in der Schweiz eingerichtet hat.“ Jahre später, 1844, richtete der bereits pensionierte Becker in Rövershagen die erste öffentliche Dorfbibliothek Mecklenburgs ein.
Beim Rostocker Rat erntete er dafür nur wenig Verständnis.“ ( HG 87 )
1806 - 1813 Franzosenzeit in Rövershagen
"Das Dorf hat in der Franzosenzeit auch sehr stark herhalten müssen. Mitunter mit sehr viel Einquartierung belegt und großen Sorgen wegen der Verpflegung ausgesetzt. Ein großer Trupp Franzosen hatte hier lange Zeit Quartier. Auf der Hufe Nr.5 lag ein Oberst in Quartier. Hinter dem Garten von dieser Hufe war Dreesch, zu Hufe 6 gehörend, und wurde benutzt als Truppenübungsplatz. Hufe 7 hatte eine große Stube, und sie benutzten die Franzosen als Tanzlokal. Es wurde sehr viel getanzt. ( NHG )
Verschmähte Speise
In einer Kammer dieser Hufe hatte ein Kompagnie-Schuster seine Arbeitsstelle. Dieser Mensch war nie mit seinem Essen zufrieden. Mein Urgroßvater (Claus Jacob Suhr) war damals Besitzer und beschwerte sich bei dem Oberst auf Hufe 5. Er sagte zu ihm er müsse ihm den Schuster abnehmen, denn der Mensch sei mit nichts zufrieden. Das Fleisch, welches sowieso schon knapp sei, werfe er aus dem Fenster. Der Hund passe schon immer auf, um es aufzufressen. Wenn ihm dieser Mensch nicht abgenommen würde, so könnte eines Tages etwas passieren, ganz gleich, welche Folgen es nachher geben würde. Der Schuster bleibt, auch geht das Fleisch den gewohnten Gang. Mein Urgroßvater, ein vierschrötiger Mann, langt sich den Schuster her und haut ihn windelweich. Der Schuster wird ihm abgenommen, ohne nachteilige Folgen. Auf der Hufe 3 war ein Hauptmann in Quartiere. Der damalige Besitzer hat ein sehr hübsches Pferd, daß sich gut reiten läßt. Der Hauptmann benutzt es sehr viel. Eines Tages will er wieder reiten, und der Knecht führt ihm ein anderes Pferd vor. Der Franzose ist mißtrauisch und sagt: "Ist es sicher, sonst nimm dich in acht." Der Knecht sagt: "Es geht gut! Der Ritt beginnt, das Pferd zeigt sich guter Laune, aber nur kurze Zeit, und der Reiter liegt am Boden. Der Knecht, der wußte, wie es kommen würde, ist in den Wald verschwunden. ( NHG )
Vergebliche Werbung
Auf dem Gute Niederhagen, das zu Rövershagen gehört, lag auch ein Oberst. Daselbst warf ein junger, ganz gewandter Knecht, den der Oberst gern als Burschen haben wollte. Der Knecht hatte aber keine Lust. Eines guten Tages verhandelt der Oberst wieder mit ihm und will ihn mit Gewalt zwingen. Der Knecht läuft weg. :Der Oberst hat ihn fast erreicht. Einen großen Graben, der in den Wald geht, benutzt der Knecht und springt immer hin- und herüber. Auf diese Art und Weise erreicht der Knecht einen kleinen Vorsprung und gewinnt den Wald mit einer kleinen Anhöhe. Der Oberst gibt sein Spiel noch nicht verloren, steigt vom Pferd und verhandelt wiedere: "Werde mein Bursche, du sollst es gut bei mir haben." Der Knecht zeigt sich schon etwas zugänglicher, und der Oberst denkt er habe gewonnen. Aber zu früh. Der Oberst klettert die Anhöhe hinauf, und die günstige Gelegenheit benutzend, greift der Knecht in seinen Busen, wo er ein kleines Handbeil versteckt hatte, und schlägt den Oberst vor den Kopf. Der Knecht namens Bröckert, ist gerettet, verschwindet im Wald. Der Oberst ist betäubt. ( NHG )
1809 Der Zug nach Stralsund
Gleich nachdem sind die Franzosen abgerückt nach Stralsund. Kurz vor dem Abrücken wollten sie noch die jungen Männer aus dem Dorfe mitnehmen. Diese hatten schon Lunte gerochen und waren im Wald verschwunden. Meinen Großvater und noch einen jungen Mann haben sie geschnappt und mitgenommen. Bei Stralsund hat mein Großvater das Glück gehabt, zu fliehen, und ist zu Hause angelangt. Der andere junge Mann ist verschollen. wie die Franzosen fort waren, mußte Rövershagen noch Nachschub leisten an Lebensmitteln und so weiter. Das Dorf war ausgesogen und nichts mehr zu haben. Mit Mühe und Not wurde etwas Geld gesammelt und in einer anderen Gegend aufgekauft und geliefert.
Ein französischer Soldat der Einquartierung hat oftmals gesagt, wenn des Abends die Sonne unterging und am Himmel erschienen lange rote Striche: Diese Striche verfolgen uns stets und sind die Ruten, womit wir noch einmal geschlagen werden.
Als die Franzosen nach Stralsund zogen, mußten sämtliche Fuhrwerksbesitzer Bagage fahren. Wenn die Pferde flau wurden und konnten nicht mehr, so bekamen die Fahrer Schläge, und es ging weiter. Auf einem großen Gute in der Nähe Stralsunds wurde Quartier bezogen. Die Pferde kamen in den großen Stall, wo ein großer Querbaum vorgelegt wurde. Die französischen Wachen sind übermüdet und liegen im festen Schlaf. Die Fahrer beratschlagen und werden sich einig: Es mag kommen wie es will, diese Nacht müssen wir entfliehen. Der Riegel ist ein gewaltiges Hindernis, aber die Tür ist hoch. Vor den Riegel wird soviel Dung gepackt, und mit Mühe, Angst und Not kriegen sie alle Pferde heraus und entladen die Wagen. Die Wachen werden nichts gewahr, sie sind zu müde. Nun ist alles so weit in Ordnung, aber den Weg, den sie gekommen sind, können sie der Sicherheit halber vorläufig nicht benutzen. Auch hierin finden sie Rat. einer der Fahrer hat früher auf diesem Gute gedient und weiß genau Bescheid. Ein großer langer Roggenschlag nimmt die Fuhrwerke auf, und vorsichtig geht die Fahrt vorwärts. Am Ende des Roggenschlags fließt ein Bach. Eine Furt ist vorhanden, alle kommen glücklich durch und gewinnen allmählich den richtigen Weg. Nun geht es im schnellen Trab, solange die Pferde es aushalten können, heimwärts. Alle sind glücklich zu Hause wieder angelangt.
Diese Erzählungen stammen von meiner Großmutter und anderen alten Leuten aus Rövershagen. für deren Erzählungen hatte ich in meiner Jugend großes Interesse. :Inzwischen bin ich ein alter Mann, 1861 geboren.
Heinrich Suhr, Bauer in Rövershagen (gestorben 25.November 1936, 75 Jahre alt) ( NHG )
Von der „Rövershäger Schweineordnung“ 1819 zum Verbot der Waldweide
Die langjährigen Bemühungen des Forstinspektors Becker nach Abschaffung der Waldweide, die im Interesse einer ungehinderten Aufforstung unumgänglich wurde, trafen auf wenig Gegenliebe bei Pächtern, Einliegern der Heidedörfer und Teilen der Rostocker Bürgerschaft. Die Bewohner der Dörfer hatten stets den Standortvorteil des nahe gelegenen Waldes genutzt. Insbesondere die Schweine zur Eichelmast in die Waldungen zu treiben. Ein zusätzlicher Konflikt bahnte sich 1819 an, als auf Betreiben des Forstinspektors auf einer Sitzung des städtischen Heidedepartements am 10. April 1819 folgender Beschluß gefaßt wurde:
„Da durch das freie Umherlaufen der Schweine in den Dörfern der Rostocker Heide manche Unordnung entstanden, auch Zäune und Gräben beschädigt worden, so wird zur Abstellung solchen Unfugs für die Zukunft hierdurch verordnet und festgesetzt:
1. Es darf kein Einwohner der Heideortschaften seine Schweine im Ort frei umherlaufen lassen.
2. Für ein jedes dennoch betroffene und eingefangene Schwein hat der Eigenthümer desselben neben dem Ersatz der Futterkosten und des etwa veranlaßten Schadens ein Pfandgeld von 4 Schillingen zu erlegen, dessen eine Hälfte an den zum Pfänder angenommenen Armenvoigt Peters, zur anderen Hälfte an die Rövershäger Armenkasse abgegeben werden soll.“
Dieser von den städtischen Behörden auch als „Schweineordnung“ bezeichnete Beschluß scheint aber zunächst kaum befolgt worden zu sein, denn nach zweieinhalb Jahren sah sich Becker am 15. November 1821 zu folgender erneuter Klage und Aufforderung zu verschärften Maßnahmen veranlaßt: „Da die hiesigen Hausleute ihre Schweine, die während der Herbst- und Winterzeit nicht mehr von der Hufe gehen, frei im Dorf herumlaufen lassen, und dadurch nicht nur die Gräben, welche die Stadt mit beträchtlichen Kosten hat aufziehen lassen, nachgewühlet, die angepflanzten Bäume, Zäune und Befriedungen niedergeworfen und Saaten und Weiden leiden,so kann ich nicht umhin , diesen Unfug anzuzeigen und darum zu bitten, dem Schulzen aufzugeben, diesem Unfug ein Ende zu bereiten und den Hausleuten bei namhafter Strafe anzudeuten, ihre Schweine ohne Hirten nicht von ihren Hofställen zu lassen.“ Die Behörden in Rostock reagierten relativ rasch und bestellten zum 27. November 1821 den Rövershäger Schulzen Hoff nach Rostock. Laut überliefertem Protokoll der vom Rostocker Senator Steinbeck geleiteten Unterredung glaubte Hoff, „Daß dem Übel abgeholfen werden könne, wenn jedem Hausmann soviel Material zu Pfählen und Buschwerk verabreicht werde, als zur Umzäunung eines Schweinehofes nötig sei.“
Dieser Vorschlag wurde jedoch strikt mit dem Hinweis abgelehnt, „daß wenigstens jetzt auf eine vermehrte Holzverabreichung nicht zu rechnen sei, und somit ein jeder schuldig sei, seine Schweine ohne dies in freier Hofwehr zu halten und es jedem selbst überlassen bleiben müsse, Mittel aufzufinden, wie dieses nach den Verhältnissen seines Hofes geschehen könne.“
Der Dorfschulze wurde in die Pflicht genommen, allen Einwohnern in Rövershagen bekannt zu machen , „daß der Besitzer eines jeden außerhalb der Hofwehr gefundenen Schweins eine Strafe von 16 Schillingen genommen werden sollte.“ Ne „wohrhaftige“ Späukgeschicht beläwt un vertellt von Richard Suhr
Dor, wur sick in Rövershagen nu dei Graaler Schossee von dei Rostock-Stralsunder aftwält, liggt ein urolles Buernhus. Kein Wunner, wenn’t son’n bäten duknackt dorsteiht, denn dat dreggt jo ok all dei Last von vierhunnert Johr up siene Stänners. För mi ist’ aewer dat schönste in’n Dörp, denn hier bün ick buren un tagen, un aewer sienen Süll güngen mien Vörfohren Johrhunnerte lang in gauden un slichten Dagen. Hüt is dei Hauw in anner Hän’n, aewer ümmer, wenn ick up dei Dörchreis mienen Heimaturt krüzen dau, nähm ick noch fix ‘n Ogvull von mien Weigenstäd mit, wenn ick dor aewer tau Besäuk bünn, denn möt ick dor ümmer ‘n Tiedlang stillstahn, un väle bunte Biller ut mien Kinnertied trecken an mien Seel vöraewer. Dat duert aewer ümmer gor nich lang’, denn trädt ein Bild scharp in’n Vördergrund, un dat is dei verflixte Späukelabend, den’n ick dor as lütt Jung sülben mit biläwen müßt.
Vadder harr ne frische Hauw in’n Dörp aewernahmen, un Großvadder bewirtschaftete noch einige Johren dei olle. Wiel ick nu so’n lütten Vertog von mien Grotöllern wier, blef ick up dei olle behacken. Wur wier dat aewer ok einmal schön, vörut in dei Schummerstun’n, wenn Grotmudder spünn un Grotvadder Geschichten vertellen ded. Wenn in’n Harwst dei Storm üm dei Uhlenfast hulte, wenn dei Rägen an dei Ruten kloetern ded, wenn in’n Winter Snei vör alle Dören leg, denn stünn ick in Grotvadder sienen Pannerstall un läste em jedes Wurt von’n Mun’n af. Dei Waur treckte denn in’n Sneidräwel vorbi, Jäger Hinz, dei sick in dei Heier (Heide) dotschaten harr, kem up sienen Schimmel ut dei Dannenschonung tau rieden un verfierte dei Holtarbeiters, Jäger Brandt, den’n vör Johrhunnerte dei will Bier terräten harr, steg ut sien einsam Graw weder rut, dei Klatthamel, dei up dei Buerwischen ümgüng, würd dörch dei Heierjungs erlöst, un wat süß noch alls „as nix Gaudes“ ümgüng, stellte mi Grotvadder wohrhaftig un läwig in dei Dönz rin. Ick wüßt tauletzt all ümmer wat kem, wenn Grotvadder sienen Mund upmaken ded, aewer dat wier doch ümmer wedder nie un schön. So seten wi einmal wedder in’n späten Harwst in dei lütt niedrig Dönz. Grotmudder spünn so flietig as ümmer, un Grotvadder vertellte. Dat wier dissen Abend all lat worden, Grotvadder, dei all lang’ giern unner dei gries Gaus krapen wier, luerte noch up den’n Snieder Chrischan Stier, dei em tau einen niegen Antog Maat nähmen wull. Up Chrischan wier aewer nich recht Verlaat. Hei sükte „an’n drögen Swamm in dei Bost“ un müßte den’n von Tied tau Tied eins düchtig anfuchten. Säker harr hei sick diersen Abend wedder eins in’n Kraug, dei ‘n bäten utbugt leg, vör Anker smäten. Eigentlich harr sick Großvadder aewerhaupt mit em vertürnt. In dei schräben Dörpgesetzen stünn dat nich in, aewer dat wier so Aewerlieferung von öllings her, dat dei Snieder von jedes Tüg tau’n Antog soväl affsnieden künn, as tau ein West hüren ded, un dei Kun’n müßten sick bi den’n Inkop mit dat Maat dorup inrichten. Nu harr hei von den’n Antog, den’n hei Grotvadder verläden Johr makt harr, Tüg för twei Westen affsnäden, un Grotvadder sien Kittel un Büx wieren man bannig hündlich utfollen. Dei Arms un dei Beins wieren väl tau kort, un Großvadder wier mächtig in dei Braß geraden un schüll up den’n verdammten Snieder, dei em tau’n Spektakel un Peijatz för dat ganze Dörp mackt harr. Wiel hei von Natur ut aewer siehr gaudmäudig wier, let hei sick doch weder von den’n Snieder begäuschen, as dei en säd, hei wull em gegenaewer för alle Tieden up sien Extradeputat verzichten, un hei brukte nie nich wedder miehr Tüg köpen, as hei grad bruken ded. Grad, as hei sienen Arger aewer den’n Snieder siene Untauverlat Luft maken ded, swunkt dor buten wat vör dei Finstern aewer. Dat künn blot Chrischan sien, denn hei güng an Krücken un wier soans an sienen Gang gaud tau ken’n. Chrischan kem ok glieks in dei Dönz. As Grotvadder em dei Lex verhürt harr, nehm hei em Maat un wiel son’n bäten dick Luft wier, hüll hei sick gor nich wieder up. Grotvadder wull noch eins in’t Wäder kieken, un soans geben wi beiden em dat Leit bet vör dei Dör. Dat wier ein ganz schattig Wäder. Dagelang harr dat egal weg rägent, un in dei Dörpstraat, denn dunntaumalen wier dei Graaler Schossee noch nich, wier gor nich tau grün’n. Hart an dei Hoffstädt, up son’n lütten Anbarg, leg dei Kirchhoff, aewer den’n dei Lüd bi slicht Wäder ümmer raewergüngen. Dei Kirchstieg wier drög un gaud, un sei sneden somit dat madigst En’n von dei Straat af. Wi harrn den’n Snieder bet an dei Kirchspurt nahkäken un wull’n grad nah binnen gahn, as wi einen fürchterlichen Schrie von den’n Kirchhoff her hüren deden. In dennsülwigen Ogenblick segen wi ok, wur dei Snieder as son’n verfierten Zägenbuck ahn Krücken in groten Sprüngen ut dei Kirchspurt rutgehopst kem. Hei störmte an uns vörbi un stünn nich Räd’ noch Antwurt. Wi lepen em nah un segen em in fleigende Angst in Grotvadder sienen Lähnstaul sitten. Ut seg hei as Kalk an dei Wand, un dei dicken Sweitdruppens lepen em ümmer pieplings an dei Näs’ un Backen dal. Wi wiern all bannig verbast, un :Grotvadder frög, wat em denn eigentlich bemött wier. Den’n Snieder flögen vör Uprägung dei Kinnladen, man snacken künn hei kein Wurt. Großmudder lep in dei Koek un halt’ em ein Kumm vull Kaffee, üm em ‘n bäten tau vermünnern, man hei künn den’n Kumm gor nich hollen un schülwerte sick den’n Kaffee aewert Bostdauk. Grotmudder göt em den’n Kaffee in’n groten Pott, aewer den’n Scnieder sengelten so dei Arms, dat hei ok dorut nich drinken künn. Dat duerte rume Tied, ihrer hei sick sowiet verhalt harr, dat hei Bericht gäben künn. Endlich kem hei dormit vörtüg: „Up’n Kirchhoff späukt dat!“ Ut dat Liekenhus, wat an dei Kirch anbugt wier, un wur dei Stieg hart an vörbigüng, harr ein gräsig Beist ut’ Finster käken un em up dei Schuller kloppt. Mi lütt Butscher wier natürlich all lang’ dei Prük hochkamen, denn ick harr noch nie seihn, dat ein grot Minsch so ut dei Kunternanz kamen künn. Ick harr an Grotvadders sien Vertellers noch nie twiefelt, nu harr ick aewer doch den’n Bewies, dat in Rövershagen allerlei Unheimliches begängn wier.
