Brandverhütung und -Bekämpfung im alten Güstrow

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Brandverhütung und -bekämpfung im alten Güstrow Dr. Wilhelm Gernentz, 1955 (1), Anmerkungen und Ergänzungen Dieter Kölpien & Gernot Moeller, 2008

Anmerkung der Autoren: Diesen ausführlichen Artikel von dem Güstrower Dr. Wilhelm Gernentz über die „Brandbekämpfung im alten Güstrow“ fanden die Autoren bei Recherchen zur Güstrower Stadtgeschichte in der historischen Bibliothek Güstrow. Er war in Fortsetzungen in den Ausgaben 140, 146 und 147 der „Schweriner Volkszeitung“ im Jahre 1955 erschienen (1). Abweichend vom Originaltext des dreiteiligen Zeitungsartikels wurden sowohl die von Dr. W. Gernentz gewählten Zitate als auch die betreffenden historischen Schriften in dieser Abschrift kursiv gedruckt und mit in das Quellenverzeichnis aufgenommen. Auf den übrigen nicht zitierten Text wurde die heute aktuelle Rechtschreibung angewandt, zeitungstypische Zwischenüberschriften wurden weggelassen. Dr. Wilhelm Gernentz zitierte aus: - „Feur-Ordnung 1676, wonach sich Jedermänniglich in dero Residenz Stadt Güstrow zu achten“, gedruckt durch Christian Scheippel, Fürst. Hoff-Buchdrucker 1676 (6) mehr zur "Feur - Ordnung" 1676 und - „Revidierte und verbesserte Güstrowische Feuer-Ordnung“ vom 20sten Juli 1751, Schwerin, Rostock, gedruckt, bey Anton Ferdinand Rose, 1753. (7)) mehr zur Feuer - Ordnung 1751

Erstausgaben dieser beiden Archivalien befinden sich im Museum der Stadt Güstrow. Wenn schon seit den ältesten Zeiten unserer Güstrower Vorfahren ihre öffentlichen Gebäude, ihre Kirchen, ihr Rathaus und ihre Stadttore mit größtem Aufwand massiv errichteten, so waren doch ihre Wohnhäuser zunächst noch recht bescheiden und primitiv. In den winkligen, ungepflasterten Straßen, in denen bei Dürre dichter Staub aufwirbelte und die zur Regenzeit wegen des Schmutzes fast unpassierbar waren, standen einstöckige, mit Schindeln, Rohr oder Stroh gedeckte und nur selten mit einem hölzernen Rauchfang versehene Fachwerkhäuser, deren Bodenräume als Lager für Korn, Malz und Hopfen dienten. Weil dazu auch noch alle Scheunen und Viehställe innerhalb der Mauern lagen, musste jedes, irgendwann ausbrechende Feuer schnell um sich greifen und häufig zu gewaltigen, weithin zerstörenden Bränden führen. Bekannt sind die drei großen Stadtbrände aus dem Anfang des 16. Jahrhunderts, besonders das durch einen Blitzschlag (Anmerkung der Autoren: Der erwähnte Blitzschlag traf die Pfarrkirche) verursachte verheerende Großfeuer am 18. Juni 1503, durch dass in wenigen Stunden fast die ganze Stadt, auch Rathaus und Pfarrkirche zerstört wurden. Sicherlich hat Güstrow auch schon vor dieser Zeit ähnliche Brandkatastrophen erlebt; wir wissen aber davon nichts mehr, weil die vielleicht einmal vorhandenen Aufzeichnungen im Jahre 1503 mit verbrannt sind. Die älteste uns noch bekannten, in plattdeutsche Sprache verfassten, „Feuersnoth belangenden Vorschriften“ (8) stammen aus dem 15. Jahrhundert. Um sich gegen die Gefahren solcher Feuersbrünste zu schützen, hatten die Bürger schon in den ersten Jahrhunderten nach Gründung der Stadt Maßnahmen zur Bekämpfung von Bränden getroffen. In ihren „Bürgersprachen“, jährlich einmal stattfindenden Versammlungen der gesamten Bürgerschaft, wurden die vom Rat angeordneten Brandbekämpfungsbestimmungen immer wieder verlesen. Sie wollen von „iglichst, insbesonderheit by den höchsten geholten werden“ (von jedem besonders den Höchsten beachtet werden). Darin stehen unter anderem folgende vom Verfasser W. Gernentz ins Hochdeutsche übertragene) Anordnungen: „Sobald ein Feuer aufkommt, soll ein jeder Bürger, auch Frauen, Mägde, Knechte und andere mit Laternen, Feuerhaken, Spritzen, Eimern, Gespannen und dergleichen, und niemand mit leeren Händen eiligst zu dem Feuer kommen, daselbst nicht müßig stehen, das Feuer ansehen noch andere hindern, sondern mit besonderem Ernst einträchtig zugreifen, auch nicht bald wieder davonlaufen, sondern bis an End verharren und erst mit Erlaubnis des Rates heimgehen“. Die Bauleute (Ackerbürger), Fuhrleute und alle anderen Besitzer von Pferden und Wagen hatten Wasser zur Brandstelle zu fahren. In dieser ältesten Feuerschutzordnung mutet uns besonders drastisch die Bestimmung an, dass ein Dieb, der während des Brandes auf frischer Tat ergriffen wird, „ohne alle Barmherzigkeit int Fuer geworpen“, oder wenn er später gefasst wird, „als ein anderer Deef (Dieb) am Galgen gehangen werden“ soll. Die Mitglieder des Rates hatten sich schleunigst an der Brandstelle einzufinden und „iglichen to de Arbeit flitig antohollen“. Prämien wurden ausgesetzt für diejenigen „Waterföhrer“, die die ersten Köbel Wasser heranbrachten. Die Verordnung schließt mit den Worten: „Ein Iglicher (jeder) verwahre sien Fuer un Licht treulich, niemand schall in den Hof, Ställe oder Schünen gahen mit Lüchten“ Wohl unter dem Eindruck der erwähnten Güstrower Stadtbrände wurden in der ersten, für das ganze Mecklenburg verbindlichen Polizeiordnung vom Jahre 1518 auch neue, verschärfte Anordnungen über die Brandbekämpfung erlassen.

