Über die Erneuerung des Geläutes der Pfarrkirche Sankt-Marien zu Güstrow 2015/2016

Aus Ortschroniken
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Geläut der Pfarrkirche Sankt-Marien zu Güstrow 2015/2016

Die Glockenfachleute wissen aus Erfahrungen, dass nach ca. 70 Jahren Eisenhartgussglocken ersetzt werden müssen, weil das Material ermüdet ist und Risse an den Glocken auftreten können, die dann eine sofortige Außerbetriebnahme der Glocken erforderlich machen. In weiser Voraussicht hat der Kirchgemeinderat, auf Empfehlung des für die evangelischen Kirchen in Mecklenburg zuständigen Glockensachverständigen Claus Peter aus Hamm in Westfalen, den Ersatz der der drei Eisenhartgussglocken aus der Glockengießerei Apolda durch Bronzeglocken beschlossen und die Kunst- und Glockengießerei Lauchhammer im Sommer 2015 mit der Herstellung von drei neuen bronzenen Glocken beauftragt. Die Glocken wurden im Spätherbst 2015 gegossen, im Frühjahr 2016 anstelle der bisherigen Glocken aufgehängt und am Sonnabend vor Pfingsten 2016 geweiht.

Die drei neuen Glocken wiegen zusammen über sechs Tonnen und klingen anders als die bisherigen.
Das alte Geläut hatte nach meinem Empfinden einen sehr harmonischen schönen Klang, der durch die Schlaggrundtöne
es' (Betglocke = Glocke 2),
c' (Dominica = Glocke 1),
f (Trauglocke = Glocke 3) und
as' (Taufglocke = Glocke 4)
erzeugt wurde. Die Güstrower erfreuten sich ca. 65 Jahre hieran.
Das neue Geläut soll sich durch Änderung der Schlaggrundtöne harmonisch in das Geläut aller Güstrower Glocken einfügen.

Am 14.05.2016 hörten die Güstrower erstmalig jede einzelne Glocke und schließlich das gesamte neue Geläut der Pfarrkirche. Mein Empfinden ist, dass das neue Geläut mächtiger klingt. Der Nachhall der einzelnen Glockenschläge hält länger an und die einzelnen Glockentöne sind innerhalb des Geläutes zu unterscheiden.


Glockenguss der neuen Großen Glocke

- Friedensglocke - der Pfarrkirche in Lauchhammer war ein einmaliges Erlebnis.

Freitagmorgen (13.11.2015) um 06:30 machten sich 20 Gemeindeglieder der Pfarrgemeinde Sankt Marien von Güstrow nach Lauchhammer auf den Weg, um dort in der Kunstgießerei den Guss der künftigen Großen Glocke, die nach einem Beschluss des Kirchgemeinderates den Namen Friedensglocke tragen wird, zu erleben. Nach vier Fahrstunden erreichten wir pünktlich um 11:00 Uhr das Gelände der kleinen Gießerei, auf dem uns ein Mitarbeiter empfing. Wir nahmen in einem kirchlichen Gebäude auf dem Betriebsgelände einen Imbiss ein, hörten etwas zur Geschichte der Gießerei und Pastor Mathias Ortmann hielt eine kurze Andacht. Er verwies darin noch einmal auf die bisher gegangenen Schritte der Kirchgemeinde zur erforderlich gewordenen Erneuerung von drei Glocken des bisherigen Geläutes.

Die Pfarrkirche hatte 1942, bis auf eine Glocke aus dem Jahre 1425, seine übrigen Bronzeglocken für Rüstungszwecke aus dem Turm entfernen müssen (insgesamt verloren damals die Gemeinden des ehemaligen Kirchenkreises Güstrow 60 bronzene Glocken).

Im bisherigen Geläut waren neben der ältesten Glocke des früheren Güstrower Kirchenkreises drei Eisenhartguß-Glocken aus der Apoldaer Glockengießerei im Dienst, die nun ersetzt werden müssen, da ihr "Lebensende" nach 64 Jahren naht.

Unter Glockengeläut verließen wir dann den kirchlichen Raum und begaben uns in die Gießhalle. Andächtige und erwartungsvolle Stille der ca. 50 Besucher einerseits und geschäftiges Tun der Gießer, mit einzelnen lauten Zurufen, anderseits, erfüllten den Raum. Die Anfangszeilen von Friedrich Schillers Lied von der Glocke kamen mir in den Sinn:

Festgemauert in der Erden
Steht die Form aus Lehm gebrannt
Heute muss die Glocke werden,
frisch Gesellen seid zur Hand!
Von der Stirne heiß
rinnen muss der Schweiß,
soll das Werk den Meister loben;
doch der Segen kommt von oben.

Dann ergossen sich, auf ein Kommando des Gießmeisters und durch zügige Handgriffe von weiteren Gießern an den beiden Schmelzöfen, aus zwei riesigen Gießpfannen zwei Ströme flüssiger Bronze mit einer Temperatur um 1200 Grad über die offenen Zuführungen zur unter der Erde verborgenen Gießform der Glocke. Weißer Dampf, Blitzlichter von vielen Fotoapparaten und der Feuerschein der flüssigen Bronze ließen die Gießhalle in magischem Licht erleuchten. Der schnell ablaufende Gießvorganges wurde mit einem abschließenden Kommando des Gießmeisters und mit dem Beifall der Anwesenden beendet.

