Klütz - Reformation

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Die Reformation im Klütz des 16. Jahrhunderts kann nicht losgelöst von den Geschehnissen im Klützer Winkel und der Umgegend betrachtet werden. Waren doch die Familien der Klützer Ritter von Plessen mit fast allem Landadel in der Umgegend verwandt, bekannt und verschwägert.
Martin Brüsehafer erstellte 1934-35 im Gemeindeblatt der Kirchgemeinde Klütz eine umfassende Beschreibung der Geschehnisse in dieser Zeit.

Die Reformation im Klützer Ort

Die Anfänge der Reformation in Mecklenburg[1]

Gemeindeblatt Nr.28

Vorwort



Im nächsten Gemeindeblatt wird Herr Kantor Brüsehafer, Klütz, aus alten Akten eine ausführliche Zusammenstellung über die Einführung der Reformation im „Klützer Winkel“ bringen. Nach den Lutherfeiern des Lutherjahres 1933 wird es für viele unserer Gemeindeglieder nicht uninteressant sein, einmal Näheres darüber zu erfahren, wie „Luthers Geist und Luthers Lehr’ in unserer engeren Heimat Eingang gefunden haben. Da nun aber die Ereignisse, die sich bei der Einführung der Reformation in unserer Gegend abgespielt haben, in engstem Zusammenhang stehen mit der Einführung der Reformation in Mecklenburg überhaupt, schicke ich diesen Artikel als kurzen Überblick voran. (Pastor Wömpner)

Wie überall in Deutschland war auch in Mecklenburg das Kichenwesen alt und zum Tode reif. Ein neues musste kommen, und es kam. In Wittenberg brach es durch und trieb feine Wellenschläge durch alles deutsches Land bis in das, unsere. Zwar in den ersten Jahren des großen von Luther mit dem berühmten Thesenanschlag am 31. Oktober 1517 begonnenen Kampfe blieb in Mecklenburg noch alles ruhig. Auch der Wormser Reichstag mit seinem „Hier stehe ich, ich kann nicht anders” ist scheinbar unbemerkt an ihm vorübergegangen. Aber in der Stille und Tiefe arbeitete es; da taten die lutherschen Flugschriften ihre Werk, und um 1523 tauchen auch in Mecklenburg wie überall die Prediger des neuen Evangeliums auf, entlaufene Mönche aus dem Orden Luthers oder dem volkstümlichen Franziskanerorden, junge Vikare, die über Luthers Schriften geraten sind. Meist weiß man nicht, woher sie gekommen sind, aber eines Tages stehen sie da und predigen, und das Volk, vor allem das niedere, läuft ihnen zu. In Rostock ist es der junge Kaplan an der Petrikirche, Joachim Schlüter, eines Fährmanns aus Dömitz Sohn, der mit seiner feurigen, Beredsamkeit die unruhigen Massen der Handmerker, Schiffer und Hafenarbeiter um seine Kanzel versammelt und der Führer der Bewegung wird. Er ist es, der das erste plattdeutsche Gesangbüchlein herausgegeben und unser Volk die neuen Lieder singen gelehrt hat. In Rostock gelang es der Bürgerschaft erst nach und nach, dem Rate die Besetzung zunächst der städtischen Spitale und endlich auch die der großen Pfarrkirchen mit evangelischen Prädikanten abzutrotzen. Erst 1531, als die Reformation auch in den verbündeten Städten Hamburg und Lübeck zum Siege gekommen war, wurde sie auch in Rostock durchgeführt und nahm der nun in seiner Mehrheit gewonnene Rat das Kirchenregiment in evangelischem Sinne in die Hand, wurden die Klöster aufgehoben und in Schulen und Armenhäuser umgewandelt.
In Wismar ist es der Vorsteher des Franziskanerklosters, Hinrich Neper, ein Stadtkind, der an die Spitze tritt und auf seiner Klosterkanzel das „reine Wort Gottes“ verkündet. Ihm zur Seite stehen seine beiden Ordensgenossen Clemens Timme und Johann Windt, und bald haben sie die Übermacht in der Stadt. Es fehlt nicht an stürmischen Auftritten. Zu Weihnachten 1524 kommt es in der Nikolaikirche zu Wismar zu einem förmlichen Kampf, in dem es schließlich den Schiffern gelingt, ihren Prädikanten, den Johann Windt, auf die Kanzel zu bringen, und als Never mit seinen Genossen die Gegner zu einer öffentlichen Disputation herausgefordert hat, da schichtet die erregte Menge auf dem Marktplatze schon einen Scheiterhaufen auf; wer in dem Redekampfe unterliegt, der soll brennen. Und es war nicht zweifelhaft, dass das den Verteidigern des alten Glaubens zugedacht war. So grimmig ernst war es diesen Menschen. Dennoch dauerte es Jahre, bis das Neue sich durchgesetzt hatte, da nicht nur die Priesterschaft, sondern auch die besitzenden Schichten und das Stadtregiment zäh am Alten hingen.
In Schwerin, wo der Dom sich der neuen Lehre hartnäckig verschloss, predigte der aus Süddeutschland stammende Prädikant Martin Oberländer, mit Genehmigung des Herzogs in der St. Georgskapelle vor dem Tor, und die Bürger liefen ihm zu. So ging es überall her. Die Herzöge griffen hier und dort ein, um Ordnung zu Schaffen, aber da der eine, Heinrich, evangelisch gesinnt war, der andere, Albrecht, mit Zähigkeit an der alten Kirche hing, so ward dadurch die Verwirrung nur vermehrt. Der eine verjagte die neuen Prediger, der andere führte sie wieder zurück.
Inzwischen aber war die neue Lehre längst auch auf das Land vorgedrungen und hatte auch hier alles in Bewegung gebracht. Hier ist es besonders der den „Pfaffen“ verschuldete und daher schon lange auffällige Adel, welcher der neuen Bewegung zufällt, entlaufene Mönche aufnimmt und sie in seinen Patronatskirchen predigen lässt, so die Rieben zu Galenbeck, die Flotow auf Stuer, ja, er verjagt wohl den alten Pfarrer, so die Plessen in Klütz und Damshagen, um einen Prediger der neuen Art in die Pfarre zu setzen. Auch die Bauern wurden unruhig. Nur dort, wo eine starke Hand es noch eine Weile aufrecht hielt, wie die des römisch gesinnten Herzogs Albrecht in feinem Landesteil, die Domherren von Schwerin und Güstrow in ihren Patronatskirchen, oder der Abt von Doberan in den seinen dauerte das alte Kirchenwesen noch, freilich unter dem wachsenden Widerstande der Bevölkerung.
Aber es waren nicht nur Triebkräfte echter, religiöser Art, die sich hier auswirkten. In solchen Zeiten großer Umwälzungen und Seelenwandlungen regen sich auch allerlei andere Triebe, politische, soziale, wirtschaftliche bis hinab zu den niedersten des Eigennutzes und der Habsucht. Der den „Pfaffen“ verschuldete Adel sucht seine Schulden loszuwerden, verweigert Zins und Kapital, bemächtigt sich der Pfarräcker. Die Bauern liefern das Meßkorn nicht mehr, die städtischen Pächter kirchlicher Ackertücke zahlen keine Pacht. Es kommt sogar zu Gewalttätigkeiten gegen die Pfarrer. Immer dringender notwendig wurde das Eingreifen der landesherrlichen Gewalt, wenn nicht alles verlorengehen sollte, und darin waren sich beide Herzöge einig, daß die bürgerliche Ordnung unter allen Umständen aufrechterhalten werden müsse, wenn sie auch in ihren religiösen Ansichten weit auseinandergingen. So ließen sie dann 1534 nach dem Vorbilde der auf Luthers Forderung in Sachsen gehaltenen Kirchenvisitation durch eine Kommission das Land bereisen, überall das Eigentum und die Einkünfte der fürstlichen Patronatspfarren aufzeichnen und sicherstellen. Weiter freilich ging die Einigkeit nicht. Wo es sich um die Lehre handelte, mußte der Evangelisch gesinnte Herzog Heinrich allein vorgehen und blieb ihm der Landesteil seines Bruders verschlossenen. Der erste Versuch, den er in dieser Richtung im folgenden Jahre machte, war denn auch, wie seine Abgesandten selbst klagen, „nur der Schalten einer Visitation”. Aber dabei konnte es nicht bleiben, eine neue Ordnung mußte geschaffen werden, und der junge, aus tiefster Seele evangelische Herzog Magnus, der zum Bischof von Schwerin erwählt war, drängte feinen zögernden Vater Heinrich vorwärts. So berief dieser endlich 1537 den Braunschweiger Prediger Johann Niebling als Superintendenten für da ganze Land nach Parchim. In seinem Auftrage hat dieser dann unserem Lande die erste evangelische Kirchenordnung, eine „Korte Anwisinge der Lere“, Ordnung des Gottesdienstes und der Sakramente enthaltend, sowie den ersten Katechismus, beide in plattdeutscher Sprache, gegeben, und diese neue Ordnung 1541-42 in einer allgemeinen Visitation aller Kirchen des Landes, soweit sie nicht im Albrechts Teil lagen, eingeführt. Damit hat die neue evangelische Landeskirche ihre erste rechtliche Grundlage erhalten.
Aber ehe sie sich ausbauen konnte, wurde alles noch einmal wieder in Frage gestellt. Immer gefahrdrohender war die Lage der Evangelischen im Reiche geworden. Luther war 1546 gestorben, der Kaiser Karl V., auf der Höhe feiner Macht, entschlossen, sie zur Vernichtung der Evangelischen einzusetzen. Der Sturm brach los: die Evangelischen wurden 1647 vernichtend bei Mühlberg an der Elbe geschlagen, ihre Führer, der Kurfürst von Sachsen und der Landgraf von Hessen, schmachteten in Gefangenschaft. Auf dem Reichstage zu Augsburg erließ der Kaiser im sog. Interim Bestimmungen, welche darauf zielten, die Lehre und Ordnung der katholischen Kirche fast in allen Punkten wiederherzustellen. Während seine Truppen unterwegs waren, das letzte Bollwerk der Evangelischen, das feste Magdeburg zu belagern, erging seine Aufforderung, sich dem Interim zu fügen, auch an die mecklenburgischen Herzöge. Hier war inzwischen der katholische Albrecht gestorben und an seine Stelle sein junger, hochbegabter und entschlossen evangelisch gesinnter Sohn Johann Albrecht I. getreten. Als sie den Drohungen des Kaisers gegenüber die Antwort nicht länger verschieben konnten, versammelten beide Herzöge, der alte Heinrich und der junge Johann Albrecht, die Stände ihres Landes, Prälaten, Ritter und Städte, am 20. Juni 1549 zum Landtag an der alten Versammlungsstätte, der Sagsdorfer Warnowbrücke bei Sternberg. In ihrem Auftrag legte der Kanzler Johann von Lucka, auch er ein um des Glaubens willen von den Kaiserlichen Vertriebener, den Ständen die Lage dar. Einmütig erklärten sie darauf, daß sie entschlossen seien, mit den Fürsten bei der reinen evangelischen Lehre zu bleiben und dafür Leib, Gut und Blut einzusetzen. In allem wollten sie dem Kaiser gehorsam sein, nur in dem einen nicht. Dementsprechend ward dem Kaiser geantwortet. An diesem Tage ist unsere Kirche im eigentlichsten Sinne des Wortes Landeskirche geworden.