Von diesen ausgehend, hat dann im Jahre 1676 der letzte Güstrower Herzog (Gustaff Adolph) eine neue „Feur-Ordnung“ (6) veröffentlicht, „wonach sich Jedermänniglich in der Residenz Stadt Güstrow zu richten“ hatte. Ein Exemplar dieser in Güstrow gedruckten Verordnung befindet sich im Museum. Diese Feuerordnung zeigt einen großen Fortschritt gegenüber der älteren, weil sie über die bloße Brandbekämpfung hinausgeht und besonderes Gewicht auf die Brandverhütung legt. Wie diese Verordnung auch ein anschauliches Bild vom Leben und Treiben der Güstrower vor drei Jahrhunderten vermittelt, mögen daraus die wichtigsten Abschnitte hier kurz besprochen werden. Die Benutzung von Backöfen, sowie das Dörren von Flachs und Hanf innerhalb der Häuser sind nicht mehr zulässig. Alle Feuerstellen müssen zweimal im Jahr von Sachverständigen geprüft werden. Stellen diese fest, dass infolge einer zu dichten Belegung eines Hauses zu viele Bewohner den Herd benutzen, so ist ein Teil von Ihnen anderswo unterzubringen. (Eine Wohnungsnot hat es damals offenbar nicht gegeben) Die für den Brandschutz eingesetzten Visitatoren haben immer wieder zu kontrollieren, ob die von jedem Hausbesitzer bereitzuhaltenden ledernen Feuereimer und Handspritzen sich in gebrauchsfähigem Zustand befinden. Wichtig ist besonders die Bestimmung, dass kein Haus und kein Stall innerhalb der Stadt mehr mit Stroh oder Schilf gedeckt sein darf, Brandgiebel aufzuführen sind, dass Scheunen nur noch vor den Toren der Stadt errichtet werden dürfen. Die Feuerstellen der Bäcker, Schmiede und Branntweinbrenner werden einer verschärften Kontrolle unterzogen. Auch die holzverarbeitenden Gewerbe der Böttcher, Tischler und Zimmerer werden zu besonderen Vorsichtsmaßnahmen angehalten. Streng untersagt wird es, mit brennendem Licht ohne Laterne oder mit brennenden Kienspänen die Ställe und Böden zu betreten. Auf diesen darf nun auch nicht mehr Stroh, Korn und Flachs gelagert werden. Die Verkäufer von Pulver dürfen davon nicht mehr als vier Pfund in ihrer Behausung haben. Das bis dahin sehr beliebte „übermütige Raketenwerfen“ wird nun mit Gefängnis bestraft. Besondere Vorsicht wird verlangt beim Gebrauch von Pechfackeln, welche die Bedienten ihren Herren auf den dunklen Straßen voranzutragen pflegten.

