"Der Zettelmann" - Geschichten um Richard Wossidlo": Unterschied zwischen den Versionen

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=="Die Zwölften" - unheimliches Treiben zwischen Weihnachten unddem 6. Januar==
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=="Die Zwölften" - unheimliches Treiben zwischen Weihnachten und dem 6. Januar==
  
 
=="Vom Gaelknoeker" Wossidlos letzte unvollendete Arbeit - ein Sagenkreis aus Behnkenhagen==
 
=="Vom Gaelknoeker" Wossidlos letzte unvollendete Arbeit - ein Sagenkreis aus Behnkenhagen==
  
 
Vor wenigen Jahren fand sich in einem noch ungeordneten Bestand des Rostocker Stadtarchives ein unscheinbares und unvollendetes Manuskript das aus den dreißiger Jahren stammte. Es war die Sammlung und wissenschaftliche Auswertung des mehrere hundert Beispiele umfassenden Sagenkreises um die Gestalt des „Gaelknoekers“ der auf seinem Berg am südlichen Ortsrande von Behnkenhagen wohnen solle. Wossidlo bezeichnete darin die Sagen um diese Gestalt als den lebendigsten und umfangreichsten geschlossenen Sagenkreis seiner jahrzehntelangen Forschungsarbeit. Er war sich sicher daß ein historisch wichtiger Platz aus grauer Vorzeit hier in der Volksüberlieferung fortlebt. Es war ein zwergenhaftes Männlein, sehr dürr, von gelber Hautfarbe und gelb gekleidet, daher auch sein Name. Als Aufenthaltsort hatte er sich den „Gaelknoekerbarg“, auf der südlichen Behnkenhäger Feldmark ausgewählt. Wenn der Heidedämon sich den Leuten bemerkbar machte, kam er meist wie ein Wirbelwind daher. Er blies die zusammengeharkten Heuhaufen auseinander, sogar ganze Wagenladungen mit Heu soll er umgeworfen haben. Des Nachts ärgerte er die bei dem Vieh auf dem Felde gebliebenen Hütejungen. Er band ihnen die Säcke, in die sie wegen der Kälte gekrochen waren, über dem Kopf zusammen und trieb dann die Tiere auseinander. Besonders schlimm erging es den jungen Mädchen, die zum Nüssepflücken in die Heide kamen. Gaelknoeker ergriff sie und hängte sie an den Füßen auf. Dagegen konnten sie sich nur schützen, wenn sie Bullerjahn (Baldrian) in die Schuhe gesteckt hatten. Dagegen war der Kobold machtlos. Seine Hilfsbereitschaft zeigte er aber den unschuldig in Not geratenen Menschen. Eines Abends war ein kleines Mädchen auf dem Wege von Blankenhagen nach Behnkenhagen. Aus Angst vor Gaelknoeker weinte es. Da erschien er und fragte das Kind, warum es weinte. „Ick heff so Angst vor Gaelknoeker“, antwortete es. Der kleine Mann brachte das Kind sicher nach Behnkenhagen, und als sie da waren, meinte er: „Segg dei Lüd man, Gaelknoeker hett di nah Hus bröcht, hei deit keinen Minschen wat!“ Eine unheimliche Angst hatte der Gaelknoeker vor Gewitter. Eines Tages traf er einen armen Mann, dessen einzige Kuh verendet war. Nun hatte der Mann schon verschiedene Leute um Geld gebeten, aber umsonst. Als Gaelknoeker von der Not des Mannes und dessen Familie hörte, gab er ihm einen Topf voll Geld für den Kauf. Er sagte: „Üm de un de Tied sallst du mi dat Geld wedderbringen un den „Hurra“ ropen!“ Zur bestimmten Zeit erschien der Mann auch mit dem Geld und rief immer „Hurra“. Daraufhin antwortete eine Stimme: „Wend dat Geld taun Gauden an! Burra het Hurra dotslahn!“ Der Blitz hatte ihn nun wohl doch erschlagen. Einmal kam auch eine alte Frau nach Blankenhagen auf die Mühle. Sie brauchte Mehl, aber ohne Bezahlung gab der Müller nichts. Als sie zu weinen begann, tat sich die Tür auf, leise trat Gaelknoeker ein und flüsterte ihr zu: „Dat is nich so slimm, Mudder, hier bring ick di´n Pott voll Geld. Un wenn du´t mi wedder bringen wist, denn gah nah´n Barg un rop nah Kullerjahn!“ Das tat sie auch, sobald es ging, aber im Berg ließ sich eine tiefe Stimme vernehmen: „Bullerjahn hett Kullerjahn dotslagen.“ Da konnte sie das Geld behalten.
 
