Chronik 700 Jahre Neuendorf (bei Rostock): Unterschied zwischen den Versionen

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Im Zeitraum der Neuansiedlung war der Neuansiedler als freier Bauer in das Land gekommen. Von seltenen Ausnahmen abgesehen besaß er sein Land nicht als Eigentum, sondern er bewirtschaftete den einem Grundherren gehörenden Boden, besaß also Nutzungsrechte.  Die Hintersässigkeit bedeutete in Bezug auf die bewirtschafteten Ländereien die sog. „dingliche Abhängigkeit".  Daraus entwickelte sich im Laufe der Jahrzehnte ein öffentlich-rechtliches Untertanenverhältnis.  Die Rechtsstellung der Bauern war auch dadurch eingeschränkt, dass die niedere und hohe Gerichtsbarkeit auf die Grundherren, sprich Ritter überging.  Im Laufe des Mittelalters wurde durch die obrigkeitliche Stellung der Ritter und Grundherren die Freizügigkeit der Bauern eingeschränkt.  Der Bauer wurde völlig erbuntertänig an die Scholle gebunden.  Ab Mitte des 15. Jahrhunderts zog die Ritterschaft zunehmend wieder aufs Land.  Aus einer Ansammlung von ehedem kleinen Hofwirtschaften entstanden Güter.  Die Produktion von landwirtschaftlichen Erzeugnissen wurde in größere Betriebe in Form von Gütern verlagert.  Daneben entwickelten sich Bauerndörfer wie Pastow und Broderstorf.  In Broderstorf gehörte das Land der Stadt Rostock, in Pastow dem Kloster in Marienehe.  In beiden Orten wurden die Hufen in Erbpacht vergeben.  Der 30-jährige Krieg hatte nicht nur verheerende Folgen für Land und Menschen, sondern veränderte auch die Gliederung und Struktur der Dörfer und Güter.  Aus Lehensakten geht hervor, dass viele der Gutsbesitzer ihr Vermögen verloren und ihre Güter verlassen mussten.  Auf diese Weise entstanden neue größere Gutskomplexe, deren neue Eigentümer in der Regel alles taten, um die Arbeitskraft der Bauern und Kossäten intensiver auszunutzen.  Das bisher vorhandene bunte Bild der verschiedenen Abstufungen von Grundbesitz und Nutzungsrecht vom Kätner mit und ohne Land bis zum Hüfner wurde
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Version vom 14. Oktober 2019, 16:59 Uhr

700 Jahre Neuendorf

Im Juni 1314 wird das Dorf Niendorf (Neuendorf) von den Rittern MÖRDER, Vater und Sohn, an die Rostocker Bürger SCHOENWEDER und RAVEN verpfändet. Einige Jahre später taucht der Name der Ritter MÖRDER auch in dem Vertrag auf, in dem das nahegelegene Pastow erstmalig erwähnt wurde. Eine Abbildung dieser Urkunde findet sich in der Ortschronik von Pastow von W. Schulz aus dem Jahre 2004. In der Urkunde erwirbt ein späterer Bürgermeister von Rostock von den drei Brüdern Mörder das Dorf Pastow. Es ist anzunehmen, dass die Ritter der Familie Mörder von lokaler Bedeutung waren und einen umfangreichen Grundbesitz besaßen. Die genannten Rechtsvorgänge sind sicher nicht die Geburtsurkunde unserer Dörfer, stellen aber den gesicherten Beleg für das Bestehen der kleinen Ansiedlungen dar.

Die Herrschaft ROSTOCK reichte nach Osten bis zur Recknitz. Etwa ab 1323 wurde die Straßenverbindung von Lübeck nach STETTIN östlich von ROSTOCK ausgebaut. Nach dem Tode des Fürsten NIKOLAUS von Rostock ging das Gebiet an den Fürsten HEINRICH von Mecklenburg und gehörte seitdem zur Herrschaft Mecklenburg.