Zum ersten Male wird hier auch auf die Gefährlichkeit des „Tobacktrinkens“ hingewiesen und das Rauchen innerhalb der Höfe, in den Ställen und Kammern streng untersagt: „wenn aber jemand sich des Tobacktrinkens nicht enthalten kann, soll er außerhalb des Hauses oder vor der Hausthür Tobacktrinken“. Aus der Feuerordnung von 1676 (6) ersehen wir auch, dass damals schon auf dem Turm der Pfarrkirche ein Wächter wohnte, der dauernd die Stadt beobachten und beim Ausbruch eines Feuers die Sturmglocke zu läuten hatte. Die Stadt hatte zur Brandbekämpfung 50 Feuereimer, 2 große Spritzen, Sturmleitern und Haken bereitzuhalten, für deren Bedienung bestimmte Einwohner beordert werden sollten, die mit weiteren Bürgern zusammen regelmäßig Feuerschutzübungen abzuhalten hatten.

Hier tritt uns also zum ersten Male so etwas wie eine organisierte Feuerwehr entgegen. Es blieb daneben aber auch die schon in der mittelalterlichen Verordnung erwähnte Verpflichtung bestehen, dass „alle Bürger, Dienstboten, Handwerksgesellen, wie auch die Fuhrwerksbesitzer“ sich energisch an der Brandbekämpfung zu beteiligen haben. Aber „unnötiges und müßiges Gesinde, sonderlich das Weibervolk“ soll nun durch eine Bürgerwehr und die „Militair-Bedienten“ von der Brandstelle ferngehalten werden; Frauen, Mägde und Kinder sollten vielmehr zu Hause bleiben, um Diebstähle in den Wohnungen zu verhindern. Beim Ausbruch eines nächtlichen Feuers haben die Bewohner aller Eckhäuser Laternen an Stangen aufzuhängen, um dadurch den bei einem Brand verstärkten Verkehr in den sonst völlig dunklen Straßen etwas zu erleichtern. Bürgermeister und Ratsherren haben auch weiterhin die Löscharbeiten zu leiten und nötigenfalls zu veranlassen, dass die dem Brandherd zunächst stehenden Häuser niedergerissen werden, deren Wiederaufbau dann auf Kosten der Stadt zu erfolgen hat. Die Viertelsmänner (Führer der Bürgertruppe in den einzelnen Stadtteilen) und die Stadtdiener sollten während eines Brandes polizeiliche Aufgaben übernehmen, durch die Straßen reiten, „Meutereyen und derogleichen Unrichtigkeiten verhüten“ und Diebe „in gebührlicher Straffe der Rechte nehmen“. Bei einem Brand am Tage sind sofort die Tore zu schließen und die Schlagbäume herunterzulassen, um den Zuzug von außen unmöglich zu machen. Bemerkenswert ist schließlich auch noch die Anordnung über die Wasserversorgung für das Löschen der Brände. Die „Soed-Herren“ haben die Brunnen der Stadt ständig zu kontrollieren und dort große Behälter „auf Schleifen mit Wasser gefüllt“ bereitzuhalten. Dafür werden neben dem schon bisher gezahlten Wassergeld nunmehr zusätzlich von jedem Besitzer eines Hauses jährlich 12 Schilling, dem Besitzer einer „Wohnbude“ 3 Schilling und jedem Tagelöhner und Einlieger 1 Schilling erhoben. Die Feuerordnung vom Jahre 1676 hat wesentlich dazu beigetragen, dass es in der Folgezeit in Güstrow nicht mehr zu Großbränden gekommen ist, während mehrere andere Städte in Mecklenburg, in denen der Feuerschutz noch nicht so gut geregelt war, gerade noch im 18. Jahrhundert furchbare Brandkatastrophen erlebt haben. Vermutlich haben die hierbei gesammelten Erfahrungen die Landesregierung dazu veranlasst, auch in Güstrow den Feuerschutz noch weiter zu verbessern. Im Jahre 1751 wurde die „revidierte und verbesserte Güstrowische Feuerordnung“ (7) (siehe Anhang) in Kraft gesetzt. Darin wurden die baupolizeilichen Vorschriften für die Anlage von Schornsteinen und offenen Feuerstellen verschärft. Die Töpfer-, Maurer- und Zimmermeister durften ein halbes Jahr ihr Handwerk nicht mehr ausüben, die Gesellen erhielten Gefängnis und „harte Leibesstrafe“, wenn sie bei Anlage von Feuerstellen gegen diese Verordnung verstießen. Hausbesitzer, die sich weigerten, die Schornsteinfegergebühr zu bezahlen, sollten in „exemplarische Strafe genommen werden“. Malzdarren durften nur noch benutzt werden, wenn nach einer fachmännischen Untersuchung der Rat der Stadt die Erlaubnis dazu erteilt hatte. Besondere Sicherungsmaßnahmen waren gefordert für das Lagern von Brennmaterialien, Hanf, Flachs, Teer, Pulver, Talg und Schwefel auf den Hausböden. Die „Toback-Bauern“ durften bei Androhung einer Strafe von 50 Reichstalern ihren Tabak nicht auf ihren Böden mehr in der Nähe von Schornsteinen zum Trocknen aufhängen. In jedem Haus mussten wenigsten 2 lederne Wassereimer, eine Handspritze und eine Leiter in gebrauchsfähigem Zustand vorhanden sein. Jede Handwerksinnung hatte außerdem 12 Wassereimer zu beschaffen und bei ihrem Amtsmeister zu lagern. Wenn den Handwerksmeistern, die zu ihrem Betriebe Feuer gebrauchten, vorgeschrieben wurde, nicht nachts, sondern nur noch am Tage zu arbeiten, „wenigstens nicht vor 4 Uhr morgens anzufangen, noch bis nach 10 Uhr abends zu kontinnieren (die Arbeit auszudehnen), als in welcher Zeit nach dieses Ortes Umständen ein jeder mit seiner Arbeit gemeinsam fertig werden kann“, so wirft diese Bestimmung auch ein bezeichnendes Schlaglicht auf die überlange Arbeitszeit, die man damals noch den Handwerksgesellen zumuten durfte.