Grotvadder güng in deipe Gedanken dörch dei Dönz. Up einmal gef hei sick ‘n Ruck un säd tau Chrischan, hei künn sick dat gor nich denken, sei wull’n beid hengahn un sick dat aewertügt maken. Dei Snieder, dei noch ümmer as Waddick un Weihdag in sienen Stauhl set, verfierte sick ganz bannig aewer dit Ansin’n un säd, dat em dor kein vier Pierd hennkriegen deden. Grotvadder, dei woll gloeben ded, dat dei Snieder sick alls inbildt harr, wiel em von’n Kraug her son’n lütten unner dei Mütz set, wull sick dat aewer doch aewertügt maken un dei Sak up’n Grun’n gahn. Hei halte sick sienen Eiken achter dat Schapp rut un rep sick Peitern tau Hülp.
Peiter wier sien Hoff- un Heierhund, ein ganz truge Seel, dei sick bether noch in alle Lebenslagen bewährt harr. Up em set’te Großvadder sienen ganzen Verlat. In dei Familie güng aewerhaupt dat Meinen, dat dat Geschlecht Peiter äbensolang’ up den’n Hoff begäng’ wier as dei eigen Vörfohren. Wenn ein Peiter abgängig wier, wier ein jung’ wedder ranwussen, un up dissen letzten harrn sick all dei Eigenschaften, dei einen echten Hund utteiken deden, ut dei lang’ Geschlechterreig aewerdragen. Peiter hörr dei Käuh allein. Grotvadder hülp em einmal rut un güng denn eins mit em üm den’n Block rümm, den’ hei aewerhäuden süll. Wenn dei Käuh middags uns abends rinn sülln, würd blot up’n Finger fläut’t, Peiter bellte eis un bröchte sien Haud tau Hus. Süll ein frisch Kawel aewerhött warden, denn würd em dei wedder anwiest. So verwachte Peiter trug sienen Posten un harr sien tweibeinten Kollegen gegenaewer dat vorut, dat hei nie nich slep. - Nachts wier hei Wachhund. Uenner den’n Schutz von dat breide Walmdack nah dei Schossee henn stünn ne Bänk. In dunnmalige Tieden kem dor väl fröm’m Volk dörch, Zigeuners, lütt Hannelslüd un Reisners, dei in warme Sommernachten dei Bänk giern as Slappstäd benutzten. Peiter leg up dei Binnensiet von dei Wand un künn dei Bänk von dor dörch dat Finster in Ogenschien nähmen. Hei wier ok hier bannig up’n Posten. Bleben dei Slapgäst up dei Bäkn, denn let hei sei in Raug, güngen sei aewer up den’n Hoff, denn lep hei in’n Alkum, wur Grotvadder slep, störr em mit dei Pot an dei Schuller un wohrschugte em. Grotvadder brukte sick nu blot dei denkbor wenigsten Uemstän’n tau maken. Hei dreihte sick in’n Beer, hakte dat Finster up, Peiter sprüng rut, bröchte dei ungebäden Gäst up dei Söcken, hüppte wedder rinn, dat Finster würd slaten un dei Saak wier vörwäst. Up Peitern verlet Grotvadder sick hüt. Dei harr ok all lang’ markt, dat wat Besonners los wier un wiekte nich von sien Sied. Chrischanen kemen dei kollen Gräsen an, as Grotvadder em noch eis wedder inladen ded. As ick nu seg, dat ut dei Geschicht Iernst warden ded, stünn för mi fast, dat ick den’n ollen Mann taum letzten Mal läwig seihn ded. Ick höll em an dei Kittelslipp wiß, denn ick höll doch tau väl von em, aewer hei let sick nich bedüden, dat Schicksal müßt sienen Gang gahn.
Grotvadder güng forsch up den’n Kirchhoff tau. Hei kem aewer blot äben bet an dei grot Lin’n. Dor stünn hei, as wenn hei anwöttelt wier. Ut dei Dör von dat Liekenhus kem ein grugelig Wäsen rut, von aewer Mannsgröt, piel up em tau. Sülwst Peiter harr sien Bedenken, ok hei verstutzte sick un stünn bohmstill. Ick will Grotvadder, dei bether doch väl Kraasch un Maut opbröcht harr, nich minn maken, aewer ick mücht doch annähmen, dat hei sick mit den’n Späuk nich wieder bemegeliert harr, wenn Peiter nich glieks sien Besinnen wedderkrägen harr. In Nullkommanix wier hei achter den’n Späuk un grep em in dei Fessel. Dei Späuk krönnigte hell in dei Nacht rin un preschte up dei Purt tau, dat wier — Grotvadder sien Schimmel! Dei Oll stünn all prat, denn dei Stimm harr hei kennt, un hei, dei sien Pierd leiwer nix dahn harr, hei gew em nu doch mit den’n Eiken von achtern einen mit up dei Reis’ un rep: „Un du Delf, du wist hier Lüd grugen maken?!“ Dei Schimmel, den’n dat Späukspälen nu so verleden müßt, nehm sien Tauflucht weder tau sienen Stall. Sien Herr lep em nah, un hier klorte sick denn jo alls up. Dei Schimmel wier wählig wordn in’n Stall, harr sick den’n Halfter afströpt un denn dat Dwaßholt, wat in dei Dör leg, mit’t Mul rutstött. So harr hei frie Bahn krägen un wier up sienen Spaziergang int Liekenhus geraden. Dör un Finster harrn taufälligerwies’ apenstahn, dormit dei Fautborrn, den’n sei bi den’n letzten Kirchgang so vullperrt harrn, wedder updrögen süll. As nu dei Snieder antauwuppen kem, hett dei Schimmel säker ‘n bäten ut dat Finster käken un mag em jo ok woll mal mit dat Mul up dei Schuller stött hem’m. Doraewer hett dei Snieder sick jo nu ok mit Recht so dägern verfieren künnt, dat hei afsacken ded un denn heisterkopp von’n Kirchhoff jumpte, so fix, as sien lahmen Bein dat jichtens tauleten. Grotvadder sammelte dei beiden Krücken vör dat Finster up un kem as so’n Matador dormit nah dei Dönzendör rinn. Ick freute mi, dat ick den’n ollen Mann wedderharr, Chrischan aewer kek em an, as müßt nu ne schreckliche Apenborung kamen: „So, Chrischan“, säd Grotvadder, „nu ingst di nich mihr, ick heff den’n Späuk anbun’n, denk di mal, uns’ Schimmel hett di grugen makt!“ un dormit vertellte hei den’n ganzen Hergang. Un dunn gef hei em sien Krücken wedder: „Hier hest din Gangwark, nu kannst du beruhigt nah Hus gahn.“
Chrischan güng aewer nich, künn hei ok gor nich, denn hei wier nix as ‘ne lädweik Plün’n. Grotmudder harr denn ok glieks Erbarm mit em un makt em ein Nachtlager in’n Alkum trecht. Mirrnacht wier all lang’ vöraewer, as wi endlich tau Rauh kemen. Up einmal würd dat ein fürchterliches Toben, Stähnen un Schrieden in den’n Alkum. As ick mi vermünnert har, lep mi ümmer ein Schudder naht anner aewer den’n Puckel. Ick schriete aewer Grotvadder, Grotvadder rep Peitern, Peiter stünn all bi uns un günste, hei künn dor in’n Düstern ok woll nich klauk ut warrn, wat los wier. Grotmuder wier all in dei Wahndönz, wur sei sick inquartiert harr, ut ehr Lager sprung’ un söchte Rietsticken un Licht. As sei endlich mit Licht kem, dor leg Chrischan up’e Knei in’n Beer, harr sick mit dei Hand upstüt’t un schüerte sick mit dei anner den’n Kopp. Sien Aewerbett leg an dei Ierd, un hei jammerte tau’n Erbarm. Hei sackte ganz in sick tausamen un seg ut, as wenn alle Späuken ut Rövershagen up einmal üm em rümstün’n un dat up em afseihn harrn. As Grotmudder em gaud tauräden ded, vertellte hei, dat hei äben as ganz wiß un wohrhaftig up Läben un Dod mit den’n verdammten Späukschimmel üm dei Wett lopen wier. Dei Reis’ harr üm dei Kirch rümgahn. Na, dat künn denn nu ok gor nich anners sien, as dat dei Schimmel em in sienen kroepeligen Beinverfat inhalen ded. In sien Hartensangst wier hei in dat Liekenhus rinnjumpt un harr dwaß dörch dei Kirch lopen wullt. Dei Kirchendör wier aewer tauwäst, un dun’n wier hei mit alle Wucht mit den’n Kopp gegen dei Dör butzt un ... upwakt. Dat letzte harr ok sien Richtigkeit, man dat hei nich gegen dei Kirchendör, woll aewer mit den’n Kopp gegen dat Tennstbrett an dat Koppenn’ von dei Beerstell fohrt wier. Ein dägt Brusch hett dat noch lang’ ogenschienlich utwiest.