Urkundliche Quellen

Über die Zeit der NOVELLA PLANTICO, der zeitgenössischen Bezeichnung der Kolonisation, berichten zwei Chroniken: Die Slawenchronik des Pfarrers Helmold von Bosau am Pläner See bis 1171 und die Chronik des Fortsetzers Arnold von Lübeck bis 1209. Urkundliche Nachrichten sind ab 1154 datiert. Die Urkunden berichten über Begründung, Bestätigung und Dotierung, Grenzen, Gerechtsame und Liegenschaften des Bistums Ratzeburg, seiner Bischöfe und des Domkapitels, die die Leitung der Christianisierung der Wenden und die kirchliche Betreuung der deutschen Siedler im Gebiete der Polaben und des nordwestlichen Teils des von den Obotriten eingenommenen Raumes hatten. Wesentliche Daten finden sich im Zehntlehenregister. Aus diesen Registern lassen sich Aussagen über das Vorhandensein von Kirchspielen und dazu gehörenden Dörfern finden. Außerdem findet man dort, welche Dörfer und Gemarkungen im Aufbau begriffen waren und welche wendischen Siedlungen den sogenannten Wenden- oder Bischofszins zu entrichten hatten.

Aus dem Zehntlehenregister von 1229/30 lassen sich aus den Veränderungen Einblicke in die Siedlungsabläufe gewinnen. Nach dem ersten Siedlungszeitraum ab 1142 kam es ab 1160 durch den Aufstand des Obotritenfürsten NICLOT zu einer Stagnation. Nach dem Tode NICLOTS wurden der Ausbau der kirchlichen Organisationen und die Siedlungstätigkeit in den 70er und 80er Jahren des 12. Jahrhundert forciert. Nach dem Sturz HEINRICH des LÖWEN 1181 kam es durch die Unruhen und Kämpfe zu einer Neuverteilung der Herrschaftsstrukturen im norddeutschen Raum. Die nördlich der Elbe gelegenen Länder gerieten 1204 unter die Herrschaft des Dänenkönigs WALDEMAR, die etwa 20 Jahre andauerte. Danach wurden auch in weiter östlich gelegenen Gebieten mit Hilfe und unter dem Einfluss der einheimischen slawischen Fürsten Bauern angesiedelt. Auch Siedler bürgerlicher oder bäuerlicher Herkunft wurden als Lokatoren mit der Siedlungsleitung beauftragt.

Aus dem Zehntlehensregister lassen sich wahrscheinlich auch Angaben über entstandene Kirchspiele und die zu ihnen gehörenden Dörfer finden. Im DEHIO ist angegeben, dass der quadratische Chor der Kirche Kessin aus Feldstein aus der Mitte des 13. Jahrhundert, das breitere Schiff aus Backstein aus dem 14. Jahrhundert stammt. Neuendorf gehörte zum Kirchspiel Kessin, so dass die Zuschreibung auf Grund der erwähnten Kaufverträge zeitlich zutreffen dürfte, Neuendorf 1314 schon als Ort bestand.

Vermutungen über Neuendorf

Im Zeitraum der Neuansiedlung war der Neuansiedler als freier Bauer in das Land gekommen. Von seltenen Ausnahmen abgesehen besaß er sein Land nicht als Eigentum, sondern er bewirtschaftete den einem Grundherren gehörenden Boden, besaß also Nutzungsrechte. Die Hintersässigkeit bedeutete in Bezug auf die bewirtschafteten Ländereien die sog. „dingliche Abhängigkeit". Daraus entwickelte sich im Laufe der Jahrzehnte ein öffentlich-rechtliches Untertanenverhältnis. Die Rechtsstellung der Bauern war auch dadurch eingeschränkt, dass die niedere und hohe Gerichtsbarkeit auf die Grundherren, sprich Ritter überging. Im Laufe des Mittelalters wurde durch die obrigkeitliche Stellung der Ritter und Grundherren die Freizügigkeit der Bauern eingeschränkt. Der Bauer wurde völlig erbuntertänig an die Scholle gebunden. Ab Mitte des 15. Jahrhunderts zog die Ritterschaft zunehmend wieder aufs Land. Aus einer Ansammlung von ehedem kleinen Hofwirtschaften entstanden Güter. Die Produktion von landwirtschaftlichen Erzeugnissen wurde in größere Betriebe in Form von Gütern verlagert. Daneben entwickelten sich Bauerndörfer wie Pastow und Broderstorf. In Broderstorf gehörte das Land der Stadt Rostock, in Pastow dem Kloster in Marienehe. In beiden Orten wurden die Hufen in Erbpacht vergeben. Der 30-jährige Krieg hatte nicht nur verheerende Folgen für Land und Menschen, sondern veränderte auch die Gliederung und Struktur der Dörfer und Güter. Aus Lehensakten geht hervor, dass viele der Gutsbesitzer ihr Vermögen verloren und ihre Güter verlassen mussten. Auf diese Weise entstanden neue größere Gutskomplexe, deren neue Eigentümer in der Regel alles taten, um die Arbeitskraft der Bauern und Kossäten intensiver auszunutzen. Das bisher vorhandene bunte Bild der verschiedenen Abstufungen von Grundbesitz und Nutzungsrecht vom Kätner mit und ohne Land bis zum Hüfner wurde abgeschafft.