In der „Feur-Ordnung“ von 1676 und in der „Revidirten und verbesserten Güstrowischen Feuerordnung“ von 1751, waren die Aufgaben des Wächters auf dem Pfarrkirchturm sehr genau beschrieben. So war die Sturmglocke (möglicherweise war es die größte Glocke) zu läuten, wenn Feuer in der Stadt erkannt wurde. War das Feuer außerhalb der Stadttore sichtbar, so war eine kleinere Glocke mehrfach hintereinander zu läuten. Damit man in der Stadt die Richtung des Brandes erfahren konnte, war am Tage die rote Feuerfahne und des nachts die brennende Laterne in die entsprechende Richtung aus dem Turmfenster zu zeigen. Über Sprachrohre, was der Türmer und möglicherweise auch die Feuerwehr am Boden vor dem Kirchturm zur Verfügung hatten, war der Brandort möglichst genau anzusagen. Im Jahre 1718 trat nachweislich der erste vereidigte Türmer Michael Gilmeister, vereidigt am 02.11.1718, seinen Dienst auf dem Turm an. Der Wächter auf dem Pfarrkirchturm musste „als Zeichen seiner Wachsamkeit nachts jede Viertelstunde, und zwar, wenn es voll schlägt, mit der Trompete, bey den Viertelschlägen mit dem Horn sich wachsam beweisen“, eine Anordnung, die übrigens, wie die älteren Bürger der Stadt sich erinnern werden, auch noch zu Anfang unseres Jahrhunderts vom Turmwächter zu beobachten war. Eine wichtige Aufgabe beim Feueralarm wurde nun auch den Nachtwächtern übertragen. Mit ihrer Brauchbarkeit und Zuverlässigkeit hatte man bisher wohl häufig trübe Erfahrungen gemacht. Wird doch in dieser Feuerordnung von den beiden Nachtwächtern der Schlossfreiheit berichtet, „sie würden öfters von unartigen Leuten in der Nach insultiert (verspottet)“. Darum sollten nun als Nachtwächter „keine anderen als frische, dem Gesöff nicht ergebene zuverlässige Leute“ angenommen werden. Diese „sollten während des Umgangs die vollen und halben Stunden fleißig anzeigen“ und beim Ausbruch eines Brandes „Feuer! Feuer!“ rufen und durch ihre Knarre Alarm machen. Die Knarre wurde dann später durch das Feuer(Nebel)horn ersetzt, mit dem noch bis in das erste Jahrzehnt unseres Jahrhunderts (um 1910) hinein unsere Nachtwächter bei Feueralarm in allen Straßen die Bewohner aus dem Schlaf geweckt haben. Schwer beladene Fuhrwerke sollten nachts nicht mehr in den engen Straßen der Stadt, sondern nur noch auf dem Marktplatz halten, um nicht beim Ausbruch eines Feuers den Verkehr zu behindern. Eine wesentliche Verbesserung in der Löschwasserversorgung brachte seit dem 18. Jahrhundert die „Wasserkunst“, durch die in Holzröhren das Wasser in die Straßen der Stadt geleitet wurde. Daneben behielten aber auch noch die alten Brunnen und Pumpen ihre Bedeutung, aus denen auch weiterhin eine große Menge Wasser in auf Kufen stehenden Schleifen zur Brandstelle gezogen wurde. Auch die städtischen Löschgeräte wurden nun erheblich vermehrt. Die Feuerordnung von 1751 zählt auf: 4 große Spritzen, 6 neue lederne Schlangen (Schläuche) im Spritzenhaus, 100 Wassereimer im