Wenn dei Snieder an diers Späukerie ok noch lang’ tau süken harr, so hett sei doch ein Gaudes för em hatt, hei is nie wedder tau Kraug gahn, denn dei Weg wier em doch tau dull verled’t. Wi all aewer koenen dei Liehr ut trecken, dat dei düllste Späukerie sick letzten Enns doch ganz natürlich tau Wäg leggt. ( NHG )
"Werner Kröplins Trauma von´n Wulf in de Rostocker Heid" (nahvertellt von Kurt Kaiser)
1944 wier min ierst Wihnachten, dat ick nich tohus fieern künn. Ick wier 18 un as Kriegsfriewilliger mit 17 tau´n Frontinsatz intreckt un poor Maand later in Kriegsgefangenschaft geraden. Nu beläwte ick twei Johr in de USA un noch mal twei Johr in Englande. Alle Wihnachten wier´n dor vuller Heimweh, man gaud, dat ick dunn Werner Kröplin ut Rövershagen drapen heff. Hei künn so wunnerbore Geschichten von tohus, in´ne Rostocker Heid vertellen. Ein dorvon, Wihnachten ´44 in Virginia, is mi unvergätlich. Ick rekonstruier se nu mal, as se mien Gedächtnis mi bewohrt hett: "Wenn an´n Harwst un Winterdach de Storm üm uns Hus üm den Rövershäger Forsthoff hulte, knarrten un klagten de Böm un Strüker. In´n Aben knackte dat Füerholt, ein Petroliumfunzel blökerte. Dat rök na Bratappel un frischbacken Brot. Uns Ollen vertellten sick wat gruglichet oewer Blitz un Dunner, Dod un Düwel, oft ok von´n König un Krieg. Wie Kinner luschten. Dor hett dat ok mal heiten, dat in den strengen Winter ´28, as de Ostsee taufroren wier, von Finnland her, ein Wulf oewwer dat Ies kamen un in uns Holt afdückert wier. Dat süll ´n mächtig Diert sien un nu dor rumströpern. Manke Lüd wull´n em all seihn hemm., keiner künn´t bewiesen. Sei vertellten grugelichtet oewer den "Finnenwulf", as se em nennten. Oewwer denn wür einet Dachs de Köhler näben sien Kohlenmieler dot upfunn´. De Förster künn nich faststell´n ob de all stark verfuulte un anfrätene Köhler von´n Wulf orrer von ne Rott Swien so tauricht worden wier,
Un einet Dachs bröchte dat Schicksal mi in´t Spill.
Mien Vadde har acht Pierd mit de ick all mien Schaultied Holtslöpen lierte.
Wiel dat ick em den Knecht ersetten künn, dörfte ick mit Vadders Rietpierd af un an mal utrieden.
Mit den jungen Hingst galoppierte ick giern mal dörch de Heid.
An einen Nahmiddach in´n Harwst, de Sünn stünn all tämlich deip un blend´te, as ick mit Vadders "Swatten" oewer den Holtslöp-Damm dörch dat "Naturschutzgebiet Hütelmoor" galoppierte. Dor stünn mit´n mal de Finn vör uns. Dor liggen woll blots twindig bet dörtig Meter twischen uns. As ick all säd: de Sünn stünn deip un mi keem dat Diert sihr grot vör. Min Vadder sien Pierd woll ok, denn dat schuchte un bremste, dat ick in´n Boen vörnoewer runnerföll un ahnmächtig liggen bleef. De Hingst brök in´n hogen Bagen vörnoewer runnerföhl un ahnmächtig liggen bleef. De Hingst brök siedwarts ut dörch dat Unnerholt un stör´te int Muur, wo he nich wedder rut keem. As ick denn ut mien Koma upwakte wier dat dodenstill: Kein Wulf un ok kein Pierd! Ick dacht, dat et allein in Panik nahus lopen wier. Ick slöpte mi denn de Kilometers nah Hus. Intwischen wier´t düster wor´n, so dat ierst an´n näksten Morgen de Säukerie na Vadders Rietperd los gahn künn. Oewer ick leeg mit Brägenerschütterung all up de Krankenstation. Dit wier ein grot Katastroph in mie´n Läben. Ein Droma makte mi depressiv un ok aggressiv. Ic künn unsen Schäperhund nich mier lieden, de einen Wulf so ähnlich seech. Ick wier froh dat ick twei Maand dorna Soldat wür. Mit rieden har ick nix mihr an´n Haut un wull dat Heidbeläwnis mit den´n Finnwulf vergäten. Oewer dat mien dat mien Vadder mi de Schuld an´n Dod von sien Pierd geef un nich verteien künn, un mien Beläwnis mit den´n Finnwulf nich gloewen wull, quälte mi sihr. Wi künn´n uns nich wedder verdrägen, denn as ick up Fronturlaub keem, wier hei all storben. Sonne posttraumatischen Qualen ward man woll nie mihr los un man möt lier´n, dormit ümtaugahn. Mank ein hier in´n Lager leed dorünner, dat de Krieg verlur´n güng. Wi har´n em nich von´n Tun bräken süllt! Ick leed, dat mien Vadder mi nich mihr verteihn künn und du Kurt, littst dat du nich Wihnachten tohus fieer´n kannst. Oewer dat vergeiht: Wenn du näkst Johr werrer tohus büst, is dit Leed vergäten!" Dat säd to mi 1944 Werner Kröpelin ut Rövershagen. Gans hett he nich recht behollen, denn noch drei Wihnachten möst ick in´ne Fröm´fier´n, oewer nu beläw ick all 67 Johr dat Fest mit mien Familie in Fräden. So ein Glück wünsch ick alle Minschen up uns Ierd. Juch all, leiw´Frünn´: Frohe Wihnachten un´n gauden Rutsch in´t niege Johr. Kurt Kaiser ( NHG )
Franzosenzeit
Dat Knaken verdeilen In den Gorden von den Blankenhäger Preister stünn‘ ein groten Walnoetboom. Drei Spitzbauben hemm‘ sick oewer em hermaakt. Sei hemm‘ den Boom schüddelt, dei Walnoet upsammelt un güngen oewern Kirchhoff in dei Sakristei, dei an dei Kirch anbucht wier, dor hemm‘ sei dei Noet updeilt. Ein von dei Spitzbauben seggt: „Ick hal uns noch einen Hamel ut den Preister sienen Stall.“ Dei annern beiden verdeilen wierer. „Dat’s mien, dat’s dien, dat’s den annern sien, dei den Hamel haalt. Dat’s mien, dat‘s dien, dat’s den annern sien.“ Nu wull dei Köster grad dei Kirch tausluten un kümmt an dei Sakristei vorbi un hürt ümmer: „Dat‘s mien, dat’s dien, dat’s den annern sien.“ Em wür ganz grugelig, hei glööfte, dat dei Doden dor ehr Knakens uteinannerdeilen. Hei löppt na den Preister un reep: „Herr Paster, Herr Paster, in dei Sakristei speukt dat, dei Doden verdeilen dor ehr Knakens.“ Den Paster wür ok bang‘ un seggt, ick heff dei Gicht, ick kann nich lopen. Dunn nimmt dei Köster den Preister up‘n Puckel un släpt em na dei Kirch. Dunn hüren sei wedder: „Dat’s mien, dat’s dien, dat is den annern sien.“ Ein von dei beiden hett dat oewer markt, dat dei anner trüchkeem un seggt: „Smiet den Hamel dor man hen, ick snied em gliek dei Kähl dörch.“ Dunn kreeg dei Preister dat oewer doch mit dei Angst, stellte sick up dei Bein un lööp all wat hei künn‘ oewer den Kirchhoff na Huus, un dei Köster hinnerher. So hett hei wedder dat Lopen liert. Heinrich Peters/ Klockenhagen (Peters‘ Vater stammt aus Blankenhagen)
