Manuskript über den Gälknoeker von Richard Wossidlo 1938 - Abschrift des Manuskripts

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Manuskript über den Gälknoeker von Richard Wossidlo 1938
Abschrift des Manuskripts
(Die Abschrift von Wossidlos Beitrag im Rostocker Archiv ist mit Schreibmaschine angefertigt. Sie wurde von mir wortgetreu mit dem Computer erfasst. H. E.)
Einige in großer Eile hingeworfene Bemerkungen zum Sagenkreis vom Gälknoeker der Rostocker Heide (zwischen Blankenhagen und Benekenhagen)
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Ich bitte sagen zu dürfen, daß ich alle irgendwie bedeutsamen Sagenwerke Deutschlands kenne und besitze und auf Zebntausenden von Zetteln ausgezogen habe. So habe ich wie zur Zeit noch kein anderer Forscher (das Berliner Zentralarchiv arbeitet jetzt in dieser Richtung) einen klaren Überblick über die geographische Verbreitung aller Sagenzüge. Eben deshalb kann ich mit voller Bestimmtheit sagen, der Sagenkreis vom Gälknoeker stellt etwas ganz Unerhörtes und Einzigartiges dar.
Die Sagen um Petermännchen sind noch weit vielgestaltiger, aber nicht so altertümlich ‑ sie enthalten slawische Beimischung während Gälknoeker rein germanisch und zwar vorslawisch ist. Eben dieser Umstand ist gerade heute von entscheidender Bedeutung, weil er die Behauptung der polnischen Forscher, Mecklenburg und Pommern seien urslawische Länder, über den Haufen wirft.
Die Feststellung, daß eine Sagengestalt eine ehemalige Gottheit ist, läßt sich nicht an einer einzelnen Tatsache feststellen. Nur die Gesamtheit der Züge, die oft nur mühsam herausgeschält werden können, ermöglicht die Feststellung der Urgestalt.
Durch das Christentum sind die germanischen Götter entthront. Sie sind zu unheimlichen Geistern herabgesunken, die im Glauben des Volkes schadend und helfend weiterwirken.
Dieses Herabsinken bedingt nun ein völliges Umformen der Wesensformen des ehemaligen Gottes und seines Kultes. Aber die
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hochentwickelte deutsche Sagenforschung gibt uns genügend Parallelen, um wenigstens im großen die Urform zu erschließen.
Gälknoeker muß eine machtvolle Gottheit gewesen sein, denn Gälknoeker ist bei weitem die aktivste Sagengestalt unserer Heimat und aller deutschen Länder. Während in anderen Sagenkreisen meistens erzählt wird, was die Menschen tun müssen z.B. um den Sagenhelden zu erlösen, was sie leiden müssen, wenn sie ihn beleidigen etc., ist Gälknoeker unermüdlich selber tätig. Er fesselt die Menschen, die seinen Hain betreten, er hängt sie auf, er legt ihnen Fragen vor, er macht ihnen „Senf“ (vgl.. Blatt .....) er heilt sie, er straft die Knechte, die schlecht ackern, er jagt mit den Pferden umher, er wirft die Heuhaufen um, er tanzt auf dem Erntefest der Bauern, er leiht den Armen Geld, er stopft Moos in die Glocken der Pferde, er verprügelt die Kartenspieler, er salzt Fleisch ein für seine Höhle (vgl. dazu: up de Kirchstäd in Ramm hebben se Pött vull Fleesch utgrawt.) etc. etc.
Gälknoeker muß in seinen Grundzügen uralt sein, denn: die Sage, daß Gälknoeker vom Blitz erschlagen sei, klingt deutlich an in estnischen und livischen Sagen ‑ auch in Ostpreußen tauchen ähnliche Überlieferungen auf. Dieser Sagenzug ist vollkommen unbekannt in ganz Mitteldeutschland und Süddeutschland. Es ist also unwahrscheinlich, daß die Siedler die Sage aus dem Westen mitgebracht haben. Die Sage hat in der Heide ihre Urheimat.
In der großen Sagengruppe, die man nach der griechischen Überlieferung Sagen vom Tode des Pan zu nennen pflegt ‑ mit den zwei Hauptgruppe Zwerge beklagen den Tod ihres Königs und Katzen melden den Tod - fehlt der Zug, daß der Blitz die Ursache das Todes sei. Einen seltsamen Anklang an die Gälknoeker-Sage bietet nur die mecklenburgische Sage von den gespenstischen Katzen, die da rufen.
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Is Waul doot, sall Blitz un Blader drin slahnl