Rathaus und auf dem Kirchturm, wo außerdem noch zwei „große kupferne Wasserpfannen“ aufgestellt waren. Dem städtischen „Feuer-Meister“ unterstanden Löschmannschaften (60 Männer), die sich nicht ohne besondere Erlaubnis aus der Stadt entfernen durften; es war dies immerhin schon eine beachtliche Feuerwehr. Beim Aufziehen eines Gewitters hatte diese sich sofort zum Spritzenhaus zu begeben und die Spritzen auf den damals noch um die Pfarrkirche herum liegenden Friedhof zu schaffen. Der Turmwächter musste beim Ausbruch eines von ihm beobachteten Brandes die größte Glocke „bestürmen“, bei Tage eine rote Fahne, bei Nacht eine Laterne in Richtung auf den Brandherd am Turme befestigen – so war es auch noch vor 50 Jahren (um 1900)! – und soweit für ihn erkennbar, auch noch durch ein Sprechrohr den genauen Ort des Feuers der Bevölkerung zuzurufen. Anmerkung der Autoren: Wir wissen, dass bis 1880 die städtische Löschanstalt (Feuerwehr von Stadtangestellten) nördlich und die Freiwillige Feuerwehr südlich des Turmes Anbauten oder Räume als Spritzenhäuser nutzten. Ab 1881 bis 1883 erfolgte der Umbau der Pfarrkirche von einer fünfschiffigen zu einer dreischiffigen Kirche. Dieser Umbau machte auch einen Neubau des Spritzenhauses der FF erforderlich, die ihre Geräte vorübergehend wahrscheinlich auf dem Hof des Palais in der Langen Straße 41unterbrachte. Mit der Errichtung eines neuen Spritzenhauses für die Freiwillige Feuerwehr in der Baustraße 4-5 im Jahre 1882 wurden bessere Bedingungen für die Feuerwehr geschaffen. Neben den erwähnten 60 Mann zur Bedienung der städtischen Löschgeräte, hatten sich aber auch damals noch alle Einwohner an der Brandbekämpfung zu beteiligen, indem sie sich in langer Kette die wassergefüllten und geleerten Eimer von Hand zu Hand weiterreichten. Besonders wichtig war die Mithilfe der Maurer, Zimmerer und Schornsteinfeger. Diese hatten „mit Hintansetzung ihrer sonstigen Arbeit und unter Androhung des Verlustes ihres Meister- oder Gesellenrechts bei verspätetem Erscheinen“, mit Beilen, Hämmern, Brecheisen versehen, an den Rettungsarbeiten mitzuwirken. Jeder Hausbesitzer hatte dafür zu sorgen, dass an allen seinen Fenstern Lichter brannten, um die Straßen zu erleuchten. Der „Bürger-Capitain“ musste während des Brandes mit 12 Mann seiner Truppe in den Straßen auf Flugfeuer achten und von seiner Kompanie weitere 24 Mann zum Einsatz für die Bekämpfung eines neuen Brandherdes bereitstellen. Der Bürgermeister hatte mit einigen Ratsmitgliedern für den Schutz des Rathauses zu sorgen und besondere Maßnahmen zu veranlassen, durch die notfalls die wichtigsten Urkunden des Ratsarchivs rechtzeitig in Sicherheit gebracht werden konnten. Am Tage nach dem Brand sollten Bürgermeister und Rat in einer besonderen Sitzung die Ursachen des Feuers feststellen, die Löscharbeiten kritisch besprechen, eifrige Helfer belohnen, Säumige bestrafen und beim Löschen verletzte Leute gebührend entschädigen.