Die Einführung der Reformation im Klützer Ort[2] (Teil 1)

Gemeindeblatt Nr. 29
M. Brüsehafer.


Zum besseren Verständnis der nachfolgenden Ausführungen muß ich zunächst einige Bemerkungen über die staatlich-kirchliche Ordnung in unserer engeren Heimat zur Zeit der Reformation vorausschicken. Der Klützer Ort - der Name Klützer Winkel ist erst in jüngerer Zeit entstanden, früher hieß er nur Klützer Ort, mitunter auch Creutzer Ort - bildet eine in sich abgeschlossene Landschaft, die mit einer halbinselartigen, stumpfen Spitze in die Ostsee hineinragt. Im Süden bildet eine Gerade, etwa vom südlichen Punkt der Wohlenberger Wieck bis zum Dassower Binnensee die Grenze. So in drei Richtungen vom Meer begrenzt, lag das Ländchen von aller Welt abgeschnitten, ohne eine Stadt, ohne nennenswerten Handels- und Gewerbeverkehr, und hat sich diese bestimmte Einheit lange Zeit hindurch bewahrt. Im Süden berührte die allerdings viel benutzte Landstraße zwischen den beiden mächtigen Hansastädten Lübeck und Wismar die Gegend, aber auch sie war wegen ihres unergründlichen Zustandes mehr berüchtigt als beliebt. Hatte doch eine bestimmte Stelle dieser Straße den vielsagenden Namen „die kalte Herberge“, weil die Reisenden dort in der Regel umwarfen und im Freien Unterkunft beziehen mußten.
Staatlich gehörte der Klüger Ort schon damals zu dem Amte Grevesmühlen. Die mecklenburgischen Herzöge ließen das Amt durch einen fürstlichen Vogt (Vogtei) verwalten. In älterer Zeit zerfiel die Gebiet in drei zum Obotritenlande gehörige Landstriche: das Land Dartsow, den Wald Clutse und das Land Bresen. Die Namen haben sich zum Teil bis auf den heutigen Tag in denen der Flecken Klütz und Dassow erhalten. Der Name Bresen ist wahrscheinlich auf das slawische Wort brezezny, d.h. am Ufer liegend, zurückzuführen. Das ganze Amt bestand früher fast ausnahmslos aus Rittergütern, mit denen die Besitzer vom Fürsten beliehen waren (Lehngüter). Als Gegenleistung verlangte der Lehnsherr von dem Lehnsträger Kriegs- und Hofdienst. Diese Ritter oder rittermäßigen Vasallen bewohnten nicht nur die ganze Gegend, sondern beherrschten sie auch im eigentlichen Sinn des Wortes und drückten schon damals dem ganzen Landstrich den Stempel auf. Es ist das Stammland vieler alter Rittergeschlechter, die hier ihre zahlreichen Güter und Burgen hatten. Sogar die Flecken Klütz und Dassow waren solche Lehn der von Plessen und von Parkentin. Sehr ausgeprägt unter dem Adel des Klützer Ortes war der enge Zusammenhalt, das Gemeinschaftsgefühl - „alle for einen”. Dieses Einstehen füreinander führte oft zu kriegerischen Verwicklungen, die ihren Ausgang nicht selten in einer Wirtshausschlägerei der Dienstleute hatten, die sich aber häufig zu jahrelangen Fehden auswuchsen. So ist uns aus dem Jahre 1505 urkundlich bezeugt, daß die streitbare Irmgard von Buchwald, Herrin in Volksdorf bei Dassow, einen richtigen mecklenburgisch-lübischen Krieg zu Wege brachte, nur weil drei ihrer Bauern im Volksdorfer Krug von einigen Fischern aus Lübeck eine Tracht Prügel bezogen hatten. In diesen Krieg, der drei Jahre das Land verwüstete, und in den sogar der Kurfürst von Brandenburg und der Herzog von Braunschweig verwickelt wurden, konnte die Frau von Buchwald sich nur einlassen, weil sie wußte, daß ihr der gesamte Adel des Klützer Ortes beistehen würde. Auch in friedlichen Zeitläufen wurde die mächtige Handelsstadt Lübeck gern und oft von dem Adel des Klützer Ortes aufgesucht. Sehr oft mögen es Geldgeschäfte gewesen sein, die die Ritter nach Lübeck führten. Sie, die fast immer arm am Beutel waren, fanden in den reichen Handelsherren und auch in der wohlhabenden Lübecker Geistlichkeit zunächst willige Geldgeber. Schließlich aber wurde diese Art der geschäftlichen Beziehungen doch zu eng, „man wurde zu nahe verwandt,“ und es entwickelte sich wieder eine erbitterte Feindschaft aus diesen Bankgeschäften.
In kirchlicher Beziehung lag der Klützer Ort in der nächsten Nähe von drei Bischofssitzen: Lübeck, Ratzeburg, Schwerin. Südlich von dem Ländchen, in einer Tagesreise bequem zu erreichen, hatte der Bischof von Ratzeburg vor Jahrhunderten das Prämonstratenser Nonnen-Kloster Rehna gegründet. Der Propst von Rehna hatte im Auftrage des Bischofs v. R. die Aufsicht über die Kirchen und Pfarren im Klützer Ort zu führen, jedoch tritt er in der Reformations-Bewegung in unserer Gegend fast gänzlich in den Hintergrund. Der mächtigste Gegner der Evangelischen war immer der Bischof von Ratzeburg, zu dessen Sprengel der Klützer Ort gehörte.
Das Bistum Ratzeburg wurde um das Jahr 1050 von dem Erzbischof Adalbert von Bremen, dem Erzieher des fränkischen Kaisers Heinrich V., errichtet. Nach kurzer Dauer fiel es dem Wendenaufstand von 1066 zum Opfer. (Gottschalk) Erst Heinrich der Löwe, der in den wendischen Ländern die Verbreitung des Deutschtums und des Christentums als seine Hauptaufgabe ansah, besetzte im Jahre 1154 den fast ein Jahrhundert lang verwaisten Ratzeburger Bischofsstuhl mit dem Magdeburger Propst Evermod. Zur Zeit der Reformation war Heinrich Bergmeier Bischof von Ratzeburg. Als er am 2. Oktober 1524 starb, folgte ihm am 13. Juli 1525 Georg von Blomendal (Blumental, der auch zugleich Bischof von Lebus (Mark Brandenburg)) war und der den Bischofssitz bis zu seinem Erlöschen im Jahre 1550 inne hatte. Von Mecklenburg gehörte zum Ratzeburger Kirchensprengel der westliche Streifen, als Grenze etwa die Linie von Grevesmühlen bis Dömitz, also auch der Klützer Ort. Wir gehen fehl, wenn wir einen katholischen Bischof der damaligen Zeit etwa mit einem heutigen Landesbischof vergleichen. Freilich übte auch er die Aufsicht über die Pfarrer seines Gebietes aus, aber im übrigen war er mehr Kirchenfürst als Kirchendiener. Meistens waren die hohen Kirchenämter in Händen von Adeligen. Oft besaßen sie mehrere fette Pfründen wie z.B. Georg von Blomendal. Sie durften nur nicht verheiratet sein, im übrigen lebten sie wie die weltlichen Adeligen. Sie hatten ihre Burg mit der oft zahlreichen Burgbesatzung. Blomendal hatte im Stift Schönberg eine stark befestigte Burg, die während feiner langen Abwesenheit von einem Burghauptmann verwaltet wurde. Sie gingen auf die Jagd, gaben glänzende Feste und führten ein bequemes, üppige und oft unsittliches Leben. Ihre Einnahmen waren bedeutend, auch dann noch, wenn sie für ihre Betätigung bis zu 10000 Gulden zahlen mußten. Dazu kamen dann noch die vielen Geschenke an die päpstlichen Beamten. In vielen Fällen besaßen die hohen kirchlichen Würdenträger nicht einmal geistliche Bildung; sie ließen dann ihr Amt von einem Geistlichen verwalten, bezogen aber nichtsdestoweniger ihre Einkünfte. Dementsprechend war auch die niedere Geistlichkeit. Dem Ratzeburger Bischof Bergmeier wird einmal vorgeworfen, daß „er eine Schreiber und anderes lose Gesindel auf die Pfarren hin und wieder gesetzet”.