In der Zwergsage von dem Zwerg, der (wie G.) Geld ausleiht, heißt es meistens nur: Joop o.ä. is doot, beholl dien Geld. ‑ Gent is doot , beholl dien Rent. Diese Sage ist wohl von Gälknoeker entlehnt, u.ä., denn einmal klingt die Sage vom Tode durch den Blitz an: Joop in Lehsten hatt so'n Angst hatt vör dat Bullerballern (d.h. dem Gewitter), er flüchtet in ein Loch des Koppelpfostens und wird dort vom Blitz getroffen. Sogar eine indogermanische Parallele beweist das Alter unserer Sage: Der Blitz spaltet den Gälknoeker-Barg und tötet Gälknoeker.‑ Auch Indra spaltet mit dem Blitz den Berg und tötet so Vritra. In Pommern = Balder is nich mihr. In Estland: den Ilp Hans hat der Donnergott Piker erschlagen. Ob der Reim der Unterirdischen in Friesland: ene pe sippere, appel dappel dunnerene mit dem Sagenkreis zusammenhängt? Wir haben noch einen weiteren Beweis für das hohe Alter der Sage: Es ist ganz auffallend, wie bei Gälknoeker christliche Züge ganz fehlen. Von Gott usw. ist fast niemals die Rede, ebenso nicht von Priestern. (Petermännchen hat einen Priester einmauern lassen). Vaterunser, die Sakramente etc. spielen keine Rolle. Die Kreuze, die Gälknoeker auf den Boden macht, haben nichts mit dem christlichen Kreuz zu tun, sondern sind alte Zauber-Runen. Der Sonntag, der öfter erwähnt wird, ist der heilige Festtag des Gottes. Kirchliche Festtage wie Karfreitag etc. fallen aus. In hohem Maße beachtenswert ist es, daß niemals davon die Rede ist, wie Gälknoeker „erlöst“ werden könne (gl."Gott"), während diese Sagen bei /Seite 4/ Petermännchen eine große Rolle spielen. Gälknoeker wird vom Blitz erschlagen. Es gilt nun wieder festzustellen, welche Art Gottheit Gälknoeker vertritt. Bei Gälknoeker fehlt jede Andeutung auf eine Licht- und Feuergottheit, im Gegensatz zu Petermännchen. Petermännchen hat seinen Sitz im Aschkasten. Die Laterne spielt bei ihm eine große Rolle (vgl. den Martinsmannbrauch) auch bei Juuchhans wird von einer Laterne gesprochen. Gälknoeker rakt das Feuer der Hirtenjungen auseinander: dabei verbrennt er sich die Finger: worauf er sich Papiertüten auf die Finger stülpt. Die Hirtenjungen schlagen Feuer, um Gälknoeker los zu werden. Eigenartig sind die Äußerungen der Gewährsmänner über das eigentliche Wesen des Gälknoekers, ‑ ob er ein "Geist" gewesen sei, oder ein Mensch etc. Petermännchen wird allgemein als ein verwünschter Prinz aufgefaßt. Auch Juuchhans ist verwünscht, er war früher König von Ramm ‑der großen untergegangenen "Stadt". Gälknoeker hat keinerlei Beziehungen zu anderen Stätten ‑ hat keinen unterirdischen Gang, wie Petermännchen vom Petersberg nach dem Schweriner Schloß und von dort zum Dom. Keine Verbindung etwa mit dem Wallbarg in Gelbensande. Merkwürdig ist, daß zwei "Hexendörfer" in der Nähe liegen (d.h. Wohnstätten der heidnischen Priesterschaft) Rövershagen und das früher in unglaublichem Maße gefürchtete und gemiedene Bartelshagen. Slawische Burgwallsagen fehlen in der Heide: sie tauchen erst in Wustrow auf dem Fischlande und auf der anderen Seite in Fresendorf anf . Bedeutsam ist, daß niemals von einer "Erlösung" bei Gälknoeker gesprochen wird im Gegensatz zum Petermännchen, auch Juuchhans kann Erlösung /Seite 5/ finden, wenn er alle Heidesträucher zählt. So bestehen keine Beziehungen zu der slawischen Zeit, aber auch die Hauptzüge sonstiger mecklenburgischer Sagen fehlen hier fast ganz So treten Schatzsagen stark zurück bei Gälknoeker (Petermännchen belohnt den Soldaten mit Gold). Von einer goldenen Wiege in seinem Berg wird nicht gesprochen. Der Ring, der in dem Gälknoeker-Berg 1848 gefunden worden ist, wird in den Sagen nicht erwähnt. Petermännchen hat dagegen eine eigene Schatzkammer. Beachtenswert ist, daß sich die geographischen Gälknoeker-Sagen auf einen ganz kleinen Kreis beschränken: Blankenhagen und Benekenhagen und Röverahagen und Vogtshagen und Willershagen sind die eigentlichen Träger der Sage. Es liegen hier 267 Fassungen verschieclener Sagen vor. Nach Rihnitz hin verblaßt die Sage – über Rostock hinaus hab ich sie nie gehört (soweit nicht gebürtige Blankenhäger oder Benekenhäger oder Vogtshagener dort ansässig waren). Dieser Umstand zeugt für die völlige Abgeschlossenheit der Heidedörfer in der früheren Zeit. Die Petermännchensagen gehen durchs ganze Land: Sie sind durch die Soldaten, die in Schwerin dienten, überall hingetragen worden. Auch die Juuchhans-Sagen sind über einen ziemlich großen Teil des Südwestens verbreitet.

