Chronik 700 Jahre Neuendorf (bei Rostock)

Aus Ortschroniken
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Dies Chronik wurde von Prof. Dr. Willi Kröger aus Anlass der 700-jährigen Ersterwähnung von Neuendorf 2014 erstellt.

700 Jahre Neuendorf

Im Juni 1314 wird das Dorf Niendorf (Neuendorf) von den Rittern MÖRDER, Vater und Sohn, an die Rostocker Bürger SCHOENWEDER und RAVEN verpfändet. Einige Jahre später taucht der Name der Ritter MÖRDER auch in dem Vertrag auf, in dem das nahegelegene Pastow erstmalig erwähnt wurde. Eine Abbildung dieser Urkunde findet sich in der Ortschronik von Pastow von W. Schulz aus dem Jahre 2004. In der Urkunde erwirbt ein späterer Bürgermeister von Rostock von den drei Brüdern Mörder das Dorf Pastow. Es ist anzunehmen, dass die Ritter der Familie Mörder von lokaler Bedeutung waren und einen umfangreichen Grundbesitz besaßen. Die genannten Rechtsvorgänge sind sicher nicht die Geburtsurkunde unserer Dörfer, stellen aber den gesicherten Beleg für das Bestehen der kleinen Ansiedlungen dar.

Die Herrschaft ROSTOCK reichte nach Osten bis zur Recknitz. Etwa ab 1323 wurde die Straßenverbindung von Lübeck nach STETTIN östlich von ROSTOCK ausgebaut. Nach dem Tode des Fürsten NIKOLAUS von Rostock ging das Gebiet an den Fürsten HEINRICH von Mecklenburg und gehörte seitdem zur Herrschaft Mecklenburg.

Urkundliche Quellen

Über die Zeit der NOVELLA PLANTICO, der zeitgenössischen Bezeichnung der Kolonisation, berichten zwei Chroniken: Die Slawenchronik des Pfarrers Helmold von Bosau am Pläner See bis 1171 und die Chronik des Fortsetzers Arnold von Lübeck bis 1209. Urkundliche Nachrichten sind ab 1154 datiert. Die Urkunden berichten über Begründung, Bestätigung und Dotierung, Grenzen, Gerechtsame und Liegenschaften des Bistums Ratzeburg, seiner Bischöfe und des Domkapitels, die die Leitung der Christianisierung der Wenden und die kirchliche Betreuung der deutschen Siedler im Gebiete der Polaben und des nordwestlichen Teils des von den Obotriten eingenommenen Raumes hatten. Wesentliche Daten finden sich im Zehntlehenregister. Aus diesen Registern lassen sich Aussagen über das Vorhandensein von Kirchspielen und dazu gehörenden Dörfern finden. Außerdem findet man dort, welche Dörfer und Gemarkungen im Aufbau begriffen waren und welche wendischen Siedlungen den sogenannten Wenden- oder Bischofszins zu entrichten hatten.

Aus dem Zehntlehenregister von 1229/30 lassen sich aus den Veränderungen Einblicke in die Siedlungsabläufe gewinnen. Nach dem ersten Siedlungszeitraum ab 1142 kam es ab 1160 durch den Aufstand des Obotritenfürsten NICLOT zu einer Stagnation. Nach dem Tode NICLOTS wurden der Ausbau der kirchlichen Organisationen und die Siedlungstätigkeit in den 70er und 80er Jahren des 12. Jahrhundert forciert. Nach dem Sturz HEINRICH des LÖWEN 1181 kam es durch die Unruhen und Kämpfe zu einer Neuverteilung der Herrschaftsstrukturen im norddeutschen Raum. Die nördlich der Elbe gelegenen Länder gerieten 1204 unter die Herrschaft des Dänenkönigs WALDEMAR, die etwa 20 Jahre andauerte. Danach wurden auch in weiter östlich gelegenen Gebieten mit Hilfe und unter dem Einfluss der einheimischen slawischen Fürsten Bauern angesiedelt. Auch Siedler bürgerlicher oder bäuerlicher Herkunft wurden als Lokatoren mit der Siedlungsleitung beauftragt.