Die sehr ausführliche, aus 39 Abschnitten bestehende „Revidirte und verbesserte Güstrowische Feuer-Ordnung von 1751“ wurde dann, offenbar weil sie nicht überall genügend beachtet wurde oder gelesen werden konnte, im Jahre 1767 (siehe Anhang) in einem größeren Plakat (Exemplar davon im Güstrower Stadtmuseum) auszugsweise der Bevölkerung nochmals ins Gedächtnis gerufen und darin besonders auf die durch unvorsichtiges „Tobackrauchen“ (9) veranlasste erhöhte Brandgefahr hingewiesen. Bezeichnend für die damalige Zeit ist hierin die bei Übertretung der Vorschriften angedrohte Bestrafung: „das Gesinde soll, so oft es hiewieder handelt, mit Gefängnis bey Wasser und Brodt, die Herrschaft selbsten aber jedesmal mit 10 Reichsthalern bestrafft werden.“ Das Museum besitzt drei mit dem Bilde einer Feuerspritze gezierte Metallschilder aus dem Jahre 1780, die vermuten lassen, dass damals die zur Brandbekämpfung eingesetzten Bürger in wenigsten drei Gruppen eingeteilt waren. Fast 100 Jahre ist diese Feuerschutzordnung von 1751 in Kraft geblieben, bis die Stadt bei der weiteren Verbesserung der Löscharbeiten nicht mehr auf die Mitwirkung aller Bürger an den Löscharbeiten angewiesen war, zumal auch die Anzahl der für die „städtische Löschanstalt“ tätigen Personen (Dirigent, Spritzenmeister, Stadtbauschreiber, Stadtbediente, Spritzenleute) bedeutend vergrößert war.