Wie üblich erfolgte der Guss der Glocke zur Sterbezeit Jesus Christus an einem Freitag um die Mittagsstunde. Die erste von insgesamt drei neuen Güstrower Glocken wird den Namen Friedensglocke tragen und ist mit ihrer Mächtigkeit von 3175 kg, einem Durchmesser von 1720 mm auch die bisher größte in Lauchhammer je gegossenen Glocke. Die neue Glocke wird in 14 Tagen aus ihrer langsam abkühlenden Ummantelung aus Lehm und der umgebenden Erde befreit.

Der Guss der beiden weiteren gleich großen Glocken folgte einige Wochen später. Sie werden Sonntagsglocke und Marienglocke heißen. Im Frühjahr trafen dann die drei neuen Glocken in Güstrow ein.

Zwei der 1950 gegossenen Eisenhartguss-Glocken aus der Appoldaer Glockengießerei Schilling und Lattermann (Betriebsteil Morgenröthe-Rautenkranz) werden dann nach 65 Jahre ihren Dienst beenden und verschrottet. Eine Glocke wird mit dem Schlagwerk der Turmuhr verbunden werden.

Über die Erreichung der festgelegten Qualitätsparameter der drei neuen Bronzeglocken aus Lauchhammer wird der Glockensachverständige, Herr Claus Peter aus Hamm in Westfalen im Auftrage der Güstrower Kirchenleitung wachen. Das künftige Geläut aller Güstrower Kirchenglocken wird dann gemäß den getroffenen Festlegungen harmonisiert erklingen.

Mit großem Interesse nahmen ca. 20 Gemeindeglieder der Güstrower Pfarrkirche Sankt Marien die Fahrt nach Lauchhammer auf sich, um beim Guss der Glocken für die Pfarrkirche zu Güstrow dabei zu sein.

Bilder vom Ausflug der Pfarrgemeindeglieder nach Lauchhammer fotografierte das Ehepaar Tschritter:


Ankunft der Glocken in Güstrow

Am 05.03.2016 gegen 09:00 Uhr traf der Schwerlastzug mit seiner über 6 Tonnen schweren Fracht in Güstrow ein. Der Transport waren tags zuvor in Lauchhammer auf den Weg gebracht worden. In Lalendorf wurden die Glocken umgeladen und mit einem Kranwagen nach Güstrow gefahren. Vor der Friedhofsgärtnerei wurden die Glocken schließlich durch fleißige Helferinnen aus der Kirchgemeinde mit Girlanden und gelben Schleifen geschmückt und für den festlichen Augenblick der Überführung in die Pfarrkirche vorbereitet.

Die drei neuen Bronzeglocken bestehen zu 78% aus Kupfer und zu 22% aus Zinn.

Die allgemeine Bezeichnung für die größte (schwerste) Glocke einer Kirche ist Glocke I = Große Glocke. Zusätzlich wird die neue Glocke der Güstrower Pfarrkirche nach Ihrer Weihe auch noch die weitere Bezeichnung Friedensglocke führen

Die bisherige Glocke I = Große Glocke hatte den zusätzlichen Namen Dominica. Sie wird zusammen mit einer weiteren Eisenhartgussglocke aus dem Turm entfernt und verschrottet. Die dritte Eisenhartgussglocke wird ebenfalls aus dem Glockenstuhl entfernt, jedoch separat in einer eigenen Vorrichtung neben dem jahrhundertealten Glockenstuhl an einem eigenen Gestell innerhalb der Glockenstube wieder befestigt und weiter für das ertönen der Schlagzeichen der Uhr genutzt.



Angaben zur neuen Glocke I = Friedensglocke

L818, dieser Eintrag am Hals der Glocke ist das Gießerzeichen, (L=Lauchhammer, 818 laufender Glockenguss in der Gießerei Lauchhammer).
Durchmesser: 1720 mm; Gewicht: 3175 kg; Schlagton: h°.
Bestimmung: Die Läuteordnung sieht vor, dass sie als Sologeläut und als Basis des Vollgeläutes an allen Feiertagen und sonstigen liturgisch herausragenden Anlässen ertönt.
Darstellung auf der Glocke: Taube aus der Noah-Geschichte umgeben vom Regenbogen
Inschrift am Hals der Glocke:
+ O REX GLORIAE CHRISTE VENI CUM PACE +
(O KÖNIG DER HERRLICHKEIT KOMM MIT FRIEDEN)

(Die vorstehende Glockeninschrift wurde traditionell sehr häufig verwendet. Dennoch wird es eher selten sein, dass in einer Kirche zwei Glocken mit der gleichen Inschrift zur gleichen Zeit läuten. In der Güstrower Pfarrkirche wird dies künftig aber so sein, denn die älteste Glocke aus dem Jahre 1425 und die neue Friedensglocke die 2015 gegossen wurde, tragen denselben Text. Die neue Glocke enthält die Inschrift am Hals und die älteste am Schlagring. Was die Schlagtöne angeht unterscheiden sie sich jedoch voneinander. Die alte schlanke Dame tönt bescheiden weiter in as' und die neue mächtige Friedensglocke wird mit dem 5-fachen Gewicht mit dem Schlagton h° von sich hören lassen. (Ob ein Versehen oder Absicht zu dieser gleichlautenden Inschrift führte ist unbekannt.)

