Chronik 700 Jahre Neuendorf (bei Rostock): Unterschied zwischen den Versionen

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# Schultz, W.: „Ortschronik von Pastow bei Rostock" Pastow, 2004.
 
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Diese Online-Version wurde aus der gedruckten Fassung heraus digitalisiert und aufbereitet. Sollten dabei Fehler etwa durch die OCR-Aufbereitung passiert sein, wären wir für Hinweise dankbar.  Der Autor hat ausdrücklich in schriftlicher Form dieser Digitalisierung zugestimmt. ([[Benutzer:HolgerMeyer|hm]])
 
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Version vom 24. Februar 2020, 17:43 Uhr

Diese Chronik wurde von Prof. Dr. Willi Kröger aus Anlass der 700-jährigen Ersterwähnung von Neuendorf 2014 erstellt und im Eigenverlag publiziert.

Deckblatt der Urkunde

700 Jahre Neuendorf

Im Juni 1314 wird das Dorf Niendorf (Neuendorf) von den Rittern MÖRDER, Vater und Sohn, an die Rostocker Bürger SCHOENWEDER und RAVEN verpfändet. Einige Jahre später taucht der Name der Ritter MÖRDER auch in dem Vertrag auf, in dem das nahegelegene Pastow erstmalig erwähnt wurde. Eine Abbildung dieser Urkunde findet sich in der Ortschronik von Pastow von W. Schulz aus dem Jahre 2004. In der Urkunde erwirbt ein späterer Bürgermeister von Rostock von den drei Brüdern Mörder das Dorf Pastow. Es ist anzunehmen, dass die Ritter der Familie Mörder von lokaler Bedeutung waren und einen umfangreichen Grundbesitz besaßen. Die genannten Rechtsvorgänge sind sicher nicht die Geburtsurkunde unserer Dörfer, stellen aber den gesicherten Beleg für das Bestehen der kleinen Ansiedlungen dar.

Die Herrschaft ROSTOCK reichte nach Osten bis zur Recknitz. Etwa ab 1323 wurde die Straßenverbindung von Lübeck nach STETTIN östlich von ROSTOCK ausgebaut. Nach dem Tode des Fürsten NIKOLAUS von Rostock ging das Gebiet an den Fürsten HEINRICH von Mecklenburg und gehörte seitdem zur Herrschaft Mecklenburg.

Faksimile der Urkunde vom 3. Juni 1314

Urkundliche Quellen

Über die Zeit der NOVELLA PLANTICO, der zeitgenössischen Bezeichnung der Kolonisation, berichten zwei Chroniken: Die Slawenchronik des Pfarrers Helmold von Bosau am Pläner See bis 1171 und die Chronik des Fortsetzers Arnold von Lübeck bis 1209. Urkundliche Nachrichten sind ab 1154 datiert. Die Urkunden berichten über Begründung, Bestätigung und Dotierung, Grenzen, Gerechtsame und Liegenschaften des Bistums Ratzeburg, seiner Bischöfe und des Domkapitels, die die Leitung der Christianisierung der Wenden und die kirchliche Betreuung der deutschen Siedler im Gebiete der Polaben und des nordwestlichen Teils des von den Obotriten eingenommenen Raumes hatten. Wesentliche Daten finden sich im Zehntlehenregister. Aus diesen Registern lassen sich Aussagen über das Vorhandensein von Kirchspielen und dazu gehörenden Dörfern finden. Außerdem findet man dort, welche Dörfer und Gemarkungen im Aufbau begriffen waren und welche wendischen Siedlungen den sogenannten Wenden- oder Bischofszins zu entrichten hatten.

Aus dem Zehntlehenregister von 1229/30 lassen sich aus den Veränderungen Einblicke in die Siedlungsabläufe gewinnen. Nach dem ersten Siedlungszeitraum ab 1142 kam es ab 1160 durch den Aufstand des Obotritenfürsten NICLOT zu einer Stagnation. Nach dem Tode NICLOTS wurden der Ausbau der kirchlichen Organisationen und die Siedlungstätigkeit in den 70er und 80er Jahren des 12. Jahrhundert forciert. Nach dem Sturz HEINRICH des LÖWEN 1181 kam es durch die Unruhen und Kämpfe zu einer Neuverteilung der Herrschaftsstrukturen im norddeutschen Raum. Die nördlich der Elbe gelegenen Länder gerieten 1204 unter die Herrschaft des Dänenkönigs WALDEMAR, die etwa 20 Jahre andauerte. Danach wurden auch in weiter östlich gelegenen Gebieten mit Hilfe und unter dem Einfluss der einheimischen slawischen Fürsten Bauern angesiedelt. Auch Siedler bürgerlicher oder bäuerlicher Herkunft wurden als Lokatoren mit der Siedlungsleitung beauftragt.

Historische Karte der Region (Ausschnitt)

Aus dem Zehntlehensregister lassen sich wahrscheinlich auch Angaben über entstandene Kirchspiele und die zu ihnen gehörenden Dörfer finden. Im DEHIO ist angegeben, dass der quadratische Chor der Kirche Kessin aus Feldstein aus der Mitte des 13. Jahrhundert, das breitere Schiff aus Backstein aus dem 14. Jahrhundert stammt. Neuendorf gehörte zum Kirchspiel Kessin, so dass die Zuschreibung auf Grund der erwähnten Kaufverträge zeitlich zutreffen dürfte, Neuendorf 1314 schon als Ort bestand.