Die Einführung der Reformation in den Klützer Ort ging nur deswegen so früh vor sich, weil der Adel so stark an die Lübecker Geistlichkeit verschuldet war und auf diese Weise hoffte, die Kapitalien der Geistlichkeit in seinem Besitz zu behalten. Dieses Bestreben zeigte sich überall in Mecklenburg, trat aber nirgends so früh und grell hervor als im Klützer Ort. Es war also nicht der evangelische Sinn und die Liebe zu Luthers Lehre, die den Adel zur Einführung der Reformation bewogen, sondern der Grund lag in einem nicht unerheblichen wirtschaftlichen Vorteil.
Schon um 1450 mußte der mecklenburgische Herzog Heinrich in diese Geldstreitigkeiten eingreifen. Durch seine Vermittlung kam auf dem Schlosse zu Schönberg schließlich ein Vergleich zwischen dem Adel und dem Domkapitel zu Lübeck zustande, nach dem die Vasallen die schuldigen Zinsen zahlen sollten, die Geistlichen den über sie verhängten Kirchenbann aufhoben. Mit der Zeit wurde die Sache jedoch ernsthafter. Während die höhere Geistlichkeit (Bischöfe, Domherren, Pröpste) große Landgüter kauften und so ihr Geld sicher stellten, hatten die lübischen geistlichen Stiftungen von geringerer Bedeutung (Vikarien, Kalande u. a. Brüderschaften) ihre Kapitalien vorzugsweise in den adeligen Gütern des Klützer Ortes zinsbar belegt. Ihre geringen Einkünfte gestatteten ihnen den Erwerb großer Landgüter nicht. Dagegen war am Ende des 15. Jahrhunderts der Groll der Bevölkerung gegen die Geldanhäufung und das Güterkaufen der höheren Geistlichkeit so stark, daß man es vorzog, nun auch die kleineren geistlichen Stiftungen mehr und mehr zu bedenken. Und so kam's, daß sich auch hier allmählich große Summen ansammelten, und es gab in dieser Zeit wohl kein Gut des Klützer Ortes, in dem nicht Kapitalien kleinerer geistlicher Stiftungen Lübecks landen. Der ganze Adel unserer Gegend war der Lübecker Geistlichkeit verschuldet, und die Summe, die sich durch lange Jahre hindurch angehäuft hatte, war nicht unbedeutend.
Bei der allgemeinen Unzufriedenheit der Bevölkerung über das Pfründenunwesen und über die vielen geistlichen Stiftungen, die doch letzten Endes aus den Opferpfennigen und den Ablaßschillingen der Beichtkinder zusammen genommen waren, kann es nicht wundernehmen, daß der Adel sich diese Verhältnisse zunutze machte und die Ansicht vertrat, das geliehene Geld hätte die Geistlichkeit zu Unrecht erworben, und die Rückgabe schon aus diesem Grunde hintertrieb. Wenn auch diese Ansicht vom Rechtsstandpunkt aus nicht zu halten war, so fand sie in dem damaligen Haß gegen die Geistlichkeit immer neue Nahrung, und bei der Geschlossenheit der Weigerung begann die Geistlichkeit, sich bald ernsthaft um das Ihre zu sorgen. Sie verklagte deshalb im Jahre 1501 ihre Schuldner bei den mecklenburgischen Herzögen. Diese mußten sich notgedrungen mit der Angelegenheit befassen, da die Geistlichkeit sich schon in Rom beschwert hatte, und der Ausgang für die Vasallen nachteilig werden konnte. Deshalb verglichen am 29. März 1503 zu Wismar die Herzöge Magnus und Balthasar von Mecklenburg „Die gemeinen Vikareien und Kalandsbrüder aller Kirchen und Kalande in der Stadt Lübeck“ und die Vasallen des Klützer Ortes in folgender Weise: „Aller Streit, der bis dahin gewaltet hat, soll niedergeschlagen sein und jeder Teil die von ihm bisher verlegten Kosten tragen, die Geistlichkeit entsagt und quittiert — allen rückständigen Zinsen, welche etwa 30 000 gute Mark (druttich dusend gude margk) betragen und setzt „In Ansehung der Armut der Vasallen” den Zinsfuß auf 5 % herunter, welche Summe fortan jährlich in der Oktave der Heil. Drei Könige (1.-10. Januar) in Lübeck gezahlt werden soll, die Schuldbriefe mögen lauten wie sie wollen; - dagegen wollen die Herzöge, welche „merklich zu Sinn genommen, angesehen und gerne gehört haben, wie die Vikareien und Kalandsbrüder nach ihrem Begehr ihren Mannen und Getreuen im Guten die rückständige Rente alle haben lassen wollen und ihrem Urteil beifällig gewesen sind, den Geistlichen wiederum günstig und gnädig sein und ihnen Gunst und Gnade beweisen nämlich alle Gebrechen der Schuldbriefe, wenn diese etwa dergleichen haben sollten, erfüllen und ihnen die Erlaubnis geben, künftig ihre Schuldner mit geistlichen Gerichten und Strafen zu verfolgen, auch mit dem Banne, und diesen überall im Lande verkündigen und anschlagen zu lassen, und das Recht, da die herzoglichen Vögte und Knechte zur Beitreibung der Schulden bei Vermeidung fürstlicher Ungnade, treulich behülflich sein sollen!“
Ein glänzender Vergleich - wenigstens für den Adel. Er selbst nannte ihn „Willkürsurteil und Ausspruch“ (wilkorsordel unde utsprake). Für die Hergabe von 30000 guten Mark erhielt die Geistlichkeit eigentlich recht wenig oder - bei Licht besehen - garnichts!
So hofften denn die Gläubiger auf den nächsten Antonitermin, an dem doch die 5 %igen Zinsen fällig waren. Sie warteten vergeblich. Der Adel zahlte so wenig nach als vor dem Vertrage, weder Zinsen noch Kapital.
Neue Klage bei den mecklenburgischen Herzögen. Acht Jahre später 1511 kamen sie in Grevesmühlen mit der Geistlichkeit zusammen. Ein neuer Vertrag bestimmte, alle bisherigen und künftigen Zinsen fallen zu lassen und die Kapitalien in 15 Jahren abzuzahlen. Die Geistlichen sandten zu Ostern 1512 die beglaubigten Abschriften der Schuldverschreibungen ein und im Dezember 1512 wurde auf einer Zusammenkunft in Gadebusch ein neuer Vergleich geschlossen „zwischen den gemeinen Vikareien, Commendisten und anderen Geistlichen aller Kirchen, Kalande und Bruderschaften der Stadt Lübeck“ und „unsern Gudemannen und Lieben Getreuen im Creutzer Ort in Grundlage der Briefe und Siegel nach Anzeige zweier Register und zweier Receffe". Darnach sollten alle Zinsen niedergeschlagen und die Kapitalien in 10 Jahren, jährlich im Umschlage zum 10. Teil „ohne ferneren Aufschlag” abgetragen werden.

(Fortsetzung in der nächsten Nummer.)

Die Einführung der Reformation im Klützer Ort (Teil 2)

Gemeindeblatt Nr. 30
M. Brüsehafer.
1. Fortsetzung.