Vor wenigen Jahren fand sich in einem noch ungeordneten Bestand des Rostocker Stadtarchives ein unscheinbares und unvollendetes Manuskript das aus den dreißiger Jahren stammte. Es war die Sammlung und wissenschaftliche Auswertung des mehrere hundert Beispiele umfassenden Sagenkreises um die Gestalt des „Gaelknoekers“ der auf seinem Berg am südlichen Ortsrande von Behnkenhagen wohnen solle. Wossidlo bezeichnete darin die Sagen um diese Gestalt als den lebendigsten und umfangreichsten geschlossenen Sagenkreis seiner jahrzehntelangen Forschungsarbeit. Er war sich sicher daß ein historisch wichtiger Platz aus grauer Vorzeit hier in der Volksüberlieferung fortlebt. Es war ein zwergenhaftes Männlein, sehr dürr, von gelber Hautfarbe und gelb gekleidet, daher auch sein Name. Als Aufenthaltsort hatte er sich den „Gaelknoekerbarg“, auf der südlichen Behnkenhäger Feldmark ausgewählt. Wenn der Heidedämon sich den Leuten bemerkbar machte, kam er meist wie ein Wirbelwind daher. Er blies die zusammengeharkten Heuhaufen auseinander, sogar ganze Wagenladungen mit Heu soll er umgeworfen haben. Des Nachts ärgerte er die bei dem Vieh auf dem Felde gebliebenen Hütejungen. Er band ihnen die Säcke, in die sie wegen der Kälte gekrochen waren, über dem Kopf zusammen und trieb dann die Tiere auseinander. Besonders schlimm erging es den jungen Mädchen, die zum Nüssepflücken in die Heide kamen. Gaelknoeker ergriff sie und hängte sie an den Füßen auf. Dagegen konnten sie sich nur schützen, wenn sie Bullerjahn (Baldrian) in die Schuhe gesteckt hatten. Dagegen war der Kobold machtlos. Seine Hilfsbereitschaft zeigte er aber den unschuldig in Not geratenen Menschen. Eines Abends war ein kleines Mädchen auf dem Wege von Blankenhagen nach Behnkenhagen. Aus Angst vor Gaelknoeker weinte es. Da erschien er und fragte das Kind, warum es weinte. „Ick heff so Angst vor Gaelknoeker“, antwortete es. Der kleine Mann brachte das Kind sicher nach Behnkenhagen, und als sie da waren, meinte er: „Segg dei Lüd man, Gaelknoeker hett di nah Hus bröcht, hei deit keinen Minschen wat!“ Eine unheimliche Angst hatte der Gaelknoeker vor Gewitter. Eines Tages traf er einen armen Mann, dessen einzige Kuh verendet war. Nun hatte der Mann schon verschiedene Leute um Geld gebeten, aber umsonst. Als Gaelknoeker von der Not des Mannes und dessen Familie hörte, gab er ihm einen Topf voll Geld für den Kauf. Er sagte: „Üm de un de Tied sallst du mi dat Geld wedderbringen un den „Hurra“ ropen!“ Zur bestimmten Zeit erschien der Mann auch mit dem Geld und rief immer „Hurra“. Daraufhin antwortete eine Stimme: „Wend dat Geld taun Gauden an! Burra het Hurra dotslahn!“ Der Blitz hatte ihn nun wohl doch erschlagen. Einmal kam auch eine alte Frau nach Blankenhagen auf die Mühle. Sie brauchte Mehl, aber ohne Bezahlung gab der Müller nichts. Als sie zu weinen begann, tat sich die Tür auf, leise trat Gaelknoeker ein und flüsterte ihr zu: „Dat is nich so slimm, Mudder, hier bring ick di´n Pott voll Geld. Un wenn du´t mi wedder bringen wist, denn gah nah´n Barg un rop nah Kullerjahn!“ Das tat sie auch, sobald es ging, aber im Berg ließ sich eine tiefe Stimme vernehmen: „Bullerjahn hett Kullerjahn dotslagen.“ Da konnte sie das Geld behalten.

Version vom 26. Dezember 2021, 00:12 Uhr

Richard Wossidlo ab der Dorflinde seinen Namen

"Der Zettelmann" - Eine Geschichte um Richard Wossidlo

Aufgeschrieben 1957 von Edmund Schroeder
Zu Beginn des Wintersemesters 1876 hatte ein munterer Mulus* seinen Einzug in die gastlichen Tore der Alma Mater Rostochiensis gehalten. Sechs Jahre waren seitdem in das große ecken der Vergangenheit getropft. Er hatte damals bald sein Behagen im Schatten von St. Marien und St. Jakobi gefunden. Es ließ sich alles gut an, ein Professor hatte Vertrauen zu dem jungen Studenten gefaßt und ihm eine dicke gelehrte Arbeit auf die Schultern gepackt, Randbemerkunen, die Scholien, zum Aristides. Daß die Arbeit sich zu einer alles verschlingenden Lawine auswachsen würde ...