Als im Jahre 1848 sich auch in Güstrow eine Bürgerwehr bildete, die in den politisch stark erregten Zeiten für Ruhe und Ordnung in der Stadt sorgen sollte, übernahm diese nun anstelle der Gesamtbürgerschaft auch den Feuerschutz (Siehe Anhang . Aber mehrfache Klagen in der Presse dieser Jahre darüber, dass die Bürgerwehr viel zu spät und in geringer Zahl zur Brandstelle gekommen sei, lassen darauf schließen, dass diese Regelung sich nicht bewährt hat. Darum machte auch der Magistrat, nachdem 1850 die Bürgerwehren als politisch verdächtig von der wieder in ihre alten Rechte eingesetzten reaktionären Ritterschaft aufgelöst waren, die alte Feuerordnung von 1751 für die Bevölkerung wurde wieder verbindlich. Aber bei allem guten Willen der noch zum Löschen bereiten Massen der Bevölkerung wurde es immer deutlicher, dass diese ohne einen festen, organisatorischen Apparat und ohne straffe Führung jedem größeren Brand ziemlich ratlos gegenüber stand. So entstand bald darauf bei dem am 12.06.1861 gegründeten Güstrower Männer- Turnverein der Plan, einen freiwilligen Feuerlösch- und Rettungsverein neben der städtischen Wehr ins Leben zu rufen, dem vorerst nur Turn-Vereinsmitglieder angehören sollten (10). Die Anregung dazu ging vom Vorstand des Männer-Turnverein (M.T.V.) aus. Dieser nahm darüber mit dem Magistrat Verhandlungen auf, die sich über vier Jahre ausdehnten und erst zum Abschluss führten, als ein Großbrand im August 1868 (2) die ganze östliche Seite der heutigen Schulstraße und drei Häuser im Grünen Winkel in Richtung Domstraße vernichtete und dabei die Notwendigkeit eines weiter verstärkten Feuerschutzes eindringlich erwiesen hatte.

Anmerkung der Autoren: Die Gründung der Güstrower Freiwilligen Feuerwehr erfolgte nun noch im gleichen Jahr. Über ihre segensreiche Tätigkeit berichteten sehr detailiert die Festschriften zu den jeweiligen Jubiläen der Freiwilligen Feuerwehr. Es ist dem Gründungsmitglied Kameraden Holst zu danken, der als langjähriger Schriftführer, anlässlich des 50-jährigen Gründungsjubiläums im Jahre 1918 (11), genauestens über die Einzelheiten der Bildung der Freiwilligen Feuerwehr aus dem Güstrower Männer-Turnverein (M.T.V.) berichtete. Sein aus diesem Anlass anhand der Protokolle der Hauptversammlungen des Männer-Turnvereins (M.T.V.) aus den Jahren 1864 bis 1868 unter dem authentischen Titel: „Zur Geschichte der Gründung der Wehr“ verfasster historische Überblick befindet sich ebenso vollständig im Anhang, wie auch die Eingabe an den Magistrat, eine weitere Niederschrift der von der Turnerschaft eingesetzten „Kommission für Vorlagen zu einer Feuerwehr“ und das Protokoll von der konstituierenden Sitzung der Freiwilligen Feuerwehr im Lokal Schorr, am 17.Oktober 1868.

Unsere Überlegung, dass das Lokal, in dem 1868 die Gründung der Freiwilligen Feuerwehr statt fand, logischerweise auch das Vereinslokal des Männer-Turnvereins (M.T.V.) gewesen sein musste, konnte von uns durch gezielte Nachforschungen im Stadtarchiv „Heinrich Benox“ und bei der „Unabhängigen Vereinigung Güstrower Sportchronisten e. V.“ bestätigt werden. Die Turner nutzten damals im Winter die Schorr‘sche Brauereihalle (12), die später als Turnhalle für die Heiligengeistschule umgebaut wurde. Das Gründungsprotokoll der Freiwilligen Feuerwehr vom 17.Oktober 1868 wurde im Lokal des ehemaligen Brauhauses Schorr in der heutigen Schlossstraße 6 unterzeichnet. Laut dem ersten Güstrower Adressbuch von 1874 war dieses Haus Eigentum des Brauereibesitzer Wolfgang Schorr. Das große Fachwerk-Traufenhaus stammt aus dem 16. Jahrhundert (dendro datiert 1572 und ablesbar an den Renaissance-Lilien-Ankern der Vorderfassade (13)). Ab 1902 war das Haus Eigentum des Weinhändlers August Hoffmann. Den nördlichen Teil des Gebäudes hatten in der Folgezeit Gastwirte gepachtet. Einer betrieb hier um 1900 ein „Restaurant zum Storchnest“. Auf dem Nordgiebel des Hauses befand sich damals ein Storchennest, welches dem Restaurant offensichtlich den Namen gab. Die Turner nutzten um 1868 im Winter, einen Raum zum Üben in dem Brauhaus. Später soll dieser Raum zur Turnhalle der Heiligengeist-Schule umgebaut worden sein (12). Ob die Freiwillige Feuerwehr in diesem Lokal auch nach der Trennung vom Turnverein im Jahre 1876 ihre Vereinssitzungen durchführte ist gegenwärtig nicht bekannt. Die Vermutung, dass es irgendeine Verbindung zwischen dem Storchennest auf dem Dach des Gründungslokals der Güstrower Feuerwehr in der Schlossstraße 6 und einem „Storch“, der bei einem festlichen Umzug (siehe Abbildung 6) von Feuerwehrleuten mitgeführt wurde, trifft nicht zu. Durch die Nachfrage bei einem über 80-jährigen Laager Kameraden erfuhr jetzt Kamerad Dieter Hagemann, dass die Laager Feuerwehr vor ca. 80 Jahren mehrfach ein Storchennest auf dem Hause eines Laager Geschäftsmannes instandgesetzt hatte und dafür zum Dank den „Storch im Nest“ an einer Stange geschenkt bekam. Dank einer Studie der „Unabhängige(n) Vereinigung Güstrower Sportchronisten e. V.“ ist bekannt, dass der am 12.06.1861 im Güstrower Schützenhaus gegründete „Männer-Turn-Verein von 1861 e. V.“ (MTV) nach der Kündigung des Turnplatzes am Schützenhaus, ab 1868 sein Vereinslokal in dem bayrischen Brauhaus in der Schlossstraße 6 hatte, in dem in den Winterhalbjahren auch die Turnabende durchgeführt wurden. Eigentümer war um 1865 Herrn Schorr.