Vermutungen über Neuendorf

Im Zeitraum der Neuansiedlung war der Neuansiedler als freier Bauer in das Land gekommen. Von seltenen Ausnahmen abgesehen besaß er sein Land nicht als Eigentum, sondern er bewirtschaftete den einem Grundherren gehörenden Boden, besaß also Nutzungsrechte. Die Hintersässigkeit bedeutete in Bezug auf die bewirtschafteten Ländereien die sog. „dingliche Abhängigkeit". Daraus entwickelte sich im Laufe der Jahrzehnte ein öffentlich-rechtliches Untertanenverhältnis. Die Rechtsstellung der Bauern war auch dadurch eingeschränkt, dass die niedere und hohe Gerichtsbarkeit auf die Grundherren, sprich Ritter überging. Im Laufe des Mittelalters wurde durch die obrigkeitliche Stellung der Ritter und Grundherren die Freizügigkeit der Bauern eingeschränkt. Der Bauer wurde völlig erbuntertänig an die Scholle gebunden. Ab Mitte des 15. Jahrhunderts zog die Ritterschaft zunehmend wieder aufs Land. Aus einer Ansammlung von ehedem kleinen Hofwirtschaften entstanden Güter. Die Produktion von landwirtschaftlichen Erzeugnissen wurde in größere Betriebe in Form von Gütern verlagert. Daneben entwickelten sich Bauerndörfer wie Pastow und Broderstorf. In Broderstorf gehörte das Land der Stadt Rostock, in Pastow dem Kloster in Marienehe. In beiden Orten wurden die Hufen in Erbpacht vergeben. Der 30-jährige Krieg hatte nicht nur verheerende Folgen für Land und Menschen, sondern veränderte auch die Gliederung und Struktur der Dörfer und Güter. Aus Lehensakten geht hervor, dass viele der Gutsbesitzer ihr Vermögen verloren und ihre Güter verlassen mussten. Auf diese Weise entstanden neue größere Gutskomplexe, deren neue Eigentümer in der Regel alles taten, um die Arbeitskraft der Bauern und Kossäten intensiver auszunutzen. Das bisher vorhandene bunte Bild der verschiedenen Abstufungen von Grundbesitz und Nutzungsrecht vom Kätner mit und ohne Land bis zum Hüfner wurde abgeschafft.

Die Feldwirtschaft

Mit der Neubesiedlung des Landes im 11. und 12. Jahrhundert wurde die deutsche Felderwirtschaft eingeführt. Die Feldmark eines Dorfes war in ständiges Ackerland und „ewiges" Weideland, die Allmende, aufgeteilt. Das Ackerland wurde in Form der 3-Felderwirtschaft bestellt. Je ein Drittel wurden mit Winter- und Sommerkorn bestellt, der dritte Teil lag brach. Der Schwerpunkt der 3-Felderwirtschaft war der Kornertrag. Die Nutzung durch Vieh war nebensächlich. Durch eine solche „Feldgemeinschaft mit Nutzungszwang" ließen sich nur geringe wirtschaftliche Erträge erwirtschaften.

In den größeren Gutswirtschaften wurde später die „holsteinische Koppelwirtschaft" eingeführt, um die Erträge zu vergrößern und zu stabilisieren. Die Anbaufläche vergrößerte sich erheblich. Alles anbaufähige Land wurde bestellt, die Erträge wuchsen. Die Zahl der „Koppeln" schwankte zwischen neun und zwölf, von denen fünf mit Getreide bestellt wurden und vier als Weide dienten. Eine Koppel lag brach. Diese Wirtschaftsform wurde später zur „mecklenburgischen Sieben-Schläge-Wirtschaft" weiterentwickelt. Die neuen Wirtschaftsformen wirkten sich auf die Gliederungen und die Gestaltung der Gemarkung aus. Bauernstellen wurden gelegt und die Bauern zu Gutstagelöhnern herabgedrückt. Diesem Vorgehen war unmittelbar nach dem 30-jährigen Krieg eine durch die Lehnsherren geförderte Neuansiedlung von Bauern auf Lehenshöfen vorangegangen, um das menschenleere Land wieder zu bevölkern. Sie gingen mit einer Verstärkung der Bindung der Bauern an die Scholle und die Grundherren einher.

Die Umwandlung der Grundherrschaft zur Gutsherrschaft und Gutswirtschaft bewirkte, dass an Stelle der bäuerlichen Hofdienste durch Gespanne und menschliche Arbeitskraft Tagelöhner eingesetzt wurden. Gutseigene Arbeitskräfte und Gespanne waren billiger als die Hofdienste von Bauern und Kossäten. Vorhergegangen waren Bestrebungen von HUSANEUS und anderen römisch-rechtli-che Normen auf Mecklenburg zu übertragen. Durch Landesgesetz wurde 1621 das erbliche Recht der Bauern an ihren Bauerstellen aufgehoben. Eine Verordnung von 1645 „zur Bestimmung der Reversalien" verankerte die Leibeigenschaft der bäuerlichen Bevölkerung gesetzlich. Die alte Erbuntertänigkeit wurde in eine Leibeigenschaft umgewandelt, um ein Entlaufen der schwer bedrückten Bauern und ihrer Familien zu verhindern.

Nach 1700 wurden durch das sogenannte „Bauernlegen" die Gutsstrukturen verändert, da der Boden für die Grundbesitzer wichtiger wurde. Die Landesfürsten waren gegen das Bauernlegen. Friedrich-Wilhelm und Carl-Leopold versuchten erfolglos, eine absolutistische Herrschaftsform in ihrem Land durchzusetzen. Die mächtige Ritterschaft vereitelte die Bemühungen der Fürsten. Durch den „Landesgrundgesetzlichen Erbvergleich" von 1755 wurden die Landesfürsten finanziell abhängig. Nach 1755 wurde das Bauernlegen auch durch die Landesherrschaft geduldet und anerkannt.

Über Neuendorf berichtete der herzogliche Fiskal, dass 1724 der Rittergutsbesitzer v. SALA auf Bellin und Lüsewitz beabsichtigt, die nach Kessin eingepfarrten Bauern aus Neuendorf nach einem anderen Kirchspiel zu verlegen, was einem Verstoß gegen die mecklenburgische Kirchenordnung entsprach. Der Protest des Pfarrers zu Kessin war wirkungslos, und so wurden 1724 drei Bauern nach Wolfsberg verlegt. Auch die restlichen Bauern wurden verlegt, so dass ab 1724 Neuendorf ein Rittergut ohne Bauern war.

Situation in Mecklenburg

Während des 30-jährigen Krieges hatte Wallenstein die ersten Steuerkataster über die ihm unterstellten mecklenburgischen Lande erstellen lassen. Nach dem Kriege wurde die Vermessung und Bonitierung des Landes wieder aufgenommen. Der Nordische Krieg unterbrach diese wichtigen Arbeiten, die ab 1719 von Herzog Carl-Leopold wieder angeordnet wurden. Ungeachtet der gegen ihn angeordneten „Reichsexekution" wurde 1725 die „Hufenrektifikation" als Bewertung und Beschreibung des Domaniums fertiggestellt. Der „Landesgrundgesetzliche Erbvergleich" von 1755 erweiterte die Macht der Grundbesitzer erheblich. Die Leibeigenschaft der Bauern wurde gefestigt und verstärkt. Eine Milderung der Regelungen erfolgte ab 1822, aufgehoben wurde die Leibeigenschaft erst 1855. Gegen die schweren Auswirkungen der Leibeigenschaft blieb den Betroffenen nur die Flucht ins Ausland oder in die großen Städte. Eine beträchtliche Zahl mecklenburgischer Landeskinder flüchtete nach Preußen, wo sie beispielsweise bei solchen Projekten wie der Trockenlegung des Oderbruchs eine neue Heimat fanden. Ausdruck der Hoffnungslosigkeit ist die große Zahl der Auswanderer, die Mecklenburg in Richtung Übersee verließen. Von 1853 bis 1908 sind vom Statistischen Landesamt des Großherzogtums Mecklenburg-Schwerin 115.159 Auswanderer erfasst worden. Bezogen auf die Einwohnerzahl von 1871 entspricht das etwa einem Anteil von 20% der Bevölkerung.