Aus dem Zehntlehensregister lassen sich wahrscheinlich auch Angaben über entstandene Kirchspiele und die zu ihnen gehörenden Dörfer finden. Im DEHIO ist angegeben, dass der quadratische Chor der Kirche Kessin aus Feldstein aus der Mitte des 13. Jahrhundert, das breitere Schiff aus Backstein aus dem 14. Jahrhundert stammt. Neuendorf gehörte zum Kirchspiel Kessin, so dass die Zuschreibung auf Grund der erwähnten Kaufverträge zeitlich zutreffen dürfte, Neuendorf 1314 schon als Ort bestand.

Vermutungen über Neuendorf

Im Zeitraum der Neuansiedlung war der Neuansiedler als freier Bauer in das Land gekommen. Von seltenen Ausnahmen abgesehen besaß er sein Land nicht als Eigentum, sondern er bewirtschaftete den einem Grundherren gehörenden Boden, besaß also Nutzungsrechte. Die Hintersässigkeit bedeutete in Bezug auf die bewirtschafteten Ländereien die sog. „dingliche Abhängigkeit". Daraus entwickelte sich im Laufe der Jahrzehnte ein öffentlich-rechtliches Untertanenverhältnis. Die Rechtsstellung der Bauern war auch dadurch eingeschränkt, dass die niedere und hohe Gerichtsbarkeit auf die Grundherren, sprich Ritter überging. Im Laufe des Mittelalters wurde durch die obrigkeitliche Stellung der Ritter und Grundherren die Freizügigkeit der Bauern eingeschränkt. Der Bauer wurde völlig erbuntertänig an die Scholle gebunden. Ab Mitte des 15. Jahrhunderts zog die Ritterschaft zunehmend wieder aufs Land. Aus einer Ansammlung von ehedem kleinen Hofwirtschaften entstanden Güter. Die Produktion von landwirtschaftlichen Erzeugnissen wurde in größere Betriebe in Form von Gütern verlagert. Daneben entwickelten sich Bauerndörfer wie Pastow und Broderstorf. In Broderstorf gehörte das Land der Stadt Rostock, in Pastow dem Kloster in Marienehe. In beiden Orten wurden die Hufen in Erbpacht vergeben. Der 30-jährige Krieg hatte nicht nur verheerende Folgen für Land und Menschen, sondern veränderte auch die Gliederung und Struktur der Dörfer und Güter. Aus Lehensakten geht hervor, dass viele der Gutsbesitzer ihr Vermögen verloren und ihre Güter verlassen mussten. Auf diese Weise entstanden neue größere Gutskomplexe, deren neue Eigentümer in der Regel alles taten, um die Arbeitskraft der Bauern und Kossäten intensiver auszunutzen. Das bisher vorhandene bunte Bild der verschiedenen Abstufungen von Grundbesitz und Nutzungsrecht vom Kätner mit und ohne Land bis zum Hüfner wurde abgeschafft.

Die Feldwirtschaft

Mit der Neubesiedlung des Landes im 11. und 12. Jahrhundert wurde die deutsche Felderwirtschaft eingeführt. Die Feldmark eines Dorfes war in ständiges Ackerland und „ewiges" Weideland, die Allmende, aufgeteilt. Das Ackerland wurde in Form der 3-Felderwirtschaft bestellt. Je ein Drittel wurden mit Winter- und Sommerkorn bestellt, der dritte Teil lag brach. Der Schwerpunkt der 3-Felderwirtschaft war der Kornertrag. Die Nutzung durch Vieh war nebensächlich. Durch eine solche „Feldgemeinschaft mit Nutzungszwang" ließen sich nur geringe wirtschaftliche Erträge erwirtschaften.

In den größeren Gutswirtschaften wurde später die „holsteinische Koppelwirtschaft" eingeführt, um die Erträge zu vergrößern und zu stabilisieren. Die Anbaufläche vergrößerte sich erheblich. Alles anbaufähige Land wurde bestellt, die Erträge wuchsen. Die Zahl der „Koppeln" schwankte zwischen neun und zwölf, von denen fünf mit Getreide bestellt wurden und vier als Weide dienten. Eine Koppel lag brach. Diese Wirtschaftsform wurde später zur „mecklenburgischen Sieben-Schläge-Wirtschaft" weiterentwickelt. Die neuen Wirtschaftsformen wirkten sich auf die Gliederungen und die Gestaltung der Gemarkung aus. Bauernstellen wurden gelegt und die Bauern zu Gutstagelöhnern herabgedrückt. Diesem Vorgehen war unmittelbar nach dem 30-jährigen Krieg eine durch die Lehnsherren geförderte Neuansiedlung von Bauern auf Lehenshöfen vorangegangen, um das menschenleere Land wieder zu bevölkern. Sie gingen mit einer Verstärkung der Bindung der Bauern an die Scholle und die Grundherren einher.