Einzelheiten über die göttliche Natur Gälknoekers: Die göttliche Natur des Gälknoeker‑Gott tritt klar darin hervor, daß die Hunde, die die Bauern auf Gälknocker hissen, nicht an ihn heranzugehen wagen (wie bei Frau Waur ähnlich) (auch vor Odin weichen die Hunde aus.). Auch das deutet auf ein göttliches Wesen, das Gälknoeker Gods (Gutes) daan hätt un ok Legs (Schlechtes). Legs aber mehr nach der Richtung des Schabernacks hin ‑ daher die Angst vor Gälknoeker, die die Kinder /Seite 6/ bangen läßt vor dem Schulwege. Gutes erweist er den Armen. De Rieken hett he dat Geld wegnahmen un dat de Armen to god kamen laten. Zeigt hett he sik bloot, wenm ‘n Minsch in grote Noot wäst is. Wenn de Lüüd Gälknoeker unorig anrädt hebben, hett he se Schand daan. Vgl. "Wodan" Blatz ... Gälknoeker hett einen fragt, ob he ok an Gälknoeker glöben ded. (Spieß, Fest S. 4) Der Dämon zeigt sich von der guten Seite, wenn die Leute an ihn glauben. Gälknoeker will nicht, daß die Leute ihn Gälknoeker nennen: (wie Rübezahl) er straft sie, wenn sie das tun. Gälknoeker hett sik verwandeln künnt as ‘n Hexenmeister (wie Odin). Gälknoeker ist Heiratsvermittler: wenn de jungen Lüüd de Dierns nich hebben rankriegen künnt, hett Gälknoeker dat trecht maakt. (so ähn1ich). Wenn keiner wo hett hemkamen künnt, hett Gälknoekar dat farigkrägen. Sien Näs hett he allerwägt mank hatt. Wo wat passiert is, is he dorbi wäst. Sehr altertümlich ist die Sage, daß der trunkene Bauer den Gälknoeker anfaßt: ik will mi an Gott hollen, sagte: ik holl mi an di, dorbi hett he ‘n Boom umfaat‘t. Gälknoeker straft die Frau, die ihn de oll Wäderhex genannt hat (Wie der Waur der wilden Jagd.) Sehr bedeutsam ist, daß bei Gälknoeker (außer seiner Höhle im Gälknoeker-Barg auch von einem heiligen Hain (dem Heibarg, leider abgeholzt 1871, auf dem jetzt 11 Häuslereien stehen) die Rede ist. Hier zeigt er sich, wenn die Leute sonntags zur Kirche gehen (d. h., an seinen Festtagen). Hier wird er den Nüssepflückern gefährlich: Haddst du nich den Bullerjahn (d. h. Baldrian), wur wull ik mit di na‘n Noetplücken gahn (dieser Zug tritt oft in Teufelssagen auf). De Bullerjahn is ’ne anner Wissenschaft wäst – dat is G. oewer west. /Seite 7/Das weist wieder auf die Überwindung Gälknoekers durch das Gewitter. Er zaubert, um die Leute zu betören, auch den Erbsen Nüsse-Behang an. Hauswirtschaftliche, frauliche Tätigkeiten spielen bei Gälkn. keine Rolle. Niemals z.B. erscheint Gälkn. in der Spinnstube (wie Fru Waur). Dagegen ist ganz auffallend, daß sich Gälknoeker immer wieder bei den Pferde hütenden Hirtenjungen zeigt (die bei Petermännchen niemals erwähnt werden). Merkwürdig ist auch, daß Gälkn. niemals in Verbindung mit einem Schäfer gebracht wird (wie so oft der Waur der Wilden Jagd). Auch der Schmied ist mir bisher nicht bei Gälknoeker begegnet. Gälknoeker zeigt sich den Kohlenbrennern, den Forstarbeitern, den: Bauern bei der Fastnachtfeier und dem Erntefest Erntefest: de Frugens hebben nich giern wat mit Gälknoeker to doon hatt. He hett se bi 't Danzen ümmer an'n Rockquarter faat't un so dull rumswenkt: (Windnatur) (also den beiden großen Festen im Frühling und Herbst). Bei Gälknoeker fehlen die Tätigkeiten, die vom Teufel erzählt werden (der Teufel mäht um die Wette, pflügt Bäche, baut Dämme etc.: (Das sind Züge, die er von den Riesen übernommen hat) Einmal klingt bei Gälkn. leise eine Riesensage an: Wenn die Leute auf seinem Berge ackern, ruft er ihnen aus seiner Höhle zu: hödt jug‘ Höhner, dat se mi keenen Sand up ‘n Kopp kratzen.