Luftbild von Neuendorf

Neuendorfer Eigentümer und Besitzer

Um 1743 wurde das Rittergut Neuendorf von der aus Pommern stammenden Familie von Walsleben erworben. Die Familie war Besitzer weiterer Güter in der Umgebung. Bei der Aufteilung des Besitzes von Gustav Philip von Walsleben auf Lüsewitz 1771 erhält der Sohn Rittmeister Carl David von Walsleben das Gut Neuendorf. 1818 ist ein Nachfahre, Gustav Wilhelm Wedige von Walsleben, Besitzer. 1855 ist es Lehngut von Carl L. W. W. von Walsleben. Es gehört zur Ritterschaft des Wendischen Kreises mit dem Amt Ribnitz. Zum Dorf gehören 22 Tagelöhnerfamilien. In Neuendorf leben 105 Einwohner.

1860 wird die Feldmark drainiert. Im Generalkataster Mecklenburg-Schwerin wird Neuendorf mit einer Größe von 203.875 Quadratruten verzeichnet. 1891 kauft der Rentier Philipp Hermann Baller das Gut mit Schmiede und einer Nutzlandfläche von 442 ha zum Preis von 519.000 Mark. Die Familienchronik der Familie Baller gibt als Ursprung die Gegend um Augsburg an. Von dort ausgehend erwarb die Familie Grundbesitz im Raum Hildesheim. Da immer nur der erste Sohn Hoferbe werden konnte, zog Joseph Philipp Baller nach Mecklenburg und bewirtschaftete erfolgreich eine große Landwirtschaft, Gut Redewisch bei Klütz. 1839 pachtete er die Domäne Redentin bei Wismar, die er bis zu seinem Tode 1860 bewirtschafte. Sein Sohn Philipp Herrmann Baller erlernte und studierte Landwirtschaft. 1868 pachtete er die Domäne Markow bei Stavenhagen die er bis 1888 bewirtschaftete. Nach einem kurzen zeitlichen Aufenthalt bei Hildesheim kaufte er 1891 das Gut Neuendorf. Als Verkäufer sind in der Chronik der Familie Baller die Erben des Kommerzienrates von Salomon angegeben. Der neue Eigentümer baute eine erfolgreiche Pferdezucht von Kaltblutpferden auf, da Pferde das wichtigste Zugmittel darstellten. Er züchtete schwarzbunte Rinder, deutsche Landschweine und baute später auch die Schafzucht auf. Die Ställe wurden modernisiert. Die zum Gut gehörenden Tagelöhnerfamilien erhielten Wohnung, einen kleinen Stall für Tierhaltung und etwas Land für einen Garten. Die zehn Doppelkaten entlang der Dorfstraße stehen noch heute, sind aber modernisiert und umgebaut worden.

Die Familie Baller war katholischen Glaubens und wirkte aktiv in der entstehenden katholischen Gemeinde in Rostock mit. Ph. H . Baller stiftete 1908 den Hochaltar für die anfangs des 20. Jahrhunderts entstehende Christuskirche in Rostock. Später gehörte er zum Kirchenvorstand der Gemeinde. 1908 übergab er das Gut zum Miteigentum an seinen ältesten Sohn Philipp Wilhelm Baller, der zuvor sein Gut Alt-Steinhorst bei Marlow verkauft hatte. Zu der Zeit verkaufte er 80 ha Wald und Wiesen, die etwa 8 km von Neuendorf entfernt gelegen sind. Auf einer Versteigerung wird 1910 das Erbmühlengehöft Nr. I im heutigen Neu Roggentin erworben.

Im Jahre 1913 wird von Pastow eine Hochspannungsleitung nach Neuendorf verlegt, so dass eine elektrische Dreschmaschine, eine Lichtanlage, ein Höhenförderer und eine elektrifizierte Schmiede betrieben werden konnten. Auch in die Häuser der Tagelöhner wurde Strom gelegt. Die Tagelöhner erhielten als Deputat eine Kuh, die vom Gut untergebracht, aber vom Tagelöhner selbst gemolken werden musste. Korn, Kartoffeln und Ackerland wurden zur Verfügung gestellt. Sie erhielten einen halben Morgen Land (ca. 1.250 qm) für die Hof- und Gartenwirtschaft. Der Kuhstall wurde mit allen anfallenden Arbeiten von einem Schweizer geführt, der seine eigenen Arbeitskräfte stellte und leitete und nach Leistung bezahlt wurde.

In den 3oer Jahren des 20. Jahrhunderts wurden 2 Traktoren, 2 Zapfwellenbinder, Düngerstreuer, Drillmaschinen, Strohpresse, Rübenroder, Hackmaschinen, Kultivatoren und Eggen angeschafft. 1928 wurden auf dem Hof 102 Pferde, 253 Rinder, davon 125 Milchkühe und 120 Schweine gehalten. Der Viehbestand betrug 1940 etwa 60 Pferde, 200 Stück Rindvieh, 150 Schweine, 500 Schafe sowie Kleinvieh. Die Verringerung der Zahl der Pferde spiegelt die zunehmende Bedeutung der angeschafften Traktoren als Zugkräfte wider. Bis 1932 leitete der Gutsherr den Betrieb mit Inspektor und Statthalter. Von da an wurde er durch seinen Sohn Hans Baller unterstützt, dem die Leitung zunehmend übertragen wurde. Nach dem Tode des Vaters 1940 leitete er bis 1945 das Gut selbstständig. Einer Hofkarte über die Jahre 1936-40 ist zu entnehmen, das auf 40% der Fläche Getreide (Roggen, Weizen, Gerste und Hafer) angebaut wurde. 25% der Fläche diente dem Anbau von Hackfrüchten, 10% dem Rauhfutteranbau (Gras, Klee und Lupine) und 20% waren Wiesen und Weiden. Auf dem Rest wurden Ölsaaten angebaut oder dienten als Deputatland.