Die Feldwirtschaft

Situation in Mecklenburg

Während des 30-jährigen Krieges hatte Wallenstein die ersten Steuerkataster über die ihm unterstellten mecklenburgischen Lande erstellen lassen. Nach dem Kriege wurde die Vermessung und Bonitierung des Landes wieder aufgenommen. Der Nordische Krieg unterbrach diese wichtigen Arbeiten, die ab 1719 von Herzog Carl-Leopold wieder angeordnet wurden. Ungeachtet der gegen ihn angeordneten „Reichsexekution" wurde 1725 die „Hufenrektifikation" als Bewertung und Beschreibung des Domaniums fertiggestellt. Der „Landesgrundgesetzliche Erbvergleich" von 1755 erweiterte die Macht der Grundbesitzer erheblich. Die Leibeigenschaft der Bauern wurde gefestigt und verstärkt. Eine Milderung der Regelungen erfolgte ab 1822, aufgehoben wurde die Leibeigenschaft erst 1855. Gegen die schweren Auswirkungen der Leibeigenschaft blieb den Betroffenen nur die Flucht ins Ausland oder in die großen Städte. Eine beträchtliche Zahl mecklenburgischer Landeskinder flüchtete nach Preußen, wo sie beispielsweise bei solchen Projekten wie der Trockenlegung des Oderbruchs eine neue Heimat fanden. Ausdruck der Hoffnungslosigkeit ist die große Zahl der Auswanderer, die Mecklenburg in Richtung Übersee verließen. Von 1853 bis i908 sind vom Statistischen Landesamt des Großherzogtums Mecklenburg-Schwerin 115.159 Auswanderer erfasst worden. Bezogen auf die Einwohnerzahl von 1871 entspricht das etwa einem Anteil von 20% der Bevölkerung.

Neuendorfer Eigentümer und Besitzer

Gemeindestruktur

Seit 1921 war Neuendorf eine selbstständige Gemeinde mit Philipp Wilhelm Baller als Bürgermeister. 1939 lebten in Neuendorf 132 Einwohner, deren Zahl 1949 auf 238 gestiegen war. In Neuendorf gab es zwei Handwerksbetriebe, eine Stellmacherei und eine Schmiede. Nach dem Kriege wurde Neuendorf zunächst durch die Nachbargemeinde Pastow verwaltet. Auf Wunsch der Neuendorfer erfolgt 1946 die vorübergehende Trennung. Auf Druck der Kreisverwaltung beschloss die Pastower Gemeindevertretung 1948 die Eingemeindung Neuendorfs. Für die Eingemeindung stimmten 12 Pastower und 2 Neuendorfer Gemeindevertreter. Es gab 3 Gegenstimmen. Im Februar 1949 beschloss der Kreistag Rostock die Eingemeindung von Neuendorf nach Pastow.

Neuendorf nach 1945

Neuendorf und die LPG-Zeit

Neuendorf in der Nachwendezeit

Das Bild Neuendorfs gegenwärtig im Jahre 2014

Danksagung

Für seine uneigennützige Hilfe und Mitwirkung möchte ich Herrn Dr. Heinrich Steinbrink sehr herzlich danken.

Quellennachweis

  1. Bernitt, H.: „Vom alten und neuen Mecklenburg" Petermännchenverlag, Schwerin 1960.
  2. Niemann, M.: „Ländliches Leben in Mecklenburg in der ersten Hälfte des 20. Jahrhundert" Ingo Koch Verlag, Rostock 2004.
  3. Steinmann, P.: „Bauer und Ritter in Mecklenburg. Wandlungen der Gutsherrlich bäuerlichen Verhältnisse im Westen und Osten Mecklenburgs" Petermännchenverlag, Schwerin 1960.
  4. Baller, D.: „Familienchronik der Familie Baller" - Persönliche Mitteilung.
  5. Schultz, W.: „Ortschronik von Pastow bei Rostock" Pastow, 2004.