Franzosen auf Schmugglerjagd
NHG Ein Berliner Dekret vom 21. November 1806 über die Einführung der Kontinentalsperre trat in Mecklenburg am 8. Dezember 1806 in Kraft. Der Erlass gewinnt mit den Worten: "Auf Verfügung seine Exzellenz des Herrn Reichs-Marschalls Mortier, Chef des achten Korps der Großen Französischen Armee, wird allen und jeden Einwohnern der Mecklenburg-Schwerinschen-Lande hierdurch öffentlich kundgemacht, daß alle Communication, alle Verbindung und aller Handlungs-Verkehr mit dem Großbritannischen Reiche schlechterdings und ohne Ausnahme verboten ist." Verschärft wurde die Kontinentalsperre am 2. November 1810 durch ein Auslaufverbot aller Schiffe in mecklenburgischen Häfen, was einem Ausfuhrverbot gleichkam. Durch die Einführung der Kontinentalsperre am 8. Dezember 1806 geriet auch die Wirtschaft des Küstenlandes in eine tiefe Krise. Jegliche Verbindung mit Großbritannien unterlag einem Verbot. Englische Waren aller Art unterlagen der Ablieferung. Die Getreideausfuhr kam zum Erliegen. Der Import wichtiger Lebensmittel und Manufakturwaren lag darnieder. Einzig der Schmuggel erreichte eine nie dagewesene Blüte. Im Sommer 1810 beschuldigte man den Gelbensander Oberförster Böcler des Schmuggels. Angeblich unterhielte er Verbindung zu fremden Schiffen. An den Hirschburger Amtmann Klotz erging zunächst der Auftrag, Untersuchungen anzustellen. :Bald folgten die ersten Vernehmungen,die sich über mehr als ein halbes Jahr erstreckten. Der Gelbensander Oberförster erklärte dabei immer unbeirrt seine Unschuld. Im November endlich ließ die Obrigkeit die Untersuchungen forcieren. Da Böcler hartnäckig bei seinem "Nein" blieb, übergab Klotz die Akten an die Rostocker Justizkanzlei. Die ganze Weihnachtszeit hindurch folgte ein Verhör auf das andere. Selbst am Silvestertage unterzog man ihn der strengen Befragung, doch der Forstmann war nicht zu einem Geständnis zu bewegen. Anfang 1811 schließlich machte sich das Rostocker Gericht daran, mehrere Fischländer Bürger zu vernehmen. Mit deren Aussagen gelang es eine, wenn auch äußerst wacklige, Anklage zusammen zu zimmern. Am 11. Mai 1811 schließlich verkündete das Gericht sein Urteil. Danach fand man Böcler für schuldig, dem Rostocker Kaufmann Strömer zu einer Fahrt auf der Ostsee verholfen zu haben. Zusammen mit mehreren Fischländern habe er geplant, Waren von englischen Schiffen nach Rostock zu schaffen, um sie dort zu verkaufen. Nur der Aufmerksamkeit der Wache sei es zu verdanken gewesen, das der Schmuggelplan missgückte.Groß war der Kreis der Verurteilten, neben Böcler und Strömer traf es die Fischer Möller, Fessen und Pieplow aus Wustrow, die Seefahrer Permin (Vater und Sohn), den Schulzen Niemann aus Wustrow, Schiffer Düwel und Pensionär Janzen aus Müritz, die Büdner Bruhst und Brüdegam aus Graal, außerdem den Schreiber Wahnschaft und den Kandidat der Theologie Huswedel aus Gelbensande. Den Oberförster Böcler verurteilte man zu einer Strafe von 100 Reichstalern. Kaufmann Strömer erwartete eine Strafe von 50 Reichstalern. Dazu hatten beide die Gerichtskosten zu tragen. Die übrigen Angeklagten kamen mit eher geringen Geld- und Haftstrafen davon. Bemerkenswert, dass nur wenge Tage nach der Urteilsverkündung Rostocker und Wismarer Kaufleute eine Welle von Hausdurchsuchungen über sich ergehen lassen mussten. Hier traf es den Rostocker Kaufmann Mann jun., seines Zeichens königlich dänischer Konsul und Vater von sechs Kindern. Er wurde wegen angeblicher Verbindung zu englischen Kriegsschiffen nach Frankreich verschleppt. Erst am Ende der Franzosenzeit, nach drei Jahren, kehrte er nach Rostock zurück. Die Kontinentalsperre erfuhr ihre Aufhebung am 23. Mai 1813.
In der Mütze steckte sein Pass
Am 5. September 1846 wurde laut Polizeibericht der Töpfergeselle Friedrich Melzer aus Dresden auf dem Weg von Rostock nach Ribnitz zwischen Rövershäger Krug und Gelbensande von einem Mann bedroht und seines Geldes, zwei Reichstaler und acht Groschen, beraubt. Nach Ansicht des Polizeiamtes paßte die Beschreibung des Täters auf den Berüchtigten Erdmann Waack aus Blankenhagen, der sich in dieser Gegend umhertrieb. Die Polizei kam auf Touren, als am selben Tag ein weiterer Raubüberfall gemeldet wurde. Das Opfer war ein Arbeiter aus Stettin, der nach Rostock wollte und ebenfalls in der Nähe von Gelbensande überfallen wurde. Zwei Männer raubten ihn völlig aus. Er wurde von einem Fuhrmann später aufgelesen und trug nur ein Tüchlein um den Hals und eine Mütze, in der sich sein Paß befand, der ihn zu seinem Glück legitimierte . Zwei weitere Männer, die auch dazu gehörten, warteten in der Nähe. Aufgrund der Beschreibungen konnten die Täter identifiziert werden. Sie waren dem Landarbeitshaus entsprungen und hatten seit einiger Zeit in der Heide ihr Unwesen getrieben. Waack wurde ergriffen. Zwar deuteten alle Indizien auf ihn, der Beweis reichte aber nur, um ihn Ende September wieder ins Arbeitshaus zu überführen. Damit endete der Fall.