Philipp Wilhelm Baller führte das Gut von 1908 bis 1940. Beide Söhne Philipp Johannes und Hans Baller erhielten eine Ausbildung als Landwirt. Philipp Johannes B„ der älteste Sohn, konnte sich gegenüber dem Vater nicht über die Einführung und Anwendung moderner landwirtschaftlicher Erkenntnisse und Verfahren durchsetzen. Er verzichtete zu Gunsten seines Bruders Hans B. auf sein Erbrecht und sein Vater kaufte für ihn im Nachbardorf Pastow einen 93,7 ha großen Hof, der die ehemaligen Hufen 5 und 8 umfasste. Die Zusammenarbeit zwischen den Brüdern Baller in Neuendorf und Pastow war eng. Beide züchteten Mecklenburgisches Kaltblut, Belgische Schimmel, schwarzweißes Rindvieh und Wollschafe. Von den beiden Söhnen wurde Philipp Johannes zum Militär eingezogen. Hans Baller wurde unabkömmlich gestellt und leitete während des Krieges beide Güter in Pastow und Neuendorf. In Neuendorf war die Witwe von Philipp Wilhelm Waller[sic!] eine respekteinflößende alte Dame, die dem Haushalt vorstand und mit dem Sohn zusammen das Gut bis 1945 führte.

Während der Bombenangriffe 1942 auf Rostock fielen auch auf Neuendorf Bomben. Pferdestall, Schafstall, Hofscheune und eine Feldscheune brannten völlig aus. Zehn Pferde, ein Fohlen und 500 Schafe verbrannten. Außerdem fiel eine Bombe auf die Rückfront des Gutshauses und zerstörte Terrasse und rückwärtigen Eingang. Der Wiederaufbau des Pferde- und Schafstalls wurde vor dem Winter 1942/ 43 beendet.

Am 1. Mai 1945 wurde Neuendorf von der Roten Armee besetzt und das Gutshaus zur Kommandantur erklärt. Vorher war es geplündert worden. Hans Baller wurde am 7.5.1945 verhaftet und zunächst in ein Internierungslager nach Fünfeichen bei Neubrandenburg gebracht. Der Pferde- und Schafstall brannten nieder, nachdem durch fahrlässigen Umgang mit Leuchtspurmunition durch die Besatzungsmacht das Dach in Brand geraten war. Im August 1945 starb Margarete Baller. Die Verantwortung für das Gut lag nun in den Händen von Lotte Baller, deren Ehemann 1947 als Kriegsgefangener nach Sibirien gebracht worden war. Lotte Baller musste mit ihren Kindern und Angehörigen im Sommer 1945 zunächst das Gutshaus und bald darauf auch Neuendorf verlassen. Sie kam mit ihrer Familie mit Hilfe von Freunden 1946 im Nachbardorf Neu Roggentin unter und fand Arbeit bei einem Bäcker in Pastow. Im Jahre 1949 kam Hans Baller schwerkrank aus der russischen Kriegsgefangenschaft zurück. Nach Klinikbehandlung und Genesung siedelt die gesamte Familie 1951, dem politischen Druck weichend, in den Westen über.

Gemeindestruktur

Seit 1921 war Neuendorf eine selbstständige Gemeinde mit Philipp Wilhelm Baller als Bürgermeister. 1939 lebten in Neuendorf 132 Einwohner, deren Zahl 1949 auf 238 gestiegen war. In Neuendorf gab es zwei Handwerksbetriebe, eine Stellmacherei und eine Schmiede. Nach dem Kriege wurde Neuendorf zunächst durch die Nachbargemeinde Pastow verwaltet. Auf Wunsch der Neuendorfer erfolgt 1946 die vorübergehende Trennung. Auf Druck der Kreisverwaltung beschloss die Pastower Gemeindevertretung 1948 die Eingemeindung Neuendorfs. Für die Eingemeindung stimmten 12 Pastower und 2 Neuendorfer Gemeindevertreter. Es gab 3 Gegenstimmen. Im Februar 1949 beschloss der Kreistag Rostock die Eingemeindung von Neuendorf nach Pastow.

Neuendorf nach 1945

Das Gut Neuendorf wurde im Zuge der Bodenreform im September 1945 enteignet und im Frühjahr 1946 aufgeteilt. Die Neubauernstellen waren etwa 7-8 ha groß, 5 ha davon waren Ackerland, der Rest bestand aus Weiden und Wald. Durch die Kriegsfolgen waren viele Flüchtlinge aus Pommern und Ostpreußen nach Mecklenburg gelangt. Auch in Neuendorf sammelten sich Flüchtlingsfamilien. In der ehemaligen Schnitterkaserne waren 40 Umsiedler untergebracht, von denen einige die Gelegenheit zur Ansiedlung nutzten und als Neubauern eine Bodenreformparzelle übernahmen. Von den etwa 40 Neubauern gaben einige sehr bald auf. Erfolgreich waren 32 Neusiedler, deren Namen sich bei einer Befragung von alten Neuendorfern auch heute noch rekonstruieren lassen. Die Nachkommen von drei Flüchtlingsfamilien, die verschiedene Neubauernstellen übernahmen, leben auch heute noch in unserem Dorf.

Je zur Hälfte waren die Neusiedler ehemalige Gutsmitarbeiter und Flüchtlinge. Sie sind im Wesentlichen die „alten Neuendorfer. Die verbliebenen Katen und Gebäude wurden den Neubauern zugeteilt. Die vorhandenen Reste der Viehbestände des Gutes wurden ebenfalls verteilt. Bestenfalls erhielten die Neubauern ein Pferd und eine Kuh. Da die großen Ställe abgebrannt waren, wurden die Reste zum Ausbau der Stallgebäude hinter den ehemaligen Tagelöhnerkaten genutzt, die jetzt von den Neubauern bewohnt wurden.