Ku1tgebräuche . Daß der Sagenkreis von Gälknoeker (ebenso wie der von der Wilden Jagd) Erinnerungen an alte Kultbräuche enthält, ist vollkommen zweifellos. Die Volkssage kann solche Erinnerungen nur in der Form bewahren, daß sie das, was früher zu Ehren der Gottheit geschah, den Gott selber tun läßt: /Seite 8/Wie das Fesseln der den Hain Betretenden, das Aufhängen des Mädchens mit dem Kopf nach unten (alter Opferbrauch) ‑ wie Odin selber, der Hangagott, an der Weltesche hängt) das Orakel geben. Die Sage meldet: Wenn de Lüd‘ Sünndags nah de Kirch gahn sünd un in den Heibarg kamen sünd, hett Gälknoeker ehr allerlei Fragen vörleggt ‑ se hebben goor nich wüsst, wat se dorup antwuurten süllen. Sicher auf alten Zauberbrauch geht zurück die Sage, daß Gälknoeker die Zweige der am Wege stehenden Bäume in seinem Hain herunterbiegt und verknotet ‑ so können die Leute den Weg nicht benutzen. De Heirerjungens hebben dörch den linken Ärmel käken ‑ denn hebben se Gälknoeker bäter sehn künnt. Sehr alt ist der Zug, daß Gälknoeker sich vor dem Gewitter dadurch schützt, daß er sich eine barken Wäd (Birkenzweig) über den Kopf hält. (Vgl. dazu die Hexensage: die Hexe will Jemand das Hexen lehren ‑ er müsse sich aber eine Wäd über den Kopf halten.)