Am 12. März 1515 sehen sich die beiden mecklenburgischen Herzöge wieder gezwungen einzugreifen. Die Schuldner haben den Vertrag vom Jahre 1512 abermals nicht gehalten; nicht ein Pfennig ist gezahlt. Die Herzöge drohen jedem einzelnen mit Zwangsvollstreckung, falls bis Johannis 1515 keine Zahlung erfolgt ist. Aber auch diesmal erfolgt nichts, und die angedrohte Zwangsvollstreckung unterbleibt ebenfalls.
1517 setzt die Reformation ein, und der Adel denkt nun erst recht nicht daran, die Schulden zu bezahlen. Fast überall in Mecklenburg und darüber hinaus verteidigt der Adel die Zurückhaltung der Zinsen und Kapitalien mit mehr Hartnäckigkeit als Berechtigung, und die öffentliche Meinung ist auf Seiten des Adels. Die Geistlichkeit beginnt für den endgültigen Verlust der Gelder zu fürchten. Von einflußreichen Kirchherren gedrängt, legen sich die Herzöge wieder ins Mittel. Die alte Leier: Vergleich, Herabsetzung des Zinsfußes um 1%, Androhung von Zwangsmaßnahmen, ausbleiben der Zahlung.
In der Verzweiflung versucht die Geistlichkeit sogar den Weg der Gewalt. Im Jahre 1528 rüstet das Domkapitel gegen den boshaften Schuldner Heinrich Smeker auf Wüstenfelde eine Streitmacht von 300 Mann aus. Ein Priester führt sie an. Sie überfallen die Burg, wüten wie die Wandalen, aber Geld bringen sie nicht heim. Prozesse und Termine werden angesagt, aber schließlich wagt sich kein Bote mehr mit den Ladungen auf die Ritterburgen. Bissige Hunde verweigern ihnen den Eintritt, oder sie werden unter Hohnlachen und Prügel davongejagt. Die Geistlichkeit kann die Ladungen nicht mehr anbringen.
Folgender drastischer Zwischenfall ist in ähnlicher Form gewiß auch auf anderen Burgen vorgekommen:

„Im festen Haus zu Arpshagen herrschte lärmende Freude. Vom Burgherrn Reimar von Plessen eingeladen, hatten sich die Nachbarn und Vettern Sievert von Plessen aus Goldbeck und Berend von Plessen zu Gantenbeck eingefunden. Krachend stießen die schweren Zinnkrüge, mit dem dunklen Gerstensaft gefüllt, auf den klobigen Eichentisch, nachdem die Ritter einen langen Zug getan. 
„Hört einmal, Brüder,” rief der Ritter Reimar gröhlend, „Ihr, wißt, wie hart uns die Lübischen Pfaffen und Vikare bedrängen. Die paar Gulden, die sie uns geliehen haben, wollen Sie wieder haben. Heute morgen schickten sie mir einen Boten mit der Forderung nach Zahlung. Ich habe ihm heimgeleuchtet, diesem Stadtfratz Mit der Hundepeitsche habe ich ihn weidlich gegerbt. Geschrien hat er, als wenn er am Spieße stak. Mein Knecht Hennecke empfing ihn draußen mit der Gabel und kitzelte ihn. Da hat er vor lauter Lachen nicht einmal die Brücke gefunden, er ist in den Graben gesprungen -- Mag sein, daß er noch darin liegt.”

Eine dröhnende Lache schallte durch den engen Raum und stieß sich an der niedrigen Decke.

„Recht so, recht so!“ bekräftigte Sievert, Herr von Goldbeck. Ausgetrieben werden muß den Dickbäuchen in Lübeck ihr Gelüste. Laß sie sich an den Lübischen Pfeffersäcken halten und einen rechtschaffenen Ritter ungeschoren lassen.” Hennecke war eingetreten. Er füllte aufs neue die Krüge. „Hast dus auch zu arg gemeint mit der Mistgabel?” fragte Berend den Knecht. „Ich will meinen, daß der Lübische Zahlmeister auf der andern Seite wieder aus dem Burggraben gekrochen ist. Sonst   könnten uns die Lübecker ein paar 100 Stadtknechte auf den Hals hetzen!” 
„Das ist so, gnädiger Herr,” erwiderte Hennecke, „Ich habe ihn abreiten sehen! Seinen dürren Klepper hatte er vorsichtig auf jener Seite des Burggrabens an die Linde gebunden. Aber seine Herren werden ihn nicht mehr erkennen. Sein bunter Flitterkram hing ihm tropfend um die schlotternden Beine. Schwarz wie der Leibhaftige selbst kletterte er auf den Gaul.“
„Ja, ja!” schrie Reimar, „haltet uns die Pfaffen fern!
Wer da will hebben ein reines Hus, dei lat Mönken un Papen dorrut; denn Mönke, Müse, Mutten un Maden, scheiden selten ahn groten Schaden.“
Inzwischen war auch der von Tarnewitz auf Tarnewitz, der von Negendank auf Redewisch und der von Schoß auf Kalkhorst eingetroffen, und jedesmal wurde mit ungestümen Ergötzen der Vorgang in ausführlicher Breite wiederholt.

Im Jahre 1528 mischt sich auch der Rat der Stadt Lübeck in die Streitigkeiten. Er bittet im Interesse der lübischen geistlichen Stiftungen um Vollstreckung der gegen den Adel des Klützer, Ortes erlassenen Zwangsmaßnahmen und fordert von den Herzögen, daß sie „diejenigen, die in diesen Zeiten wider die Geistlichkeit streben, zur Billigkeit weisen möchten.“ Er sendet 1529 eine Einzelaufstellung der Schulden ein und bittet noch einmal um Innehaltung der Verträge. Die Herzöge antworten darauf nicht einmal. Sie haben jetzt noch weniger als früher den Mut oder die Macht, dem Recht Geltung zu verschaffen. Inzwischen treten Ereignisse ein, die allerdings ein Eingreifen verhindern. Bevor ich darauf eingehe, möchte ich eine Liste der Schuldner und der Schuldsumme bringen. Die ganze Aufstellung hier abzudrucken, würde zu viel Raum erfordern; ich beschränke mich deshalb darauf, die in unserer Nähe liegenden Güter zu nennen. Die Schuldverschreibungen sind alle im 15. Jahrhundert ausgestellt; viele sind schon aus den Jahren 1427 und 1430. Man kann wohl annehmen, daß im Jahre 1530 50 Jahre lang keine Zinsen bezahlt waren.

Die von Plessen zu Klütz, Arpshagen, Grundeshagen,
Gantenbeck, Damshagen, Brandenhof, Großenhof, Hoikendorf,
Tressow, Zierow, Barnekow, Parin, Hohen Schönfeld
- 10000 Mk
Die von Buchwald zu Johannstorf - 2262 ½ Mk
Die von Schotz zu Dönkendorf, Nienhagen und Kalkhorst - 22671 Mk
Die von Quitzow zu Vogtshagen und Tankenhagen - 22597 Mk
Die von Negendank zu Redewisch und Zierow - 3500 Mk
Die von Parkentin zu Lütgenhof, Prieschendorf und Dassow - 3600 Mk
Die vom Brook zu Brook und Witsol - 1110 Mk
Die von Tarnewitz zu Tarnewitz und Stellshagen - 1395 Mk
Die Scharfenberg zu Walmstorf - 125 Mk
Die von Hagen zu Grevesmühlen - 100 Mk
Die von Stralendorf zu Krankow - 1508 Mk
96800 MK
Die hier nicht aufgeführten Schuldner insges. - 10620 Mk
Hauptstuhl 37420 MK


alle tyt beth to ener scharperen rekenschop. 

Es ist merkwürdig, daß die Reformation in dem abgelegenen Klützer Ort früher Fuß faßte als im ganzen übrigen Mecklenburg, etwa mit Ausnahme von Rostock, wo das Luthertum allerdings früher gepredigt wurde, aber erst später frei ward. Noch merkwürdiger ist, daß sich hier der Adel für die Reformation einsetzte, während es sonst im allgemeinen von Neuerungen nicht viel willen will. Die Gründe dafür waren, wie aus den bisherigen Ausführungen hervorgeht, zum großen Teil materieller Art. Gewiß mag mancher auch in der richtigen Erkenntnis der Lage oder in einer gewissen Begeisterung für die Sache Luthers gehandelt haben, und vielleicht ist auch das Streben einzelner Adeligen, das Joch der übermütigen, dummen und verdorbenen Geistlichkeit abzuschütteln, nicht ohne Einfluß geblieben, aber in der,Gesamtheit benutzte der Adel ohne Zweifel die religiöse Bewegung, um sich von seinen drückenden Schulden ohne große Aufregung zu befreien.
Als im Jahre 1524 der Ratzeburger Bischof Heinrich Bergmeyer starb und nach einem halben Jahr Georg von Blomendal zu seinem Nachfolger gewählt wurde, da war grade diese Wahl nicht von ungefähr, und es ging ein Schrecken durch die lutherisch Gesinnten im Ratzeburger Bischofssprengel. Georg von Blomendal, schon längere Zeit Bischof von Lebus, war ein kalter, eisernder Mann, der strenge an den altkirchlichen Satzungen hielt und das Luthertum unterdrückte, wo er nur konnte. Man war sich klar darüber, warum gerade dieser Mann Bischof in Ratzeburg wurde, der es wie kein anderer verstand, die Abtrünnigen und Ketzer zur Vernunft zu bringen. In feinem Bischofssitz Lebus war er mehr gefürchtet als geliebt. Das beweist folgendes Vorkommnis:

Das geistliche Ministerium der Stadt Brandenburg widersetzte sich einmal den Anordnungen des Bandenburgischen Kurfürsten. Darauf drohte dieser: „Wollt ihr mich zum Ordinario nicht leiden, so will ich euch dem Papst oder dem Bischof von Lebus befehlen, die werden euch wohl regieren." Erschrocken antworteten die Geistlichen: „O gnädiger Herr, behüt uns Gott vor dem Papst und dem Bischof von Lebus, es ist ein Teufel wie der andere.” 