Einige Neubauern konnten neue Gebäude errichten. Der Eingangsbereich des Gutshofes wurde ebenfalls abgerissen. Die Feldbahngeleise innerhalb des Gutes sind überwachsen oder abgerissen. Die Einrichtung und der Aufbau der Neubauernwirtschaften waren vor allem mit Hilfe der alten Gutshandwerker möglich. Der Stellmacher M. wird von einem ehemaligen Neuendorfer, der diese Zeit miterlebt hatte, als „Künstler" beschrieben. Er baute die Einspännerwagen für die Neubauern. Außerdem gelang es, im ehemaligen Schafstall eine Sägerei zu errichten. Die Neubauern hatten einen Waldanteil im Forst Cordshagen erhalten. Das Holz für die Wagen und das Bauholz wurde von den Neubauern im Winter dort eingeschlagen und mit den eigenen kleinen Fuhrwerken nach Neuendorf geholt. In der einfachen Sägerei wurden die Stämme zu Bau- und Nutzholz verarbeitet.

Der Schmied Z. des alten Gutes war ebenfalls ein vielseitiger und einfallsreicher Handwerker, der den Neubauern die notwendige Landtechnik entweder reparierte oder neu baute. Einige Jahre später übernahm diese Aufgabe die neu gegründete Maschinen-Ausleihstation (MAS) im Nachbarort Roggentin. Ein anderer Schmied erhielt aus der Neuendorfer Feldmark eine halbe Neubauernstelle in der sogenannten Neuendorfer Heide und betrieb dann eine Schmiede im Nachbarort Pastow. Auf die Familie des Neuendorfer Schmiedes Z. geht die Gründung eines während der DDR-Zeit wirtschaftlich erfolgreichen Metallverarbeitungsbetriebes in Neu Roggentin zurück. Die Halle des ehemaligen Metallbau-Betriebes liegt zum Teil auf der früheren Neuendorfer Feldmark, die bis zum Dorfrand von Neu Roggentin reichte. Soweit bekannt, erhielten fünf Familien aus Neu Roggentin 1946 eine Neubauernstelle aus der Feldmark von Neuendorf.

In Neuendorf gab es 1946 nur zwei öffentliche Pumpen. Eine stand neben der ehemaligen Schnitterkaserne, die andere lag am Rande der ehemaligen Stallungen, westlich des Gutshauses. Hier wurde auch die Schrotmühle aufgebaut, die für den Betrieb der Neubauernwirtschaften von existentieller Bedeutung war. Für die Versorgung von Menschen und Vieh war die wohnsitznahe Verarbeitung des Getreides sehr wichtig. Hier war auch der ehemalige Kornboden des Gutes gelegen. Der Park des Gutes wurde ebenfalls aufgeteilt. Vier Neubauern erhielten je einen Anteil. Ein 3 ha großer Teil wurde dem Altersheim im ehemaligen Gutshaus zugeordnet und wird heute von der Rehabilitationseinrichtung im Gutshaus für die Arbeitstherapie genutzt. Vom ursprünglichen Baumbestand sind nur einige Obstbäume übrig geblieben. Parkbäume und auch Walnuss- und Esskastanienbäume sind nicht mehr vorhanden.

Am Rande des Dorfteichs, am südlichen, westlichen und nördlichen Dorfrand sowie auf halbem Weg nach Pastow entstanden insgesamt 5 neue Siedlungshäuser, die inzwischen aus- und umgebaut, auch heute noch als solche erkennbar sind. 1948 wurde auch der Erbpachthof Hallershof, der zum Gut gehörte aufgeteilt. Die Neubauern in Neuendorf gehörten auch der Vereinigung der gegenseitigen Bauernhilfe (VdgB) an. Im Vorstand der VdgB wirkte der Neubauer Z. mit, der die Bauern von Pastow und Neuendorf vertrat. Über die VdgB wurden auch die finanziellen Dinge abgewickelt. Die Kasse befand sich in Rostock, im nahen Stadtteil Brinkmannsdorf. Die VdgB bildete die Grundzelle der späteren Volks- und Raiffeisenbank.

1948/49 lebten in Neuendorf 238 in Pastow 888 Einwohner. Im Dorf wohnten ca. 40 Neubauernfamilien. Zum Ort zählten 3 Handwerksbetriebe, deren Bedeutung für den Aufbau der Bauernwirtschaften außerordentlich hoch war. Im Nachbardorf Pastow gab es zur gleichen Zeit 22 Altbauernhöfe und 21 Gewerbebetriebe. In der Zeit gab es in Pastow 1 Schmied, 1 Dachdecker, eine Sack- und Planenfabrik, 3 Schneiderwerkstätten, 1 Steinsetzer, 1 Klempner, 1 Mühle, 1 Gärtnerei, 1 Feinmechaniker, 2 Gastwirtschaften, 2 Fuhrbetriebe und 3 Kaufleute. Es gab also auch außerhalb der Landwirtschaft Arbeitsplätze für die Einwohner.

In Neuendorf lebten 1949/50 drei Mitglieder einer Familie, die durch die politischen Strukturen im benachbarten Rostock beeinflusst und geschult waren. Sie brachten das Gedankengut einer antifaschistischen Jugendbewegung in das Dorf. In der Mittelwohnung eines dreiteiligen Katens entstand der erste FDJ-Treffpunkt als Jugendraum. Von diesen Einwohnern, vor allem auch der Jugend des Dorfes, ging die Anregung zum Bau eines Kulturhauses aus. Die Überreste eines Lagerschuppens wurden abgerissen und unter Mitwirkung aller Einwohner wurde ein Flachbau errichtet, in dem Jugendveranstaltungen, Kinoabende, Dorf- und Erntefeste stattfanden. Ältere Dorfbewohner erinnerten sich gerne an die gemeinsamen Feiern.

Neuendorf und die LPG-Zeit

Bis 1948 verringerte sich die Zahl der Neubauernhöfe schon deutlich. 1953 wurde in Pastow die LPG „Wohlstand" gegründet. Die LPG bewirtschaftete Ländereien in der Größe von 200 ha, die von nach dem Westen geflüchteten Bauern aufgegeben worden waren und die z.B. in den Orten Neu Pastow, Hedwigshof und Ikendorf gelegen waren. Im Zuge der sogenannten „sozialistischen Umgestaltung der Landwirtschaft" erhöhte sich der Druck auf die Neubauern erheblich. Die Bauern wurden gezwungen, in die Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG) einzutreten. In Neuendorf bildeten 4-5 Neubauern eine LPG Typ I, das heißt Grund und Boden wurden gemeinsam bewirtschaftet, die Viehhaltung geschah durch jeden Bauern einzeln. Die übrigen Neubauern wurden zu einer LPG Typ 3 zusammengeschlossen, die nicht nur Neuendorf sondern auch Pastow und andere benachbarte Orte umfasste. Bis 1960 umfasste sie im Raum der heutigen Gemeinde Bro derstorf insgesamt eine Fläche von 4.200 ha Land.