Die Umwandlung der Grundherrschaft zur Gutsherrschaft und Gutswirtschaft bewirkte, dass an Stelle der bäuerlichen Hofdienste durch Gespanne und menschliche Arbeitskraft Tagelöhner eingesetzt wurden. Gutseigene Arbeitskräfte und Gespanne waren billiger als die Hofdienste von Bauern und Kossäten. Vorhergegangen waren Bestrebungen von HUSANEUS und anderen römisch-rechtli-che Normen auf Mecklenburg zu übertragen. Durch Landesgesetz wurde 1621 das erbliche Recht der Bauern an ihren Bauerstellen aufgehoben. Eine Verordnung von i645 „zur Bestimmung der Reversalien" verankerte die Leibeigenschaft der bäuerlichen Bevölkerung gesetzlich. Die alte Erbuntertänigkeit wurde in eine Leibeigenschaft umgewandelt, um ein Entlaufen der schwer bedrückten Bauern und ihrer Familien zu verhindern.

Nach 1700 wurden durch das sogenannte „Bauernlegen" die Gutsstrukturen verändert, da der Boden für die Grundbesitzer wichtiger wurde. Die Landesfürsten waren gegen das Bauernlegen. Friedrich-Wilhelm und Carl-Leopold versuchten erfolglos, eine absolutistische Herrschaftsform in ihrem Land durchzusetzen. Die mächtige Ritterschaft vereitelte die Bemühungen der Fürsten. Durch den „Landesgrundgesetzlichen Erbvergleich" von 1755 wurden die Landesfürsten finanziell abhängig. Nach 1755 wurde das Bauernlegen auch durch die Landesherrschaft geduldet und anerkannt.

Über Neuendorf berichtete der herzogliche Fiskal, dass 1724 der Rittergutsbesitzer v. SALA auf Bellin und Lüsewitz beabsichtigt, die nach Kessin eingepfarrten Bauern aus Neuendorf nach einem anderen Kirchspiel zu verlegen, was einem Verstoß gegen die mecklenburgische Kirchenordnung entsprach. Der Protest des Pfarrers zu Kessin war wirkungslos, und so wurden 1724 drei Bauern nach Wolfsberg verlegt. Auch die restlichen Bauern wurden verlegt, so dass ab 1724 Neuendorf ein Rittergut ohne Bauern war.

Situation in Mecklenburg

Während des 30-jährigen Krieges hatte Wallenstein die ersten Steuerkataster über die ihm unterstellten mecklenburgischen Lande erstellen lassen. Nach dem Kriege wurde die Vermessung und Bonitierung des Landes wieder aufgenommen. Der Nordische Krieg unterbrach diese wichtigen Arbeiten, die ab 1719 von Herzog Carl-Leopold wieder angeordnet wurden. Ungeachtet der gegen ihn angeordneten „Reichsexekution" wurde 1725 die „Hufenrektifikation" als Bewertung und Beschreibung des Domaniums fertiggestellt. Der „Landesgrundgesetzliche Erbvergleich" von 1755 erweiterte die Macht der Grundbesitzer erheblich. Die Leibeigenschaft der Bauern wurde gefestigt und verstärkt. Eine Milderung der Regelungen erfolgte ab 1822, aufgehoben wurde die Leibeigenschaft erst 1855. Gegen die schweren Auswirkungen der Leibeigenschaft blieb den Betroffenen nur die Flucht ins Ausland oder in die großen Städte. Eine beträchtliche Zahl mecklenburgischer Landeskinder flüchtete nach Preußen, wo sie beispielsweise bei solchen Projekten wie der Trockenlegung des Oderbruchs eine neue Heimat fanden. Ausdruck der Hoffnungslosigkeit ist die große Zahl der Auswanderer, die Mecklenburg in Richtung Übersee verließen. Von 1853 bis i908 sind vom Statistischen Landesamt des Großherzogtums Mecklenburg-Schwerin 115.159 Auswanderer erfasst worden. Bezogen auf die Einwohnerzahl von 1871 entspricht das etwa einem Anteil von 20% der Bevölkerung.

