Fortlaufende Ortschronik und Wiethäger Geschichte(n) Autor Wilfried Steinmüller

Aus Ortschroniken
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Wiethagen

Abseits vom Weltgeschehen, in purer Idylle liegt Rostocks östlichster Ortsteil am Rande der Rostocker Heide versteckt. Einzig der Umstand, das die oberste Forstbehörde der Hansestadt hier ihren Sitz hat, verhilft der Ortschaft zu etwas Bedeutung.

Wie Wiethagen einst entstanden ist, verbirgt sich noch etwas im Dunkel der Geschichte. Berichtet wird, das Mitte des 18. Jahrhunderts die Bauern in Oberhagen und Niederhagen gelegt wurden. Auf deren Flächen legte man zwei Güter an. Für die nun landlosen Bauern wurden abseits des Dorfes zwei Armenkaten errichtet, aus denen Wiethagen hervor ging. Einer der beiden Katen bestand nur wenige Jahre, mit seinem Ende verbindet sich ein Unglück und eine daraus entstandene Sage.

Der Forstinspektor Hermann Friedrich Becker schreibt in der Chronik von Rövershagen: „1780 15.Oct. erschoß sich der verdienstvolle Forstinspector Möller mit einer Pistole, er wurde 52 Jahre alt und hatte manche Kränkungen und Unfälle erlitten. Er liegt unter der großen Linde des Kirchhofes.“

Was war geschehen. Einige Monate zuvor hatte Möller auf dem Forsthofe Wiethagen wohnend seinem minderjährigen Sohn ein Gewehr geladen, damit der vom Strohdach des benachbarten Katens Krähen herunterschießen könne. Der Schuß des Jungen entzündete das Strohdach des Katens und er brannte gänzlich nieder. Darüber kam es zum Prozess, den Möller verlohr. Aus Gram und Verzweiflung setzt nun der Forstmann selbst seinem Leben am 15. Oktober 1780 durch einen Pistolenschuß ein Ende. Die Sage lässt den Unglücklichen noch heute am Orte der Tat, der Pöstenschneise, als Geist umgehen. Übrigens fast genau zweihundert Jahre darauf am 26. Juni 1979 zünden zwei Jungen wiederum ein Gebäude in Wiethagen an.

Auf einer alten Heidekarte aus dem Jahre 1769 taucht Wiethagen erstmals auf.

1835 besteht der Ort aus einer Jägerei, sowie den Gehöften eines Baumwärters und eines Sägemeisters. Dazu kam noch „dat bunte Hus“ (der zweite einstige Armenkaten, 1992 abgerissen), ist es vielen Ortsansässigen als „Discherkaten“ in Erinnerung. Der alte Name entstand vor rund 200 Jahren als 5 Bönhasen ein buntes Gewerbegemisch in dem fünfhieschigen Katen ("fünfteiligen", ähnlich einem Reihenhaus strukturiert) betrieben. Den Rostockern waren sie stets ein Dorn im Auge, da Bönhasen zunftpflichtiges Handwerk außerhalb der Legalität betrieben. 1825 entstand in der Nachbarschaft der Sägerei das so genannte Holzmagazin, als Trockenlager für das frisch verarbeitete Heideholz. Heute ist es das älteste Gebäude der Ortschaft, und allgemein als Witwenkaten bekannt.

Als 1889 die Bahnlinie die Heidelandschaft erreichte war man bestrebt Sägerei und sonstige Holzverarbeitung in die Nähe der Gleise zu verlegen. Das intakte Gebäude des Holzmagazins hatte seine Funktion verloren und wurde für einen neuen Nutzungszweck umgebaut.

Bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts war es oft Bestandteil des Dienstvertrages der Jäger und Förster, die nachgelassenen Witwen bzw. älteren Töchter verstorbener Dienstvorgänger als Teil des Arbeitsverhältnisses zu heiraten, damit sie weiter versorgt waren. Diese Gepflogenheit endete nun und das Holzmagazin wurde Witwenkaten, also zentrale Wohnstätte für Witwen und Töchter einstiger städtischer Forstbediensteter.

Bis in unsere Tage wirkt eine Gründung des Jahres 1838 fort, die Wiethäger Teerschwelerei. In jenem Jahr entstand auf Betreiben des verdienstvollen Forstmannes Hermann Friedrich Becker, aufgebaut durch den Teerschweeler Johann Schütt die kleine frühe Form der chemischen Fabrik, die in unseren Tagen als Museum „Forst- und Köhlerhof Wiethagen“ immer einen Besuch wert ist.