Name Daß Dämonen nach ihrer Gestalt ete. genannt werden, kommt auch sonst in Mecklenburg vor: vgl. Schruckfoot, Knickerbeen, Eenbeen Einmal aus Bartelshagen (leider in hochdeutscher Fassung) wird Gälknoeker Knöchelbein genannt. Der Name Gälknoeker wird in der Sage oft erklärt. Der Angabe, dat is 'n lütten spirrigen Kierl wäst, steht eine andere gegenüber: ne, dat is 'n groten starken Kierl wäst. Die Überlieferung: he hett ‘n gäl Kleed anhatt, (un ‘n groten Hoot) ist wohl (wie der „elfenbeinerne“ Rock Schruckfoots) durch ein Kultbild zu erklären.

Gälknoeker, Petermännchen und Juuchhans /Seite 9/Die beiden anderen großen Gestalten der heimischen Volkssage sind das Petermännchen (der Schutzgeist des Schweriner Schlosses ‑: ursprünglich germanischer Schmiedegott auf dem Petersberg, an der Wasserscheide zwischeu Ost- und Nordsee) am Pinnower See verehrt, der aus dem Berg herausreitet, um seinen Schimmel zu tränken im „Hilgen See“ ‑ heiligen See – dann von den Slawen übernommen und nach dem nahen Schwerin übersiedelt) und der Juuchhans des Südwestens, der eine seltsam schillernde Färbung zeigt.

Ich habe eine genaue Liste aller Züge aufgenommen, die überaus lehrreich ist. 1) die Gälknoeker, Petermännchen und Juuchhans gemeinsam haben oder die Gälknoeker nur mit Petermännehen oder nur mit Juuchhans gemeinsam hat. 2) aller Züge, die jede dieser drei Gottheiten für sich allein hat. Petermännchen und Juuchhans zeigen sich als Kind – Gälknoeker niemals (so ist auch Wodan). Gemeinsam ist allen dreien, daß sie unter einer Brücke sitzen (Petermännchen unter der Schloßbrücke, Gälknoeker unter der Ridenbrügg Gälknoeker hett eenen doot slahn hatt. (Petermännchen hat einen Priester einmauern lassen) Bei Juuchhans tritt Import entgegen: Juuchhans is oewer de Elw‘ na Mäkelborg kamen . Sehr eigenartig ist es, welche Rolle die Verrichtungen des Pissens, Scheißens und Furzens bei Gälknoeker spielen. Er bepisst die Hirtenjungens, er pißt das Feuer aus, wie Waul, in den Sagen von der Wilden Jagd. Er begattet die Mädchen, die er an den Baum gefesselt hat, er scheißt den Frauen, die Gest und Senf holen wollen, die Kruke voll, unter seiner Brücke. Er furzt fortwährend, wenn er läuft, snurt snurt hett dat ümmer gahn. /Seite 10/ Das Pissen kennen wir von weiblichen Gottheiten wie Frau Harke u.a., auch Odin läßt Met von sich, das Furzen kehrt bei den Sagen von der Wilden Jagd wieder.