Neuendorfer Eigentümer und Besitzer

Um 1743 wurde das Rittergut Neuendorf von der aus Pommern stammenden Familie von Walsleben erworben. Die Familie war Besitzer weiterer Güter in der Umgebung. Bei der Aufteilung des Besitzes von Gustav Philip von Walsleben auf Lüsewitz 1771 erhält der Sohn Rittmeister Carl David von Walsleben das Gut Neuendorf. 1818 ist ein Nachfahre, Gustav Wilhelm Wedige von Walsleben, Besitzer. 1855 ist es Lehngut von Carl L. W. W. von Walsleben. Es gehört zur Ritterschaft des Wendischen Kreises mit dem Amt Ribnitz. Zum Dorf gehören 22 Tagelöhnerfamilien. In Neuendorf leben 105 Einwohner.

1860 wird die Feldmark drainiert. Im Generalkataster Mecklenburg-Schwerin wird Neuendorf mit einer Größe von 203.875 Quadratruten verzeichnet. 1891 kauft der Rentier Philipp Hermann Baller das Gut mit Schmiede und einer Nutzlandfläche von 442 ha zum Preis von 519.000 Mark. Die Familienchronik der Familie Baller gibt als Ursprung die Gegend um Augsburg an. Von dort ausgehend erwarb die Familie Grundbesitz im Raum Hildesheim. Da immer nur der erste Sohn Hoferbe werden konnte, zog Joseph Philipp Baller nach Mecklenburg und bewirtschaftete erfolgreich eine große Landwirtschaft, Gut Redewisch bei Klütz. 1839 pachtete er die Domäne Redentin bei Wismar, die er bis zu seinem Tode 1860 bewirtschafte. Sein Sohn Philipp Herrmann Baller erlernte und studierte Landwirtschaft. 1868 pachtete er die Domäne Markow bei Stavenhagen die er bis 1888 bewirtschaftete. Nach einem kurzen zeitlichen Aufenthalt bei Hildesheim kaufte er 1891 das Gut Neuendorf. Als Verkäufer sind in der Chronik der Familie Baller die Erben des Kommerzienrates von Salomon angegeben. Der neue Eigentümer baute eine erfolgreiche Pferdezucht von Kaltblutpferden auf, da Pferde das wichtigste Zugmittel darstellten. Er züchtete schwarzbunte Rinder, deutsche Landschweine und baute später auch die Schafzucht auf. Die Ställe wurden modernisiert. Die zum Gut gehörenden Tagelöhnerfamilien erhielten Wohnung, einen kleinen Stall für Tierhaltung und etwas Land für einen Garten. Die zehn Doppelkaten entlang der Dorfstraße stehen noch heute, sind aber modernisiert und umgebaut worden.

Die Familie Baller war katholischen Glaubens und wirkte aktiv in der entstehenden katholischen Gemeinde in Rostock mit. Ph. H . Baller stiftete i908 den Hochaltar für die anfangs des 20. Jahrhunderts entstehende Christuskirche in Rostock. Später gehörte er zum Kirchenvorstand der Gemeinde. 1908 übergab er das Gut zum Miteigentum an seinen ältesten Sohn Philipp Wilhelm Baller, der zuvor sein Gut Alt-Steinhorst bei Marlow verkauft hatte. Zu der Zeit verkaufte er 80 ha Wald und Wiesen, die etwa 8 km von Neuendorf entfernt gelegen sind. Auf einer Versteigerung wird 1910 das Erbmühlengehöft Nr. I im heutigen Neu Roggentin erworben.

Im Jahre 1913 wird von Pastow eine Hochspannungsleitung nach Neuendorf verlegt, so dass eine elektrische Dreschmaschine, eine Lichtanlage, ein Höhenförderer und eine elektrifizierte Schmiede betrieben werden konnten. Auch in die Häuser der Tagelöhner wurde Strom gelegt. Die Tagelöhner erhielten als Deputat eine Kuh, die vom Gut untergebracht, aber vom Tagelöhner selbst gemolken werden musste. Korn, Kartoffeln und Ackerland wurden zur Verfügung gestellt. Sie erhielten einen halben Morgen Land (ca. 1.250 qm) für die Hof- und Gartenwirtschaft. Der Kuhstall wurde mit allen anfallenden Arbeiten von einem Schweizer geführt, der seine eigenen Arbeitskräfte stellte und leitete und nach Leistung bezahlt wurde.