Chronologie zur Geschichte des Heidedorfes Wiethagen

Die Kürzel am jeweiligen Ereignis weisen auf deren Quellen hin:

BK = Kirchspielchronik von Rövershagen begonnen 1839 von H.F.Becker;

AHR = Archiv Hansestadt Rostock

Do = Ludwig Dolberg "Eine Küstenwanderung von der Warnow bis Wustrow durch die Rostocker Haide, Grahl, Müritz, Dändorf und Dierhagen wie das Fischland"

UM = "Unser Mecklenburg : Heimatblatt für Mecklenburger und Vorpommern" Landsmannschaft Mecklenburg. - Hamburg, 1951-1983

NHK = "Neue Heidechronik" unveröffentlichtes Manuskript 1998 entstanden

WS = Wilfried Steinmüller

bis zur napoleonischen Zeit (bis 1813)

1702 Überließ die Stadt dem Herzoge Friedrich Wilhelm die Jagd in der Heide auf Lebenszeit, und nahm sie alsdann wieder an sich. Herzog Carl Leopold wollte sie mit Gewalt an sich reißen und schickte einen Lieutenant mit 20 Dragonern nach Rövershagen um den Rostockern die Ausübung der Jagd zu wehren, ein kaiserl. Mandat vom 28. März 1714 inhibitierte diesen Gewaltstreich. (BK)

1743 Die von Rothermann gezeichnete Karte von Rövershagen zeigt zwei Häuser am Waldeingang bei Wiethagen ohne eine Namensbezeichnung. (WS)

1762 Bildete sich das erste Forstkollegium in Rostock, löste sich aber 1768 wieder auf, das Heidedepartement trat 1769 wieder an dessen Stelle. (BK)

1764 Trat der Gewetts Secretair J.F.Möller seinen Dienst als Forstinspector an, er bekleidete ihn 16 Jahre. (BK)

1767 Wurde von der Stadt eine Dienst-, Bauern-, und Wirtschafts-Ordnung eingeführt, die lange normierte. (BK)

1768 Starb der Jäger Hans Schulze (BK)

1769,1. Januar ging die Verwaltung der Rostocker Heide an das Rostocker Gewett über. In den Übergabeakten und einer beigefügten Karte taucht Wiethagen (120 Einwohner) erstmalig auf.(UM 6/75)

(Damit beging Wiethagen am 1. Januar 2019 den 250. Jahrestag seiner Ersterwähnung WS)

1770 Apr. starb der Wildfahrer Hans Borgwarth. (BK)

1779 Im Mai erschoß sich der Jäger Fiede (sic.) zu Haus als er mit einem geladenen Gewehr zwischen die sich beißenden Hunde schlug. (BK)

1780 15.Oct. erschoß sich der Forstinspector Möller mit einer Pistole, er wurde 52 Jahre alt und hatte manche Kränkungen und Unfälle erlitten. Er liegt unter der großen Linde des Kirchhofes.

Im Juli starb der Baumwärter Schnockel zu Haus. (BK)

1781Trat der Forstinspector J.Roedler seinen Dienst an. Er diente 10 Jahre und ward pensioniert. (BK)

1783Im Apr. starb der Wildfahrer Claus Borgwarth 49 J. (BK)

1791 Legte der Forstf. Rödler seinen Dienst nieder. 1.Juli ward der Forstinspector Herm. Fr. Becker zu Rövershagen eingeführt. Es waren dazu aus Rostock eingetroffen Sen.Dr. Prehn, Sen. Stange,Sen.Schrepp,K.Schroeder, K. Neuendorf,L.Altmann, L.Lober, Secret.Dethlof. (BK)

1800 Wurde von dem Prediger, Forstinspector,den Pächtern, Bauern und Einliegern eine privat Armenanstalt errichtet, welche sich sehr nützlich erwies. (BK) Man fing an die Holzweide aufzuheben und das Vieh auf die Ackerweide zu verweisen. (BK)

1802 26.Oct. war im Dorf Einquartierung von rußischen Truppen auf eine Nacht. (BK)

1803 Am Palmsonntag tritt der hier zum Prediger d.20. Jan. erwählte Cand.Christian Carl Wolf sein Amt mit einer rührenden Predigt an. (BK)

bis zur Reichseinigung (bis 1871)

1814 ertrank des C. Aug. Waak Tochter 11 Jahr alt, auch wurden unsere Ochsen und Hunde toll.(BK)

1817 15. April starb der Jägermeister Joh.Hinrich Schäning 61J. Den 1. Jul. starb der Jäger Johann Jochim Adam Karsten zu Wiethagen 54 J. alt.