Aus guten alten Zeiten
- Untertitel - Die .... sind ein gutartiges Völkchen
Aus jüngeren schlechten Zeiten
- Untertitel - Wie die Warnemünder stellvertretend für die Rostocker geprügelt wurden
- Kriegszeiten, Bahnberaubungen
Aus dem ... Volksmund
- Untertitel - .... sind ein plietsches Völkchen
- -Sagen,Anekdoten, Volksmund und Wossidlo
Bettelnde Hexe
(NHG)
An der alten Landstraße von Ribnitz nach Rostock zwischen dem Landkrug und Haidekrug hat früher ein Haus, so 'ne Art Capelle gestanden, in dem ein Mädchen gewohnt hat, welches vorüberziehende Fuhrleute um eine Gabe angesprochen. Einmal fährt ein Bauer aus Klockenhagen nach Rostock. Als er bei der Capelle ankömmt, bittet ihn das Mädchen um einen Schilling. Der Bauer, welcher nur arm ist, antwortet ›Meine Tochter, gern wollte ich dir einen Schilling geben, wenn ich bloß einen in der Tasche hätte;‹ und hiermit fährt er weiter. In der Nähe des Schwarzen Pfostes (ein Wirthshaus nicht weit vom Wege) stehen die Pferde still und gehen, so viel auch der Bauer anpeitscht, nicht vom Fleck. Der Bauer sieht nach, ob vielleicht ein Hinderniß im Wege liegt, kann aber nichts entdecken. Da kommt ein Kärrner des Wegs und ruft dem Bauer zu ›He, Bauer, fahre er aus dem Wege!‹ Der Bauer sagt ›Mein lieber Herr, ich kann nicht weiter kommen.‹ Darauf antwortet der Kärrner ›Vier tüchtige Pferde und ein leerer Wagen und doch nicht weiter kommen; das muß nicht mit richtigen Dingen zugehen.‹ Er zieht nun des Bauern Leinpferd und Sattelpferd so von einander, daß er zwischen beider Ohren in einer geraden Linie durchsehen kann. Da bemerkt er denn, was er und der Bauer so nicht sehen können, daß die Dirne, welcher der Bauer vorher keinen Schilling gegeben hatte, mit einem Wuchtbaum am Rade den Wagen festhält. Der Kärrner zieht seinen buntgestreiften Rock aus, legt ihn auf die Erde und schlägt mit einer Wagenrunge, welche der Bauer hatte ausziehen und ihm hinlangen müssen, so lange drauf los, bis der Rock zu schreien anfängt. ›Soll ich sie (die Hexe) ganz todtschlagen?‹ fragte er den Bauer; und als dieser es verneinte, hört der Kärrner auf zu schlagen und steigt zu Wagen. Nachdem er eine kurze Strecke gefahren war, sieht er am Wege die Hexe sitzen und kläglich wimmern. ›Wenn du infahmte Hexe nicht augenblicklich machst, daß du fortkömmst,‹ sagte der Kärrner, ›dann will ich dich noch ganz anders kriegen.‹ Da macht die Hexe, daß sie fortkömmt. Arbeitsmann Fretwurst.
Scheidegänger
Die Dörfer Vogtshagen und Volkenshagen, zum Rostocker District gehörend, führten vormals einen Proceß mit einander wegen eines zwischen beiden liegenden Gehölzes, genannt ›de Eikstruwwig‹. Da schwur ein alter Mann aus Volkenshagen, welcher sich Erde vom Volkenshagener Grund und Boden in die Schuhe gelegt hatte, daß er auf Volkenshagener Grund und Boden stehe. Indem er aber diesen Eid ablegte, verwandelte sich die Erde in seinen Schuhen in Blut, welches aus den Schuhen hervorquoll. Die Volkenshagener erhielten das Gehölz zum Eigenthum. Nach seinem Tode fand der alte Mann im Grabe keine Ruhe. Man hat ihn schon oft in alterthümlicher Tracht als Scheidengänger wandeln sehen; und Leute, auf die er zugekommen, sind dadurch krank geworden.
(NHG) Die Bande der "Krepelschen" (NHG) Aus dem Jahre 1551 finden sich in den Akten des Rostocker Niedergerichts in einem Verhörprotokoll auch die Untaten der "Krepelsche" oder "Kröpelschen ohne Füße", einem alten Bettelweib der einmal beide Füße erfroren waren und die es verstanden hatte eine Bande verbrecherischen Gesindels um sich zu scharren, die jahrelang in der Gegend zwischen Ribnitz und Rostock ihr Unwesen trieben, bis sie schließlich nach einander um 1580 dem Galgen oder dem Henkerbeil zum Opfer fielen. Im Verhörprotokoll zweier Bandenmitglieder (Gretha Apts und Hans Wechter)wird auch über eine begangene Untat in Vogtshagen berichtet. Die Gelegenheit für Gewinn versprechende Diebstähle und Einbrüche wurde von einzelnen Bandenmitgliedern erst genauer ausgekundschaftet, bevor man zur Tat schritt. So heißt es bei einem Einbruch bei der Roggentin´schen in Vogtshagen: "Daß Hinrich de erste gewesen de in ere Dak Ingebraken und gestegen was , de wile he wol 2 male vorher in dem huße gewesen und de legenheit dar intokamende affgeßen hedde." Bald darauf viel die gesamte Bande in einem Raubzug über den Hof her. Grete Apts und Hans Wechter wurden bald darauf gefangen und büßten auch diese Unntat schließlich mit dem Leben. Ein anderes Bandenmitglied Peter Pipelock beschreibt im Verhör weitere Details des eigentlichen Überfalls. Die ganze Gesellschaft zog zu Pferde mit Sonnenuntergang aus dem Landkruge nach Vogtshagen, vollführt den Einbruch bei der Roggentin´schen und eilt mit dem gestohlenen Gelde sofort nach Poppendorf auf den Hof des Komplizen Peter Butzow, wo die Teilung des Raubes erfolgt. (BGSR VI 1912)
Aus der Literatenwelt
- Untertitel - Trojan, Seidel, Kästner, Tucholsky, uä.
Heinrich Seidel und Johannes Trojan - "Die zwei Seiten derselben Medaille" und die Rostocker Heide
- "Das Wirtshaus zur Stranddistel" Johannes Trojan
- "Das Wirtshaus zur Stranddistel" Gedicht von Heinrich Seidel 1884
- "Der Hagelschlag" - Wander-Erlebnisse zwischen Warnemünde und Torfbrücke (NHG)
- "Der Tausendmarkschein" - Ideengeber für Mark Twain-Roman (NHG)
„Willershagen und Magister Johannes“ Johannes Trojan 1893
NHG
An einem schönen Herbsttage befand ich mich auf der Straße, welche von Rostock nach Ribnitz führt. Ich kam von dem Rövershäger Kruge, wo ich genächtiget hatte, und wollte nach Willershagen. Ein paar hundert Schritt hinter dem Kruge ist man über die Feldmark von Rövershagen hinaus und hat dann zu beiden Seiten dichten Wald. Es ist das Revier Meiershausstelle der Rostocker Heide, in welcher zur Linken, wenn man von Rostock kommt, unweit der Straße der alte Eibenbaum steht, den ich einmal beschrieben habe. Auf der rechten Seite hat neuerdings ein Streifen Wald weggenommen werden müssen, um Raum für die Eisenbahn Rostock - Stralsund zu geben, die seit wenigen Jahren in Betrieb ist. Die Straße war still und einsam. Wenigen Menschen begegnete ich, abgesehen von einigen Bahnarbeitern, die mit dem Fortschaffen von Schwellen beschäftigt waren. An einer Stelle am Waldrande war eine Hütte aus Erde und Zweigwerk errichtet. Daneben brannte ein Feuer, über dem an Stäben ein Kessel hing. Eine Frau kniete davor, und ein paar Kinderspielten in ihrer Nähe. Zwischen den Tannen hatte sie Leinen gespannt, an denen Hemdchen und andere Wäschestücke aufgehängt waren. Offenbar hielt sie eine fliegende Restauration für Bahnarbeiter und kochte ihnen das Essen. Wenige Stimmen kamen aus dem Walde, der noch ganz in Tau gebadet dastand. Mitunter vernahm ich das Girren wilder Tauben, und einmal drang aus einem Tannendickicht ein Geschrei von Vögeln, das sich anhörte, als sei unter ihnen Zank ausgebrochen. Ich ging den Stimmen nach in den Wald, um zu untersuchen, was für ein Volk das sei, das so lärmte, aber obwohl ich dem Geschrei nahe kam, konnte ich doch in dem Dickicht nichts Lebendiges entdecken. Eine halbe Meile entfernt von dem Kruge liegt an der Straße Gelbensande, wo der Großherzog sein Jagdschloß hat und die meiste Zeit des Sommers zubringt. Außer dem Schloß und der Försterei gehören noch einige Häuser zu Gelbensande, darunter ein Wirthshaus, welches das kleinste Haus der Ortschaft ist. „Zur Erholung“ steht über der Thür. Indem Vorgärtchen blühten noch allerhand hübsche Herbstblumen. Dort kehrte ich ein. Eine kleine alte Frau brachte mir den gewünschten Labetrunk in die Gaststube, die