Im Zuge der Umgestaltung der sozialistischen Landwirtschaft wurde 1985 eine LPG-Pflanzenproduktion (P) und eine LPG-Tierproduktion (T) gebildet. In der LPG (P) wurden die 4.200 ha von ca. 300 Mitarbeitern bewirtschaftet. In der LPG (T) arbeiteten 319 Mitglieder, die die Tierproduktion mit den Futtermitteln durchführten, die von der LPG (P) erzeugt und zugeliefert wurden. Die LPG (T) hielt in großen Stalleinheiten mehr als 1.400 Kühe, 5.600 Schweine und eine beachtlich große Geflügelwirtschaft. Insgesamt waren in beiden LPG etwa 600-630 Einwohner der Ortsteile der heutigen Gemeinde Broderstorf beschäftigt. In Neuendorf bestand die kleine LPG Typ I bis etwa 1972. Die ehemaligen Neubauern arbeiteten nach ihrem Eintritt in die LPG überwiegend in der LPG.

Der Arbeitsort der Neuendorfer LPG-Mitglieder war entsprechend ihrer Einteilung in einem der Orte, die zur LPG gehörten. Dadurch entstanden Transportprobleme, die sich individuell durch Fahrradbenutzung oder Fußmarsch nicht immer lösen ließen. Die Landarbeiter waren in Brigaden zusammengefasst, denen ein Tierstall oder eine bestimmte Produktionsaufgabe zugewiesen war. Verwaltung und Buchhaltung waren in Broderstorf zusammengefasst. Die Kinderbetreuungen war wohnortsnah organisiert.

Die materielle Versorgung geschah durch zwei Konsumläden in Pastow und Broderstorf. Alles weitere, außer Lebensmitteln, wurde über eine Bäuerliche Handelsgenossenschaft (BHG) vor Ort oder aus dem nahen Rostock beschafft. Nach Ausbau der Molkerei in Rostock wurde auch die Molkerei in Pastow geschlossen. In der LPG wurde die Technik zentralisiert, so dass die Handwerker in Neuendorf überflüssig wurden. Allen LPG-Mitgliedern war der Aufbau einer individuellen Hauswirtschaft möglich, die meistens aus einer Schweine- oder Geflügelhaltung bestand. Einige Bauern zogen auch Mastbullen oder Kälber auf. Eiersammelstellen waren in den einzelnen Ortsteilen gelegen.

Die Arbeitsmöglichkeiten im Rahmen der LPG waren begrenzt, obwohl auch die LPG die Lehrlingsausbildung in den benötigten Berufen organisierte und durchführte. Insbesondere die Nachkommen der Neubauern zog es zur Ausbildung in die Betriebe und Großbetriebe der nahen Großstadt Rostock, in der sie nach Ausbildungsabschluß auch Anstellung fanden. Das ehemalige Gutshaus wurde beginnend in den 60er Jahren zunächst als Alters- später als Feierabendheim genutzt. Die Zahl der Arbeitsplätze war naturgemäß klein. Der Zu- und Wegzug von Dorfbewohnern war gering. Erst Mitte der 70er Jahre ließ sich ein Elektromeister in Neuendorf nieder und baute einen Betrieb auf. In Dorfmitte hatten die Einwohner ein Gebäude errichtet, das als Kulturhaus bezeichnet wurde und in dem Kinoveranstaltungen, Dorffeste und Jugendveranstaltungen stattfanden.

1970 gab es im Dorf drei Pumpen für Trinkwasser. Sie standen am Dorfeingang, am Dorfende nach Pastow hin und in der Nähe des Gutshauses. Die einzelnen Gehöfte hatten die Abwasserentsorgung individuell organisiert. Zeitweilig flossen die Abwässer in den Dorfteich. Erst Mitte der 70er Jahre bauten die Einwohner mit Hilfe der LPG die zentrale Wasserversorgung und die Entsorgung auf.

Neuendorf war ein normales LPG-Dorf, die Einwohnerzahl lag bei 120-150 Personen. Zwei Bauern der LPG Typ I bauten neben der ausgedehnteren eigenen Viehwirtschaft auch eine Pelztierzucht in Form einer Nerzfarm auf. Gegenwärtig sind an zwei Orten im Ort noch typische Reste von Ställen für Pelztierzucht vor handen. Die individuelle Motorisierung der Dorfeinwohner nahm am Anfang der 70er Jahre zu. 1975 entstand in Dorfmitte eine Auto- und Motorradwerkstatt, die von einem noch heute in Neuendorf lebenden Handwerker gegründet und betrieben wurde.

Im Laufe der 60er Jahre seit Kriegsende haben viele Häuser und Bauernwirtschaften den Besitzer gewechselt. Gegenwärtig stammen viele der sog. alten Neuendorfer aus den Familien der Neusiedler. Die LPG Broderstorf entwickelte sich dynamisch, und so kamen Flächen und Bauern aus weiteren Dörfern wie Fienstorf, Kösterbeck, Thulendorf und Steinfeld hinzu. Während im Gut Neuendorf etwa 20 Arbeitskräfte auf 100 habeschäftigt waren, reduzierte sich der Arbeitskräfteeinsatz in der LPG auf 10-12 Kräfte. In diesen Zahlen liegen die 5-600 Arbeitsplätze begründet, die in der LPG bestanden.

In den 70er Jahren entstand eine Kooperative Abteilung Pflanzenproduktion (KAP). Die Differenzierung in Pflanzen- und Tierproduktion geschah 1985. Die LPG (P)-Pflanzenproduktion „XI. Parteitag" bearbeitete 4.200 ha mit etwa 300 Arbeitskräften. In der LPG (T)-Tierproduktion „Karl Marx" wurden von 320 Mitarbeitern i.430 Rinder, 5.600 Schweine sowie Geflügel gehalten. Die LPG (T) besaß kein Land und erhielt das benötigte Futter von der LPG (P). Aus diesen Gründen fanden viele Einwohner aus den zu beiden LPG gehörenden Dörfern einen Arbeitsplatz.