1819
(Jäger, Holzwärter ?)Kröger genannt.

1823 Kam der Einl. Claus Fried. Keding auf unglückliche Art ums Leben, indem die Pferde des Jäg. Köhn die er führte nach einem Schuß davon liefen, er vom Wagen stürzte und die Hirnschale zerschlug. 13.Oct. starb der E. Heinrich Pragst durch einen Sturz vom Balken in der Scheune des Forstinspectors.

1825 Es ward ein groß Holzmagazin zu Wiethagen erbauet.

1827 19.März starb der Wildfahrer Joh.Hinrich Borgwarth 59 J.alt

1831 Wüthete die Cholera in Mecklenb. und Rostock, hier im Dorf starb nur ein Mensch daran. Am 2. März starb der Baumwärter Jacob Hinr. Peters zu Meiershausstelle. Da die Cholera-Epedemie erst im Mai ausbrach, kann sie nicht die Todesursache gewesen sein, wie oft spekuliert wurde.

1833 In diesem Jahr lösete sich das Heidedepartement auf und bildete sich das 2.Forstdepartement welches die Viraition (?) der Waldungen übernahm, wogegen das Cämmerey Collegium die Jurisdiktion und das Patronat erhielte.Fing die Regulierung der Stadt Waldungen an welche dem Oberförster Garthe zu Remplin und dem Forstinspector Becker hieselbst von E.E.Rath übertragen war. Den Juli 27. starb der Jäger Friedrich Johann Dewitz zu Wiethagen 60 J.alt. Den 9. Sept. starb der Pächter Joachim Hopff (?) zu Niederhagen 78 J. alt.

1837 28. November Unterzeichnung des "Contract zwischen dem Forstdepartement der Stadt Rostock und dem Theerschweeler Johann Schütt zu Marxhagen über die Erbauung einer Theerschweelerei und der dazugehörigen Gebäude und sonstigen Einrichtungen..."

1838 Ward eine Theerschwelerey im Wiethäger Revier angelegt und ward ein Canal vom Moorhof zum Pramgraben gezogen. BK/HK

1850 Der Katenmann Johann Keding wird in die Mecklenburgische Abgeordnetenkammer gewählt.

1863 In der Nacht vom 22ten auf den 23ten December war ein solcher Sturm, daß in der Rostocker Heide ungefähr 26 bis 30 000 Bäume umgestürzt sind.

1867 Oberforstinspektor Garthe lässt am Weg zwischen Forsthof und Wiethagen ein neues Samenhaus zum ausdarren der "Tannensamen" (richtig müßte es Fichtensamen heißen. WS) errichten.

Deutsches Reich bis 1918

1890 Eingatterung des größten Teils der Heide.

1900 Von Mitte Juni bis Mitte August wird das Schulhaus in Hinrichshagen durchgebaut. Der Schulunterricht, der wegen des Baues in der Schulstube nicht erteilt werden kann, wird in das Wiethäger Samenhaus verlegt.

1912 1.Juli Verwaltungsrechtliche Abtrennung der bislang zu Rövershagen gehörenden "Wohnplätze" Hinrichshagen, Markgrafenheide, Schnatermann, Wiethagen und Meyershausstelle, die unter der Bezeichnung "Heideortschaften" zu einer selbständigen Ortschaft ernannt werden.

1912 10.Juli "Zum Ortsvorsteher der Heideortschaften Hinrichshagen, Markgrafenheide, Schnatermann, Wiethagen und Meyershausstelle ist der Förster Albert Voss zu Wiethagen ernannt. Die Kämmerei"

Deutsches Reich bis 1945

1941 In Wiethagen wird ein Gefangenenlager für 100 russische Kriegsgefangene eingerichtet.

SBZ und DDR bis 1990

1950 (?) Das "Stalinhaus" wird gebaut.

1979 Am 26.Juni um 14.25 Uhr entsteht ein Stallbrand, ausgelöst durch das Rauchen eines 11 und eines 12 Jahre alten Jungen. Der gesamte Dachstuhl 85x20m) wurde vernichtet. (UM 5/79)

Ab Wiedervereinigung

1996 August Der "Discherkaten" oder as "Bunte Hus" wird abgerissen. (WS)

die heutige Zeit

Einigen wichtigen Einrichtungen sind eigene Artikel gewidmet:

Das Forstgehöft (heute Stadtforstamt) und das Forstrevier Wiethagen

Die Teerschweelerei

Bereits im Jahre seines Dienstantrittes versucht Forstinspektor Hermann Friedrich Becker in der Rostocker Heide die Einrichtung einer Teerschweelerei zu initiieren. Da er bei Bürgerschaft und Rat zunächst auf Ablehnung trifft publiziert er sein Anliegen öffentlich um der Sache Nachdruck zu verleihen.