Nachdem Georg von Blomendal in sein neues Bistum Ratzeburg eingeführt war, kehrte er seinem Wirkungskreis bald den Rücken. Der Aufenthalt in Lebus sagte ihn mehr zu, und die Ratzeburger Pfründe war ihm ohnehin sicher. Er ließ sich jahrelang in Ratzeburg nicht sehen, und das zu einer Zeit, wo sich alles in Gärung befand. In Lebus wurde er allerdings seines Lebens auch nicht froh. Der Adel war auch dort nicht sein Freund. Er mußte es erleben, daß die Ritter Heinrich Queiß auf Possin, Nickel von Minkwitz auf Sonnenwalde und Otto von Schlieben auf Baruth ihn wegen einer Streitigkeit überfielen, und ihn um ein Haar gefangen genommenen hätten. Es gelang ihm, im letzten Augenblick zu entfliehen, und seine Verfolger zerstörten sein Schloß in Fürstenwalde mit der Kirche und der Stadt.
Bald nach der Bischofswahl regte sich der lutherische Geist im Ratzeburger Kirchensprengel. Vor allen Dingen wurde die Enteignung geistlichen Vermögens und geistlicher Landgüter versucht. Der Rat der Stadt Lübeck war aber den Bischof beigesprungen und hatte sein Land gegen alle Angriffe der Ketzerei und der Habsucht geschützt. Am 16. März 1526 dankt der Papst dem Rate sehr verbindlich dafür, daß er „die lutherische Ketzerei, welche wie eine ansteckende Pest die meisten Länder Deutschlands vergiftet und hier viel Schaden und Unglück angerichtet habe, von der Stadt Lübeck und dessen Gebiet abgewehrt und in einigen benachbarten Gegenden, auch dem Bistum Ratzeburg gegen die lutherischen Ketzer und die Zerstörer der Kirche Hilfe geleistet habe.”
Und gerade zu der Zeit, als der Papst dem Lübecker Rat so artig dankte, brach das Ungewitter im Klützer Ort los.
Den äußeren Anlaß zu dem Ausbruch offener Feindseligkeiten gibt die Neubesetzung der Pfarre zu Gressow. Der weltliche Patron dieser Kirche war Berend von Plessen, der seinen Sitz zu Tressow hatte. In der Kirche zu Gressow hatten die von Plessen auch ihr Erbbegräbnis, und außerdem hatten sie dort drei Vikareien, d. h. Nebenpfarren mit drei Häusern gestiftet, „die ihnen eigentümlich und erblich zustanden.“ Das Besetzungsrecht der Pfarre hatte aber wie in der ganzen Vogtei Grevesmühlen seit 300 Jahren der Ratzeburger Bischof.
Der Bischof Bergmeyer hatte nun einen blinden Pfarrer oder wie der herzogliche Geschichtenschreiber und Mathematiker Magister Tilemann Stella berichtet, „einen ungeschickten Pfaffen mit einem Auge“ nach Gressow gesetzt. Dieser Mann war nicht imstande, die Pfarre ordnungsgemäß zu verwalten. Er mußte oft aus der Kirche getragen werden. Die von Plessen beklagten sich bei dem Bischof und baten um einen andern Pfarrer. Die Bitte wurde abgeschlagen, vielleicht „weil es ihm mehr am Geld als an der Pfarrkinder Seelen gelegen.“ Bald darauf starb Bischof Bergmeier, und sein Nachfolger Georg von Blomendal war „in viel Zeit nicht in Ratzeburg” und konnte keine „Achtung auf die Mängel der Pfarre Gressow haben. Die Gressower Pfarrkinder wandten sich im Einverständnis ihres Pfarrers, der selber seine Unfähigkeit fühlte, an die von Plessen mit der Bitte, daß sie dem Pfarrer einen „Prediger zu Hilfe setzen möchten, der den Pfarrleuten die heiligen Sakramente reichen könne.“ Die von Plessen „handelten denn auch mit Gunst und Willen des blinden Pfarrers dahin, daß er, weil bei der geistlichen Obrigkeit kein schuldiges Einsehen zu finden war, darein willigte, daß sie als weltliche Pfarrkinder und Herren einen gedingten Helfer aufnehmen möchten.“
Berend von Plessen entließ darum den blinden Pfarrer und setzte als seinen Nachfolger einen „gelehrten und frommen Priester ein, der sich eines unberüchtigten, guten Lebens befleißigte und das ewige Gotteswort hell und lauter predigte.“ Dieser erste und lutherische Pfarrer in unserer Gegend war Thomas Aderpul.
Dieser Mann war früher Priester in Lübeck gewesen, hatte aber durch seine ketzerischen Predigten den Unwillen des Lübecker Bischofes auf sich gezogen. Als er dann gar in die Ehe trat, da kannte der Haß gegen ihn keine Grenzen. Der Lübecker Bischof berichtet über ihn, daß er „in Lübeck zum Aufruhr gepredigt und sich auch gegen kaiserliches Edikt derselben Büberei beflissen und viele einfältige Leute verführt”, d.h. er hatte lutherisch gepredigt. Schließlich hat der Bischof ihn ins Gefängnis geworfen und endlich gegen das Versprechen, dem Bistum auf 10 Meilen nicht nahe zu kommen, aus Lübeck verwiesen. Wahrscheinlich ist er dem Berend v. Plessen schon von Lübeck aus bekannt gewesen und er hat sich gleich nach seiner Ausweisung nach Gressow begeben! Wenigstens ist er, als der Ritter ihm die Pfarre überträgt, der dortigen Gemeinde schon bekannt und hat dort schon gepredigt. Nach einer alten Nachricht soll er vorher in der Plessenschen Hauskapelle zu Barnekow und Gressow, amtiert haben. Nach derselben Nachricht soll er von Luther geschickt sein. Diese Vermutungen sind indessen nicht nachweisbar, da die Forscher seinen Namen in den Wittenberger Studenten-Verzeichnissen nicht gefunden haben.
In seiner neuen Gemeinde erfreut Thomas Aderpul sich bald eines besonderen Vertrauens. Er hielt sich „nach Aussagen aller Zeugen in Gressow dermaßen, daß die Pfarrkinder alle wohl mit ihm zufrieden waren; denn er hatte das ewige Gotteswort hell und lauter gepredigt und somit nach gebührlichen Pfarrechten und alter Gewohnheit dermaßen christlich gehandelt, daß sie des allen guten Gefallen und sonderliche Andacht gehabt hatten.”
Nach altem Kirchenrecht war es nun allerdings eine gewalttätige Handlung, und der Ratzeburger Bischof wird zu solchem eigenmächtigen Vorgehen des Berend von Plessen nicht stillschweigen.

(Fortsetzung folgt)


Die Einführung der Reformation im Klützer Ort (Teil 3)

Gemeindeblatt Nr. 31
M. Brüsehafer
2. Fortsetzung


Als Thomas Aderpul Pfarrer in Gressow wurde, schrieb man das Jahr 1526. Seine Berufung muß in der ganzen Gegend wie ein Feuerzeichen gewirkt haben. Die Reformation macht rasche Fortschritte. Ende des Jahres schreibt der Dompropst J. Mus einen Brief über die Ausbreitung der Ketzerei im Klützer Ort an den Bischof Georg von Blomendal, der noch immer in Lebus weilt.