In den 3oer Jahren des 20. Jahrhunderts wurden 2 Traktoren, 2 Zapfwellenbinder, Düngerstreuer, Drillmaschinen, Strohpresse, Rübenroder, Hackmaschinen, Kultivatoren und Eggen angeschafft. 1928 wurden auf dem Hof 102 Pferde, 253 Rinder, davon 125 Milchkühe und 120 Schweine gehalten. Der Viehbestand betrug 1940 etwa 60 Pferde, 200 Stück Rindvieh, 150 Schweine, 500 Schafe sowie Kleinvieh. Die Verringerung der Zahl der Pferde spiegelt die zunehmende Bedeutung der angeschafften Traktoren als Zugkräfte wider. Bis 1932 leitete der Gutsherr den Betrieb mit Inspektor und Statthalter. Von da an wurde er durch seinen Sohn Hans Baller unterstützt, dem die Leitung zunehmend übertragen wurde. Nach dem Tode des Vaters 1940 leitete er bis 1945 das Gut selbstständig. Einer Hofkarte über die Jahre 1936-40 ist zu entnehmen, das auf 40% der Fläche Getreide (Roggen, Weizen, Gerste und Hafer) angebaut wurde. 25% der Fläche diente dem Anbau von Hackfrüchten, 10% dem Rauhfutteranbau (Gras, Klee und Lupine) und 20% waren Wiesen und Weiden. Auf dem Rest wurden Ölsaaten angebaut oder dienten als Deputatland.

Philipp Wilhelm Baller führte das Gut von 1908 bis 1940. Beide Söhne Philipp Johannes und Hans Baller erhielten eine Ausbildung als Landwirt. Philipp Johannes B„ der älteste Sohn, konnte sich gegenüber dem Vater nicht über die Einführung und Anwendung moderner landwirtschaftlicher Erkenntnisse und Verfahren durchsetzen. Er verzichtete zu Gunsten seines Bruders Hans B. auf sein Erbrecht und sein Vater kaufte für ihn im Nachbardorf Pastow einen 93,7 ha großen Hof, der die ehemaligen Hufen 5 und 8 umfasste. Die Zusammenarbeit zwischen den Brüdern Baller in Neuendorf und Pastow war eng. Beide züchteten Mecklenburgisches Kaltblut, Belgische Schimmel, schwarzweißes Rindvieh und Wollschafe. Von den beiden Söhnen wurde Philipp Johannes zum Militär eingezogen. Hans Baller wurde unabkömmlich gestellt und leitete während des Krieges beide Güter in Pastow und Neuendorf. In Neuendorf war die Witwe von Philipp Wilhelm Waller[sic!] eine respekteinflößende alte Dame, die dem Haushalt vorstand und mit dem Sohn zusammen das Gut bis 1945 führte.

Während der Bombenangriffe 1942 auf Rostock fielen auch auf Neuendorf Bomben. Pferdestall, Schafstall, Hofscheune und eine Feldscheune brannten völlig aus. Zehn Pferde, ein Fohlen und 500 Schafe verbrannten. Außerdem fiel eine Bombe auf die Rückfront des Gutshauses und zerstörte Terrasse und rückwärtigen Eingang. Der Wiederaufbau des Pferde- und Schafstalls wurde vor dem Winter 1942/ 43 beendet.

Am 1. Mai 1945 wurde Neuendorf von der Roten Armee besetzt und das Gutshaus zur Kommandantur erklärt. Vorher war es geplündert worden. Hans Baller wurde am 7.5.1945 verhaftet und zunächst in ein Internierungslager nach Fünfeichen bei Neubrandenburg gebracht. Der Pferde- und Schafstall brannten nieder, nachdem durch fahrlässigen Umgang mit Leuchtspurmunition durch die Besatzungsmacht das Dach in Brand geraten war. Im August 1945 starb Margarete Baller. Die Verantwortung für das Gut lag nun in den Händen von Lotte Baller, deren Ehemann 1947 als Kriegsgefangener nach Sibirien gebracht worden war. Lotte Baller musste mit ihren Kindern und Angehörigen im Sommer 1945 zunächst das Gutshaus und bald darauf auch Neuendorf verlassen. Sie kam mit ihrer Familie mit Hilfe von Freunden 1946 im Nachbardorf Neu Roggentin unter und fand Arbeit bei einem Bäcker in Pastow. Im Jahre 1949 kam Hans Baller schwerkrank aus der russischen Kriegsgefangenschaft zurück. Nach Klinikbehandlung und Genesung siedelt die gesamte Familie 1951, dem politischen Druck weichend, in den Westen über.