Mit Stern (*) gekennzechnete Begriffe siehe: Begriffserklärungen und Latein in der Geschichtsschreibung

"Die Zwölften" - unheimliches Treiben zwischen Weihnachten und dem 6. Januar

"Vom Gaelknoeker" Wossidlos letzte unvollendete Arbeit - ein Sagenkreis aus Behnkenhagen

Vor wenigen Jahren fand sich in einem noch ungeordneten Bestand des Rostocker Stadtarchives ein unscheinbares und unvollendetes Manuskript das aus den dreißiger Jahren stammte. Es war die Sammlung und wissenschaftliche Auswertung des mehrere hundert Beispiele umfassenden Sagenkreises um die Gestalt des „Gaelknoekers“ der auf seinem Berg am südlichen Ortsrande von Behnkenhagen wohnen solle. Wossidlo bezeichnete darin die Sagen um diese Gestalt als den lebendigsten und umfangreichsten geschlossenen Sagenkreis seiner jahrzehntelangen Forschungsarbeit. Er war sich sicher daß ein historisch wichtiger Platz aus grauer Vorzeit hier in der Volksüberlieferung fortlebt. Es war ein zwergenhaftes Männlein, sehr dürr, von gelber Hautfarbe und gelb gekleidet, daher auch sein Name. Als Aufenthaltsort hatte er sich den „Gaelknoekerbarg“, auf der südlichen Behnkenhäger Feldmark ausgewählt. Wenn der Heidedämon sich den Leuten bemerkbar machte, kam er meist wie ein Wirbelwind daher. Er blies die zusammengeharkten Heuhaufen auseinander, sogar ganze Wagenladungen mit Heu soll er umgeworfen haben. Des Nachts ärgerte er die bei dem Vieh auf dem Felde gebliebenen Hütejungen. Er band ihnen die Säcke, in die sie wegen der Kälte gekrochen waren, über dem Kopf zusammen und trieb dann die Tiere auseinander. Besonders schlimm erging es den jungen Mädchen, die zum Nüssepflücken in die Heide kamen. Gaelknoeker ergriff sie und hängte sie an den Füßen auf. Dagegen konnten sie sich nur schützen, wenn sie Bullerjahn (Baldrian) in die Schuhe gesteckt hatten. Dagegen war der Kobold machtlos. Seine Hilfsbereitschaft zeigte er aber den unschuldig in Not geratenen Menschen. Eines Abends war ein kleines Mädchen auf dem Wege von Blankenhagen nach Behnkenhagen. Aus Angst vor Gaelknoeker weinte es. Da erschien er und fragte das Kind, warum es weinte. „Ick heff so Angst vor Gaelknoeker“, antwortete es. Der kleine Mann brachte das Kind sicher nach Behnkenhagen, und als sie da waren, meinte er: „Segg dei Lüd man, Gaelknoeker hett di nah Hus bröcht, hei deit keinen Minschen wat!“ Eine unheimliche Angst hatte der Gaelknoeker vor Gewitter. Eines Tages traf er einen armen Mann, dessen einzige Kuh verendet war. Nun hatte der Mann schon verschiedene Leute um Geld gebeten, aber umsonst. Als Gaelknoeker von der Not des Mannes und dessen Familie hörte, gab er ihm einen Topf voll Geld für den Kauf. Er sagte: „Üm de un de Tied sallst du mi dat Geld wedderbringen un den „Hurra“ ropen!“ Zur bestimmten Zeit erschien der Mann auch mit dem Geld und rief immer „Hurra“. Daraufhin antwortete eine Stimme: „Wend dat Geld taun Gauden an! Burra het Hurra dotslahn!“ Der Blitz hatte ihn nun wohl doch erschlagen. Einmal kam auch eine alte Frau nach Blankenhagen auf die Mühle. Sie brauchte Mehl, aber ohne Bezahlung gab der Müller nichts. Als sie zu weinen begann, tat sich die Tür auf, leise trat Gaelknoeker ein und flüsterte ihr zu: „Dat is nich so slimm, Mudder, hier bring ick di´n Pott voll Geld. Un wenn du´t mi wedder bringen wist, denn gah nah´n Barg un rop nah Kullerjahn!“ Das tat sie auch, sobald es ging, aber im Berg ließ sich eine tiefe Stimme vernehmen: „Bullerjahn hett Kullerjahn dotslagen.“ Da konnte sie das Geld behalten.