„De Papen im krutzer orde stellen sich seltsam an, nemen wiber, schelden up de hillighen, missen, papen unde moneke. In Iwer g. karken gressow is noch de disperate Boue; derglick thom klutze is en ander her Hinrich fister furdreuen; to freberhaghenn hefft her iuochim wittenborch ok en wiff genamen; und Iw. g. hefft alle karken im klußer orde tho furlenen, wouol man sick hoghe erbut, werden doch de boesen prediger geledenn fast in allen flekken des landes thu mekelenborch. Unſer hergodt make idt alle gut. Iwen g. stifft, godt si loff, samit eren underdanen stan noch wol.“ 

In unserer heutigen Schriftsprache würde der Brief etwa so lauten:

„Die Pfaffen im Klützer Ort stellen sich seltsam an, nehmen Frauen, schelten auf die Heiligen, Messen, Pfaffen und Mönche. In Euer Gnaden Kirche zu Gressow ist noch der ungehorsame Bube: desgleichen ist in Klütz der Priester Herr Hinrich vertrieben. Der Priester Joachim Wittenburg in Friedrichshagen hat auch ein Weib genommen. Und doch haben Euer Gnaden alle Pfarren im Klützer Ort mit Recht zu besetzen. Die bösen Prediger werden gelitten in fast allen Orten des Landes Mecklenburg. Unser Herrgott mache alles gut. Euer Gnaden Stift, Gott sei Lob, samt Euren Untertanen stehen noch wohl.” 

Endlich im Jahre 1529 hat sich die Lage im Bistum Ratzeburg so zugespitzt, daß Georg von Blomendal keine persönliche Anwesenheit für nötig erachtet. Nachdem ihm die Pröpste Bericht erstattet haben, erkennt er, daß es die höchste Zeit ist, hier zu handeln. Mit streng Katholischen Eifer geht er vor, um zu retten, was noch zu retten ist. In einem Schreiben an die mecklenburgischen Herzöge heißt es, er habe, als er vor kurzem in sein Stift gekommen sei, zu großer Beschwerung seines Gewissens gefunden, daß in den mecklenburgischen Landen und im Stifte an vielen Enden die lutherische Ketzerei bei etlichen vom Adel, Bürgern und Bauern, auch einem großen Teile der Geistlichkeit eingerissen sei. Namentlich habe er einen vergeßlichen Pfaffen, der vorher in Lübeck zum Aufruhr gepredigt, in Gressow gefunden. Dieser Pfaffe habe öffentlich auf der Kanzel gepredigt, „alle Dinge über, unter, in der Erde, Holzung, Wasser, Weide und Jagd seien einem jeglichen gemein und niemand sonderlich zuständig.“ Es seien auch Bauern aus andern Gemeinden bei ihm, dem Bischof, gewesen, die sich über ihre Pfarrer, daß sie mit der lutherischen, Ketzerei die Gemeinden verdürben, beklagt, und gesagt hätten, so sie Verlaub hätten, sollte ihr Pfarrer nicht lebendig vom Predigtstuhl kommen.
Die von Plessen sind indessen ganz anderer Ansicht über die Ursache des Streites zwischen dem Bischof und Aderpul. Sie behaupten, der Bischof habe einige Gressower Pfarrkinder wegen rückständiger Zehnten in den Bann getan und dem Plessenschen Prediger zugemutet, den Bannfluch öffentlich von der Kanzel zu verkünden. Aderpul habe sich aber solches zu tun geweigert und deshalb habe der Bischof einen Haß auf ihn geworfen.
Außerdem weisen sie mit Recht darauf Hin, daß der Bischof, wenn er die Verkündung des Bannes von Aderpul verlangte, ihn damit als ordentlichen Priester anerkannt habe.
In einer düsteren Dezembernacht des Jahres 1529 brechen von Schönberg, dem bischöflichen Schlosse, einige dreißig Reiter auf. Sie sind schwer bewaffnet. In scharfem Trabe geht es nach Osten. Die Bewohner des Städtchens Grevesmühlen zerbrechen sich die Köpfe über die Ursache des späten Rittes der bischöflichen Reisigen, aber nichts erfahren sie. So schnell wie sie gekommen, gehts zum Wismarschen Tor wieder, hinaus. Endlich ist Gressow erreicht. Dort ruht alles im tiefsten Schlummer. Das Pfarrgehöft wird umstellt. Der Anführer dringt mit einigen Reitern ins Haus. Sie überfallen den Priester, binden ihn wie einen Missetäter und schleppen ihn nach Schönberg. Hier wird er in ein „hartes, schweres, verderbliches Gefängnis gesetzt“. Lange hat man geglaubt, er sei nicht mehr unter den Lebenden. Voll Zorn schreibt Bernd v. Plessen am nächsten Tage einen groben Brief an den Bischof und fordert von ihm, er möge seinen Prediger sofort auf freien Fuß setzen, da er ihn ohne „einige Vorklage, auch unersucht und unversagt einigen Rechtes, dessen sich der Priester allezeit erboten“ überfallen habe. Ebenso schroff antwortet der Bischof, die v. Plessen sollten sich nur um ihre Bauern kümmern; sie hätten ihm kein Maß zu geben, wie er mit seinen Pfarrern umzugehen habe, darin sei er allein dem Papst verantwortlich.
Auf eine Beschwerde der von Plessen legen sich auch die mecklenburgischen Herzöge ins Mittel und verlangen von dem Bischof die Freilassung des evangelischen Predigers.
Auch das ist umsonst. Der Bischof antwortet, da ihm das Kirchenlehen in Gressow zustehe und er den Pfaffen nicht in die Pfarre eingewiesen habe, so stehe ihm auch das Recht zu, ihn in Schönberg gefangen zu halten. Die von Plessen sehen ein, daß gütliche Unterhandlungen nicht zum Ziele führen. Sie greifen zur Gewalt.
Am Spätnachmittage des 26. Dezembers 1539 sitzt der Bischof in seinem Schlosse zu Schönberg. Der leidige Streit mit den v. Plessen regt ihn doch mehr auf als er zugeben will. Er kennt die trotzigen Gesellen vom Klützer Adel und weiß, daß sie selbst vor unbedachtsamen Schritten nicht zurückschrecken. Er hat seinen Burghauptmann Bernd Rohr rufen lassen. Ihm schärft er noch einmal die größte Vorsicht ein, „auf das Schloß mit Oeffnen und Zuschließen wohl acht zu haben, auch keinen Fürsten oder sonst jemand Hinein und Ablager darin halten zu lassen, einen starken Burgfrieden zu halten und auf die Vorwerke mit Fleiß acht zu haben.“
Da wird ihm ein Bote gemeldet, der ihm einen Brief übergibt. Nichts Gutes ahnend, bricht er ihn und liest:
Dem Erwürdigen inn godvader ond Hern Hern G. Blomendal, Bischof tho Ratzeborch ankame dieser Brief samptlich.

Würdiger Her. Sy hebben noch in guter Gedachtniß, dat wy alle die von Plessen jw schrifftlich hebben anzeigen laten der Unbilligkeit halven, die uns geschehen synnt ann unsern Karkherren u. Euangelifchen Prediger, up sulke antheiginge en slecht anthwort erlanget hebben, dat wi nu in synen werden blyuen lathen vnd kamen up solken Homuth annders nicht merken, sonder dat de boeme mith jw muth groenen twe mal ym jar, dar he nor ein mal mit vns andern grönet, Szo schole wy gelike vol unwethenn hebben und darthu verdacht syn, dat wy sulken Homuth, die vns wedderfharen is, nicht schimplich willen von jw upgenamen, sunder gedacht un gebrakenn scal werden tho synertide.
Dat mach jw Gnade jw angedenk annehmen. Geschrewen Anno 1529.
Alle die v. Plessen
alles vor ein geschrewen.

Uebersetzung:

Ihr habt noch in gutem Gedächtnis, daß wir alle die von Plessen Euch schriftlich haben anzeigen lassen der Unbilligkeit halber, die uns geschehen ist an unserm Kirchherrn und evangelischen Prediger. Auf solche Anzeige haben wir eine schlechte Antwort erlanget, daß wir es in Zukunft werden bleiben lassen. Wir können auf solchen Hochmut nicht anders antworten: „Ihr glaubt, daß für Euch die Bäume zweimal im Jahre grünen, da sie für uns andere nur einmal grünen“ So wollen wir solchen Hochmut, der uns widerfahren ist, nicht schimpflich von Euch aufnehmen, sondern er soll gedacht und gebrochen werden zu seiner Zeit. Dessen mag Euer Gnaden wohl eingedenk sein.

Da wars. Einen förmlichen Absagebrief - eine Kriegserklärung, wie wir heute sagen würden – hielt der Bischof in seinen Händen. Sein Gesicht hatte sich beim Lesen verfärbt, aber schnell hat er die Fassung wieder gewonnen: Mit einem erzwungenen Lächeln zeigt er den Fehdebrief einem Hauptmann und sagt höhnisch: „Was sollten die Kreutzerörter tun? Wenn es eine gute große Kanne Bier wäre, so wären die Kreutzerörter gute Nachbars dazu, sie söffen sie wohl aus!" Aber der Schloßhauptmann ist anderer Ansicht. Besorgt gibt er seine Meinung kund: „Gnädiger Herr! Die Gesellen, die die große Kanne Bier wohl aussaufen können, die lassen sich auch wohl finden und halten, was sie zusagen!“

(Fortsetzung folgt.)