Gemeindestruktur

Seit 1921 war Neuendorf eine selbstständige Gemeinde mit Philipp Wilhelm Baller als Bürgermeister. 1939 lebten in Neuendorf 132 Einwohner, deren Zahl 1949 auf 238 gestiegen war. In Neuendorf gab es zwei Handwerksbetriebe, eine Stellmacherei und eine Schmiede. Nach dem Kriege wurde Neuendorf zunächst durch die Nachbargemeinde Pastow verwaltet. Auf Wunsch der Neuendorfer erfolgt 1946 die vorübergehende Trennung. Auf Druck der Kreisverwaltung beschloss die Pastower Gemeindevertretung 1948 die Eingemeindung Neuendorfs. Für die Eingemeindung stimmten 12 Pastower und 2 Neuendorfer Gemeindevertreter. Es gab 3 Gegenstimmen. Im Februar 1949 beschloss der Kreistag Rostock die Eingemeindung von Neuendorf nach Pastow.

Neuendorf nach 1945

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Neuendorf und die LPG-Zeit

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Neuendorf in der Nachwendezeit

Durch die Wende 1989 und die Wiedervereinigung 1990 wurde die ökonomische Struktur der Region gründlich verändert. Die Rückgabe der Ländereien an die alten Eigentümer der Neubauernhöfe oder ihre Erben führte umgehend zur Auflösung der LPG in Broderstorf. Ein zugezogener Landwirt, Herr J., bewirtschaftet zurzeit etwa 500 ha, zu denen auch mehr als 200 ha der Neuendorfer Äcker gehören.

Neuendorf liegt im Speckgürtel der Großstadt Rostock, für den frühzeitig nach der Wende neue Bebauungs- und Nutzungspläne entwickelt wurden. Ein Flächennutzungsplan der Gemeinde Broderstorf von 1991 widmete von der Gemarkung Neuendorf nördlich von Neu Roggentin 20 ha für ein Gewerbegebiet. Ein Teil dieses Gewerbegebietes reicht nach Osten bis in die ehemalige Pastower Feldmark. Mit der Erschließung dieses Gewerbegebietes gingen auch der Neubau von Straßen, der Aufbau von Stromzufuhr und Entwässerung einher. Schnell wurde auf diesem Gelände ein überdimensioniertes Einkaufszentrum erbaut, das 1995 fertiggestellt und eröffnet wurde. Der KOMM-Markt bot ein umfangreiches Angebot in guter Qualität, konnte aber die 14.000 qm nicht füllen. Von den weiteren Nutzern dieses Einkaufszentrums ist ein Fachmarkt für Babybekleidung bis heute erfolgreich. Ein Möbelmarkt, ein Angelbedarf-Laden, ein Bäcker und zwei andere Gewerbebetriebe vervollständigen das Angebot.

Ein Großhandelsgroßmarkt wurde fast 15 Jahre von der Metro-Handelsgesellschaft betrieben und dann an die Handelshof-Gesellschaft verkauft. Weitere mittelständische Unternehmen bestehen entlang der Mecklenburger Straße in Richtung Pastow. In letzter Zeit entstand ein Werk für Planen, das vorher in Roggentin gelegen war und sich durch den Umzug und Neubau erheblich vergrößerte.

Das Bild Neuendorfs gegenwärtig im Jahre 2014

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Danksagung

Für seine uneigennützige Hilfe und Mitwirkung möchte ich Herrn Dr. Heinrich Steinbrink sehr herzlich danken.

Quellennachweis

  1. Bernitt, H.: „Vom alten und neuen Mecklenburg" Petermännchenverlag, Schwerin 1960.
  2. Niemann, M.: „Ländliches Leben in Mecklenburg in der ersten Hälfte des 20. Jahrhundert" Ingo Koch Verlag, Rostock 2004.
  3. Steinmann, P.: „Bauer und Ritter in Mecklenburg. Wandlungen der Gutsherrlich bäuerlichen Verhältnisse im Westen und Osten Mecklenburgs" Petermännchenverlag, Schwerin 1960.
  4. Baller, D.: „Familienchronik der Familie Baller" - Persönliche Mitteilung.
  5. Schultz, W.: „Ortschronik von Pastow bei Rostock" Pastow, 2004.