Tacitus berichtet von einem heiligen Hain der Semnonen. Die meisten Forscher haben ihn bisher in der Mark gesucht, in der Havelgegend; ein Forscher hat aber schon betont, daß er auch in Mecklenburg gelegen haben könne. Mir war es schon immer auffällig, daß die Rostocker Heide in dem Sagenwerke von Bartsch so völlig zurücktritt. Ich sagte mir immer, daß ein so uralter herrlicher Wald in der Nähe des Meeres in altgermanischer Zeit eine große Kultstelle umschlossen haben müsse. Nun klingen die Sagen von Gälknoeker aufs Klarste an den Bericht des Tacitus an: das Fesseln der Leute, die den Heibarg betreten (unerhörter Sagenzug in ganz Deutschland), das Orakel u.a. Gälknoeker ist waffenlos ‑ während bei Petermännchen das zu putzende rostbefleckte Schwert (oder Säbel) eine große Rolle spielt. Gälknoeker hat nur eine Peitsche, mit der er die Leute schlägt (auch Juuchhans hat eine Rute, mit der er zwickert. Petermännchen hat einen Zauberstock, mit dem er die Schlösser öffnet.) Gälknoeker fährt niemals auf einem Wagen, (während Petermännchen mitunter auf goldenem Wagen fährt ‑ mit sechs Pferden oder vier je nach der Kleidung, die er trägt). Gälknoeker hockt den Leuten nur auf ihre Wagen, um sie festzubannen. Gälknoeker geht zu Fuß. Er kann laufen as de Deutsching ‑ niemand vermag, ihn einzuholen. Er wirft sich auf die Pferde der Hütejungen. Aber nur selten tritt er als eigentlicher Reiter auf. Die Berührungen der Gälknoekersagen mit dem Sagenkreis von der Wilden Jagd sind natürlich mannigfach ‑ weil sie beide zu Wodan in Beziehung /Seite 11/ stehen. ‑ Ich kann hier darauf nicht eingehen. Gälknoeker ist ein alter Windgott, vielleicht Wodan selbst. Sehr viele Sagenzüge bei Gälknoeker weisen klar auf Wodan (oder vorsichtiger: auf eine ähnliche Gottheit wie Odin) hin. So vor allem das Aufhängen der Mädchen, die immer wieder aufleuchtende Windnatur Gälknoekers (as ‘n Küselwind is he kamen ‑ de de Lohwagen (Eichenrinde für Gerber), de na Rostock führt sünd, hett he umkippt etc.), die Kenntnis der Runen, die Heilkunst Gällnoekers. Gälknoeker hett ümmer Döst hatt. As de Hiererjungens em to Äten ambaden hebben, is he nich wedderkamen, (die Opferspeisen werden den Hunden hingeworfen, der Gott selbst ißt nicht, trinkt nur). Wovon Gälknoeker läwt hett, weet keener. Wenn Gälknoeker auf den Heuhaufen Boom schütt (Kobolt schießt) so ist das auch wohl aus der Windnatur des Gottes zu erklären. He hett de Heukumpels ümstött ‑ heißt eine andere Überlieferung.

Tod Gä1knoakers Daß es sich bei der Sage vom Erschlagen Gälknoekers durch den Blitz um die Verdrängung des Kultes eines älteren Windgottes durch eine jüngere Blitz- und Feuergottheit handelt, ist mir zweifellos. Näheres darüber kann ich hier nicht sagen. Diese Sage mit ihren Varianten weist wieder klar auf Wodan hin: Hurra im Norden (vgl. Horakalles) hett Burra doot slagen (Burr ist der Vater Odins). Bullerbuck (d.h. das Gewitter) hett Burrerbuck doot slahn Bullerjahn hett Burrjahn dodslahn. Hochbedeutsam ist auch, daß Gälknoeker in einer Fassung dieser Sage Ruprecht. genannt wird (alter Name Wodans.) Lopen hett Gälknoeker unendlich künnt. (Vergl. „Wagen“) /Seite 12/ Gälknoeker zeigt sich bi Vullmaan (wie Juuchhans). Eine Frau in Ribnitz behauptet, in ihrer Jugend in Benekenhagen gehört zu haben: Bullerbuck für Gewitter und nu kümmt Gälknoeker wedder: wenn die.Sonne aus den Wolken brach. Oft ist mir versichert worden: Gälknoeker is alleen wäst. (Niemals wird überliefert, daß er, etwa wie Schruckfoot in Rethra‑Gebiet, eine Frau bei sich gehabt habe. Niemals raubt Gälknoeker Mädchen, wie Viting, Papedöncke, Rabandel u.a. Niemals wird berichtet, daß er Mädchen beschlafen habe (wie einmal vom Petermännchen) und Kinder gezeugt habe (wie Viting ete.). Aber einmal hörte ich: Gälknoeker hett enen Lütten bi sik hatt (daß dieser Zug nur einmal auftritt, beweist natürlich nichts gegen sein Alter). Auch Odin hat den Höner selbst bei sich. Ob die Sage von der Ridenbrügg auch so zu verstehen ist, ist mir noch nicht ganz klar: Eine Hebamme, die zur Entbindung fährt, sieht bei der Brücke twee swart Kierls mit kridwitt Gesichter, die dem Knecht zurufen: Du führet jo ‘n Dodenwagen. Die Hebamme entbiudet die Bauerfrau glücklich aber nach wenigen Stunden kommt ein Fieber hinzu, das die Bauerfrau tötet. Als Abschluß seien 12 Fassungen einer einzigen Sage gebracht, und zwar der Sage, die durch die Namen Gälknoekers auf germanische Gottheiten hinweist. Die Wiedergabe ist hier gekürzt und auf das Wesentlichste beschränkt.