Friedenstext auf der Flanke

EHRE SEI GOTT AUF DER ERDE IN ALLEN STRTASSEN UND HÄUSERN, DIE MENSCHEN WERDEN SINGEN, BIS DAS LIED ZUM HIMMEL STEIGT: EHRE SEI GOTT UND DEN MENSCHEN FRIEDEN, EHRE SEI GOTT UND DEN MENSCHEN FRIEDEN, FRIEDEN AUF ERDEN.

Inschrift unten am Schlagring
("Glocke als Denkmal der Stadt- / Kirchen- / Gemeindegeschichte"):
+ GEWEIHT A. D. 1508 + 1600 ' 1854 + IM KRIEG ZERSTÖRT A. D. 1942 + AUS EISEN ERSETZT A. D. 1950 + NEU GEGOSSEN A. D. 2015 + NEHMT EINANDER AN GLEICH WIE UNS CHRISTUS HAT ANGENOMMEN ZU :GOTTES LOB. RÖM. 15,7 +/ JAHRESLOSUNG 2015

Angaben zur neuen Glocke II = Sonntagsglocke

L819 (Gießerzeichen am Hals
L= Gießerei Lauchhammer,
819 = laufender Glockenguss in der Gießerei Lauchhammer)
Durchmesser: 1300 mm; Gewicht: 1400 kg; Schlagton: e'.
Bestimmung: Sologeläute zu geeigneten Anlässen sowie Basis des Geläutes an normalen Sonntagen
Inschrift am Hals der Glocke
+ HÖRET ALLE VÖLKER + MERKT AUF, LAND UND ALLES, WAS DARINNEN IST + DENN GOTT, DER HERR HAT MIT EUCH ZU REDEN + MICHA I V.2 [.]
Darstellung auf der Glocke: Micha mit Kind (Attribut und Sinnbild), in Beziehung dazu Güstrow, dargestellt durch Pfarrkirche und Rathaus.
Inschrift unten am Schlagring
+ GEWEIHT A. D. 1508 + UMGEGOSSEN A. D. 1600 ' 1854 + IM KRIEG ZERSTÖRT 1942 + AUS EISEN ERSETZT A. D. 1950 + NEU GEGOSSEN A. D. 2015

Angaben zur neuen Glocke III = Gebetsglocke - Marienglocke

L820, (Gießerzeichen
L= Gießerei Lauchhammer,
820 laufender Glockenguss in der Gießerei Lauchhammer)
Durchmesser: 1180 mm; Gewicht: 1000 kg; Schlagton: fis'
Bestimmung: als Sologlocke zum täglichen Gebetläuten und Glockenzeichen zum Vaterunser sowie Basis des Geläutes an normalen Sonntagen.
Inschrift an Hals und Flanke der Glocke
+ MAGNEFICAT ANIMA MEA DOMINUM ET EXULTA VIT SPIRITUS MENUS ET EXSULTATIV SPIRITUS MEUS IN DEO SALUTARI MEO + MEINE SEELE ERHEBT DEN HERRN UND MEIN GEIST FREUT SICH

GOTTES, MEINES HEILANDES; DENN ER HAT DIE NIEDRIGKEIT SEINER MAGDT ANGESEHEN.SIEHE, VON NUN AN WERDEN MICH SEELIG PREISEN ALLE KINDESKINDER. DENN ER HAR GROSSE DINGE AN MIR GETAN, DER DA MÄCNTIG IST UND DES NAME HEILIG IST: SEINE BARMHERZIGKEIT WÄHRED IMMER FÜR UND FÜR BEI DENEN, DIE IHN FÜRCHTEN. ER ÜBT GEWALT MIT SEINEM ARM UND ZERSTREUT, DIE HOFFÄRTIG SIND UND IHRES HERZENS SINN: ER STÖSST DIE GEWALTIGEN VOM THRON UND ERHEBT DIE NIEDRIHGEN. DIE HUNGRIGEN FÜLLT ER MIT GÜTERN UND LÄSST DIR REICHEN LEER AUSGEHEN: ER GEDENKT DER BARMHERZIGKEIT UND HILFT SEINEM DIENER ISRAEL AUF, WIE ER GEREDET HAT ZU UNSERN VÄTERN; ABRAHAM UND SEINEN KINDERN EWIGLICH.+ LUKAS 1,46-55

Inschrift unten am Schlagring
GEWEIHT A. D. 1508 + UMGEGOSSEN A. D. 1701 ' 1884 + IM KRIEG ZERSTÖRT 1942 + AUS EISEN ERSETZT A. D. 1950 + NEU GEGOSSEN A. D. 2015