mit einfachem Hausrath versehen, aber mit vielen Bildern der Neuruppiner Malerschule geschmückt war. Ich fragte die Alte nach dem Großherzog, ob er in Gelbensande wäre. Nein, erwiderte sie, er wäre ja wohl zum Kindelbier nach Berlin gefahren. Sie drückte sich vollkommen richtig in ihrer Mundart aus, „Kindelbier“ auf die Taufe des kaiserlichen Prinzen angewandt, klang besonders gut. Gegenüber Gelbensande führt ein Weg nach Willershagen, und diesen schlug ich ein. Er führt zuerst ein Stücken über Feld, dann beginnen auf beiden Seiten die Bauernhöfe und ziehen sich eine halbe Stunde weit ins Land hinein. :In alter Zeit aber, vermuthe ich, ging die Straße von Rostock nach Ribnitz, die jetzt an dem Dorfe vorbeiführt, mitten durch das Felde hindurch. Ein alter Landweg deutet noch darauf hin. In Willershagen waren die Kinder noch in der Schule, und von den erwachsenen Eingeborenen bekam ich wenige zu sehen. Vor einem Bauernhause saß eine Frau am Spinnrad. Daß dort noch gesponnen wird, hatte ich schon gemuthmaßt aus versprengten Leinpflänzchen am Wege. Ganz am Ende des Dorfes liegt der Forsthof mit Wohnhaus, Wirthschaftsgebäuden und ansehnlichem Garten, der Wald aber ist ein gut Stück vom Hause entfernt. Das Revier Willershagen gehört zur Rostocker Heide, liegt aber, von dem Hauptstück derselben getrennt, nach Ribnitz zu und ist zum Theil von großherzoglichem Forst umschlossen. Dieses Forsthaus war das Ziel meiner Wanderung. Ich wollte den Förster besuchen um zu sehen, wieviel wohl seine sieben jungen Töchter gewachsen wären, seit ich das letzte Mal in Hinrichshagen, wo er damals seine Stelle hatte, bei ihm eingekehrt war. Doch verband ich mit meiner Wanderung noch einen anderen Zweck: Ich wollte den Ort sehen, wo im Jahre 1541 der Magister Johannes Sastrow von den Buschreitern überfallen wurde. Davon erzählt der Bruder des Genannten, Herr Bartholomäus Sastrow, der als Bürgermeister von Stralsund gestorben ist, in seiner Chronik. Herr Johannes Sastrow war auf der Fahrt von Rostock nach Stralsund, als bei Willershagen der Ueberfall geschah. Einer von seinen Begleitern wurde sofort erschossen, und die beiden andern ergriffen das Hasenpanier. Der junge Gelehrte selbst vertheidigte sich mit dem Schweinespieß, den er bei sich hatte, wacker und stach einen der Strolche vom Pferde herunter. Da ritt ein anderer gegen ihn ein und versetzte ihm einen solchen Hieb, daß ihm ein Stück Haut nebst Knochen vom Kopf flog und ihm überdies noch die Spitze des Schwertes eine lange Wunde in den Hals schlug. Er stürzte und blieb für todt liegen. Die Räuber plünderten den Wagen und ritten davon. Ihren todtwunden Spießgesellen ließen sie im Busch liegen. Darauf kehrten die Entflohenen zurück und brachten den armen Magister zunächst nach Ribnitz, wo ihm ein Notverband angelegt wurde. Alsdann nahm ihn in Stralsund der berühmte Wundarzt Gelhar in Behandlung und heilte ihn ziemlich schnell, nachdem er beide Wunden in den rechten Schick gebracht hatte. Gustav Freytag teilt in seinen „Bildern aus der deutschen Vergangenheit“ aus der 1823 von Mohnike herausgegebenen Handschrift des Bartholomäus Sastrow dessen Jugendgeschichte mit und schließt mit der Erzählung des Ueberfalls. Er bemerkt in der Einleitung, daß dieser Johannes, welcher vom Kaiser als lateinischer Gelegenheitsdichter zum poeta laureatus gemacht und geadelt worden war, später wegen einer unglücklichen Liebe mit gebrochenem Herzen nach Italien gegangen und dort im Dienste eines Kardinals gestorben sei. Ein wenig mehr ist noch in der Selbstbiographie des Bartholomäus Sastrow über dessen unglücklichen Bruder Johannes zu finden. Während Bartholomäus leichten Sinnes und sorglos war, gern mit den Jungfrauen vorantanzte und zu Gesellschaft ging, wo Wein geschenkt wurde, war Johannes ernsthaft und in sich gekehrt, ein gelehrter Mann, von Wittenberg, wo er auch Dr. Martin Luther kennen und verehren gelernt hatte, war er als Magister heimgekommen. Er machte auch mit Geschick lateinische Verse, und was für Ehren ihm das einbrachte, ist schon erwähnt worden, von Kaiser Karl V. den Lorbeer und ein Adelswappen, das einen silbernen Schwan in rotem Felde darstellte. Außerdem verehrte ihm der Bischof von Augsburg für ein carmen gratulatorium eine goldene Kette. Lorbeer und Abel waren damals wohl nicht schwer vom Kaiser zu erhalten, bedeutend leichter sicherlich als Geld. Das besstätigt eine Anekdote, welche Bartholomäus Sastrow bei Gelegenheit, da er von den seinem Bruder zu Theil gewordenen Auszeichnungen redet, zum besten gibt. Auch ein gewisser Johannes Stigelius hatte dem Kaiser ein lateinisches Gedicht überreicht. Darauf ließ ihm der Kaiser durch seinen Vicekanzler Johann de Naves in lateinischer Sprache schreiben. Das Gedicht gefällt dem Kaiser. "Der Dichter verlange, was er will, er wird es bekommen." Will er von Adel sein, wird er es werden, will er mit Lorbeer gekrönt sein, soll auch das geschehen. :Aber Geld verlange er nicht, Geld wird er nicht bekommen.“ Beide Brüder Sastrow wohnten in Speier um 1544, als dort der Reichstag stattfand. Sie waren hauptsächlich dorthin gekommen, um auf die Beschleunigung eines Prozesses, den ihr Vater beim Reichskammergericht hatte, hinzuwirken. Natürlich waren alle ihre Bemühungen vergeblich. Zum Erwerb ihres Unterhalts, da sie ohne Mittel waren, suchten und fanden beide Anstellungen als Schreiber. Im Sommer ging Johannes Sastrow mit seinem Herrn, dem Propst des Domstiftes zu Speier, ins Zellerbad. :Da war auch mit ihren Verwandten eine Jungfrau aus Eßlingen, ein schönes, züchtiges und freundliches Mägdlein. Die gewann der junge Magister lieb und sie ihn, und sie versprachen einander mit Billigung der Verwandten des Mädchens die Ehe, unter der Bedingung, daß auch Sastrows Eltern einwilligten. Weiter wurde verabredet, daß Johannes nach Italien gehen sollte, um sich den Doktorgrad zu erwerben. Käme er von dort zurück, dann sollte Hochzeit gemacht werden. Johannes schrieb nach Stralsund an seine Eltern und erhielt nach kurzer Zeit die Antwort, daß sie nicht in seine Heirath einwilligten. Von ihren Gründen sagt Bartholomäus nichts. Vielleicht wollte der alte Sastrow aus Stolz nicht, daß sein Sohn, der nichts besaß, eine Frau nähme, die ihm Gut zubrächte. ,,Seitdem, "erzählt Bartholomäus, „ habe ich meinen Bruder nie mehr recht fröhlich gesehen, und die Jungfrau hat zu Straßburg einen reichen Goldschmied bekommen.“ Sie vergaß ihn, wie daraus zu ersehen, er sie aber nicht. Nach einiger Zeit reute die alten Sastrows ihr Beschluß und sie schrieben, daß sie in die Heirath einwilligten, aber es war zu spät. „ Da hat mein Bruder," sagt wieder Bartholomäus, „sich so gegrämt, daß er im Angesicht gar ungestalt geworden ist.