12 Sagen über den Gälknoeker

1. Gälknoeker hett in Benekenhagen up 'n Rülebarg haust, dee is hier achter Benekenhagen. Dat is son Oort geist wäst (mien ‑ des Erzählers ‑ mudder hürt na Benekenhagen.) De hoekers hett he ümmer wegjagt, öwer de Dierns nich, dor hett he mit spaßt. ‑ Dor is ‘n buer in Blankenhagen, de is sinnend ümhergahn. Dor hett Gölknoeker em fragt, wat em fählen ded. „Du kannst mi doch nich helpen.“ Dat könn he nich weeten. So un so väl geld – „will di dat dohn“. „Wo bring ik di dat wedder hen?" „Kumm hier her!“ ‑ He bringt dat wedder hen, röppt ümmer: Gälknoeker, Gälknoeker. „Den Gälknoeker hett de Himmeldunner dootslahn, he sall man to huus gahn. Un hett em nich eens wedder affördert.

2. Is ne fru ömgahn von Benekenhagen na de Blankenhagener moehl - hett keen geld hatt, hett rohrt. ‑ Kümmt Gälknoeker an, .... sall dat to ne bestimmte tiet wedder henbringen, denn sall dat geld wedder vull sien, sall Burrerbuck ropen.. ‑ Bullerbuck hett Burrerbuck doot slahn.

3. Heibarg +) dat is ‘n holt west. Dor is ‘n mann na de moehl gahn hatt keen mähl hatt ‑ grübelt ümmer. wo he den möller begegen (= begegnen) woll ‑ geiht mit de kor (Karre) so gebückt un grübelt, wo he den möller dat mähl afsnackt krigt. Gälknäker langt em ‘n pott hen, dee is all vull geld wäst, dat geld sall he öwer tokunft wedder gäben ‑ hett lang' up spoort hett 't ok wedder henbröcht. Bullerjahr hett Mullerjahn doot slahn. geld süll he wedder mitmähmen. sall ne verwünschte gestalt wäst sien ‑is blos vör dee lüd sichtboor wäst, dee in de gröttste noot wäst sind. +) Heibarg: ehemal. heiliger Hain, heute abgeholzt. 4. En Benekenhagener hett ‘t bedröwt gahn ‑ hett na moehl wullt, de möller hett nicks borgen wullt ‑ hett keen mähl un schrot mihr hatt ‑ dor kloppt em een uppe schuller: „oh, ik help di, ob he 'n schäpel hebben wull. ne, an'n viert heff ik noog. ‑ üm 'n johr sall he wedderkamen: „wenn ik nich hier bün, rop du man Burrebuck!“ He is vörsichtig in ‘t geldutgäben. leggt dorbi, geiht hen, röppt: Burrebuck. Dor kümmt ne stimm: Bullerbuck hett Burrebuck dootslagen. (hett min vadder vertellt; vor 3 Jahren gestorben). 5. Geld ‑ he't ann Weg henlqgen müßt. „Bullerjan hett Burrjan d(oot)sl(agen).