Die Einführung der Reformation im Klützer Ort (Teil 4)

Gemeindeblatt Nr. 33
M. Brüsehafer
3. Fortsetzung


Der Schönberger Burghauptmann Bernd Rohr sollte recht behalten mit seiner Prophezeiung: „Die Gesellen, die die große Kanne Bier wohl aussaufen, die lassen sich wohl finden und halten, was sie zusagen.“ Er ließ am Abend die Wachen verstärken und schärfte ihnen die allergrößte Aufmerksamkeit ein. Die Sicherheit der Tore prüfte er selber noch am späten Abend. Der alte Degen kannte den Adel des Klützer Ortes besser als sein Herr. Aber als ihm am nächsten Morgen früh die Meldung gemacht wurde: „Die von Plessen halten mit 100 Rittern und vielen Knechten vor dem Tore", da sprang er entsetzt aus dem Bett; soviel Schneid hatte selbst er ihnen nicht zugetraut. Es war so: Noch in der Nacht waren die Plessen aufgebrochen, und als der Dezembermorgen graute, da hielten sie vor der bischöflichen Burg, allerdings in achtungsvoller Entfernung, aber doch so nahe, daß man sie zählen konnte: Mehr als 100 gut bewaffnete Ritter und ein Troß Knechte.
In der Burg ging es zu wie in einem aufgestörten Ameisenhaufen. Die Besatzung rannte wild durcheinander, aber nach wenigen Augenblicken stand jeder an seinem Platz auf den Wällen. Lautlos - wenigstens für die da draußen - war jeder auf seinen Posten geeilt. Keinen Ton hatten die Belagerer vernommen. Ihnen schien es fast, als ob in der Burg noch alles im tiefsten Schlummer läge, und einige Hitzköpfe erwogen, ob nicht eine Überrumpelung schnell zum Ziel führen würde. Aber der alte Bernd von Plessen sagte: „Gesellen, glaubt nicht, daß auch nur einer von diesen Bischofsknechten in der Nacht ein Auge zugemacht hat. Sie liegen seit gestern Abend bereit, uns zu empfangen und warten jetzt auf unsern Angriff. Darauf sollen sie warten, bis sie schwarz werden. Daß sie den Herzog auf uns hetzen könnten wegen Verletzung des Burgfriedens! Nein, du alter Fuchs, in diese Falle gehen wir nicht. Aber ungeschoren sollt ihr mir nicht davonkommen, ein gehöriges Maß Angst will ich euch ins schlotternde Gebein jagen“. Darauf schickte er einen Ritter mit einem Hornbläser bis auf Rufweite ans Bollwerk. Der Trompeter blies ein Signal, und der Ritter rief mit dröhnender Stimme: „Wir die von Plessen und ihre Mitgesellen begehren unsern evangelischen Prediger und Kirchherrn Thomas Aderpul frei, los und ledig. So ihr solches Begehr abweist, möchte euch Schlimmes geschehen!“ Nichts rührte sich. - Hatten sie es nicht gehört? - Also noch einmal: Signal - „Wir, die von Plessen -.“ Waren denn überhaupt Menschen darin? Ein drittes Mal! Da erdröhnte vom Schlosse her ein Schuß, ein zweiter und ein Dritter. Das war die Antwort. Niemand war verletzt. Wahrscheinlich hatte man blind gefeuert.
Wie ein verwunschenes Schloß lag die bischöfliche Burg in der glitzernden Wintersonne. Der Zug war mißlungen. Die von Plessen hatten den geistlichen Herrn und feine Burgbesatzung unterschätzt. Die ließen sich nicht ins Bockshorn jagen. Und Gewalt anzuwenden, schien den Belagerern nicht geraten, auch waren sie zu einem erfolgreichen Sturm auf die Feste nicht gerüstet. Aber einen Denkzettel sollte der Bischof haben, daß ihm die Augen übergingen. Und nun wurde aus dem Befreiungszug ein Raubzug, und so mannhaft und ehrenwert die von Plessen bisher für Thomas Aderpul eingetreten waren, so unrühmlich und anrüchig war das, was nun folgte.
Gerieten die großen Herren in einen Strauß, gings ans Rupfen und konnten sie sich einander auf ihren festen Burgen nicht beikommen, so mußten die armen Bauern die Federn lassen.
Zum Stift Schönberg gehörte eine Reihe von Dörfern, deren Bauern dem Bischof dienst- und zinspflichtig waren. Was lag nach den damaligen Kriegsbräuchen näher, als daß man an diesen Mannen des Bischofs sein Mütchen kühlte, sich an ihnen schadlos hielt. Und so zog diese Horde in die nächstgelegenen Dörfer und fiel über die Bauern her, „pochte sie aus“, wie man damals sagte.
Aus genauen Verzeichnissen der „nahm un beschedigung“, die der Bischof später aufstellen ließ, wissen wir, daß den Bauern nicht viel geblieben ist. Manche von ihnen werden kaum mehr als ihr nacktes Leben gerettet haben. Vor allen Dingen hatten die Räuber es auf das Vieh, vornehmlich auf Pferde, abgesehen. Bemerkenswert an diesen Schadensrechnungen ist die große Zahl der Pferde, die die Bauern damals besaßen.
An Vieh wurde ihnen genommen:

Pferde Kühe Schafe Schweine
1. Groß Bünsdorf
Hans Jolp 27 30 20 -
Wendelbome Wiggerdes 22 15 29 -
Wigger Wiggerdes 21 15 29 -
Tewes Krikhen 8 7 12 -
de Herde - 1 8 -
2.Klein Bünsdorf
Lütke Boie 14 14 22 -
Jürgen Boie 13 4 29 -
Hans Boie 18 9 24 3
Laurens Boie 1 10 20 3
Clawes Wiggerdes - - 19 4
de Herde - - 14 -
3. Blüssen
Detloff Fridach 9 16 20 2
Hans Luders 15 10 - -
Peter Woltmann 10 9 6 -
Clawes Rentzow 12 10 26 -
4. Rodenberg
Goslick Rentzow 13 16 18 -
Hinrick Busch 14 27 28 3
Jürgen Souenmarck 14 18 13 -
Dethmer 8 15 20 -
5. Rüschenbeck
Hans Wiggerdes 4 - 2 12
Peter Kocke - 19 29 -
(ein Vorfahre unseres Gemeindegliedes,
des Kohlenhändlers Adolf Kock)
6.Poppenhusen
Clawes Wiggerdes - 21 30 7
Hans Wiggerdes 1 2 30 2
des Karkheren man to Gadebusk 16 17 20 -
(d. h. ein Bauer, der dem Pfarrer zu Gadebusch pflichtig war)
251 279 465 32



Außer dem Vieh wurden fast sämtliche Gebrauchsgegenstände aus Stall und Scheune und fast aller Hausrat gestohlen. Alles hier aufzuzählen, würde zu weit führen. Aber die Schaden-Ersatzansprüche lassen uns so wertvolle Schlüsse auf das Leben der damaligen Bauern ziehen und gewähren uns einen so genauen Einblick in die damaligen Preise, daß ich wenigstens die Verlust-Liste eines Ausgeplünderten hersetzen will. Die angegebenen Preise sind die Forderungen für das geraubte Stück, müssen sich also mit dem damaligen Barwert decken. Leider sind mir manche Bezeichnungen dunkel geblieben: ich bitte alle Leser, besonders die älteren, in ihrem plattdeutschen Wortschatz Umschau zu halten, und die Bedeutung aufzuhellen. Der Bauer Clawes Rentzow aus Blüssen stellt folgende Schadens-Ersatzansprüche[3]:

8 perde, dat perdt 8 Mark
10 koie (Kühe), de koie 4
28 schape, dat stucke 8 Schilling
6 grapen for 4
2 ketel (Kessel)
- for einen 4
- for den andern 5
1 wagen for 2
4 thome for 2
Vlesk (Fleisch) for 10
7 side speckes (Speckseiten) 7
Linnenwerk 12
2
1
1
snorrocke (snor=Schnurbart/Bartrock/Barthalter?)
par leidescher mouven (Ärmel)
leidenscher kragen (aus der Stadt Leyden )
tohope
(zusammen)
5 Mark
1 bruggescher Rock 2 Mark
(aus der belgischen Stadt Brügge,
aus der im Mittelalter viele Webwaren gekauft wurden)
1 grawen (grauen) Rock for 20 Schilling
1 paar wittehaßen (Galoschen?) 12 Schilling
4 smer (Schmiere - Schmalz? - Fett?) for 1 Gulden
1
1
schepel (Scheffel)
korde (Kordel?, Seil?)
tohope 1 Gulden
1
1
sadel (Sattel?) mit helsinge (?)
thom
tohope 1 Gulden
1 par plochisern (Pflugscharen) 1 Mark
Redes geldes (bares Geld) 40 Mark
for egghetow (?) 1 ½ Mark
1 nige (neue) selen (Sielen) vnd plochboker (?) 1 Gulden
1 harhamer for 4 Schilling
(Hammer zum Haaren (Schärfen) der Sensen
½ stoueken-kanne (Bierkanne) 8 Schilling