“ An das Doktordiplom scheint Magister Johannes jetzt nicht mehr gedacht zu haben, aber er ging nach Italien und begab sich in den Dienst eines römischen Kardinals, obwohl er von Herzen lutherisch war und blieb. Im Jahre 1546 erhielten die Eltern Sastrow die Nachricht, daß ihr Sohn Johannes zu Aquapendente, das jenem römischen Kardinal gehörte, gestorben sei. Da begab sich Bartholomäus, der damals in Pforzheim als Schreiber angestellt war, zu Fuß auf den Weg nach Rom, um, wenn möglich, den Nachlaß seines Bruders zu erheben. Er kam auch glücklich nach Rom, und es gelang ihm mit Hilfe eines dort lebenden katholischen Verwandten, der sich gut mit dem Klerus stand, den Nachlaß zu erhalten. Derselbe bestand aus wertvollen Münzen und Kleinodien, auch die goldene Kette vom Augsburger Bischof war dabei. Abgezogen waren nur von dem Gelde ein Geschenk an die Armen und die Kosten für Anfertigung eines Grabdenkmals. Es ist charakteristisch für die erste Zeit nach der Reformation, daß Bartholomäus Sastrow, obgleich er Lutheraner war, gleich seinem Bruder, feines Unterhalts wegen, unbesorgt zu Rom in Dienste eines Geistlichen trat. Noch dazu verstand er nicht Italienisch, sondern nur Plattdeutsch und soviel Latein, als er auf der Universität Rostock gelernt hatte. Aber mit Gottesfurcht und Dreistigkeit und pommerischer Schlauheit half er sich glücklich durch alle Fährlichkeiten. Johannes besaß von solcher Schlauheit den Wälschen gegenüber vielleicht nicht so viel als sein Bruder. Dieser machte sich wenigstens seine Gedanken über den Tod des Magisters Johannes. Er wußte, daß derselbe des Lutherthums verdächtig gewesen und mehrfach beim Lesen verbotener Bücher ertappt worden war. Und das wußte er auch, daß ein der Ketzerei verdächtiger Deutscher auf römischem Gebiet keinen Augenblick seines Lebens sicher sein konnte. Wenn ein solcher Mann plötzlich einmal verschwand, so krähte, wie man schon damals in Pommern sagte nicht Hahn noch Hund danach. Auf der Rückreise nach Deutschland suchte Bartholomäus in Aquapendente vergeblich das Grabmal seines Bruders. Es war nicht zu finden. Die traurigen Schicksale des Magisters Johannes lagen mir in Gedanken, als ich die Straße durch den stillen Wald und das schweigsame Dorf ging. Er stand um so lebhafter vor mir, als ich an dem Ort war, wo er im Kampf mit den Räubern beinahe sein Leben verloren hatte. Der Ueberfall muß zwischen dem Dorf und dem Willershäger Forst geschehen sein. In der Erzählung ist bemerkt, daß die Gegend unsicher wurde, „wie sie durch das Dorf kamen, Willershagen genannt, denen von Rostock zuständig, hart an der Rostocker Heide." Zu den Worten ,,Rostocker Heide" macht Mohnike die Anmerkung: „Vielleicht Ribnitzer ?" Richtig aber ist, was in der Handschrift steht: Willershagen liegt in der Tat hart an der Rostocker Heide. Der Anblick der „sieben kleinen Mädchen, all in einer Reih “ im Forsthause heiterte mich wieder auf. :Und als ich dann nach dem Kruge zurückging, in dem unterdessen ein Huhn für mich an den Spieß gesteckt worden war, sagte ich zu mir selbst: Wie angenehm reist man jetzt in dem Lande Mecklenburg um her! Durch Wälder, noch so groß, kann man wandern ohne Gefahr, angefallen zu werden. Damals aber war es darum so schlimm im Lande bestellt, weil zu den Wegelagerern auch etliche vom Adel gehörten. Die aber hatten ihren Anhang in den Städten, der das Seine dazu that, daß bei einem gerichtlichen Verfahren, wenn dasselbe gegen die Verüber solchen Frevels eingeleitet wurde, gemeinlich nicht viel herauskam. Auch in dem Fall von Willershagen erfolgte nicht mehr, als daß der Strolch, welchen der junge Magister vom Pferde gestochen hatte, feierlich in Rostock durch den Henker geköpft wurde. Das war aber gar nicht so sehr nöthig, denn so gut hatte Herr Johannes Sastrow dem Schnapphahn gedient, dass die Häscher denselben nicht mehr lebend zum Gewahrsam brachten. Jetzt führt die Eisenbahn an der Stelle vorüber, wo vor dreihundertfünfzig Jahren der Überfall geschah, und nicht weit von Willershagen ist eine Station
Erich Kästner - "Als ich ein kleiner Junge war"
(NHG) Im Jahre 1957 erscheinen in Zürich Kästners Jugenderinnerungen "Als ich ein kleiner Junge war“, an dessen Text-Ende er ganz folgerichtig auch jene Zäsur schildert, die er selbst als das Ende seiner Jugend bezeichnet. Uns mag erstaunen, das genau diese Lebenszäsur für den damals Fünfzehnjährigen zwischen Graal-Müritz, Rostocker Heide und Warnemünde geschah:
„In den Sommerferien des Jahres 1914 griff Tante Lina tief und energisch in den Geldbeutel. Sie schickte uns beide mit Dora an die Ostsee.“ (seine Mutter und seine Cousine Dora)
„Das war meine erste große Reise, und statt des Rucksacks trug ich zum ersten mal zwei Koffer. Ich kann nicht sagen, das mir der Tausch sonderlich gefallen hätte. Ich kann Koffer tragen nicht ausstehen. Ich habe dabei das fatale Gefühl, das die Arme immer länger werden, und wozu brauche ich längere Arme ?“….
Hinterlassen seine ersten Blicke, noch aus dem Zugfenster, auf mecklenburgische Landschaft erstaunlich wenig positive Eindrücke, so freundet er sich erst unmittelbar in Rostock mit diesem Küstenlandstrich an: „Und zum ersten Male sah ich, auf der Fahrt durch Mecklenburg Kornfelder und Klee-Wiesen, ein Land ohne Hügel und Berge. Der Horizont war wie mit dem Lineal gezogen. Die Welt war flach wie ein Brett, mit Kühen drauf. Hier hätte ich nicht wandern mögen. Besser gefiel mir schon Rostock mit seinem Hafen, den Dampfern, Booten, Masten, Docks und Kränen. Und als wir gar von einer Bahnstation aus, die Rövershagen hieß, durch einen dunkelgrünen Forst laufen mussten, wo Hirsche und Rehe über den Weg wechselten und einmal sogar ein Wildschwein-Ehepaar mit flinken gesprenkelten Frischlingen, da war ich mit der Norddeutschen Tiefebene ausgesöhnt. Zum ersten Mal sah ich Wacholder im Wald, und an meinen Händen hingen keine Koffer. Ein Fuhrmann hatte sie übernommen“ … Der Naturfreund genießt die Ruhe und Weltabgeschiedenheit der Rostocker Heide als Urlaubsdomizil in vollen Zügen. Ausflüge zu Fuß und per Rad durch die Ruhe der Küstenwald-Landschaft empfindet er als genussvolle Abwechslung zur Lebendigkeit seiner Heimatstadt Dresden: „Die Küste entlang nach Graal und Arendsee. In die Wälder, an schweelenden Kohlenmeilern vorbei, zu einsamen Forsthäusern, wo es frische Milch und Blaubeeren gab. Wir borgten uns Räder und fuhren durch die Rostocker Heide nach Warnemünde, wo die Menschenherde auf der Ferien-Weide noch viel, viel größer war als in Müritz. Sie schmorten zu Tausenden in der Sonne, als sei die Herde schon geschlachtet und läge in einer riesigen Bratpfanne. Manchmal drehten sie sich um. Wie freiwillige Koteletts. Es roch, zwei Kilometer lang, nach Menschenbraten. Da wendeten wir die Räder und fuhren in die einsame Heide zurück.“
Noch während ihres Weges zur Fähre und damit zur Flucht vor der Hektik dieses Badeortes, erreichte die Ausflügler die erschreckende Nachricht das der Krieg in ihre Urlaubsidylle eingebrochen war: „Am 1. August 1914, mitten in diesem Ferienglück, befahl der deutsche Kaiser die Mobilmachung. Der Tod setzte den Helm auf. Der Krieg griff zur Fackel. Die apokalyptischen Reiter holten ihre Pferde aus dem Stall. Und das Schicksal trat mit dem Stiefel in den Ameisenhaufen Europa. Jetzt gab es keine Mondschein-Fahrten mehr, und niemand blieb in seinem Strandkorb sitzen.“ … Von einer Minute auf die Andere hatte sich Alles im Leben verändert. Selbst die Waldidylle der Rostocker Heide geriet in den Sog des Krieges: „Diesmal wechselten keine Rehe und keine Wildschweine über die sandigen Wege. Mit Sack und Pack und Kind und Kegel wälzte sich ein Menschenstrom dahin. Wir flohen als habe hinter uns ein Erdbeben stattgefunden. Und der Wald sah aus wie ein grüner Bahnsteig, auf dem sich Tausende stießen und drängten. Nur fort !“
„Die ersten Reservisten marschierten, mit Blumen und Pappkartons, in die Kasernen. Sie winkten und sie sangen: `Siegreich woll´n wir Frankreich schlagen, sterben als ein tapfrer Held ! Der Weltkrieg hatte begonnen, und meine Kindheit war zu Ende.“
Drei Jahre darauf musste auch Kästner in den Krieg ziehen, - ohne Euphorie. Ein Jahr darauf kehrte er zurück, krank am Herzen und Pazifist.
Aus der „Ossi“-Zeit
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Aus der „Goldgräberzeit"
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