Broderstorf und die zu den LPG gehörenden Dörfer waren von ähnlichen sozialistischen Landwirtschaftsbetrieben umgeben, die die Ländereien der Region östlich von Rostock bewirtschafteten. Eine Spezialität der Broderstorfer waren die Vermehrung und der Anbau von Speisekartoffeln. Durch Zusammenarbeit mit dem für die Kartoffelzucht bedeutenden Akademie-Institut in Groß Lüsewitz gelang es, Speise- und Saatkartoffel in hoher Qualität zu produzieren. Auf der Landwirtschaftsausstellung der DDR in Markleeberg waren die Broderstorfer über viele Jahre erfolgreich vertreten.

Im Bereich der ursprünglich zu Neuendorf gehörenden Ländereien gibt es noch alte Flurnamen, die am Anfang des 20. Jahrhunderts von einem Kessiner Pastor gesammelt und veröffentlicht worden waren. Dazu zählen u.a. der Name „Mönchfeld" für einen Acker nach Klein-Barteisdorf zu, der „Ruge Barg" für einen Hügel nach Harmsdorf hin, die Bezeichnung „Heideweg" für den Weg von Neuendorf nach Albertsdorf. Der Teich im Dorf heißt „dat grote Wader", ein kleiner Teich hinter dem ehemaligen Gutshaus „Swienskuhl". Ein Teich in Richtung Albertsdorf wurde „Gülden Piep" genannt. Die Neuendorfer Äcker waren melioriert. Noch heute bildet der Zusammenfluss der Drainagen am östlichen Dorfrand den Anfang des Baches, der nördlich vom Dorf verläuft. Andere Drainagen mündeten in den Dorfteich ein.

Neuendorf in der Nachwendezeit

Durch die Wende 1989 und die Wiedervereinigung 1990 wurde die ökonomische Struktur der Region gründlich verändert. Die Rückgabe der Ländereien an die alten Eigentümer der Neubauernhöfe oder ihre Erben führte umgehend zur Auflösung der LPG in Broderstorf. Ein zugezogener Landwirt, Herr J., bewirtschaftet zurzeit etwa 500 ha, zu denen auch mehr als 200 ha der Neuendorfer Äcker gehören.

Neuendorf liegt im Speckgürtel der Großstadt Rostock, für den frühzeitig nach der Wende neue Bebauungs- und Nutzungspläne entwickelt wurden. Ein Flächennutzungsplan der Gemeinde Broderstorf von 1991 widmete von der Gemarkung Neuendorf nördlich von Neu Roggentin 20 ha für ein Gewerbegebiet. Ein Teil dieses Gewerbegebietes reicht nach Osten bis in die ehemalige Pastower Feldmark. Mit der Erschließung dieses Gewerbegebietes gingen auch der Neubau von Straßen, der Aufbau von Stromzufuhr und Entwässerung einher. Schnell wurde auf diesem Gelände ein überdimensioniertes Einkaufszentrum erbaut, das 1995 fertiggestellt und eröffnet wurde. Der KOMM-Markt bot ein umfangreiches Angebot in guter Qualität, konnte aber die 14.000 qm nicht füllen. Von den weiteren Nutzern dieses Einkaufszentrums ist ein Fachmarkt für Babybekleidung bis heute erfolgreich. Ein Möbelmarkt, ein Angelbedarf-Laden, ein Bäcker und zwei andere Gewerbebetriebe vervollständigen das Angebot.

Ein Großhandelsgroßmarkt wurde fast 15 Jahre von der Metro-Handelsgesellschaft betrieben und dann an die Handelshof-Gesellschaft verkauft. Weitere mittelständische Unternehmen bestehen entlang der Mecklenburger Straße in Richtung Pastow. In letzter Zeit entstand ein Werk für Planen, das vorher in Roggentin gelegen war und sich durch den Umzug und Neubau erheblich vergrößerte.

Das Bild Neuendorfs gegenwärtig im Jahre 2014

Von der Bundesstraße 110 in Neu Roggentin kommend, stellt sich Neuendorf noch heute als typisches Gutsdorf dar. Die Hauptstraße führt geradezu auf das frühere Gutshaus hin. Rechts und links der Hauptstraße liegen einstöckige Doppelhäuser, die als ehemalige Tagelöhnerkaten zu erkennen sind. Fast alle haben ein neues Dach und eine neue Außenhaut erhalten. Die Wärmedämmung ist verbessert worden. Die Fensteröffnungen sind ähnlich groß und geben den Häusern ein freundliches Antlitz. Die dahinter gelegenen Hofgebäude sind größer und umfangreicher als zur Gutszeit. Sie spiegeln noch den Bedarf für die Nutzung als häusliche Bauernwirtschaft wider. Statt Scheune oder Pferdestall werden die Hofgebäude heute fast immer als Garage genutzt. Nur wenige halten noch Hühner oder Kaninchen. Da die Hausgrundstücke fast alle groß sind, sieht man überall Blumen und Gartenbau. Ein ehemaliger Neubauer hält am Dorfrand und hinter dem Dorf noch einige Pferde und Kühe.

Ein schmaler einheitlicher Gehweg ermöglicht die fußläufige Verbindung der Gebäude miteinander. Die Hauptstraße biegt in der Dorfmitte nach Osten ab und verbindet als schmale Landstraße Neuendorf mit dem nahen Pastow. Am nördlichen Ortsrand führt ein ehemaliger landwirtschaftlicher Wirtschaftsweg durch die Felder nach Neu Bartelsdorf und weiter nach Bentwisch.

Von den ehemaligen Gutshofstrukturen finden sich kaum noch Überreste. Der ehemalige Hofplatz ist mit einer Grasnarbe bedeckt und dient den Kindern und Jugendlichen als Sport- und Tobeplatz. Hinter der Grünfläche liegt ein ca. 0,80-1 m hoher Erdwall. Hier lag früher der Dresch- und Mietenplatz. Von den Feldscheunen finden sich keine Reste und auch keine Hinweise auf ihren früheren Standort. Ein altes Stallgebäude liegt auf dem Grundstück neben dem Gutshaus am Rande eines schmalen Baches. Es stellt eine Hälfte eines ehemaligen Stalles dar, der für eine Bauernwirtschaft genutzt wurde. Die zweite Hälfte ist durch Baufälligkeit vor Jahren eingestürzt und danach abgetragen worden. Nach Westen schließt sich eine Gruppe von 9 freundlichen Einfamilienhäusern an, die den einladenden Namen „Am Immenbarg" trägt. Der Immenbarg war das erste Baufeld, das nach der Wende erschlossen wurde. Nördlich von dieser Häusergruppe plätschert ein Bach und schließt das Dorf hier ab. Am Ortseingang zweigt nach Westen der Adeborsweg ab, der zu dem zweiten neuen Wohngebiet führt. In den etwa 50 eineinhalbgeschossigen, sehr unterschiedlichen Einfamilienhäusern leben heute mehr als die Hälfte der Einwohner des Dorfes. Dieses Wohngebiet zieht sich halbkreisförmig bis zum Immenbarg hin. Die Neubauten an den Straßen Adeborsweg, Kreihgenweg und Katerstieg entstanden ab 1994. Die Einwohnerzahl stieg von 99 1990 auf 311 im Jahre 2010.