"Discherkaten"/ "Dat bunte Hus"

Das Kriegsgefangenenlager während des zweiten Weltkrieges

Die Nerzfarm

Um zur Verbesserung des Devisenhaushaltes der DDR beizutragen, wurden Ende der 50er Jahre einige Forstbetriebe angehalten mit dem Aufbau von Pelztierfarmen zu beginnen. Durch die günstige Lage zu den Lieferanten von Futterfisch wurden die 4 Forstbetriebe an der Ostseeküste mit dem Aufbau von Nerzfarmen beauftragt. Der Forstbetrieb Rostock/Rövershagen begann 1959 in Wiethagen mit der Haltung von Nerzen. Neben den offenen Schuppen zur Unterbringung der Tiergehege wurde 1960/61 eine massive Futterküche mit integriertem Kühlhaus errichtet. Damit konnte nunmehr der in der Fangsaison bei den Fischereibetrieben reichlich anfallende Futterfisch tiefgefroren über längere Zeit gehalten werden und stand dann im Sommer während der Aufzucht der Jungtiere zur Verfügung. Futterfleisch konnte ganzjährig vom Schlachthof in Rostock bezogen werden. Mit der Errichtung des Kühlhauses stand einer schnellen Vergrößerung des Tierbestandes nichts mehr im Wege. Die fachliche Anleitung einschl. der tierärztlichen Betreuung erfolgte durch die Volkseigene Pelztierfarm in Plau/Appelburg. Dieser Betrieb übernahm auch die Ausbildung der Mitarbeiter der Farm zu Facharbeitern. Diese Ausbildung erfolgte als Erwachsenenqualifizierung in einem Fernstudium, so daß der Farmbetrieb ungestört weiter laufen konnte. Da 1961 weder Wiethagen noch Rövershagen an ein zentrales Wassernetz angeschlossen waren, wurde die Nerzfarm in Absprache mit dem VEG Rövershagen durch dessen betriebsinternes kleines Wasserwerk versorgt. Über diese Leitung wurden dann auch ein Teil der Wohnungen in Wiethagen mit fließendem Wasser versorgt. Durch die geringe Leistung der Wasserpumpe kam es während der Hauptentnahmezeiten regelmäßig zu einem starken Druckabfall der doch mitunter erhebliche Probleme mit sich brachte. Erst mit Anschluß von Wiethagen und damit auch der Nerzfarm an das öffentliche Wassernetz hat sich dieses Problem gelöst. Nach der Pelzung jeweils ab November jeden Jahres wurden die Felle in mehreren Lieferungen direkt nach Leipzig transportiert. Dort wurden sie weiter bearbeitet und für die jährliche Pelzauktion vorbereitet. Erst das Ergebnis dieser Auktion brachte dem Forstbetrieb die Kenntnis über die erzielten Fellerlöse und damit Gewißheit über das ökonomische Ergebnis der Farm. 1990 wurde der gesamte Tierbestand gepelzt und die Farm geschlossen. Anfang 1998 wurde durch die Stadt Rostock, in deren Eigentum der Grund und Boden rückübertragen wurde, alle baulichen Anlagen der Farm zurückgebaut. (NHK)

Der Schießplatz Wiethagen

Ruheforst

Bedeutende Persönlichkeiten aus Wiethagen

Kaeding (Tagelöhner)

„.. In Wilthagen liegt auch ein großes von Fachwerk erbautes Holzmagazin. Südlich vom Forsthofe liegt „in de Eck“, wie es hier heißt, ein Kathen, in welchem der frühere Abgeordnete der ersten mecklenburgischen Abgeordnetenkammer, der Tagelöhner Keding, wohnte, der nach Beschluß seiner politischen Carriere durch Auflösung der Kammer nach Amerika auswanderte und dort bald starb. ...“

Auszug „Archiv für Landeskunde“ Jg. 18, 1868,S. 254 (Autor anonym, Ludwig Dolberg ?)

Sagen und Legenden zu Wiethagen

Flurnamen im Revier Wiethagen

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