Aus den Verlust-Listen der andern Bauern gebe ich auszugsweise noch einige andere Gegenstände mit ihren Preisen:

dat speth (2) Vlesches (Fleisch) for 5 Schilling
dat stuck swines-rugge (Stück Schweinerücken) 12 )Schilling
dat stuck swines-koppe (Stück Schweinekopf) 1 Schilling
10 punt talges (Pfund Talk) 10 Schilling
8 punt wasses (Wachs) 3 Mark
20 stige lichte (Kerzen?) 12 Schilling
25 laken beierwanth, mutzen un anner linnentuch 30 Mark
3 leidensche hoiken (Mäntel) 12 Mark
4 beiderwandes rocke 2 ½ Mark
1 par buxen (Hosen) 5 Schilling
1 bedde (Bett) 5 Mark
4 houetkissen (Hauptkisssen/Kopfkissen) 4 Mark
4 stolkissen (Unterbett) 3 Mark
2 houetpole (Kopfpfühl/Federkissen) 5 Schilling
1 timmerbil (Zimmer(er)beil) 2 Mark
2 woltexe (Wald-Aexte) 2 Mark
1 binderze 5 Schilling
1 seitze (Sense) 1 Mark
3 leeseitzen 3 Mark
1 ketelhaken 1 Mark
(Kesselhaken, um den Kessel über das Feuer zu hängen)
1 sulweren papegoie 4 Mark
(silberner Papagei, ein Zier-Gegenstand)



Der Gesamtwert des Geraubten wurde auf 42023 Schilling angegeben, eine achtbare Summe, wenn man bedenkt, daß ein Pferd damals 8 Mark, kostete. Außerdem erbrachen die Räuber die Kapelle zu Blüssen, zerstörten ihre Einrichtung und raubten oder vernichteten die Messegewänder

(Fortsetzung folgt.)

Die Einführung der Reformation im Klützer Ort (letzter Teil)

Gemeindeblatt Nr. 34
M. Brüsehafer
4. Fortsetzung und Schluß.


Der umfangreiche Raubzug der von Plessen nahm an demselben Tage bei Gutow sein Ende. Dort wurde die Beute verteilt, und die Räuber zogen in dem wohligen Gefühl, dem verhaßten Bischof eins ausgewischt zu haben, auf ihre Burgen.
Der Bischof sandte noch am gleichen Tage einen reitenden Boten an die mecklenburgischen Herzöge mit einer Klageschrift und forderte ein energisches Eingreifen gegen die Friedensstörer. Er berief sich dabei auf einen Beschluß in Speier, nach dem sich auch die mecklenburgischen Herzöge verpflichtet hatten, daß „wenn ein Stand, der überzogen werde, einen andern zu Hülfe rufen würde, demselben geholfen werden solle.“
Nach reichlich einer Woche erließen denn auch die Herzöge an die von Plessen einen Befehl, den Landfrieden nicht zu stören. Damit hielten sie die Sache für erledigt. Der Bischof gab sich damit indessen nicht zufrieden. Er übersandte den Herzögen genaue Einzelheiten des Raubzuges, forderte energisch Ersatz für den angerichteten Schaden und beklagte sich vor allem über den Einbruch in die Kapelle zu Blüssen, den Raub der Meßgewänder und die Mißhandlung eines Vikars. Er schilderte dann sie kirchlichen Zustände im Klützer Winkel und betonte, daß der Adel evangelische Pfarrer in Klütz, Friedrichshagen, Diederichshaͤgen eingesetzt habe, die sich unbotmäßig gegen ihn benähmen, und droht schließlich mit der Klage beim Reichskammergericht. Die Herzöge erneuerten nun ihren Befehl an die von Plessen und forderten sie auf, den angerichteten Schaden zu ersetzen. Die Ritter mußten aber nur zu genau, was von solchen herzoglichen Anordnungen zu halten sei, und forderten die Herausgabe ihres Pfarrers Thomas Aderpul, von Wiedergutmachung war nicht die Rede.
Als der Bischof einsieht, daß er nichts erreicht, macht er die Sache beim Reichskammergericht anhängig, und nun beginnt ein Prozeß „gegen Henneke, Johann, Reimar und Berend, Gebrüder und Vettern von Plessen und Consorten“, der sich mit Petitionen und Protestationen, mit Repliken, Dupliken und Tripliken wie ein endloser Schwanz über ein Jahrzehnt hinzieht. - Und Thomas Aderpul - die Ursache des ganzen Streites?
Sitzt er noch immer im Gefängnis?
Lange Hören die Ritter nichts von ihrem Prediger. Es wird hier und da gemutmaßt, er sei nicht. mehr unter den Lebenden. Auf Umwegen erfahren die von Plessen endlich, daß er noch immer in Schönberg gefangen gehalten werde. Mit Gewalt ist nichts auszurichten, so greifen die Ritter zur List. Der Magister [Tileman Stella], dem wir die Kunde von diesen Vorgängen verdanken, erzählt.

„Berend von Plessen habe einen Kerl aufgebracht, der sich für Thomas Aderpuls Blutsfreund ausgegeben und dem Bischof Brandbriefe zugeschickt habe. Als nun der Bischof gesehen, daß er immer mehr Feinde erhalte, habe er den Prediger gegen [Urfehde] freigelassen.“ 

Anfang 1531 - wahrscheinlich ist er länger als ein Jahr im Gefängnis gewesen - ist Aderpul wieder Pfarrer in Gressow. Doch hat seine Wirksamkeit hier nicht lange gedauert. Die Bauern, wahrscheinlich aufgehetzt durch die Papisten, wollen keinen Pfarrer haben, der im Gefängnis gesessen hat. Sie verklagen ihn beim Herzog, daß er in der Verkündigung des Wortes Gottes und in der Austeilung der Sakramente lässig gewesen sei. Der Herzog versetzte darum Aderpul als ersten evangelischen Pfarrer nach Malchin. Dort tritt er Mitte des Jahres 1531 auf. Hier wirkte er 17 Jahre lang. Er ist mit seinen Erfolgen in Malchin aber nicht zufrieden und geht deshalb 1548 als erster evangelischer Pfarrer nach Bützow. Dort ist er 1556 gestorben.
Im Klützer Ort nahm die Reformation trotz des Streites zwischen Adel und Bischof ihren Fortgang. Gressow blieb lutherisch, und in Klütz, Diederichshagen und Friedrichshagen waren schon 1530 lutherische Prediger, trotz des bischöflichen Patronats. Nach und nach folgten auch die andern Gemeinden, im Jahre 1540 ist die ganze Gegend lutherisch.
Der erste evangelische Pfarrer in Klütz hieß Henricus. Der Adel des Klützer Ortes scheint sich aber die Reformation nicht sehr zu Herzen genommen zu haben. In einem Visitations-Bericht aus dem Jahre 1535 heißt es über die Pfarre in Klütz:
„Ein ander, Henricus, Kirchherr zum Klucz, ein fein Mann, beklagt sich des Edelmanns des Namens Bernhart von Pless, zum Arbshagen gesessen, daß er ihm an seiner Kirchenbührung verkürzt, droht ihm am Leben zu schaden und bei 4 mal tödlichen gesucht und überfallen hat.“

So beginnt und endet die Reformation im Klützer Ort mit Gewalttaten und Güterentziehungen.
Der Prozeß beim Reichskammergericht schien kein Ende nehmen zu wollen. Die letzten Prozessakten, die uns erhalten sind, stammen aus dem Jahre 1543. Wann das Endurteil gefällt ist, läßt sich nicht mehr feststellen. Es ist uns auch nicht mehr erhalten. Der mehrfach erwähnte Geschichtsschreiber Tileman Stella nimmt an, daß die Plessen zu einer Geldbuße verurteilt sind. Manche Teilnehmer an dem Raubzuge sind inzwischen schon gestorben, andere haben sich mit dem Bischof verglichen. In einzelnen Fällen haben die Streitigkeiten bis zum Tode des Bischofs im Jahre 1550 gedauert. Damit hatte alle Fehde ein Ende.

Quellen

Gemeindeblatt der Kirchgemeinde Klütz Nr. 28, 29, 30, 31, 33, 34

Fußnoten

  1. Zusammengestellt nach den 2. Heft des Evangelischen Preßverbandes Mecklenburg: Das Erbe der Väter, Mecklenburgische Kirchengeschichte im Grundriss von :Pastor D. Dr. Karl Schmalz, Schwerin. Allen:Freunden Mecklenburgischer Kirchengeschichte sei dies Heft angelegentlich empfohlen.
  2. Benutzt wurden zu dieser Arbeit: Raabe, Vaterlandskunde Boll, Abriß der Meckl Sandeskunde sowie mehrere Auflätze von G. E.F. Lisch in den Jahrbüchern des Vereins für meckl. Geschichte und Altertumskunde.
  3. Jahrbücher des Vereins für Meklenburgische Geschichte Bände [14-16 S. 88-89]