In der Mitte des Ortes liegt ein hübscher gepflegter Dorfteich, der von einem schmalen Schilfgürtel umgeben ist und den Namen „das große Wasser" trägt. Südlich des Teiches liegen auf großen Grundstücken zwei größere Gebäude, die mit den dazugehörigen Nebengebäuden aus der Zeit nach Kriegsende stammen und von Neubauern aus- und aufgebaut worden sind. An der Hauptstraße in Dorfmitte gegenüber der Grünfläche liegen zwei umgebaute Flachbauten, die aus dem ehemaligen Kulturhaus entstanden sind. Am östlichen Dorfrand verläuft der Kastanienweg, an dem auch mehrere Neubauten und ein Bauerngehöft gelegen sind.

Das ehemalige Herrenhaus wird heute von einer gemeinnützigen Organisation, dem Arbeitersamariter Bund als Rehabilitationseinrichtung „Gustav-Friedrich-Haus" genutzt. Die äußere Form ist weitgehend erhalten. Das Haus ist baulich in gutem Zustand. Das Dach wurde 2013 erneuert. 1942 war der hintere Teil des Hauses von einer Bombe getroffen worden. Die damals zerstörte Terrasse ist nicht wieder aufgebaut worden, so dass der hintere Ausgang sich heute sehr einfach darstellt. Der Raum hinter dem Gutshaus wird als Wirtschaftshof für die Beschäftigungstherapie der Patienten genutzt. Eine Brücke führt über den Bach in den Gartenbereich, der dem Rest des ehemaligen Parks entspricht. Die anschließenden Parkanteile waren bei der Bodenreform ebenfalls aufgeteilt worden. Einige vereinzelt stehende große Laubbäume erinnern noch an den früheren Park.

Lange Zeit wurden die neu hinzugezogenen Einwohner von den dort schon lange lebenden „Alten" mit Zurückhaltung aufgenomen. 2001 wurde ein Straßenfest von den Einwohnern der drei neuen Straßen geplant und durchgeführt. Die erstaunte Frage der „alten" und wo bleiben wir? wurde so beantwortet, dass alte und neue Einwohner 2002 ein erstes gemeinsames Fest organisierten und durchführten. Am Nachmittag fanden ein Kinderfest und eine Kaffeetafel für die Senioren statt. Zum Abend hin ging das Zusammensein in einen Tanzabend über. Von den Mitarbeitern des Bauhofs wurden zwei gemeindeeigene Zelte und eine Tanzfläche aufgestellt. Dabei halfen freiwillige Helfer mit. Kaffee und Kuchen waren von Einwohnern, vor allem den Senioren, gefertigt und ausgegeben worden. Das erste Dorffest war ein großer Erfolg und wurde noch sieben Mal wiederholt.

Seit 2010 kam es zu Veränderungen. Einige Alte verstarben, andere verzogen in ein Pflegeheim. Mehrere Häuser wechselten auch den Besitzer. Die neu hinzugezogenen Familien haben ein oder mehrere Kinder, so dass wieder Kinderstimmen und Kinderlachen zu hören sind. Leider gibt es keinen öffentlichen Spielplatz, der von den kindereichen jungen Familien sehr vermisst wird.

Neuendorf ist als Wohngebiet attraktiv, da es nahe der Bundesstraßen 105 und 110 und der Autobahnen A 20 und 19 gelegen ist. Am Tage besteht stündlich eine Busverbindung nach Rostock. Ein Haltepunkt der Bahnlinie Wismar-Tessin liegt etwa 2 km entfernt in Roggentin. Die Ruhe in der Ortslage, Sportflächen und ausreichende Parkmöglichkeiten verbessern die Lebensqualität. Im Dorf gibt es ein Landhotel mit etwa 30 Zimmern, einem gemütlichen Restaurant und einem Saal.

Uschi's Gasthof ist eine gute Adresse in der Region, bekannt auch für eine gute regionale Küche. Die Versorgung mit Lebensmitteln und Waren des täglichen Bedarfs ist durch Globus in Roggentin und Kaufland im Hanse-Center in Bentwisch möglich. Zwei weitere Einkaufsmärkte befinden sich am Stadtrand in Brinckmannsdorf. Im Gewerbegebiet Neuendorf/Pastow sowie im Hanse-Center Bentwisch sind weitere große und kleine Anbieter von Industriewaren und Dienstleistungen gut erreichbar. Drei namhafte Tankstellen, zwei Autohäuser sowie ein Motorradmarkt sind in der Nachbarschaft gelegen. Neuendorf gehört als Ortsteil der Gemeinde Broderstorf zum Amt Carbäk und zum Landkreis Rostock.

Wir gehen optimistisch und frohen Mutes in das nächste Jahrhundert unseres Bestehens.

Danksagung

Für seine uneigennützige Hilfe und Mitwirkung möchte ich Herrn Dr. Heinrich Steinbrink sehr herzlich danken.

Quellennachweis

  1. Bernitt, H.: „Vom alten und neuen Mecklenburg" Petermännchenverlag, Schwerin 1960.
  2. Niemann, M.: „Ländliches Leben in Mecklenburg in der ersten Hälfte des 20. Jahrhundert" Ingo Koch Verlag, Rostock 2004.
  3. Steinmann, P.: „Bauer und Ritter in Mecklenburg. Wandlungen der Gutsherrlich bäuerlichen Verhältnisse im Westen und Osten Mecklenburgs" Petermännchenverlag, Schwerin 1960.
  4. Baller, D.: „Familienchronik der Familie Baller" - Persönliche Mitteilung.
  5. Schultz, W.: „Ortschronik von Pastow bei Rostock" Pastow, 2004.

Kolophon

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