Dr. Arnold Hückstädt, Fritz-Reuter-Preis-Träger 2010 und Verfasser des Buches „Auf Fritz Reuters Spuren in Mecklenburg-Vorpommern“, erschienen 2006 bei Hinstorff, schrieb auf Seite 68 unter der Überschrift:

-Lokal „Schorr“, Standort unbekannt-

von einer Besuchsreise Fritz Reuters im Jahre 1865 durch Mecklenburg, die dieser am 1. u. 2. Februar in Güstrow unterbrach, um seine Halbschwester Lisette, die hier lebte, zu besuchen.

Zitat: „Die Güstrower bereiteten Fritz Reuter einen begeisterten Empfang. Sie versammelten sich mit ihm im Lokal „Schorr“, schmückten ihn mit einem Lorbeerkranz und schenkten ihm einen silberbeschlagenen Bierseidel. Im Deckel des Seidels war eingraviert.“Güstrow, den iersten Februar 1865 bi Schorr.“ Dazu aus dem Läuschen „Moy inricht‘t“ die Zeilen: „Seht, uns‘re Welt, das is’ne Welt, wie’s nahrens eine gibt hier in der Welt.“

Huckstädt schließt die Episode mit den Worten, Zitat: „Wo sich das Lokal bzw. die Bierhalle befunden hat, konnte bislang nicht ermittelt werden“

Durch die rührigen Güstrower Plattsnacker erfuhren wir davon, dass in diesem Kreis ebenfalls über den Standort des von Fritz Reuter besuchten Güstrower Bierlokals „Schnorr“ gerätselt wurde.

Da wir bei unseren Studien zur 140-jährigen Geschichte der Güstrower Feuerwehr in Erfahrung bringen konnten, dass am 17.10 1868 im Lokal Schorr, im Hause Schlossstraße 6 (damals Große Schloßstraße 6), Vorstand und Mitglieder des MTV die Bildung eines freiwilligen Feuerlösch- und Rettungsverein für die Stadt Güstrow beschlossen hatten, teilten wir dieses nun Herrn Dr. Arnold Hückstädt per E-Mail mit.

Seine Antwort: …das war eine helle Freude, was mich da soeben per E-Mail aus Güstrow von den fleißigen und akribisch arbeitenden Forschern erreicht hat. Ich bedanke mich sehr herzlich für das überzeugende Ergebnis Ihrer Erkundungen! Schade, dass ich davon keine Ahnung hatte, als ich an meinem Büchlein schrieb. Sollte ihm mal eine zweite Auflage beschert sein, werde ich gern eine Korrektur vornehmen. Ihnen und allen Beteiligten alles Gute! Nochmals herzlichen Dank und freundliche Grüße Ihr Arnold Hückstädt.