6. Millhahn ut Willershagen (glöw ik, so hett he heeten) den‘n hatt he bleckern schaal vull geld gäben un em seggt, üm ‘n johr süll he dat wedderbringen, dann süll he in de höhl kiken un ropen: Rubrecht. In de höhl is 'n Lock wäst, dor is he ümmer rinkrapen. Dor hett dat ropen "Bullerballer hett Rubrecht dootschlahn." (Woss«idlo. „wat sall dat sien?) Erzähler: Dat is wol ‘n gewitter wäst. Dor hett he sin geld wedder mit to hus nahmen. Von Buer Fetten sinen broder heff ik dat allermihrst. Vadder hett ok vertellt von Gölknoeker. Dat se dat nich hebben utfünnig kriegen kümnt mit Gälknoeker.

7. Hat ein altes Mädchen bei Möller erzählt: Mann ut Benekenhagen geiht na Blankenhagen na ‘n Möller ‑väl Kinner ‑ Schulden bi ‘n Möller ‑ Gälknoeker ob he an' Gälknoeker glöben ded ‑ wo he dat wedder henbringen süll, süll Bullerbuck rapen ‑dit Geld hadd Glück ‑ läd ümmer wat bi, wenn se wat afnahm ‑ röppt 3 mal ‑ "Bullerjahn hat Bullerbuck'n doot slahn. ‑ Siet de Tiet is Gälknoeker verswunnen wäst.

8. He (Gälknoeker) hatt enen geld leent, sall wedderbringen üm ‘n johr, he sall man Burrerburrer (ropen). As he dat deiht seggen, antwuurt 't een ut'n gälknoeker-barg: "Bullerbuck hett Burrerbuck doot slahn“. ‑ Dat sall gewitter wäst sien.

9. ... he dacht in siene Not ‑ hett em geld leihnt‑. ‑ wedderbringen. bi de Ridenbrüch hett he 't henbringen süllt. Stimme: Bullerjan hett Barrabamm doot slan. (Ridenbrüch = Brücke, unter der Gälknoeker seinen Sitz hat.)

10.(Gälknoeker) lopen hett he so dull künnt. – Kümmt ‘n mann, geiht bedröwt, hett so väl schulden to Blankenhagen an de moehl, hett keen brot. ‑ Dor kümmt Gälknoeker an: Oh, dat wier jo nich so slimm. Wat he sien wäsen will. Ne, dat will he nich. He will em helpen un einen pott vull geld (maritus = Gatte: Viert) gäben, dormit sall he dat betahlen. ‑ Dor secht de: "wo sall ik dat afgäben krigen?" "O. dat hett jo tiet, sall ümmer n dahler trüggleggen, wenn he wat verdeent. sall Bullerbuck ropen. ‑ As he eenen sünndag morgen hen geiht, röppt he dor an barg: Bullerbuck. ‑ Ne, kümmt keen Bullerbuck. Dor denk he: Settst dor man hen. Dor kümmt ne stimm: Bullejahn hett Burrerbuck dot slabn.

11. Bullerbuck hett Burrerbuck (Gälknoeker) dootslahn. ‑ Dat is dat gewitter wäst. Wossidlo fragt: "Wat is dat för'n kierl wäst? Dat is keen kierl wäst., dats wol wider wat wäst.

12. Bi Benekenhagen in' Barg up Blankenhagens feld het Gälknoeker haust. ‑ is ganz gäl west, dorüm het he so heiten. ‑ buer het sik ens enen andrunken. Gälknoker fatt em an ‑ he will seggen: "an gott will ik mi hollen". ‑ hölt sik an‘n bom fast un seggt: "an di will ik mi hollen." hund het em reddt hett dat geschrieh hürt. ‑ Enen mann sin koh is dod bleben ‑ de mann kümmt un biddt ümmer bi de lüd üm geld, dat he sik ne koh wedder köpen kann. Dor kümmt Gälknoeker un gifft em en pott vull geld: Üm de un de tid sall he em dat wedder bringen." ‑ "wo he em nennen sall süll man "Hurra" ropen. ‑As tid üm is, bringt he‘t wedder hen. röppt ümer: „Hurra“. do seggt ein stimm, wat he sall. ‑ ja, he wull dat geld wedder bringen. ‑ he sall dat man to goden anwenden; denn Burra het Hurra dodslagen. Dat hebben se so utleggt, dat't gewitter em dod slagen harr.